Protokoll der Sitzung vom 24.01.2008

Diese Probleme sind nicht innerhalb weniger Wochen und Monaten zu beseitigen. Wir wissen auch, dass Bemühungen seitens des Staates, wenn an mehreren Stellen angesetzt werden soll, nötig sind, die deutlich mehr finanzielle Mittel in Anspruch nehmen werden, als dies bisher der Fall war.

Es muss an vielen Stellen zur Problemlösung angesetzt werden. Kriminelle Karrieren beginnen meistens nicht erst im Alter von 14 Jahren, sondern die Entwicklung dahin zeigt sich schon sehr oft viel früher. Kinderpsychologen sprechen sogar schon vom Kindergartenalter. Regeln werden gebrochen, die Schule geschwänzt, der Klassenkamerad verprügelt, und im Kaufhaus lässt man auch schon einmal etwas mitgehen.

(Zuruf der Abg. Frau Mohr, SPD)

Frau Mohr, ich kann nur sagen, was ich von Fachleuten zu hören bekomme. Ich bin keine Kinderpsychologin, sondern Juristin.

Verantwortlich für die Erziehung sind die Eltern des Kindes.

(Beifall bei der FDP – Eymael, FDP: So ist es!)

Sie tragen die Verantwortung dafür, dass das Kind unter Bedingungen aufwächst, die es ihm später ermöglichen, ein selbstbestimmtes Leben in der Mitte unserer Gesellschaft und unter Beachtung ihrer Normen zu führen. Der Staat soll nicht ohne Grund versuchen, sich an die Stelle der Eltern zu setzen, und bei der Lebensplanung und -gestaltung ständig lenkend eingreifen.

Allerdings gewinnt man – auch diese Bemerkung sei mir als Liberale gestattet – bei manchen staatlichen Kampagnen oft den Eindruck, dass der Wille zur staatlichen Bevormundung auch gegenüber Erwachsenen eher zu- als abnimmt.

Der Staat ist dann gefordert, wenn die Eltern mit der Erziehung ihres Nachwuchses offensichtlich überfordert sind. Dann müssen sie von der Kinder- und Jugendhilfe im Rahmen entsprechender Präventionskonzepte unterstützt werden. In diese Präventionskonzepte sind zudem die Schulen, die Polizei, die Staatsanwaltschaften und Gerichte einzubinden. Nur eine enge Vernetzung dieser

Institutionen kann kriminelle Karrieren verhindern. Zudem ist es wichtig, dass gerade in Kindergärten, Kindertagesstätten und Schulen die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund weiter vorangetrieben wird.

Dazu gehört das Erlernen der deutschen Sprache ebenso wie die Einbindung der Eltern in die Vermittlung unserer Werte- und Kulturgesellschaft. Der Faktor „Bildung“ kann sowohl bei der Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund als auch bei deutschen Jugendlichen aus bildungsfernen Familien nicht hoch genug eingeschätzt werden.

(Beifall der FDP)

Hier sind es vor allen Dingen die Ganztagsschulen mit einem qualitativ ansprechenden Angebot, die jungen Menschen alternative Beschäftigungsmöglichkeiten bieten. Auch kommt es in Fällen der Delinquenz vor allem darauf an, dass schnell gehandelt wird und die von Gesetzen vorgesehenen Sanktionsmöglichkeiten voll ausgeschöpft werden.

In Rheinland-Pfalz waren die Polizei und die Justiz schon immer an einer Verfahrensbeschleunigung interessiert. Sie müssen sich auch hier – das ist heute Morgen auch schon angeklungen – nicht hinter den anderen Bundesländern verstecken.

Mit dem „Haus des Jugendrechts“ in Ludwigshafen, das noch von der alten Regierungskoalition ins Leben gerufen wurde, das demnächst auch in Mainz errichtet wird – wir haben heute Morgen gehört, es sind weitere Häuser mit diesem Konzept geplant –, ist ein Schritt in die richtige Richtung getan worden. Wir begrüßen das sehr.

Das alles setzt aber voraus, dass in den Bereichen des schulpsychologischen Dienstes, der Schulsozialarbeit, der Jugendämter, der Polizei und der Justiz sowohl für ein beschleunigtes Vorgehen zu Präventionszwecken als auch in den Strafverfahren eine Anhebung des Personals erfolgen müsste. Der Mitarbeiterstab ist seinerzeit zwar im Strafvollzug deutlich angehoben worden, wenn man aber den Berichten der Polizei, der Justiz, den Schulen und auch seitens der Kommunen für die Jugendämter glauben kann, besteht hier ein weiterer Bedarf.

Außerdem muss sich im Strafvollzug das erzieherische Einwirken auf die Jugendlichen fortsetzen. Dazu bietet das verabschiedete Landesjugendstrafvollzugsgesetz eine gute Grundlage. Es wäre noch verbesserungsbedürftig gewesen. Das hatten wir schon einmal in diesem Hause.

Die Möglichkeit zur Schaffung von Alternativen zur Strafvollzugsanstalt in der bisherigen Form ist in das Gesetz ausdrücklich aufgenommen worden. In diesem Hause wurde auch von den Erfahrungen einiger Abgeordneter aus den Einrichtungen in Leonberg und auch der Schweiz berichtet.

Wir wissen alle, dass es zweifelsohne sehr gut wäre, wenn solche Einrichtungen entsprechend mehr eingerichtet werden und unsere Jugendstrafanstalten nach dem bisherigen Muster ersetzen könnten. Man muss

aber auch – ich finde, das gehört zur Ehrlichkeit dazu – sagen, dass es zu einer erheblichen Kostensteigerung führt, wenn man so etwas möchte. Ehrlich gesagt bezweifle ich, ob in dem dann erforderlichen Umfang unsere Gesellschaft auch bereit wäre, diese Kosten mitzutragen. (Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Deshalb ist es längerfristig besser, schon in frühester Jugend auf mögliche Problemfälle präventiv einwirken zu können.

Doch Erziehung ist nicht nur eine Aufgabe für alle unmittelbar mit der Erziehung Betrauten, sondern auch eine Frage der Sozialkontrolle. Nicht selten erlebt man, dass Erwachsene verstohlen wegblicken, wenn Kinder in öffentlichen Verkehrsmitteln, in öffentlichen Gebäuden oder auf öffentlichen Plätzen randalieren oder sich ziemlich daneben benehmen. Während es früher üblich war, dass man auch schon einmal von fremden Erwachsenen ermahnt wurde, leiser zu sein oder andere nicht zu stören, möchte sich heute niemand mehr als Kinderfeind verdächtigen lassen und schweigt.

(Ministerpräsident Beck: Sehr richtig!)

Schade, denn damit werden wesentliche Chancen vertan. Warum sollte man beispielsweise nicht zu einem Kind, das sich vordrängeln möchte, sagen, es müsse wie alle anderen in der Schlange warten.

(Beifall der FDP)

An dem verdutzten Gesicht des Kindes sieht man, dass so etwas eine ganz neue Erfahrung für es ist. Ich behaupte einmal, es ist nicht die schlechteste. Ein wenig mehr Zivilcourage wäre hier angebracht, wobei ich nicht verkenne, dass es leichtsinnig ist, sich als Erwachsener allein gegen eine Gruppe prügelnder Kinder oder Jugendlicher zu stellen. Hier wäre Mut fehl am Platze. Hier ist Polizeipräsenz vonnöten.

Die Verschärfung der Sanktionsmöglichkeiten im Jugendstrafrecht ist nach Ansicht der FDP nicht erfolgversprechend. Auch das haben wir schon mehrmals gesagt. Die den Gerichten zur Verfügung stehenden Sanktionsmöglichkeiten sind ausreichend. Sie müssen nur schnell und umfassend zum Einsatz kommen.

Wichtig in diesem Zusammenhang – auch das muss man immer wieder sagen – ist der Täter-OpferAusgleich. Durch die Konfrontation mit dem Opfer werden gerade junge Menschen mit den Folgen ihrer Tat konfrontiert. Es sind auch sehr oft die Opfer, die genau diese Konfrontation möchten, und zwar auch, um eine gewisse Genugtuung zu empfinden. Oft reicht die Strafe nicht aus.

Damit Sie und andere nicht zu Opfern werden, ist es wichtig, dass im Vorfeld junge Menschen, die vom richtigen Weg abzukommen drohen, auf diesen wieder zurückgeführt werden. Auch das ist von meinen Vorrednern gesagt worden. Hier kommt es vor allen Dingen auch auf ein konsequentes Vorgehen an.

(Beifall der FDP)

Vieles von dem, was ich aus FDP-Sicht angesprochen habe, ist auch in dem Antrag der CDU enthalten, und zwar sowohl die Analysen als auch die Lösungsvorschläge. Diese Passagen finden auch unsere Zustimmung.

Nicht zustimmen können wir hinsichtlich der anklingenden Verschärfung des Jugendstrafrechts. Die Vorstellung, dass durch einen etwas größeren Umfang einer Videoüberwachungsanlage das subjektive Sicherheitsgefühl bei den Bürgerinnen und Bürgern deutlich gestärkt würde, wage ich eher zu bezweifeln. Repressiv mit Sicherheit sehr nützlich, präventiv na ja. Wir wissen, dass hinter jeder Kamera eine entsprechende Person mit einer entsprechenden Eingreiftruppe sitzen müsste. Ganz so einfach wäre dies nicht.

(Beifall der FDP)

Aus den genannten Gründen werden wir uns zu dem Antrag der CDU enthalten.

Danke schön.

(Beifall der FDP)

Vielen Dank.

Herr Justizminister, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist heute in diesem Plenum deutlich geworden, dass der Landesregierung, uns allen an der Bekämpfung der Jugendkriminalität gelegen ist und sie einen hohen Stellenwert bei uns einnimmt.

Wir, die Mitglieder der Landesregierung, haben – ich habe das heute Morgen dargestellt – vieles auf den Weg gebracht und auch Erfolge zu verzeichnen. Gleichwohl sind wir natürlich weiterhin bestrebt, Verbesserungen in diesem Bereich zu bewirken.

Herr Dr. Wilke, dass die Gewaltkriminalität steigt, habe ich heute Morgen – ich glaube, auch mit den richtigen Prozentsätzen – gesagt. Wir wollen ganzheitlich vorgehen. Ich denke, das ist der richtige Weg.

Es geht um Integration statt Ausgrenzung, es geht sicher um die Beschleunigung und die stärkere Effizienz von Jugendstrafverfahren, statt der Forderung nach härteren Sanktionen, es geht um Prävention und Perspektiven. Frau Dr. Lejeune hat es gesagt, das betrifft die Familien, die Schulen, die Jugendhilfe, die Polizei und die Justiz, und dies alles in einer guten, eng vernetzten Zusammenarbeit.

Ich finde, das Jugendstrafrecht bietet vielseitige und flexible Möglichkeiten zur Reaktion. Ich meine, die heute hier von der CDU geforderte Verschärfung des Jugendstrafrechts führt nicht zum Ziel, sondern eher in eine

Sackgasse. Ich will nur noch einmal ganz kurz auf die Forderungen nach dem Warnschussarrest, nach einer Erhöhung der Jugendstrafe oder nach der Anwendung von Erwachsenenstrafrecht auf Heranwachsende eingehen.

Alle Forderungen nach zusätzlichen oder schärferen Mitteln des Strafrechts gehen an dem Grundproblem der Ursachenbekämpfung vorbei. Mit der verkürzten Formel „Härte bedeutet Wirkung“ mag sich manch einer vielleicht eine Wirkung in Wahlkämpfen versprechen, eine erzieherisch effiziente Einwirkung auf junge Menschen lässt sich damit nicht bewerkstelligen. Es wird der Anschein erweckt, das Strafrecht sei ein Allheilmittel. Tatsächlich muss es bleiben, was es ist, nämlich Ultima Ratio.

In dem Forderungskatalog der CDU ist die Forderung nach einer Ausweitung der Sicherungsverwahrung enthalten. Man sollte hier vorsichtig sein. Sie soll auch gegen junge Straftäter, die zu einer Jugendstrafe von – so sagen Sie – mindestens fünf Jahren verurteilt werden, verhängt werden können. Ich denke, das geht entschieden zu weit.

Wir müssen bedenken, dass die bei den Betroffenen regelmäßig noch andauernden Entwicklungsprozesse eine Gefährlichkeitsprognose erheblich erschweren. Deshalb ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung, der von einer Mindeststrafe von sieben Jahren ausgeht, der richtige Weg.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, auf die anderen Forderungen bin ich heute Morgen schon eingegangen. Nur noch einmal ganz kurz: Die Erwartung, die Anhebung der Strafobergrenze entfalte eine stärker abschreckende Wirkung, ist falsch.

Nach unserer Erfahrung spricht gegen eine Anhebung des Höchstmaßes der Jugendstrafe schon, dass bereits der derzeitige Strafrahmen nur äußerst selten ausgeschöpft werden muss.

Nach der Strafverfolgungsstatistik ist es in RheinlandPfalz in den Jahren 2000 bis 2006 jeweils nur in einem Fall bis acht Fällen zur Verhängung einer Jugendstrafe zwischen fünf und zehn Jahren gekommen.