Protokoll der Sitzung vom 24.01.2008

(Beifall bei der CDU)

Frau Schäfer, das war gut getimt. Es wurde keine Überweisung an den Ausschuss beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 15/1664 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD gegen die Stimmen der CDU und der FDP abgelehnt.

Da vereinbart wurde, die Besprechung der Großen Anfrage, die Personalsituation der Polizei in RheinlandPfalz betreffend, heute nicht zu behandeln, kommen wir zu Punkt 22 der Tagesordnung:

Situation und Perspektiven im Schiedsamtswesen in Rheinland-Pfalz Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksachen 15/1548/1655/1714 –

Herr Kollege Dr. Wilke hat das Wort. Es wurde eine Grundredezeit von zehn Minuten vereinbart.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mancher mag die Behandlung dieses Themas zum Ende der Plenarsitzung für eine Sanktion des Jugendstrafrechts halten. Ich will mich kurz fassen, wie es von den Kolleginnen und Kollegen angeregt wurde.

Ich denke, es macht Sinn im 181. Jahr, in dem es das Schiedsamtswesen in Deutschland gibt, sich mit diesem Thema im Plenum auseinanderzusetzen. Im Oktober 2007 konnten die Schiedsleute sozusagen ihren 180. Geburtstag feiern. Wenn man sich die Situation des Schiedswesens in unserem Bundesland und in anderen Bundesländern anschaut, muss man feststellen, dass es auch dort die Diskussion um Mediation in vielfältiger Form gibt. Das gilt für viele Bereiche.

Es wird über das Schiedswesen insgesamt nicht mehr so viel gesprochen. Es handelt sich sozusagen um altes Silber, das ein bisschen angelaufen ist und neu poliert werden muss, damit man zeigen kann, wir brauchen keine Importe aus Amerika, um das dahinterstehende Anliegen, sich möglichst außergerichtlich zu einigen, wenn Streit in verschiedenen Lebensverhältnissen entsteht, erfolgreich anzugehen. Die von uns letztes Jahr gestellte Anfrage bot eine gute Gelegenheit, in dem 180. Jahr des Schiedswesens in Deutschland den Status quo in unserem Bundesland Rheinland-Pfalz umfassend aufzuarbeiten.

Wenn man sich die Zahlen ansieht, dann sieht das wie folgt aus: Bei 311 bestellten Schiedspersonen in Rheinland-Pfalz wurden 2006 684 Fälle verhandelt. Das heißt, dass gut zwei Fälle pro Schiedsmann oder Schiedsfrau, die es Gott sei Dank auch gibt, angelandet sind. Die Tatsache, dass diese Zahl seit 2002 einen leichten Rückgang zu verzeichnen hat, nämlich seit 2000 mit 768 Fällen jetzt nur noch 684 Fälle, ist ein weiteres Indiz dafür, dass es weiter verblasst und glanzlos ist. Das ist ein Rückgang von 100 Fällen. Handlungsbedarf ist gegeben.

Ich hoffe, es besteht in diesem Hohen Haus Einigkeit darüber, dass Schiedsleute über viele Qualitäten verfügen. Die Schiedsleute, die ich kenne – ich unterstelle, dass das auch auf die anderen zutrifft –, sind erfahrene Männer und Frauen, die über ein hohes Einfühlungsvermögen verfügen. Es gibt eine Menge von rechtlichen Auseinandersetzungen, bei denen es wesentlich weniger auf die perfekte Kenntnis der Gesetze bis in den letzten Unterabsatz hinein ankommt, sondern vielmehr mit Herz und Einfühlungsvermögen zu versuchen, zwischen Streithähnen, die es oft sind, zu vermitteln. Nachbarstreitigkeiten und Ehrverletzungen sind die Schwerpunkte im Schiedswesen. Gerade in diesem Bereich sehe ich Perspektiven, diesem Institut wieder mehr Kraft und Nachdruck zu verleihen.

Herr Minister, von dieser Stelle aus möchte ich Ihnen klar sagen, wir begrüßen Ihre Pläne, die Sie gerade pünktlich zur Erörterung im Plenum über die Presse

vorgestellt haben, durch ein Landesgesetz eine verpflichtende Anrufung der Schiedsleute in Ehrverletzungsstreitigkeiten und Nachbarschaftsstreitigkeiten, die für Gerichte oft eine Pein sind, vorzusehen. Diese Dinge müssen zum Schiedsmann bzw. zur Schiedsfrau, bevor sie zum Gericht gehen. Damit soll der Versuch unternommen werden, diese Sachen vorgerichtlich zu bereinigen.

Andere Länder haben von der Möglichkeit, die das Bundesrecht schon seit einigen Jahren bietet, erfolgreich Gebrauch gemacht. Auf der letzten Justizministerkonferenz wurde es erörtert. Sie nehmen das zum Anlass, das jetzt auch in Rheinland-Pfalz einzuführen. Wir, die CDU, begrüßen das außerordentlich.

Wir müssen nach der Umsetzung der Erscheinenspflicht noch einmal nachfragen. Das werden wir bei der Beratung des Gesetzes intensivieren. Das ist ein zentrales Thema. Aus der Antwort auf die Große Anfrage der CDU-Landtagsfraktion geht hervor, dass in den Fällen, die ich beschrieben habe, die schon jetzt auf freiwilliger Basis zum Schiedsmann bzw. zur Schiedsfrau gebracht werden, in einem Drittel der Fälle eine Partei nicht erscheint und sich dem Verfahren entzieht.

So stellen wir uns das natürlich nicht vor. Wir wollen, dass die Streithähne beim Schiedsmann bzw. bei der Schiedsfrau erscheinen, damit versucht werden kann, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Im Sinne einer optimalen Nutzung des Schiedswesens muss es diese Erscheinungspflicht geben. Ich sage hinzu, sie muss ordnungsgeldbewehrt sein, sonst droht sie, zum zahnlosen Tiger zu werden.

(Beifall der CDU)

In Ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage gehen Sie davon aus, dass in den anderen Bundesländern diese straf- und ordnungsgeldbewehrte Erscheinenspflicht in den Landesgesetzen, die das schon kennen, nicht existiert. Unsere Informationen sind anders. Das sollte sich bis zur Behandlung des Gesetzentwurfes in diesem Hause klären lassen.

Unabhängig davon, dass das verpflichtende Vorverfahren zu den gerichtlichen Verfahren kommt, sollten wir den 180. Geburtstag insgesamt zum Anlass nehmen, wieder mehr für dieses Schiedswesen zu werben. Wir werden das unterstützen, das kann ich heute schon sagen. Dieses Schiedswesen ist kostengünstig, es ist informell, es ist, wie man so schön neudeutsch sagt, niederschwellig.

Wir haben es mit Menschen zu tun, die als Schiedsleute ihre Leistungen anbieten und mit sehr viel Herz ihrer Arbeit nachgehen. Daraus lässt sich viel machen. Das sollten wir in dem Land stärker nutzen als in der Vergangenheit, damit dieses etwas angelaufene Silber zukünftig wieder kräftig funkelt und strahlt.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der CDU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich vermute, es war der frenetische Applaus für den Kollegen Dr. Wilke und nicht dafür, dass ich jetzt komme.

(Zurufe von der CDU)

Schade.

Es handelt sich hier um eine Materie, bei der wir großen Konsens haben und ihn auch schon im vergangenen Jahr hatten, als die SPD das Thema im Rechtsausschuss hat behandeln lassen und der Minister auch schon ankündigte, dass ein Gesetzentwurf in der Vorbereitung ist; denn die Schiedsleute sind Menschen, die tief und fest in unserer Gemeinschaft vor Ort verwurzelt sind. Herr Dr. Wilke, Sie haben das zu Recht angesprochen, sie sind häufig reich an Lebenserfahrung, indem es ältere Menschen sind, die dieses Ehrenamt übernehmen. Die Schiedsleute sind heute schon wichtig für den Rechtsfrieden.

Aus der Beantwortung der Großen Anfrage geht hervor, dass 50 % Vergleiche vor den Schiedsleuten geschlossen werden. Das liegt damit in einer Linie mit anderen Elementen, in denen die Justiz mit ehrenamtlichen Personen arbeitet, wie zum Beispiel in den Stadtrechtsausschüssen. Wir haben da in Rheinland-Pfalz ganz deutlich eine Verminderung der Verfahren, weil viele Leute einfach auch einmal ihre Seite vor einer neutralen Person darlegen wollen, um zu einem Ergebnis zu kommen.

Das Gesetz, das der Minister jetzt angekündigt hat und das sich im Entstehen befindet, dass Nachbarschaftsstreitigkeiten und Ehrverletzungsdelikte zunächst vor Schiedsleuten behandelt werden sollen, ist in einer Linie mit der außergerichtlichen Streitbeilegung, die Themenschwerpunkt des Justizministeriums seit dem Jahr 2006 ist. Es dient auch deshalb dem Rechtsfrieden – da kann man ganz ehrlich sein –, weil es ganz viele Fälle in den von mir genannten Streitigkeiten gibt, nämlich Nachbarschafts- und Ehrverletzungsdelikte, in denen sich Menschen um des Zankens willen zanken und es eigentlich um gar kein höheres Ziel geht. Wir sind der festen Überzeugung, dass durch die Schiedsleute auch solche Fälle befriedigend beigelegt werden können.

In dem Zusammenhang muss man zu Recht diskutieren, ob man eine Erscheinenspflicht will – Sie haben jetzt sogar gesagt „ordnungsgeldbewehrt“ – oder nicht. Es ist eine grundsätzliche Frage, wie man das Schiedsgerichtsverfahren ausstattet. Wenn man nämlich auf die Einigkeit hinaus will, dann ist vielleicht ein zusätzlicher Antrieb der, dass man auch freiwillig erscheinen kann oder es eben nicht tut und so ein Signal gibt, eine einvernehmliche Lösung zu bekommen.

Ein letzter Punkt in diesem großen Konsens, dass wir hier den Schiedsleuten mehr Aufgaben übertragen wollen, ist die Tatsache, dass die Schiedsleute das wollen. Das sind über 300 Menschen – wenn auch knapp über 300 Menschen –, 311 in Rheinland-Pfalz, die mit großem ehrenamtlichen Engagement eine Aufgabe für die Gemeinschaft übernommen haben. Wenn wir diesen

Menschen etwas mehr Aufgaben geben können und es auch noch dazu führt, dass wir mehr Rechtsfrieden haben und vielleicht weniger Verfahren vor den Gerichten, dann ist allen Seiten etwas Gutes getan. In diesem Sinne freuen wir uns auf die weiteren Beratungen.

(Beifall der SPD)

Vielen Dank.

Frau Dr. Lejeune, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit einer Großen Anfrage seitens der CDU-Fraktion und ihrer Beantwortung durch den Justizminister ist das Schiedsamtswesen näher beleuchtet worden. Obgleich es in Rheinland-Pfalz derzeit 311 Schiedspersonen gibt, die vor der Beschreitung des Rechtsweges die Lösung eines Konfliktes herbeizuführen versuchen, ist die Anzahl der Anträge auf Streitschlichtung verglichen mit der Anzahl der Rechtsstreitigkeiten, die durch ein Gericht entschieden werden, eher übersichtlich.

Dies würde sich auch dann nicht ändern – das muss man auch ganz klar sagen –, wenn man in die Statistik die sogenannten Tür- und Angelfälle mit einbeziehen würde. Das liegt zweifelsohne nicht an der Qualität der Arbeit der Schiedspersonen, sondern vielmehr an dem Wunsch der Streitenden nach einer gerichtlichen Entscheidung.

Seit Jahren sind die Schiedspersonen zusammen mit der Justizverwaltung darum bemüht, ihre Arbeit bekannter zu machen und dafür zu werben, dass insbesondere bei zivilrechtlichen Streitigkeiten mit einem nur geringen Streitwert – etwa bei Nachbarschaftsstreitigkeiten oder auch Beleidigungs- und leichten Körperverletzungsdelikten – zunächst eine Aussprache vor einer Schiedsperson und möglicherweise auch eine Schlichtung durch diese herbeigeführt werden sollte. Geworben wurde und wird mittels einer Broschüre „Schlichten statt Richten“ und einer entsprechenden Präsenz des Schiedsamtswesens auf der Homepage des rheinland-pfälzischen Justizministeriums.

Trotz dieser Bemühungen hat das Schlichtungsverfahren durch Schiedspersonen keinen nennenswerten Zulauf erfahren. Die Ursachen dafür sind – das hat das Justizministerium in einer Beantwortung der Anfrage auch dargestellt – vielfältig. Unsere Erfahrungen sind auch nicht anders. Eine Ursache ist zweifelsohne der mangelnde Versöhnungswille auf zumindest einer Seite der Streitenden.

Dies belegt auch die Zahl derjenigen, die beispielsweise in Nordrhein-Westfalen trotz obligatorischem vorgerichtlichen Schlichtungsverfahren diesem fernbleiben. Das ist immerhin ein Viertel. Herr Dr. Wilke, Sie haben sogar von einem Drittel gesprochen, die auch hier dieses Ver

fahren nicht befürworten, und dies, obwohl es sich bei dem Verfahren um ein solches handelt, das für eine außergerichtliche Streitbeilegung geeignet wäre.

Weitere Ursache ist die mangelnde Eignung einer Vielzahl von Fällen für ein Schlichtungsverfahren. Zwar sind die zivilrechtlichen Streitigkeiten zahlenmäßig eher in einem Aufwärtstrend, aber von diesen Verfahren eignen sich kaum welche für ein Schlichtungsverfahren. Die Nebenkostenabrechnung des Vermieters mag zwar Ursache für eine Auseinandersetzung sein, vielleicht sogar eine tätliche zwischen Mieter und Vermieter, aber dies ist endgültig nur mit der Klärung von Rechtsfragen verbunden, was der Vermieter nach dem Mietvertrag in Rechnung stellen darf. Das ist dann entsprechend zu klären.

Demnach ist für die Beantwortung reiner Rechtsfragen juristischer Sachverstand in einer Vielzahl von Fällen unvermeidlich. Eine Schiedsperson wäre hier schon aus rein haftungsrechtlichen Gründen – das muss man auch einmal ganz offen sagen – schnell mit ihrer Schlichtungs- und Beratungskompetenz am Ende.

Zweifelsohne mag auch die Rechtsschutzversicherung die Anrufung von Gerichten befördern, aber sie ist kaum die Hauptursache für die Zurückhaltung gegenüber dem außergerichtlichen Schlichtungsverfahren, sondern eben nur eine von vielen. Ich sagte es schon, an der guten Qualität der Schiedspersonen besteht kein Zweifel. Gleichwohl zeigen die statistischen Zahlen, dass ihre Einwirkungsmöglichkeiten zur Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzungen begrenzt sind.

Deshalb kann man trefflich darüber streiten, ob man die Gesetzgebungskompetenz nach § 15 a EGZPO ergreift und ein obligatorisches vorgerichtliches Schlichtungsverfahren mittels einer landesgesetzlichen Regelung einführt. Der Justizminister hat in Beantwortung der Anfrage eine solche in Aussicht gestellt, da – ich zitiere wörtlich – „eine Umsetzung auch in Rheinland-Pfalz namentlich im Bereich der nachbarrechtlichen Streitigkeiten und der Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre Erfolg versprechend erscheint“. Wir konnten das auch alle in der Presse noch einmal lesen.

Zweifelsohne kann das obligatorische vorgerichtliche Schlichtungsverfahren für diese beiden Verfahrensarten einen Entlastungseffekt haben. Dieser sollte allerdings nicht überbewertet werden. Seinerzeit hatte ich im Justizministerium ausrechnen lassen, wie groß dieser Entlastungseffekt bei den Zivilrichtern sei; denn dieser war auch Ausgangspunkt der ZPO-Reform seinerzeit unter Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin.

Es ging insbesondere um den Entlastungseffekt zugunsten der Zivilrichter. Für Rheinland-Pfalz ergab sich nach den damaligen Berechnungen – ich glaube nicht, dass sich daran viel geändert hat –, dass es noch keine halbe Richterstelle ausmachen würde, die mittels dieser gesetzlichen Regelung eingespart werden könnte. Das war dann auch der Grund dafür, warum der damalige Justizminister Mertin entschieden hatte, die weitere Evaluation abzuwarten und vorerst keine rheinland-pfälzische Regelung auf den Weg zu bringen.

Vielleicht sollte man sich diese Zahl noch einmal vor Augen führen, bevor man den bürokratischen Aufwand eines obligatorischen vorgerichtlichen Schlichtungsverfahrens bestimmt. Den Standpunkt der CDU zur Erscheinenspflicht, den Sie, Herr Dr. Wilke, geäußert haben, teile ich definitiv nicht.

Der Charme des Schlichtungsverfahrens liegt in der Freiwilligkeit. Wenn man eine ordnungsgeldbewehrte Erscheinenspflicht normieren würde, dann würde man das Verfahren konterkarieren. Zwar würden beide Streithähne erscheinen, aber den Dialog verweigern. Dann ist die Frage, was dann dabei herauskommt. Wie gesagt, man kann es machen, aber man darf sich nicht davon erhoffen, dass tatsächlich sehr große Effekte zu erwarten sind. Es ist eine nette Kosmetik. Mehr wird nicht dabei herauskommen.

(Beifall der FDP)

Für die Landesregierung hat Herr Justizminister Bamberger das Wort.

(Eymael, FDP: Zackig!)