Protokoll der Sitzung vom 15.05.2008

Die Ärzte sind auch nicht berechtigt – dies wird von Ärzteverbänden teilweise falsch gesagt –, irgendwelche anderen Verträge zu machen, z. B. Hausarztverträge oder Zusatzeinnahmen über Disease-ManagementProgramme oder ähnliche Dinge. Auch das ist nicht

möglich. Den Berufsverbänden an sich ist es nicht erlaubt, Verträge mit den Krankenkassen abzuschließen, sodass sich die Ärzte möglicherweise über diesen Weg beteiligen und dann praktizieren könnten.

Frühestens nach Ablauf von sechs Jahren – dies habe ich gesagt – kann ein Arzt überhaupt wieder für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen werden.

Natürlich ist klar – wir haben 10 % Privatpatienten und -patientinnen –, dass es für Ärzte und Ärztinnen nicht attraktiv sein kann, allein von diesem Potenzial zu leben. Das ist schlicht und ergreifend nicht möglich.

Welche Auswirkungen ein Ausstieg für die Finanzierung, die Existenz einer Praxis hat, wird damit sehr deutlich. Das ist aus meiner Sicht letztendlich auch der Grund dafür, warum es in keinem einzigen Bundesland bislang gelungen ist, das „Korbmodell“ umzusetzen, weil man nicht ernsthaft gewillt ist – das kann man auch verstehen –, seine eigene Existenz aufzugeben, und nichts anderes wäre es. Es wäre die Aufgabe der eigenen Existenz.

Ich möchte noch einmal sagen, dass ich davon ausgehe, dass diese Aufforderung in Rheinland-Pfalz ausschließlich einen einzigen Grund hat, nämlich dass man diesen Druck in der Öffentlichkeit oder öffentlichen Aufmerksamkeit weiterhin hochhalten will, wenn es um das Thema „Vergütung“ geht. Das ist ein berechtigtes Interesse seitens der Ärzte und Ärztinnen, auch wenn ich den Weg nicht gerade für vernünftig halte.

Herr Dr. Schmitz, ich sage noch einmal, was die Landesregierung tut, weil das von Ihrer Seite sehr unvollständig zitiert worden ist.

Wir haben uns immer für ein besseres Vergütungssystem der niedergelassenen Ärzteschaft eingesetzt. Im Gegensatz zu Herrn Dr. Enders bin ich nicht ganz so zurückhaltend und zögerlich, was die Erwartungen aus der Gesundheitsreform an das neue Vergütungssystem betrifft.

Es ist immerhin ganz neu entwickelt worden, nicht von uns als Politik, sondern wiederum von den Ärzten und natürlich auch von den Partnern im Gesundheitswesen insgesamt. Wir haben die Prognosen, dass ab dem 1. Januar 2009 das neue Vergütungssystem zu einer erheblichen Verbesserung der Vergütung der Ärzte führen wird, dies nicht nur deshalb, weil man Abschied nimmt vom Punktesystem, bei dem, wie ich sage, erst im Herbst klar ist, was die Ärzte im Januar verdient haben, sondern weil von Anfang an klar ist, dass das ein transparentes Vergütungssystem ist, das Kalkulationssicherheit bietet, und weil es eine Euro-Gebührenordnung sein wird.

Ein weiterer Punkt ist das Morbiditätsrisiko, das von den Ärztinnen und Ärzten immer wieder beklagt wird. Dies wird in der Zukunft von den Krankenkassen getragen. Das heißt, die Ärzteschaft hat das nicht über das Gesamtbudget, das ihr zur Verfügung steht, auszugleichen. Es wird auch zu merklichen Honorarzuwächsen kommen. Ich nenne jetzt einmal eine Zahl, weil es so viele Zahlen in dem Zusammenhang gibt. Man weiß manch

mal wirklich nicht, worauf man sich verlassen kann. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung selbst nennt die Zahl, dass bundesweit 2,6 Milliarden Euro mehr in das System fließen werden, das aber ausschließlich in den niedergelassenen Bereich. Das sage ich noch einmal ausdrücklich.

Ich bin davon überzeugt, dass sich dann, wenn die neue Vergütungssystematik kommt, der Kampf wirklich gelohnt hat und die Ärztinnen und Ärzte davon profitieren werden.

Wir verschieben das auch nicht auf die Frage „Holt es bei den Krankenhäusern, oder die Krankenhäuser sollen es sich im ambulanten Bereich holen“. Der neue § 116 b geht nicht zulasten der niedergelassenen Ärzteschaft, Herr Dr. Schmitz. Das stimmt schlicht und ergreifend nicht. Die Krankenhäuser haben eine neue Chance, sich über hoch spezialisierte Leistungen neue Betätigungsfelder zu eröffnen. Das geht nicht aus dem Topf der niedergelassenen Ärzteschaft.

(Dr. Schmitz, FDP: MVZ auch nicht?)

Die MVZs auch nicht.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Herr Dr. Schmitz, nein, das dies stimmt schlicht und ergreifend nicht. Wir sagen den Krankenhäusern natürlich, ihr habt neue Chancen, indem ihr euch bei hoch spezialisierten Leistungen auch im ambulanten Bereich bewegt. Da geht es aber weniger um das Krankenhaus als darum, dass die Patientinnen und Patienten gut versorgt werden. Diese neuen Leistungen, die im Moment erst umgesetzt werden, erfolgen nicht aus dem Honorartopf der niedergelassenen Ärzteschaft.

Ich möchte darüber hinaus auch noch sagen, dass in der letzten Zeit viel getan wird und dass der Aufschrei der Ärztinnen und Ärzte vor allem von uns in RheinlandPfalz sehr ernst genommen wird. Ich darf an das Vertragsarztänderungsrecht erinnern, das den Ärzten ganz neue Möglichkeiten der Flexibilität gibt, um die niedergelassene Praxis auszugestalten. Das sind Möglichkeiten, die es in der Vergangenheit nicht gegeben hat. Sie werden auch von vielen Ärztinnen und Ärzte begrüßt.

Ich möchte natürlich auch noch einmal unseren Masterplan nennen, weil wir sagen, die hausärztliche Versorgung wird in den nächsten Jahren eine ganz besondere Dimension haben. Deshalb müssen wir da etwas tun. Das tun wir gemeinsam mit unseren Partnern.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich komme zu dem letzten Punkt von meiner Seite. Herr Dr. Schmitz, Sie haben fairerweise die Vergütungssituation so dargestellt, dass es durchaus Unterschiede bei den Berufsgruppen innerhalb der Ärzteschaft gibt. Das stimmt. Da gibt es erhebliche Unterschiede. Das hat die Politik nicht zu verantworten. Das möchte ich an dieser Stelle mit aller Deutlichkeit sagen. Wir haben in der Ärzteschaft Ärztegruppen, die auch aus meiner Sicht wenig und zu wenig verdienen. Sie sind aber in unserem System dringend notwendig. Die Hausärzte gehören

dazu, weil wir sie in der Zukunft noch mehr brauchen als jemals zuvor.

Wir haben aber auch andere Berufsgruppen. Sie haben als Beispiel die Apparatemedizin genannt. Dort wird unglaublich viel Geld verdient. Auch das muss man öffentlich formulieren und darf nicht nur formulieren, dass einige von ihrer Praxis nicht mehr leben können. Man muss formulieren, dass wir innerhalb der Selbstverwaltungsorganisation große Verwerfungen haben. Insgesamt haben wir nicht sehr wenig Geld im System, sondern es ist nach wie vor sehr, sehr schlecht verteilt.

(Beifall bei der SPD)

Insofern meine ich, der Weg ist genau der richtige, dass man über ein neues Vergütungssystem auch darauf achtet, dass es Verwerfungen, wie es sie derzeit beispielsweise zwischen Rheinland-Pfalz, BadenWürttemberg und Bayern gibt, künftig nicht mehr geben wird und die Ärzte einheitlich für bestimmte Leistungen das Geld verdienen, für das sie ihre Leistungen auch tatsächlich erbringen, egal ob sie in Rheinland-Pfalz oder in Bayern praktizieren. Das ist übrigens der Grund, weshalb es in Bayern und Baden-Württemberg diese großen Auseinandersetzungen gibt, weil dort die Ärztinnen und Ärzte Angst haben, dass sie durch die Honorarreform im Vergleich zu jetzt sehr viel Geld verlieren werden, weil sie jetzt höhere Vergütungen haben. Es ist aber meiner Meinung nach einer der Kernpunkte dieser Reform, dass wir Klarheit und einheitliche Vergütungssätze haben und wir die Verwerfungen, die im Moment sehr, sehr groß sind, in der Zukunft hoffentlich in dieser Form nicht mehr haben werden.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Peter Schmitz.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ausführungen meiner Kollegin Grosse und auch die der zuständigen Fachministerin unterstützen das, was ich in der ersten Runde vorgetragen habe: Deeskalieren, dezente Drohungen und auch Kritik an denen, die im System besser verdienen, die man nachvollziehen kann, Frau Ministerin. In der Klammer dahinter steht natürlich Kritik an einem von Ihrer Seite planwirtschaftlichen System. Ich will jetzt auf diese grundsätzlichen Systemfehler eingehen, weil es in der Tat um die Rückgabe der Niederlassung geht.

Niemand von uns wird in der Lage sein – das ist ein Teil des Drohpotenzials, das bewusst aufgebaut wird – zu sagen, ob dieser Korb gefüllt wird oder ob er nicht gefüllt wird. Sie sind sich sehr sicher, dass das nicht gelingt. Ihr Wort in Gottes Ohr. Ich habe in für die Leistungserbringer weitaus besseren Zeiten erlebt, dass Zahnärzte ein solches „Korbmodell“ installiert haben. Es war ganz knapp, dass er damals nicht gefüllt wurde. Darum geht es aber auch nicht.

Es geht darum – da sind Sie die Antwort schuldig geblieben –, weshalb Patienten in diesem System eine Zweiklassenmedizin erleben, die auch vonseiten Ihrer Parteikollegen, nicht zuletzt von Herrn Lauterbach, kritisiert wird, und es pressegängig war, weshalb Patienten Wartezeiten in Kauf nehmen müssen, weshalb Budgetierungen zwangsläufig Rationierungen nach sich ziehen und weshalb die Ärzte es leid sind. Es findet doch längst eine Abstimmung mit den Füßen statt. Dies geschieht unabhängig von der Frage einer geschlossenen Rückgabe der Kassenzulassung.

Der Gipfel ist Ihr Szenario, was passiert, wenn die Kassenzulassungen zurückgegeben würden. Da kommt man ins Schmunzeln. Bei der Vorstellung, dass 70 % der Kassenärzte – nehmen wir einmal die Flächenversorgung in der Südwestpfalz, im Westerwald oder im Eifelkreis Prüm –,

(Glocke des Präsidenten)

die an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit sind, ihre Kassenzulassung zurückgeben, meinen Sie, dass Sie ihnen damit drohen können, dass sie keine Patienten mehr behandeln werden? Die Patienten werden sich ihre Ärzte suchen. Frau Ministerin, die werden bei Ihnen auf der Matte stehen und Ihnen schon erklären, wer ihre Rechnungen zu zahlen hat.

(Glocke des Präsidenten)

Die werden sich nicht in die Ecke stellen lassen, 50 Jahre Kassenbeiträge gezahlt zu haben, – –

Herr Kollege Dr. Schmitz, Sie haben die Redezeit überschritten!

um dann von Ihnen zu hören, das wird nicht erstattet. Darauf wäre ich gespannt. Ich erhoffe mir eine solche Situation nicht,

(Glocke des Präsidenten)

aber Ihr Szenario bringt einen wirklich zum Schmunzeln.

(Beifall der FDP)

Das Wort hat Frau Kollegin Grosse.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Schmitz hat die Angewohnheit, dass er dann, wenn ich ans Rednerpult trete, eine Konversation anfängt. Trotzdem werde ich jetzt aber die zweite Runde bestreiten.

Die Ministerin ist eben auf Niedersachsen und auch auf Bayern eingegangen. In Niedersachsen ist bei den Kieferchirurgen ein solches „Korbmodell“ vom Bundessozialgericht beurteilt worden. Herr Dr. Schmitz, das ist der Punkt. Vielleicht hören Sie das zumindest am Rande. Die Ärzte, die aus diesem System aussteigen, haben keine Berechtigung mehr, Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung zu behandeln. Ich möchte das unterstützen, was die Frau Ministerin sagte: Ich befürchte, dass Ärzte, die diesem „Korbmodell“ zugeneigt sind, nicht wissen, worauf sie sich einlassen und im Detail nicht wissen, was das für Konsequenzen haben könnte.

(Dr. Schmitz, FDP: Im Zweifel besser als Sie!)

Ich halte es für höchst bedenklich, dass das im Zweifel besser sein könnte als das, was sie jetzt vorfinden. Ich glaube auch nicht, dass das so ist.

In Bayern, um ein Wort über Bayern zu verlieren, ist die Frist mindestens einmal verlängert worden, meines Wissens inzwischen sogar dreimal. So groß ist der Zulauf auf die „Korbmodelle“ da offensichtlich auch nicht.

Meine Damen und Herren, wichtig ist es, dass wir die Attraktivität des Arztberufs steigern. Dazu hat die Landesregierung Erhebliches beigetragen. Dazu gehört natürlich auch, dass die EBM-Reform erfolgreich sein wird. Davon bin ich überzeugt. Den Aussagen, die beim Hartmann-Bund getroffen wurden, ist zu entnehmen, dass ein „Korbmodell“ in Rheinland-Pfalz gar nicht notwendig sein wird.

Meine Damen und Herren, ich würde mich freuen – Herr Dr. Schmitz, ich wiederhole das noch einmal –, wenn wir uns in der Zukunft nicht über Dinge streiten oder über Dinge diskutieren würden, die irgendwann eventuell oder vielleicht irgendwann einmal eintreten. Ich wäre froh, wenn wir über Sachen diskutieren würden, die wirklich Hand und Fuß haben.

(Glocke des Präsidenten)

Wir, die SPD-Fraktion, werden den Dialog mit den Ärztinnen und Ärzten weiter suchen und die Linie der Landesregierung selbstverständlich weiter unterstützen.

Ich danke Ihnen. (Beifall der SPD)