Protokoll der Sitzung vom 04.06.2008

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Grosse, auch ich komme Ihrem Wunsch, RheinlandPfalz in den Mittelpunkt meiner Rede zu stellen, gern nach, wenn ich auch der Meinung bin, diese Diskussion sollte so geführt werden, wie es in der ersten Runde zumindest zum Teil der Fall war. Ich bin der Meinung, dass man sich nicht so sehr auf staatliches Handeln fokussieren sollte, sondern mehr auf das konzentrieren sollte, was in den Familien und in den Verantwortungsgemeinschaften geschieht. Ich hatte es Ihnen angekündigt: Der entscheidende Punkt zur Vermeidung der Ne

gativkonsequenzen von Kinderarmut ist das, was in den Familien und Verantwortungsgemeinschaften geschieht.

(Beifall der FDP)

Wir können diese und jene Statistik bemühen. Ich könnte Ihnen Statistiken pro und kontra Landesregierung nennen, aber das ist doch müßig bei diesem Punkt. Bei der Frage, wie viel Sozialgeld Kinder beziehen, liegt Rheinland-Pfalz in der Länderstatistik auf dem dritten Platz nach Bayern und Baden-Württemberg. Aber das ist doch nicht den hundert Programmen und „Progrämmelchen“ geschuldet, von denen immer wieder berichtet wird, sondern dies ist der Bevölkerung geschuldet,

(Beifall der FDP und bei der CDU)

die in einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz in einer anderen kulturellen und soziologischen Verantwortungsbewusstseinshaltung lebt als beispielsweise in manchen Stadtteilen von Berlin. Wie kann man denn so tun, als sei dies auf das Handeln der Landesregierung zurückzuführen? – Das ist doch an der Grenze zum Lächerlichen, mit Verlaub!

(Beifall der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, ich glaube aber, bei einem Punkt sind wir uns wieder einig: Wenn wir darüber sprechen, welche Politik in diesem schwierigen Feld langfristig wirklich hilft, dann ist es eben nicht in allererster Linie der Wohlfahrtsstaat, sondern es ist der Staat, der gesellschaftspolitische Präventivpolitik betreibt, und zwar in Arbeitsplätzen und in der Bildungspolitik. Das ist die eigentliche sozialpolitische Herausforderung bei diesem Thema.

Danke sehr.

(Beifall der FDP – Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Ahnen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Wenn es um eine bessere Unterstützung von Familien in unserer Gesellschaft geht, dann hat sich in den letzten Jahren ein Dreiklang durchgesetzt. Dieser Dreiklang heißt zum Ersten vernünftige finanzielle Transfers, um die Familien zu unterstützen, zum Zweiten heißt er Zeit – das betrifft solche Fragen wie z. B. Elternzeit –, zum Dritten heißt er aber auch und zunehmend öffentliche Infrastruktur.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere Angebote sind familienorientiert. Herr Abgeordneter Schmitz, es gibt aber auch viele Stellen, bei denen der Staat gefordert ist, Angebote zu machen, damit Kinder in die

ser Gesellschaft gut aufwachsen. Deswegen hat für uns die Infrastruktur eine so große Bedeutung.

(Beifall bei der SPD)

Infrastruktur hat vor allen Dingen dort eine große Bedeutung, wo Armut, insbesondere Kinderarmut, damit einhergeht, dass diese Kinder in der Gesellschaft auch ungleiche Bildungschancen haben.

Wenn man das vorausschickt, dann geraten natürlich auch unter dem Stichwort „Kinderarmut“, „Kindertagesstätten“, „Schulen“, „Ganztagsschulen“, aber übrigens auch der Zugang zur Ausbildung und zum Studium sehr viel stärker in den Blick und werden auch zu zentralen Handlungsfeldern zur Bekämpfung der Kinderarmut.

Das wirklich Gute in Rheinland-Pfalz ist, dass dort, wo das Land handeln kann, es auch gehandelt hat. Dies geschieht abgestimmt zwischen den Ressorts und ist wirklich in ein Gesamtkonzept eingemündet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann nicht alles aufzählen, aber ich möchte bewusst ein paar Punkte nennen, die in der Vergangenheit nicht so unstrittig gewesen sind.

Ich nenne einmal das frühzeitige Einschwenken darauf, zu sagen, wir brauchen in unseren Kindertagesstätten Plätze für alle Kinder. Frau Abgeordnete Thelen, da spielt die Quantität sehr wohl eine Rolle. Erst einmal müssen die Familien den Rechtsanspruch haben, dass sie auch tatsächlich einen Platz erhalten. Ich bin stolz darauf, dass wir das erreicht haben. Ich bin froh darüber, dass wir auch bei den unter Dreijährigen mit inzwischen immerhin 13,5 % auf einem wirklich guten Weg sind.

(Beifall der SPD)

Ich nehme dann die Frage der Beitragsfreiheit. Wir führen immer noch kontroverse Debatten darüber, ob das der richtige Ansatz ist. Ich sage Ihnen, es ist nicht nur unter dem Aspekt des gleichberechtigten Zugangs der richtige Ansatz, sondern es ist eine direkte Entlastung der Familien von im Schnitt 600 Euro pro Kindergartenjahr. Das Schöne ist, alle Familien profitieren dabei gleich. Sie werden gleich entlastet und haben damit letztendlich mehr Geld für ihre Kinder zur Verfügung. Deswegen haben wir uns für diesen Weg entschieden.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden das erste Bundesland sein, das die komplette Kindergartenzeit beitragsfrei stellt. Viele andere Länder diskutieren inzwischen, ob das nicht gerade unter dem Aspekt der Unterstützung von Familien auch für sie ein Schritt sein könnte.

Es gehört aber auch die Ganztagsschule dazu. Diese gehört nicht nur unter dem Aspekt dazu, dass es dort eine gute Förderung gibt, sondern ganz in dem Sinne, was Sie auch gesagt haben, Frau Thelen, gehört sie auch deswegen dazu, weil sie es Kindern ermöglicht, Angebote wahrzunehmen, die sie dann, wenn Familien von Armut bedroht sind, ohne Ganztagsschule nicht

wahrnehmen könnten. Deswegen ist die Ganztagsschule ein direkter Beitrag zur Bekämpfung der Kinderarmut.

(Beifall der SPD)

Das reicht hin bis zu solchen Fragen, dass wir sehr klar sagen: Ja, Förderunterricht statt Nachhilfe, da Förderunterricht ein Angebot ist, das wir in unseren Schulen machen, für das nicht bezahlt werden muss.

Wir haben uns mit der Ganztagsschule auch der Aufgabe gestellt, die Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen noch stärker in unseren Schulen abzubilden und auch aufzunehmen. Sie wissen, dass es für den Ministerpräsidenten ein zentrales, ich sage, wahrscheinlich eines der schlimmsten Erlebnisse war, als ich mit ihm darüber reden musste, dass wir etwas für das Mittagessen in der Ganztagsschule tun müssen, weil tatsächlich Kinder vom Essen abgemeldet waren.

Sie wissen, dass wir in Rheinland-Pfalz als erstem Bundesland einen Sozialfonds eingeführt haben. Ich habe gar nichts dagegen, dass jetzt eine Reihe von CDUgeführten Ländern gefolgt ist. Dass sie aber so tun, als hätten sie es erfunden und damit auch noch andere Initiativen behindern – das hat Frau Kollegin Dreyer ausgeführt –, mag einen dann schon ärgern.

(Beifall bei der SPD)

Frau Abgeordnete Thelen, bei der Initiative im Bundesrat geht es nicht um die Lernmittelfreiheit. Diese Lernmittelfreiheit haben wir in Rheinland-Pfalz um 50 % im Jahr 2007 erhöht. Es waren 50 %. Das sind 4,5 Millionen Euro. Es geht um den zusätzlichen Bedarf, den Schülerinnen und Schüler haben, wenn sie eingeschult werden, wenn der Halbjahreswechsel und der Schuljahreswechsel anstehen. Sie werden in keinem Land aus der Lernmittelfreiheit finanziert. Deswegen brauchen wir eine bundesweite Initiative. Ich hoffe, dass in dieser Frage endlich eine Entscheidung getroffen wird, weil das eine ganz konkrete Hilfe für die Familien wäre.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir über Kinderarmut und Armut reden, dann kann man auch nicht den Aspekt außer Acht lassen, dass es um die Frage des Zugangs zum Studium und zur Ausbildung geht. Dann möchte ich schon darauf hinweisen, dass es eine weitere Initiative des Landes Rheinland-Pfalz im Bundesrat gegeben hat, die allerdings von Erfolg gekrönt war. Zum 1. August 2008 werden wir deutlich erhöhte BAföG-Sätze haben. Auch das hilft diesen Familien.

(Beifall bei der SPD)

Eins ist klar: Gerade an dieser Stelle des Studiums kann es nicht sein, dass die Herkunft darüber entscheidet, ob junge Menschen die Chance haben, eine solche Ausbildung zu genießen oder nicht. Deswegen sage ich Ihnen, beim Thema „Kinderarmut“, beim Thema „Gerechte Bildungschancen“ und „Chancengleichheit“ reicht die Kette vom gebührenfreien Kindergarten bis zum Studium ohne Studiengebühren. Ich glaube, wir können uns mit

dem, was wir in Rheinland-Pfalz an dieser Stelle an Zeichen gesetzt haben, nun wahrlich sehen lassen.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, auf der Zuschauertribüne begrüße ich die Katholische Frauengemeinschaft Wehbach-Wingendorf sehr herzlich. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Des Weiteren begrüße ich Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses Geschichte der Klassenstufe 11 des Goethe-Gymnasiums Germersheim. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Wir kommen nun zum dritten Thema der

AKTUELLEN STUNDE

„Haltung der Landesregierung zu den ‚Orientierungspunkten für ein integriertes Steuer- und Abgabensystem eines sozialen Deutschlands’ und mögliche Auswirkungen dieses Kon- zeptes auf Rheinland-Pfalz“ auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 15/2260 –

Ich erteile Herrn Abgeordneten Baldauf das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als wir in der letzten Plenardebatte das Thema „Mehr Netto vom Brutto“ für die Menschen auf der Tagesordnung hatten, gab es den Vorschlag der SPD und dessen Bundesvorsitzenden, des hiesigen Ministerpräsidenten, noch nicht. Jetzt liegt der Vorschlag auf dem Tisch. Es ist uns wichtig gewesen, in einer Aktuellen Stunde auch einmal zu thematisieren, was Sie, Herr Ministerpräsident, vorschlagen, wie Sie die Menschen entlasten wollen, was wir insgesamt alle wünschen und alle in die Wege leiten wollen.

Herr Ministerpräsident, nur, als ich mir Ihre 16 Seiten durchgelesen habe, kam ich zu dem Ergebnis: Ich weiß nicht, was Sie wollen.

(Harald Schweitzer, SPD: Das kann aber auch an Ihnen liegen! – Fuhr, SPD: Leseverständnis!)

Ich weiß überhaupt nicht, wie irgendjemand aufgrund Ihres Papiers entlastet werden soll.

Ich erkläre Ihnen auch, warum ich zu diesem Ergebnis gekommen bin. Es wurde groß verkündet, mit Steuererleichterungen und Vereinfachungen des Steuersystems würde man niemandem mehr netto in die Tasche geben,