Protokoll der Sitzung vom 28.08.2008

Gestatten Sie mir dann eine Anmerkung zu den Betreuungsrelationen. Ich finde es völlig legitim, auch Betreuungsrelationen in die Bewertung der Situation einzuführen. Herr Abgeordneter Kuhn, Sie wissen, ich leide

menschlich und persönlich darunter, dass Sie mir heute Ihre Bewunderung entsagt haben.

(Zurufe von der SPD: Oh je!)

Es ist schon ein Schlag. Sie argumentieren dann aber mit Betreuungsrelationen. Das kann man machen. Wenn Sie aber gleichzeitig sagen, unser großes Vorbild sind Bayern und Baden-Württemberg, dann möchte ich sagen, ja, die Kunst würde ich auch vollbringen können, nämlich die Zahl der Studierenden reduzieren, um die Betreuungsrelationen zu verbessern. Dann müsste ich mich zu Recht in einem halben oder in einem Jahr mit Ihnen auseinandersetzen, dass ich den Fachkräftemangel mit erzeugt hätte.

(Beifall bei der SPD)

Man kann sich eben in diesen Fragen nicht einen Aspekt heraussuchen, sondern man muss die Gesamtbetrachtung anstellen.

Lassen Sie mich dann noch einen Satz zum Bildungsmonitor sagen, einmal jenseits dessen, was hier immer ausgeführt wird. Ich könnte jetzt einmal ein paar Hinweise geben. Ich bekomme immer Länder als Vorbild vorgehalten. Gerade in diesen Fragen bekomme ich im Ausschuss immer Nordrhein-Westfalen vorgehalten. Wenn ich mich ganz richtig erinnere, dann schneiden sie irgendwie nach der Definition des Bildungsmonitors ziemlich katastrophal ab.

(Keller, CDU: Natürlich! Wie lange hat die SPD denn dort regiert? Die CDU regiert dort erst seit drei Jahren. Das ist Ihre Erblast! Das ist doch wohl ein Witz! – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Keller, jetzt sind wir doch bei der Hochschulpolitik. Bleiben Sie doch ein bisschen ruhiger!

(Bracht, CDU: Er hat recht! – Weitere Zurufe von der CDU)

Lassen Sie mich doch bitte den Gedanken zu Ende führen.

(Weitere Zurufe des Abg. Keller, CDU)

Ich warte auch, bis er sich wieder konzentriert.

(Frau Schmitt, SPD: Frau Ministerin, es haben nur vier Abgeordnete dabei geklatscht!)

Lassen Sie mich doch einfach noch einen Satz hinzufügen. Ich mache das denen gar nicht zum Vorwurf, da ich Ihnen einmal sagen möchte, wie der Bildungsmonitor das Thema „Forschungsorientierung“ definiert. Er nimmt die Zahl der Habilitationen pro Professur. Wissen Sie, was das heißt, wenn ich das zum Maßstab erhebe? Dass z. B. die Universität Kaiserslautern immer relativ schlecht abschneiden wird, weil natürlich in den Natur- und Ingenieurwissenschaften Habilitationen nicht die Tradition haben wie bei den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften.

Es kommt ein Weiteres hinzu. Wir haben lange über Juniorprofessuren diskutiert. Diese gehen auch nicht in die Berechnung ein. Ob das alles so ein vernünftiger Maßstab ist, da erlaube ich mir – gestern hat es mein Staatssekretär getan –, auch das eine oder andere Fragezeichen dahinter zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Unter dem Strich möchte ich sagen, ich glaube, wir bringen hier etwas wirklich Wegweisendes und etwas Wichtiges auf den Weg, das unseren Hochschulen helfen wird.

Weil der Herr Finanzminister jetzt da ist, möchte ich an dieser Stelle einmal sehr deutlich sagen, ich bedanke mich ganz ausdrücklich auch für den Weg, den wir gefunden haben, weil er den Hochschulen Planungssicherheit gibt und weil sie damit gute Projekte auf den Weg bringen können, über die wir uns sicher alle in den nächsten Jahren freuen werden.

(Beifall der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, aufgrund der Redezeit der Landesregierung hat jede Fraktion noch einmal folgende Redezeiten: die CDU-Fraktion rund acht Minuten, die FDP-Fraktion 3,5 Minuten und die SPD-Fraktion rund vier Minuten. Gibt es noch Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 15/2419 – an den Ausschuss für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur – federführend – und an den Rechtsausschuss zu überweisen. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Ich stelle Einstimmigkeit fest. Der Gesetzentwurf ist damit an die Ausschüsse überwiesen worden.

Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:

Landesgesetz zur Änderung der Schulstruktur Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 15/2514 – Erste Beratung

Im Ältestenrat ist eine Grundredezeit von zehn Minuten je Fraktion vereinbart worden. Ich erteile Frau Staatsministerin Ahnen das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich darf gleich im Anschluss einen weiteren Gesetzentwurf, in dem Fall das Landesgesetz zur Änderung der Schulstruktur, in das Parlament einbringen. Ich freue mich genauso wie beim vorherigen Tagesordnungspunkt, dieses wegweisende Gesetz heute hier vorstellen zu dürfen.

Wir stellen mit diesem Gesetzentwurf die Weichen für ein zukunftsfähiges Bildungssystem, das aus unserer Sicht Chancengleichheit fördert, individuelle Förderung verbessert, längeres gemeinsames Lernen ermöglicht und Kindern und Jugendlichen hilft, über Wissen und soziale Kompetenzen ihren eigenen Weg zu beruflichem und persönlichem Glück zu finden.

(Beifall bei der SPD)

Die Landesregierung löst mit diesem Entwurf auch einen Auftrag und zwei Versprechen ein, die der Ministerpräsident bei seiner Regierungserklärung am 30. Mai 2006 dem Parlament und den Bürgerinnen und Bürgern gegeben hat. Ich zitiere: „Besonders wichtig ist uns, Grundschulen möglichst wohnortnah zu erhalten. Das Motto ‚kurze Beine – kurze Wege’ stellt die Bedürfnisse der Kinder in den Mittelpunkt und trägt zugleich der Bedeutung der Grundschulen in unseren Gemeinden Rechnung.“

Zweitens hat er ausgeführt: „In der Sekundarstufe I sind wir gefordert, gemeinsam mit den Verantwortlichen vor Ort demografiefeste Strukturen zu entwickeln. Verstärkt werden wir die Möglichkeiten nutzen, dass benachbarte Schulen – auch unterschiedlicher Schularten – miteinander kooperieren.“

So weit aus der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten. Die damaligen Ankündigungen und Versprechen setzen wir in diesem Gesetzentwurf um.

(Beifall der SPD)

Im Oktober 2007 habe ich als zuständige Ministerin eine erste ausführliche Skizze zu den Leitlinien einer neuen Schulstruktur vorgestellt, die Ihnen nach ausgiebiger Diskussion mit Verbänden, Gewerkschaften, Lehrkräften, Eltern, Schülerinnen und Schülern, der Wirtschaft, den Kirchen und der pädagogischen Wissenschaft heute als Gesetzentwurf vorliegt.

Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei allen bedanken, die mit ihren Stellungnahmen, ihrer Kritik, aber auch ihrer Zustimmung geholfen haben, dass Rheinland-Pfalz auch in Fragen der Schulstruktur ein zukunftsweisendes Konzept auf den Weg bringen kann.

„So geht die Bildungsreform“ hatte die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ kommentiert. Lassen Sie mich heute einen kurzen Blick auf die andere Rheinseite werfen und die Tageszeitung „DIE WELT“ vom 8. August zitieren.

Danach hat der geschäftsführende hessische Bildungsminister Jürgen Banzer zum Schuljahresbeginn erklärt – ich zitiere –, „er könne sich eine gemeinsame 5. und 6. Klasse für Haupt- und Realschulen im Land vorstellen“. „Ein gemeinsamer Start könne ein ‚interessantes Angebot’ sein, solange es noch zwei Schulabschlüsse gebe“. In Rheinland-Pfalz ist das keine Vision, keine Überlegung, sondern das werden wir im Gesetzentwurf verankern. Ich habe Ihnen dieses Zitat nicht umsonst an dieser Stelle vorgelesen. Da Sie in der Frage, wie Sie sich zu dem Gesetzentwurf positionieren, noch Orientierungshilfen brauchen, habe ich bewusst nicht auf die Überzeugungskraft meines eigenen Wortes gesetzt,

sondern mich den Worten eines Mannes bedient, der Ihnen vielleicht etwas nähersteht.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich an dieser Stelle in aller Kürze noch einmal die Gründe für die Weiterentwicklung der Schulstruktur benennen: Es ist die demografische Entwicklung, es ist das veränderte Bildungswahlverhalten, und es sind auch die Akzeptanzprobleme der Hauptschule. Ich wiederhole an dieser Stelle gern, was ich schon oft gesagt habe: Dies liegt sicher nicht an der Hauptschulpädagogik, sondern es liegt daran, dass die Hauptschulen ihren schwierigen Auftrag unter veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu erfüllen haben. Wir wollen ihnen dazu bessere strukturelle Voraussetzungen bieten.

(Beifall der SPD)

Kernstück des Gesetzentwurfs ist die Einführung der Realschule plus, die die Bildungsgänge Hauptschule und Realschule zusammenführt. Die Realschulen plus erhalten eine verpflichtende gemeinsame Orientierungsstufe für alle Schülerinnen und Schüler mit der maximalen Klassengröße von 25 Schülerinnen und Schülern. Nach der Orientierungsstufe sehen wir dann die beiden Profile, die Schulform der Integrativen Realschule und die Schulform der Kooperativen Realschule, vor.

Ebenso kann die Realschule plus mit einer Fachoberschule verbunden werden, sodass die Schülerinnen und Schüler dort bis zur Fachhochschulreife gelangen können. An ausgewählten Standorten bieten wir das Projekt „Keiner ohne Abschluss“ an, das wir der Öffentlichkeit erst kürzlich sehr konkret vorgestellt haben.

(Beifall der SPD– Pörksen, SPD: Ein guter Vorschlag!)

Wir räumen sehr bewusst den Eltern ein Wahlrecht zwischen integrativen und kooperativen Angeboten ein, da wir in unserer Gesamtlinie der festen Überzeugung sind, dass die Eltern das wichtigste Wort bei der Wahl der Schullaufbahn ihrer Kinder mitzureden haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, selbstverständlich haben wir den Gesetzentwurf auch mit Blick auf die Frage der Konnexität geprüft. Dabei ist insbesondere relevant, dass wir eine Neuregelung der Schülerbeförderung vorsehen. Schülerinnen und Schüler an einer Realschule plus sollen ohne Eigenanteil zur nächstgelegenen Realschule plus in der jeweiligen Schulform transportiert werden. In Gesprächen zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und dem Land hat man sich nach gründlicher Erörterung und Bewertung der Positionen darauf geeinigt, ab dem Jahr 2014, also nach der vollständigen Umsetzung der Schulstrukturreform, einen Mehrbelastungsausgleich von 10,1 Millionen Euro pro Jahr zu zahlen, der bis dahin natürlich schrittweise anwächst. Auch an dieser Stelle haben wir gut mit den Kommunen zusammengearbeitet.

Bei der Frage der Schulträgerschaft wissen Sie, dass wir nach intensiver Debatte Veränderungen gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf vorgenommen haben. Ich

glaube, die jetzt gefundene Lösung, die eine größere Offenheit in der Frage der Schulträgerschaft in der Sekundarstufe I für Realschulen plus vorsieht, die nicht mit einer Oberstufe verbunden sind, ist eine gute Lösung, die vor allen Dingen dazu führen wird, dass wir uns endlich auf die wirklich wichtigen Fragen, nämlich auf die pädagogischen Fragestellungen, konzentrieren können.

(Beifall der SPD)

Ich sagte bereits, die Realschule plus kann mit einer Fachoberschule verbunden sein. Wir wollen gerade mit diesem Angebot auch dem steigenden Fachkräftebedarf und der Notwendigkeit nach möglichst gut qualifizierten jungen Menschen Rechnung tragen. Wir wollen uns neben der allgemeinen Berufsorientierung in der Realschule plus mit dem Projekt „Keiner ohne Abschluss“ ganz besonders den schwächsten Schülerinnen und Schülern zuwenden. Wenn dieser Tage immer gesagt wird, die Frühförderung müsse sehr viel früher ansetzen als in einem eventuellen 10. Schuljahr, so kann ich Ihnen versprechen, sie wird sehr viel früher ansetzen. Aber dennoch, diejenigen, die es nach neun Schuljahren nicht schaffen, brauchen ebenfalls eine Chance, und diese Chance geben wir ihnen mit diesem Projekt.

(Beifall der SPD)

Wir haben im Rahmen des Schulgesetzes eine Reihe weiterer Änderungen vorgesehen, nämlich die Stärkung kleiner Grundschulen – darauf bin ich schon eingegangen –, die Sicherstellung des Diskriminierungsschutzes für Schülerinnen und Schüler, die Erweiterung des Bildungsauftrags der Schule und die Erziehung zur Übernahme von Ehrenämtern, was ebenfalls ein Anliegen dieses Hauses ist, ebenso wie die Schaffung einer gemeinsamen Vertretung für Schülerinnen und Schüler über die Schularten hinweg. Wir haben ebenso die Verankerung der AQS sowie eine Stärkung der Stellung des Landeselternbeirates vorgesehen.