Protokoll der Sitzung vom 28.08.2008

(Beifall bei der SPD)

Unser nächstes Ziel lautet: mehr Aufstiegsmöglichkeiten und eine geringere Abbrecherquote. – Es ist schon eine Binsenweisheit, wenn ich betone, dass wir mehr besser qualifizierte junge Menschen mit Fachhochschulzugangsberechtigung brauchen. Wir haben auf diesem Weg schon große Schritte im Rahmen der Reform der berufsbildenden Schule gemacht. Das ist wahr und gut.

Ich erinnere an die höheren Berufsfachschulen, an die BOS I und BOS II, die Duale BOS, wie sie im Fachjargon heißt. Sie alle bieten die Abschlüsse der Fachhochschulreife an. 2004 hatten wir 429 solcher Klassen, 2006 bereits 586. Die Tendenz ist im berufsbildenden System steigend.

Nach der Entwicklung im Bereich der berufsbildenden Schulen, die diese Abschlüsse anbieten, ist es nur richtig und gut, dass wir auch im allgemeinbildenden Schulwesen ein solches fachhochschulqualifizierendes Angebot entwickeln. Ich freue mich auch darüber, dass genau an dieser Stelle die Handwerkskammer, die Industrie- und Handelskammer und die Agentur für Arbeit ganz klar machen, dass sie unsere Strukturreform begrüßen und unterstützen, sie zwar durchaus kritisch begleiten, aber aktiv an ihrer Ausgestaltung mitwirken wollen. Ich glaube, mit diesen zusammen ist es der richtige Weg.

Ein weiteres Ziel ist der zweite Weg für Schülerinnen und Schüler „Keine(r) ohne Abschluss“. Meine Kollegen haben beide schon darauf hingewiesen. Wir haben heute schon eine starke Berufsorientierung. Sie wird noch stärker und früher beginnen. Trotz guter Didaktik, Berufsorientierung und praxisnahem Unterricht wird es immer wieder Schülerinnen und Schüler geben, die ohne Abschluss und ohne Perspektive dastehen und die die zweite Chance brauchen. An dieser Stelle ist das Angebot einer zweiten Chance im allgemeinbildenden Schulwesen ein zusätzliches Angebot.

Frau Kollegin, dieses Angebot ist keine Konkurrenz zur berufsbildenden Schule. Ich denke, genau an dieser Stelle ist Konkurrenzdenken zu den Berufsvorbereitungsklassen des BBS-Systems völlig fehl am Platz. Jeder Weg, wenn er zum Ziel eines Schulabschlusses der Berufsreife führt, hat seine Berechtigung.

(Beifall der SPD)

Das nächste Ziel heißt, den Elternwillen zu respektieren und die Hürden zum Errichten einer IGS zu senken. Der Gesetzentwurf bietet den Schulträgern und seinen Schulen mehr Wahlfreiheit für kommunale Schulentwicklung. Dort, wo Eltern das wünschen und es die demografische Entwicklung ermöglicht, können Schulträger einfacher den Antrag auf eine IGS stellen. Diese Wahlfreiheit – verehrte Kolleginnen und Kollegen, das wissen Sie; mein Kollege Hartloff hat auch schon darauf hingewiesen – wurde in den zurückliegenden Monaten sehr intensiv genutzt. Das ist gut so.

Es wurden sehr viele Anträge auf Integrierte Gesamtschulen gestellt. Hierbei handelt es sich um Anträge – das begrüßt die Fraktion der SPD ganz ausdrücklich –, die unter dem Gesichtspunkt von Qualitätsentwicklung überprüft werden müssen, bevor sie genehmigt werden. Eine möglichst ausgewogene Durchmischung von Kindern mit unterschiedlichen Leistungsniveaus und Fähigkeiten sind die notwendigen Voraussetzungen zur Erfüllung eines qualitativen Anspruchs. Nur dann sind solche IGS-Anträge zu genehmigen.

Ich habe vorhin schon darauf hingedeutet, dass wir es nicht so ganz richtig wissen – das haben auch meine Vorredner gesagt –, welche Figur die CDU in dieser Diskussion zu machen beliebt. Welche Figur sie in den zurückliegenden Monaten gemacht hat, wissen wir wohl. Es war eine bedauernswerte Figur.

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU, diese war eigentlich nicht einer großen Oppositionspartei würdig. Es war ein Schlingerkurs der Irrungen und Wir

rungen, der Widersprüche und der gespaltenen Zungen, Herr Kollege Keller. Ich will ein bisschen daran erinnern.

Herr Kollege Keller, 2004 gab es das Kommunalwahlprogramm der CDU Ludwigshafen. Dort haben Sie selbst die Integrierte Gesamtschule als eine bewährte Schulart bezeichnet. Nach der Rückkehr aus Finnland von einer Studienreise unseres Bildungsausschusses stellten Sie fest, dass es nun auch nicht mehr sicher sei, ob das gegliederte Schulwesen der Weisheit letzter Schluss sei.

Im letzten Jahr begannen dann Ihr Kollege Dr. Rosenbauer und der Kollege Dr. Gebhart die Zweigliedrigkeitsdebatte. Die sich daran anschließende Empörungskampagne des gewandelten erneuten Dreigliederungsanhängers Seppel Keller ist uns allen noch bestens in Erinnerung, der dann aber doch, nachdem der Entwurf der Landesregierung auf dem Tisch lag, zentrale Forderungen der CDU erfüllt sah.

Dann ist die Empörung unseres Kollegen Dr. Enders gefolgt, der sich über die Zerschlagung des dreigliedrigen Schulsystems in diesem von Herrn Keller als wichtige Forderung der CDU erfüllenden Vorschlags aufregt. Kurz darauf haben allerdings die Herren Baldauf und Keller zu erkennen geglaubt, dass die Gliedrigkeitsfrage eigentlich gar nicht mehr wichtig sei.

Stückwerk und Konzeptionslosigkeit erkennt in solcher Politik wohl nicht nur der Landeschef der Jungen Union. Auch wird mittlerweile in den Medien fast amüsiert über das „Irgendwo dazwischen“ der CDU nachgedacht.

Nicht genug damit. In der Zwischenzeit hat sich beim Kollegen Keller nämlich der Leidensdruck in der Debatte so erhöht, dass er laut darüber lamentiert, dass sein bisheriges Dreigliedrigkeitskonzept, von dem er so überzeugt ist, von seinen eigenen Parteikollegen geschreddert wurde. Das ist ein schöner Ausdruck.

Geradezu analytisch kommt dagegen der Kollege Billen daher, der einen Teil der gar zu offensichtlichen Parteimalaise der CDU im Mangel am schärferen Profil zu erkennen glaubt. Seine Forderung an seinen führungsschwachen Beliebigkeitsfraktionsvorsitzenden ist, klar zu sagen, ob man für ein ein-, zwei- oder dreigliedriges Schulsystem ist.

Meine Kolleginnen und Kollegen der CDU, während Sie noch alle um zwei oder drei Glieder ringen, hat Ihre Basis in den Gemeinden, Kreisen und Städten längst entschieden. Sie haben das Angebot, das in diesem Gesetzentwurf enthalten ist, nämlich mit breitester Mehrheit akzeptiert. Ja, sie setzen das Angebot längst um.

(Beifall der SPD)

Ich weiß nicht, ob ich es Ihnen zutrauen soll, dass Sie es je schaffen werden, hinter der Geschwindigkeit Ihrer eigenen Basis hinterherzukommen. Aber mein guter Rat an Sie: Machen Sie sich doch wenigstens einmal auf den Weg und laufen doch hinter Ihrer eigenen Basis her; dann nämlich könnten Sie uns vielleicht auch das längst versprochene Konzept vorlegen.

2010 oder so – wenn ich mich recht entsinne – sollte es kommen; denn Herr Baldauf hatte ja festgestellt, dass er das 2009 lieber nicht vorlegt, weil es dort dann im Kommunalwahlkampf von den eigenen Kolleginnen und Kollegen „zerschossen“ würde.

Meine Damen und Herren, mich jedenfalls macht das Verhalten Ihrer Basis, aber im Besonderen das Verhalten aller Schulträger, aller Eltern und aller Lehrkräfte sehr zuversichtlich. Wir werden in Rheinland-Pfalz diese zukunftsweisende Schulreform auf den Weg bringen, und das ist gut so.

(Beifall der SPD)

Zu einer Kurzintervention hat Herr Abgeordneter Keller das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kollegin Frau Brede-Hoffmann, auch für Sie gilt: Wir haben die erste Lesung. Dabei geht es um den Gesetzentwurf der Landesregierung. Dazu sagen Sie praktisch nichts.

(Hartloff, SPD: Manche haben ihn noch nicht einmal gelesen!)

Auch Sie haben die Chance vertan, einmal zu sagen, wie die inhaltliche Ausgestaltung und die pädagogischen Konzeptionen aussehen – nichts.

(Frau Schmitt, SPD: Das kann man nachlesen!)

Weil dort nichts drinsteht – ich verstehe es ja –, taktieren Sie wie praktisch immer. Dann kommt ein Ablenkungsmanöver, dann fragen Sie die CDU nach ihrem Konzept. Das ist doch eine billige Retourkutsche.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt sagen Sie doch einmal, wie Sie inhaltlich beispielsweise die

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Zentralen Abschlussprüfungen machen wollen!)

fünften und sechsten Klassen ausgestalten und die Hauptschüler besser fördern wollen. Dazu hören wir gar nichts. Sie haben das Projekt „Keine(r) ohne Abschluss“ erhöht.

Man muss sich das vorstellen. Es wird jetzt erst ein Modellversuch gemacht. Vor sechs Jahren haben wir das beantragt: flächendeckend. Es wurde abgelehnt. Jetzt heften Sie sich das ans Revers und sagen: Was sind wir doch so tolle Leute, weil wir jetzt einen Modellversuch „Keine(r) ohne Abschluss“ durchführen. Das ist doch eigentlich erbärmlich, wenn Sie sich selbst noch für massive Defizite der letzten Jahre loben.

(Beifall der CDU)

Es ist bald nicht mehr auszuhalten. Das muss ich jetzt hier einmal sagen.

(Zuruf des Abg. Harald Schweitzer, SPD)

Dann hätte ich wenigstens erwartet, dass man zuhört. Ich habe vorhin etwas zu unserer kommunalen Basis gesagt. Das sind Menschen, die verantwortungsbewusst und Realisten sind.

(Beifall bei CDU und SPD)

Diese wissen, dass Sie noch die absolute Mehrheit haben. 2011 ist dieser Spuk vorbei.

(Frau Schmitt, SPD: Was? Machen Sie nur so weiter!)

Aber bis dahin setzen Sie die Gesetze um. Jetzt versuchen sie – was ja richtig ist – das Bestmögliche für ihren Schulstandort herauszuholen.

Wenn man die Wahl hat zwischen Skylla und Charybdis, dann sucht man sich eine Seite aus. Deswegen – ich sage es noch einmal – ist das nicht die große Liebe zur Integrierten Gesamtschule, aber wenn Sie selbst nur die Möglichkeit zwischen Realschule plus und Integrierter Gesamtschule lassen, dann meinen viele, die Integrierte Gesamtschule sei besser.

Aber uns zu unterstellen, dass wir praktisch wortbrüchig gegenüber dem, was wir früher gesagt haben, geworden sind, das – ich will nicht sagen, das grenzt schon an Diffamie – ist schon ein starkes Stück.

(Frau Spurzem, SPD: Ja! Ja!)

Das nennt man Dialektik.

(Glocke des Präsidenten)

Den Schuh ziehen wir uns nicht an, aber wir werden noch schöne Diskussionen haben.

Ich hoffe, dass ich nicht noch einmal intervenieren muss, weil es mir jetzt allmählich wirklich reicht.

(Beifall der CDU – Heiterkeit bei der SPD)