Mein besonderer Gruß und Dank gilt auch denen, die sich des Erinnerns an die schreckliche Geschichte der Euthanasiemorde in besonderer Weise angenommen haben. Ich bedanke mich sehr herzlich, Herr Dr. Lilienthal, für das, was Sie uns gesagt haben.
Ich darf auch unserer Landeszentrale für politische Bildung für die Gedenkarbeit, die in Ihrem Hause geleistet wird, danken, Herr Dr. Schiffmann. Ich beziehe alle, die sich engagieren, von Herzen mit ein, insbesondere natürlich diejenigen, die die betroffenen Gruppen der Opfer der furchtbaren Naziverbrechen repräsentieren, sowie den Repräsentanten der jüdischen Kultusgemeinde. Auch Ihnen, Herr Delfeld, als Repräsentant der Sinti und
Ich will die Gelegenheit nutzen, mich ganz besonders herzlich dafür zu bedanken, dass in unserer Gesellschaft viele Menschen engagiert sind, um das Nichtvergessen lebendig zu halten. Mein besonderer Dank gilt in diesem Zusammenhang den Kirchen. Ich freue mich, Herr Oberkirchenrat Sutter, dass Sie uns die Ehre geben, an dieser Veranstaltung teilzunehmen.
Mit all diesen Zeichen wird deutlich, dass wir uns aus dem tiefen Wunsch heraus erinnern wollen und den Menschen, die aus unserer Mitte gerissen, verbrecherisch an Leib und Leben beschädigt und umgebracht worden sind, Respekt und Trauer schulden. Das ist die einzige Möglichkeit, seelisch mit einer solch furchtbaren Tat zurechtzukommen.
Ein solcher Tag muss auch die Gewissheit in uns lebendig halten, dass wir an jedem 27. Januar des Gedenkens, aber auch an allen 364 Tagen im Jahr gefordert sind, Lehren zu ziehen und uns entschlossen zur Wehr zu setzen, wenn Zeichen in die falsche Richtung weisen.
Meine Damen und Herren, deshalb ist der 27. Januar auch ein Tag, an dem das „Nie wieder“ in aller Nachhaltigkeit und Deutlichkeit ausgedrückt und in uns gefestigt werden muss.
Wenn die hiesige regionale Zeitung „DIE RHEINPFALZ“ ausgerechnet am heutigen Tag berichten musste, dass in einem Vorort von Pirmasens die NPD eine Jugendbildungsstätte einrichten will, sind das solche Zeichen, die Empörung und den Willen in uns aufrufen müssen, mit den Mitteln des Rechtsstaats zu unterbinden, dass solches wieder um uns herum stattfinden kann.
Es muss auch der Wille geschärft werden, die Herausforderungen, auf die Sie, Herr Dr. Lilienthal, der Landtagspräsident und Herr Wieder hingewiesen haben, anzunehmen. Ja, wir haben ganz ohne Frage noch vieles zu tun. Wir werden diese Herausforderungen auch annehmen.
Das Archivgesetz ist angesprochen worden. Es befindet sich in der Ressortabstimmung und wird dem Parlament zugeleitet werden, weil wir davon überzeugt und im Bewusstsein gestärkt worden sind, dass ein besonderer Teil der Trauerarbeit und der Verantwortungsarbeit, die wir zu leisten haben, darin bestehen muss, den Zahlen wieder einzelne Gesichter, einzelne Schicksale und ihre jeweilige Würde zuzuordnen.
Bei allem Respekt vor datenschutzrechtlichen Überlegungen – diese müssen natürlich ihre Bedeutung behalten – sind diese grundlegenden Überzeugungen, die in uns gewachsen sind und jetzt umgesetzt werden müssen – davon bin ich überzeugt – die wichtigeren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es muss auch darum gehen, dass wir in unserem Alltagsleben und Arbeiten Schlussfolgerungen ziehen. Dort, wo unser aller Zivilcourage gefordert ist, wo Menschen herabge
setzt und erniedrigt werden und es darum geht, in unseren Schulen und Jugendeinrichtungen zu entscheiden, wo das nächste Ziel für eine Bildungsreise liegt – ich möchte dies als Bitte und nicht als Vorgabe oder Vorschrift verstanden wissen –, muss noch intensiver als bisher darüber nachgedacht werden, ob solche Stätten des Erinnerns nicht zur politischen und gesellschaftlichen Bildung sowie zur Reife von Menschen unverzichtbar dazugehören, und zwar nicht im Sinne, um Schuld zu verteilen, sondern unsere Geschichte anzunehmen, sich verantwortlich zu fühlen und die richtigen Schlussfolgerungen zur Gestaltung der Zukunft ziehen zu können.
Zu diesen besonderen Herausforderungen gehört sicher die Frage, wie wir Menschen mit Behinderungen in unsere Gesellschaft eingliedern. Die rechtlichen Bedingungen sind in Rheinland-Pfalz sicher so gestaltet, dass sie der Aufgabe entsprechen. Der Alltag ist es noch nicht immer und an jeder Stelle.
Wenn wir über Menschen mit Behinderungen und kranke Menschen reden, dann ist es in diesem Aufgabenfeld eine besondere Herausforderung, sich um Menschen mit seelischer Behinderung und psychischer Erkrankung zu kümmern; denn es ist zweifelsfrei wahr, dass die Barbarei der Nazi-Diktatur, aber auch eine schreckliche unwissende Überlieferung von furchtbaren Fehlurteilen über solche Erkrankungsbereiche die Lebenssituation von Generationen um Generationen psychisch kranker und geistig behinderter Menschen geprägt hat.
Ich bin froh darüber, dass in den letzten 14 Jahren, seit der Gedanke der „Gemeindenahen Psychiatrie“ vorangetrieben und umgesetzt wird, vieles geschehen ist. Wir befinden uns noch in diesem Prozess und wollen ihn miteinander fortführen.
Ich will dabei auch den Einrichtungen in unserem Land ein Dankeschön sagen, die sich um psychisch kranke Menschen kümmern, die unglaubliche Veränderungen auf sich genommen haben, um diesen Weg zur „Gemeindenahen Psychiatrie“ zu gehen.
Ich habe das in Klingenmünster miterleben und zusammen mit all denen, die hier arbeiten und Verantwortung tragen, mitgestalten können. Ich möchte auch ein Dankeschön den Menschen sagen, die diese tiefgreifenden Veränderungen auch als Arbeitsplatzbedrohung hätten empfinden können, aber denen es der Patienten wegen um das Ganze gegangen ist. Ich darf allen, die in Rheinland-Pfalz diesen Weg mitgegangen sind und mitgehen, dafür danken.
Dieses Ziel, psychische und somatische Erkrankungen gleichzustellen und auf diese Art und Weise ein besonderes Zeichen der Integration psychisch kranker Menschen in unserer Gesellschaft zu setzen und immer wieder zu erneuern und lebendig zu halten, darf an einem solchen Tag in Erinnerung gerufen werden. Es muss in Erinnerung gerufen werden, weil wir nicht am Ziel sind.
Aufgaben erwachsen aus dem Erinnern. Herausforderungen sollen durch eine solche Begegnung im Erinnern
in Kraft münden, um sie besser bewältigen zu können. Wenn an einem solchen Tag aus dieser Gefühlslage heraus das Gemeinschaftsgefühl insgesamt in unserer Gesellschaft wächst – jeweils wechselseitig bei Stärkeren und Schwächeren; ich bin überzeugt davon, dass es durch solche Begegnungen des Erinnerns in besonderer Weise wächst –, haben wir für uns alle viel getan.
Wir verbeugen uns in Respekt und Ehrfurcht vor den Opfern. Wir wollen uns verpflichten, mit unserer Kraft das zu tun, was in unserer Macht liegt, um so Schreckliches zu verhindern, und im Alltag der Herausforderung, Menschenwürde als unteilbar zu leben, auch gerecht zu werden.