Protokoll der Sitzung vom 25.03.2009

Völlig undiskutabel ist allerdings, dass diese Grundschulordnung zum Schuljahresbeginn 2008 umgesetzt werden musste, die eigentliche Verordnung selbst aber

den Akteuren erst nach den Herbstferien vorlag. Genauso, wie wir es auch schon bei der Schulgesetzgebung beobachten konnten, halten Sie sich dabei auch nicht mehr sauber an die Verfahren. Die Umsetzung neuer Gesetze und Verordnungen erfolgt offensichtlich regelmäßig unter der absoluten SPD-Mehrheit, noch bevor das jeweilige Gesetz oder die jeweilige Verordnung überhaupt rechtskräftig vorliegen.

(Beifall der FDP und der CDU – Eymael, FDP: Richtig!)

Das Dritte, was äußerst interessant ist, ist die Tatsache, wie jetzt mit der inhaltlichen Kritik umgegangen wird. Ich sagte bereits, im Ausschuss hatte ich das Gefühl, die Ministerin zeigt sich ein wenig verwundert, dass ausgerechnet diejenigen, nämlich der VBE und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die vorher die pädagogischen Neuerungen eingefordert hätten, nun am lautesten kritisieren. Frau Ministerin, das war meiner Ansicht nach – Sie mögen es mir verzeihen – eine relativ undifferenzierte Art und Weise, mit einer sehr differenzierten Kritik dieser Akteure umzugehen.

(Beifall der FDP)

Wenn man sich beispielsweise die gestrige Presseinformation der GEW aufmerksam durchgelesen hat, bekennt man sich nicht nur in dieser Gewerkschaft, sondern auch unter den Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern insgesamt ausdrücklich zur individuellen Förderung von Schülerinnen und Schülern in der Grundschule, auch auf der Basis der Neuerungen, die die Grundschulordnung vorsieht.

Aber Sie können doch nicht ernsthaft glauben, Sie könnten diese Neuerungen durchsetzen, ohne dass sie zunächst einmal ausführlich diskutiert werden – das ist noch unsere Sache im parlamentarischen Raum –, ohne dass Sie den Akteuren rechtzeitig die rechtliche Grundlage dazu liefern und vor allem, ohne dass Sie ihnen die zur Umsetzung zwingend notwendigen Ressourcen mit auf den Weg geben. Das funktioniert nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall der FDP)

Dann hätten Sie auch entsprechende Mittel im Haushalt verankern und zur Verfügung stellen müssen. Die Kritik, die von den Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern an der Reform geübt wird, ist differenziert und völlig nachvollziehbar.

(Glocke des Präsidenten)

Ich würde gern im Einzelnen in der zweiten Runde noch auf diese Kritik eingehen.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP und der CDU)

Das Wort hat nun Frau Ministerin Ahnen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte erst einmal zwei Vorbemerkungen machen. Ich widerspreche Frau Kollegin Raab ungern,

(Baldauf, CDU: Oh!)

aber wir haben im Ausschuss nicht zweimal über dieses Thema geredet, sondern wir haben im Ausschuss viermal über dieses Thema geredet. Übrigens haben wir im Ausschuss auch weit vor dem Inkrafttreten miteinander geredet, nämlich am 17. Januar 2008, am 29. Mai 2008, am 9. September 2008 und am 10. März 2009.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Dickes, sagen Sie mir eine Frage, die seitens des Ministeriums in diesen Ausschussberatungen unbeantwortet geblieben ist. Insofern waren Sie bei den kritischen Fragen, die Ihnen zu Ohren gekommen sind, bestens in der Lage, den Schulleiterinnen und Schulleitern und den Lehrerinnen und Lehrern im Einzelfall weiterzuhelfen, wenn es noch nicht angekommen war.

(Beifall bei der SPD)

Der Titel der Aktuellen Stunde – zum Thema „Aktualität“ habe ich auf Daten verwiesen – heißt: „An den Realitäten vorbei“. Also ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, wenn es um individuelle Förderung geht, wenn es darum geht, dass Eltern besser Rückmeldungen erhalten, und wenn es auch darum geht, Leistungsnachweise in ihrer zu hohen Anzahl zu reduzieren, dann ist das meines Erachtens nicht an den Realitäten vorbei, sondern ein dringendes Gebot der Stunde.

(Beifall bei der SPD)

Dabei mache ich es mir auch nicht so leicht, Ihnen jetzt einzelne Briefe vorzulesen. Es gibt einen wunderschönen Leserbrief im „Trierischen Volksfreund“. Diesen könnte ich Ihnen vorlesen. Ich könnte Ihnen auch jede Menge Briefe aus meinem Büro mitbringen. Ich habe schon einmal versucht, es Ihnen in der Ausschusssitzung zu erklären. Sie werden im schulischen Bereich nie etwas machen, bei dem Sie nicht so eine Stimme und so eine Stimme finden. Wie gesagt, ich glaube, ich bekomme noch mehr Briefe als Sie.

(Frau Spurzem, SPD: Das glaube ich auch!)

Ich könnte mich hier stundenlang hinstellen und könnte Ihnen Belobigungen auf die Grundschulordnung vorlesen. Damit würde ich den Eindruck erwecken, als gäbe es andere Stimmen nicht. Ja, es gibt auch andere Stimmen. Aber ich halte mich an die, die auch an der Anhörung beteiligt waren.

Ich sage einmal, Hauptadressaten dieser neuen Verordnung – verstehen Sie es nicht falsch – sind neben den Lehrerinnen und Lehrern vor allen Dingen auch einmal die Eltern. Der Landeselternbeirat hat sich nun sehr dezidiert geäußert. In dem Fall zitiere ich. Der Landeselternbeirat hat gesagt: „Diese Neuregelung stellt einen großen Fortschritt dar und setzt wesentliche langjährige

Forderungen des Landeselternbeirates in die Tat um.“ – So weit die gesetzlich gewählte Landeselternvertretung.

(Beifall der SPD)

Daraufhin beginnt Frau Dickes im Ausschuss eine Diskussion und sagt: Wer ist eigentlich der Landeselternbeirat? Welche Eltern sind dort vertreten? Ja, das sind die von uns gesetzlich konstituierten Menschen, die dort gewählt worden sind. Ich meine, da müsste die Ministerin schon relativ genau hinhören, was diese sagen.

Frau Abgeordnete Morsblech, ich darf Sie beruhigen. Ich bin selten empört, oft engagiert. Das wird mir dann manchmal als Empörung ausgelegt. Aber ich finde, ein bisschen Leidenschaft gehört zu der Sache auch dazu.

Ich bin nicht empört über das, was die Lehrerverbände machen, ich meine sogar, mich erinnern zu können, dass ich ein hohes Maß an Verständnis gezeigt habe, indem ich gesagt habe, wenn ich Gewerkschaft oder Verband wäre, würde ich auch sehr unterschiedliche Anlässe nutzen, um immer wieder zur Optimierung meiner Arbeitsbedingungen beizutragen und das auch zu fordern. Das ist nämlich die Aufgabe von Gewerkschaften und Verbänden. Aber das ist eine Sichtweise auf das Thema.

(Beifall der SPD)

Es ist eine absolut legitime Sichtweise, die ich niemals in Frage ziehen würde, aber sie stellt nicht die Gesamtbetrachtung dar. Dass ich das konstatiert habe, finde ich auch richtig so.

Ich komme jetzt zum Verfahren, als würden wir das heute das erste Mal diskutieren, als wäre im Herbst 2008 eine Verordnung gekommen, die niemand kannte. Im Herbst 2007 hat es Schulleiterdienstbesprechungen mit allen Schulleiterinnen und Schulleitern gegeben. Herr Keller, ich weiß, diese mögen Sie nicht so, weil Sie meinen, Dienstbesprechungen wären nicht so gut. Aber es hat sie gegeben. Dort ist nachweisbar über dieses Thema informiert worden.

Im Nachgang hat es 54 vorbereitende Fortbildungsveranstaltungen gegeben. Vom 25. März 2008 bis zum 7. Mai 2008 hat es eine Anhörung gegeben, die auch öffentlich zu Debatten geführt hat. Dann ist sie zum Schuljahresbeginn in einem Teilbereich in einem Vorgriff und zum Herbst insgesamt in Kraft gesetzt worden. Es kann also keine Rede davon sein, als sei im Herbst 2008 irgendetwas über die Schulen gekommen, was keiner gekannt hat und von dem keiner etwas wusste.

Ich möchte dann hinzufügen, auch im Moment bieten wir aktuell Fortbildungen an. Die Schulaufsichtsreferenten stehen zur Verfügung, die Grundschulberater auch. Wenn Sie in einem System arbeiten, in dem Sie Tausende von Schulen mit Zehntausenden von Beschäftigten haben, ja, dann kann es sein, dass jemand auch etwas falsch an dieser Stelle weitergibt. Ja, es kann auch sein, dass manchmal eine Nachfrage entsteht. Deswegen haben wir Schulaufsicht, Beratungssysteme und Fortbildungseinrichtungen und gewährleisten über

diese, dass diese Fragen auch entsprechend beantwortet werden.

Lassen Sie mich zu dem Aspekt der Belastung etwas sagen. Ich stehe nicht an, auch an dieser Stelle in aller Deutlichkeit zu sagen, dass ich den Lehrerinnen- und Lehrerberuf für einen der schönsten Berufe in dieser Gesellschaft halte, aber auch für einen mit den höchsten Belastungen, weil es einfach sehr viel schwieriger ist, jeden Tag vor Kindern und Eltern seinen Mann und seine Frau stehen zu müssen, als das in vielen anderen Bereichen der Fall ist. Ich möchte das an dieser Stelle mit aller Deutlichkeit in Richtung der Lehrerinnen und Lehrer sagen.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen sage ich auch gerne: Überlegen wir immer auch, wenn neue Belastungen zu erwarten sind, ob es auch zu Entlastungen kommen kann. Es kann mir kein Mensch sagen, dass eine Reduzierung um bis zu zwölf Klassenarbeiten im Schuljahr keine Entlastung wäre, übrigens eine von den Lehrerinnen- und Lehrerverbänden lange geforderte Sache. Es ist übrigens auch etwas, bei dem sie gesagt haben, es ist dringend, dass wir das einführen. Genau dies ist in dieser Grundschulordnung auch vorgesehen. Wir haben sehr wohl Belastungen und Entlastungen im Blick gehabt.

Ich möchte auch hinzufügen, dass sicherlich gerade in der Anfangszeit der Umsetzung einer neuen Verordnung zusätzliche Belastungen entstehen. Ich glaube auch, dass eine gewisse Erfahrung einkehrt und sich das dann ein Stück weit relativiert.

Ich füge aber auch hinzu, so, wie wir in der Gesamtgesellschaft nicht sagen können, dass Dinge sich nur dann weiterentwickeln dürfen, wenn wir auch entsprechend den Forderungen der Betroffenen zusätzliche Ressourcen zur Verfügung stellen, dann würden wir an vielen Stellen keinen Fortschritt haben. Seien wir ehrlich. So schade und so schlimm das manchmal ist, müssen wir Fortschritt und Weiterentwicklung organisieren, manchmal auch mit vorhandenem Personal, weil es für die Schülerinnen und Schüler wichtig ist. Insofern, ja, Belastung und Entlastung gegenüberstellen, aber wir können auch nicht den Eindruck erwecken, als könnten wir bei jeder Maßnahme, die wir im schulischen Bereich umsetzen, erst einmal Hunderte oder gar Tausende Lehrerstellen zur Verfügung stellen.

Ich sage dann abschließend dazu, wir machen es doch in vielen Bereichen. Wir haben an den Grundschulen eine strukturelle Unterrichtsversorgung von 100 %. Das ist in den letzten Jahren ein riesiger Fortschritt. Das war nur über zusätzliche Stellen möglich.

Wir haben die geringste Klassenfrequenz mit 21,3 Schülerinnen und Schülern im Durchschnitt der Grundschulen. Auch das ist ein beträchtlicher Fortschritt. Wir haben die Feuerwehrlehrkräfte in den letzten Jahren aufgestockt. Wir wollen auch an dieser Stelle noch einmal ein gutes Stück weitergehen, um die Schulen auch bei dem temporären Unterrichtsausfall noch besser unterstützen zu können.

Wir haben in der Frage der Ausweitung der Schulleitungsanrechnung übrigens 100 Stellenäquivalente zusätzlich zur Verfügung gestellt, auch für die Grundschulen. Wir haben außerdem inzwischen 234 Ganztagsgrundschulen aufgebaut. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind beträchtliche Ressourcen, die in diesen Bereich gegangen sind. Dort, wo es in Zukunft möglich ist, wollen wir diesen Weg weitergehen, damit die Lehrerinnen und Lehrer sich auch in Zukunft gut unterstützt fühlen können.

(Beifall der SPD)

Ich erteile Frau Kollegin Dickes das Wort.

Frau Raab, es ist doch sehr beruhigend, dass wir nur in den sozialen Brennpunkten große Klassen in den Grundschulen haben. Das ist schön.

Frau Ministerin, bei vier von uns beantragten Informationen im Ausschuss haben Sie über die neue Grundschulordnung berichtet. In jeder dieser Ausschusssitzungen haben die CDU und die FDP kritische Fragen gestellt. Wir wurden für diese Fragen ausgelacht. Wir haben keine ordentlichen Antworten bekommen.

(Zurufe der Abg. Harald Schweitzer und Fuhr, SPD)

Wir haben die Fragen zur Umsetzung gestellt. Die Kritikpunkte, die heute geäußert werden, haben wir damals bereits angesprochen. Sie sind eingetreten.