Die Entscheidung darüber fällt nicht die Frau selbst, sondern die Entscheidung fällen die Betrachter.
Liebe CDU-Kolleginnen und -Kollegen, das versuchen Sie uns als Gleichberechtigung von Mann und Frau zu verkaufen. Ich nenne das eine Mogelpackung.
Werte Kollegen, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit. Das deutsch-türkische Forum der CDU schreibt in seinen Leitsätzen, das Tragen eines Kopftuchs ist nach der Mehrheitsmeinung muslimischer Theologen ein religiöses Gebot. Es ist von daher nicht per se grundgesetzwidrig. Jedoch treten Einzelfälle auf, in denen das Kopftuch primär aus politischen Gründen getragen wird. Ein Fernhalten dieser politischen Gesinnung aus dem öffentlichen Dienst, ohne Unschuldige zu verurteilen, lässt sich nur durch konsequente Einzelfallentscheidung bewerkstelligen. – Nichts anderes tut die rheinlandpfälzische Landesregierung unter Federführung von Staatsministerin Doris Ahnen. Konsequente Einzelfallentscheidungen, und es funktioniert.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Der Befund der im Februar 2009 veröffentlichten Untersuchung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch mit dem Titel „Diskriminierung im Namen der Neutralität“ sagt klar, die Gesetze richten sich gegen das Kopftuch. Sie zwingen Kopftuch tragende Frauen, sich entweder für ihren Beruf oder ihren Glauben zu entscheiden.
Sie diskriminieren sowohl auf der Grundlage des Geschlechts als auch in der Religion und verletzen die Menschenrechte. –
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, den die CDU uns heute präsentiert, ist nicht neu, sondern dieser stand schon einmal in früheren Jahren zur Diskussion, aber er ist keineswegs ein alter Hut.
Die Debatten in den letzten Wochen um eine Kopftuch tragende Lehrerin in Worms und Speyer haben gezeigt, dass das Thema, wie man mit Lehrerinnen umgeht, die darauf bestehen, in der Schule ein Kopftuch zu tragen, aktueller ist denn je. Auch wenn bislang nur wenige Fälle in die Öffentlichkeit gelangt sind, so verdient dieses Thema wegen einer zunehmenden Pluralisierung und Heterogenisierung unserer Gesellschaft eine besondere Aufmerksamkeit.
Bislang hat die FDP Rheinland-Pfalz die Auffassung vertreten, das allgemeine Dienst- und Schulrecht gestatte eine sozialadäquate Lösung im Einzelfall, sodass es keiner neuen gesetzlichen Grundlage bedürfe, um die Einhaltung der staatlichen Neutralitätspflicht sicherzustellen.
Der genannte Fall in Worms und Speyer hat aber deutlich gemacht, dass Fälle denkbar sind, in denen eine gesetzliche Klarstellung hilfreich sein könnte.
Nun wollen wir nicht wegen eines einzelnen Falles ein neues Gesetz schaffen; denn das wissen auch die Juristen unter Ihnen, die Verfassung sieht es nicht nur nicht vor, sie gestattet es auch nicht. Aber da zu befürchten ist, dass es künftig mehrere Fälle dieser Art gibt, sehen wir ein Bedürfnis für eine vertiefte und umfassende sachliche Diskussion.
Deshalb haben wir einen Gutachtenauftrag an den Wissenschaftlichen Dienst dieses Hauses gerichtet, der die bestehenden gesetzlichen Regelungen, also Grundlagen der anderen Länder auflistet, sie charakterisiert sowie deren Umsetzung in der Praxis erläutert.
Die schon viel zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2003 steckt zwar das rechtliche Feld ab, in dem sich der Landesgesetzgeber im Falle eines Gesetzes bewegen muss, aber er gibt keine konkreten Handlungsanweisungen. Ähnliche Entscheidungen, die Ihnen auch geläufig sind, wie das Kruzifixurteil von 1995 oder eine ähnliche frühere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1973 – da ging es allerdings nicht um den Schulbereich, sondern um den Bereich der Justiz, genauer gesagt einen Gerichtssaal –, fordern ausdrücklich die grundsätzliche Gleichbehandlung aller Religionen.
Das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot gilt aber nicht absolut, sondern ist am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen, wodurch auch die hier von der CDU vorgeschlagene Bevorzugung der christlichen und jüdischen Religion bzw. ihrer Symbole unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sein könnte.
Die sich damit verbindenden Fragen sind allerdings so komplex – das werden Sie verstehen –, dass ich das in fünf Minuten nicht alles abhandeln kann.
Geklärt werden müsste meines Erachtens in diesem Zusammenhang, ob im Bereich der Schulen im Hinblick auf die negative Religionsfreiheit, also die Freiheit, nicht
zum Glauben oder Bekenntnis gezwungen zu werden, der Schülerinnen und Schüler eine altersbedingte Differenzierung – Sie wissen, mit 14 beginnt erst die Religionsmündigkeit – vorzunehmen ist. Das ist eine Frage, die das Bundesverfassungsgericht nicht behandelt hat.
Zu bedenken ist dann aber auch, ob eine gesetzliche Änderung des Schulgesetzes, so man sie denn vornimmt, auch Folgeregelungen im allgemeinen Dienstrecht nach sich ziehen muss und einiges mehr.
Nun noch ein paar Worte zu der Fragestunde des vorletzten Plenums, in dem es auch um den Sachverhalt ging, der Ausgangspunkt für diesen Gesetzentwurf der CDU bildet.
In dieser Fragestunde haben Sie, Frau Ministerin, klar gesagt, Sie würden es ablehnen, sich eine Deutungshoheit über religiöse oder weltanschauliche Symbole anzumaßen. Auf meine Nachfrage, ob dies auch für Sie als Dienstherrin gelten würde, haben Sie dies unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bejaht. Mit dieser Rechtsauffassung liegen Sie nach Ansicht der FDP falsch.
Sie können aus politischen Gründen als potenzielle Initiatorin eines Gesetzgebungsverfahrens zwar eine generelle Deutungshoheit über religiöse und weltanschauliche Symbole verweigern, indem Sie kein Gesetz auf den Weg bringen, oder aber – wie Sie es tun – sich ablehnend positionieren. Sie können sich aber nicht Ihrer verfassungsrechtlichen Pflicht als Dienstherrin zur Deutung auch religiöser und weltanschaulicher Symbole im Einzelfall gegenüber Ihren Bediensteten verweigern.
Zu diesem Handeln und Entscheiden im Einzelfall verpflichtet Sie das verfassungsrechtliche Neutralitätsgebot, für dessen Wahrung Sie in Ihrem Zuständigkeitsbereich die Verantwortung tragen. Wer, wenn nicht der Dienstherr, soll gegenüber einem Bediensteten entscheiden, ob die äußere Erscheinung angemessen ist?
Herr Dr. Wilke, zu Ihnen noch einen Satz. Es geht um die Frage des „Ob“ der Deutungshoheit, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich des „Wie“ – das ist klar –, die muss man beachten.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich versuche, in der Kürze der Zeit auf einige Argumente, die hier vorgetragen worden sind, noch einmal einzugehen.
Es ist bereits darauf hingewiesen worden, Sie legen einen Gesetzentwurf vor, der hier vor vier Jahren schon einmal zur Beratung stand. Das ist Ihr gutes Recht.
Sie meinen, es gäbe aus Ihrer Sicht dazu einen erneuten Anlass. Aber mich sozusagen zur Begründung heranzuziehen, ich hätte mich in meiner Einschätzung vor vier Jahren getäuscht, – – –
(Dr. Wilke, CDU: Aber grundlegend! – Pörksen, SPD: Wegen eines Falls! Ihr habt doch nicht alle Tassen im Schrank!)
Das Zitat, das Sie vorgetragen haben, ist voll umfänglich, auch heute noch, geltend, nämlich dass wir versuchen wollen, einen Interessenausgleich zu suchen, wenn es potenziell zu Konflikten kommen sollte. Den Weg haben wir damals beschrieben. Der Weg hat auch heute noch seine Gültigkeit.
Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, dass die Schulaufsicht – als zuständige Ministerin gehöre ich selbstverständlich auch dazu – die Fürsorgepflicht in solchen Konfliktsituationen hat. Auch die nehmen wir wahr.
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Wilke, wenn Sie mir einen Moment Ihr Gehör schenken könnten. Bei dem Weg, den wir uns dort vorgenommen haben, davon zu sprechen, das sei Basta-Politik,