Protokoll der Sitzung vom 21.09.2006

Herr Kollege Pörksen, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir behandeln heute in der Aussprache ein hochaktuelles Thema. Wie bereits bei der Beantwortung der Mündlichen Anfrage ausgeführt, hat gestern das Bundeskabinett den Gesetzentwurf für die Anti-Terror-Datei auf den Weg gebracht. Die SPD-Fraktion begrüßt die Einigung in der Innenministerkonferenz bezüglich des Eckwertepapiers und den jetzigen Gesetzentwurf, wobei wir diesen im Einzelnen noch nicht haben lesen können.

Damit ist ein jahrelanger Streit, der oft auch sehr ideologisch geführt worden ist, mittels eines Kompromisses beendet worden. Wir sind besonders froh darüber, dass trotz der aktuellen Gefährdungslage in Deutschland aufgrund der versuchten Bombenattentate eine Grundlage geschaffen werden konnte, aufgrund derer einerseits die Verbesserung der Terrorismusbekämpfung durch eine bessere Zusammenarbeit der damit beschäftigten Institutionen ermöglicht wird und andererseits die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger einschließlich des Datenschutzes nicht unzuträglich eingeschränkt werden und das Trennungsgebot zwischen Polizei und Verfassungsschutz eingehalten wird. Dafür haben wir uns in besonderer Weise eingesetzt.

(Beifall des Abg. Harald Schweitzer, SPD)

Ich möchte noch etwas zum Datenschutz sagen. Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung werden keine neuen Daten erhoben, sondern Daten zusammengeführt, das heißt, dass die Datenschutzbestimmungen, die bereits heute gelten, auch für diese Fragen zu berücksichtigen sind. Der Gesetzentwurf sieht ausdrücklich das Recht des Bundesdatenschutzbeauftragten und der Landesdatenschutzbeauftragten auf Kontrolle vor. Wie wir es jetzt sehen, ist der Datenschutz insoweit hinreichend gewährleistet.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Wir haben durchgesetzt – das ist ganz wichtig; der Minister hat bereits darauf abgehoben –, dass keine Volltextdatei eingeführt wird, in der die Grunddaten und die erweiterten Daten insgesamt enthalten sind.

Frau Kohnle-Gros, Sie können gleich reden. Ich komme zur Auflistung, um welche Daten es sich handelt. Das ist wichtig zu wissen.

Bei den Grunddaten handelt es sich um Familienname, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort, aktuelle und frühere Staatsangehörigkeiten, Sprachen, Dialekte,

Lichtbilder usw. Bei den erweiterten Grunddaten, die in der Volltextdatei enthalten gewesen wären, geht es um eigene und genutzte Telekommunikationsanschlüsse, Adressen für elektronische Post, Bankverbindungen, Schließfächer, auf Personen zugelassene Fahrzeuge, Familienstand, Volkszugehörigkeit, Angaben zur Religionszugehörigkeit – das ist ein besonders umstrittener Bereich –, besondere Fähigkeiten usw. Es dauert zu lang, alles im Einzelnen aufzuführen. Wir waren der Auffassung, dass hier nicht der unmittelbare Zugriff möglich sein sollte, sondern eine weitere Stufe eingebaut wird, sodass die Grund- und die erweiterten Grunddaten getrennt voneinander abgerufen werden können.

(Beifall bei der SPD – Frau Kohnle-Gros, CDU: Wer ist wir?)

Frau Kollegin Kohnle-Gros, es ist Ihr Problem, wenn Sie mit der Verfassung anders als wir umgehen. Wir wollen aus verfassungsrechtlichen und praktischen Gründen diese Trennung, weil auswärtige Dienste sehr zurückhaltend mit den Informationen – – –

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Ich will doch nur wissen, wer ist wir!)

Ich rede für die SPD-Fraktion.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das wollte ich nur wissen!)

Wir haben es als SPD durchgesetzt, wenn Sie das genau wissen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Sie kennen die Lage ganz genau. Sie kennen doch Herrn Beckstein zur Genüge. Sie hätten nur zuhören müssen. Der Herr Minister hat vorhin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es keine Angelegenheit zwischen A- und B-Ländern gewesen ist, sondern durchaus unterschiedlich gesehen wird.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Ich wollte doch nur wissen, wer ist wir!)

Ich rede für die SPD. Das ist auch nachzuvollziehen. Ich bin sehr vorsichtig in der Skizzierung dessen, was Herr Beckstein gefordert hat. Ich bin sehr zurückhaltend.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Wir waren deshalb für die Einführung der Index-Kartei. Das ist auch so erfolgt. Das wissen Sie. Es gibt aus unserer Sicht einen kleinen Wermutstropfen, nämlich dass der Durchgriff direkt möglich sein soll, wenn Gefahr in Verzug ist. Auch hier sind Sicherheitsmechanismen einzubauen. Der Minister hat bereits darauf hingewiesen, dass dies nur in sehr eingeschränktem Maß möglich ist. Es macht wenig Sinn, für eine Trennung zu sein, und sie anschließend doch außer Kraft zu setzen.

(Vizepräsident Bauckhage übernimmt den Vorsitz)

Das zweigestufte Verfahren – Grunddaten uneingeschränkt, bei erweiterten Grunddaten Abfrage bei der jeweils zuständigen Dienststelle – ist für uns der richtige

Weg, um die Interessen der Betroffenen, aber auch eine reibungslose Zusammenarbeit der Dienste untereinander zu gewährleisten.

Den Wermutstropfen habe ich angesprochen. Wir hätten das gern nicht gehabt, aber der Versuch in der Innenministerkonferenz, diesen direkten Zugriff nicht zu ermöglichen, scheiterte. Der Minister hat dann gesagt: Im Interesse des Ganzen verzichten wir darauf, dies durchzusetzen. Möglicherweise hätten wir es auch nicht durchgesetzt. Aber man hat diese Kröte, wenn Sie so wollen, geschluckt, um endlich die Diskussion über die Datei zu beenden, damit die Sicherheitsdienste das, was sie für erforderlich halten, auch tatsächlich an die Hand bekommen.

(Glocke des Präsidenten)

Wir sind zwar der Auffassung, dass wir mit den Sicherheitsbehörden eine bessere Arbeitsgrundlage haben, – –

Herr Kollege Pörksen!

Ich höre sofort auf.

aber wir sind auch sicher, dass natürlich durch diese Datei jetzt nicht die terroristischen Anschläge endgültig verhindert werden können.

Ich komme noch einmal wieder.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, zunächst möchte ich Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen, und zwar Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schule Wirtschaft Trier. Herzlich willkommen!

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Lammert das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In Rheinland-Pfalz leben nach Angaben des Verfassungsschutzes über 1.300 ausländische Extremisten, darunter mehr als 700 Islamisten. Daneben gibt es in Rheinland-Pfalz einzelne Mitglieder extremer Organisationen, zum Beispiel der Muslimbruderschaft oder auch der Hisbollah. Bereits die Festnahme eines TopGefährders aus dem Umfeld von Bin Laden im Januar 2005 in der Mainzer Neustadt, also direkt bei uns, hat die neue Bedrohungslage gezeigt.

Die Kofferbomben am Koblenzer Bahnhof sind ein weiteres Indiz dieser neuen Gefährdungslage. Der internatio

nale Terrorismus ist auch vor unserer Tür in RheinlandPfalz bedauerlicherweise angekommen. Wir müssen uns, so bedauerlich das sicherlich ist, damit auch auseinander setzen. Es gibt sicherlich eine Reihe von Fragen. Man kann fragen: Wovon leben zum Beispiel die Extremisten im Land? Wo leben sie überhaupt? Wo sind die Schwerpunkte?

Meine Damen und Herren, auch die jüngsten Äußerungen aus extremistischen Kreisen auf die Aussagen des Papstes zeigen die derzeitige Situation und die Bedrohungslage und die oftmalige Empfindlichkeit, die derzeit festzustellen ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Einrichtung einer Anti-Terror-Datei wird uns bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus sicherlich helfen. Es ist ausdrücklich zu begrüßen – wir begrüßen das selbstverständlich auch vonseiten der Union –, dass es zu einem Kompromiss gekommen ist, Herr Minister, zwar keine Volltextdatei, aber immerhin eine erweiterte Indexdatei – wir stehen selbstverständlich dahinter –, und es ist sinnvoll für eine weitere Bekämpfung des Terrorismus, und es ist auch sinnvoll für eine bessere Kommunikation zwischen den Sicherheitsbehörden und auch für ein schnelleres Handeln. Das begrüßen wir ausdrücklich.

Auch dem Datenschutz ist sicherlich Rechnung getragen worden, da nicht jeder Polizeibeamte, wie das ursprünglich einmal dargestellt wurde, einen Zugriff auf diese Indexdatei hat, sondern nur zugriffsberechtigte Personen bzw. zugriffsberechtigte Behörden diesen Zugriff erlaubt bekommen.

Die Grunddaten – mein Kollege Pörksen hat es bereits angeführt – sind sicherlich zum einen wichtig, aber ich möchte auch noch einmal auf das Thema der Religionszugehörigkeit eingehen, das umstritten war, das aber dann auch letztendlich aufgenommen wurde, zumindest in die erweiterten Grunddaten. Ich denke, es ist schon erfreulich, dass dies aufgenommen wurde; denn auch diese Informationen bilden für einige Tätergruppen schon einen wichtigen Hinweis.

Es soll nicht angehen, dass wir eine Religionsfreiheit einschränken wollen, ganz im Gegenteil. Es geht eben darum, dass einige Tätergruppen aus bestimmten religiösen Motiven handeln und durch extreme religiöse Anschauungen ebenfalls handeln. Diesem soll letztendlich Rechnung getragen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lediglich in kritischen Situationen und zur Abwehr der unmittelbaren Gefahr sollen die Sicherheitsbehörden direkten Zugriff auf die verdeckten Daten erhalten. Hier ist auch das Trennungsgebot zwischen Verfassungsschutz und Polizei, das eine Rolle spielt, ebenfalls gewahrt. Ein direkter Zugriff ist nur in Eilfällen zur Abwehr von gegenwärtigen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Freiheit vorgesehen. Darüber muss auch entsprechend, wenn diese erfolgt, eine gesonderte Dokumentation erfolgen.

Dies ist wohl eine Sonderlösung in Rheinland-Pfalz; denn laut Protokoll der Innenministerkonferenz hat Rheinland-Pfalz dargelegt, dass der Polizei im Eilverfah

ren kein direkter Zugriff auf Daten ermöglicht werden soll, auch nicht, wenn Gefahr in Verzug ist. Herr Minister hier ist schon die Frage, warum dies so ist. Ist das ein Misstrauen gegenüber unserer Polizei, die im Grunde genommen gut ausgebildet ist, die auch in diesem Bereich hoch sensibilisiert ist? Offensichtlich ist dies hier nicht gewünscht und kann auch so nicht möglich sein, zumindest in Rheinland-Pfalz, während dies in anderen Ländern sehr wohl möglich ist.

Ich will bei dieser Gelegenheit aus den Koalitionsvereinbarungen des Bundes zwischen SPD und CDU zitieren. Darin steht: Die Sicherheitsbehörden in Deutschland sind gut aufgestellt. Wir werden jedoch die im Grundsatz bewährte Sicherheitsarchitektur, wo es nötig ist, weiterentwickeln und überprüfen, inwieweit rechtliche Regelungen, etwa des Datenschutzes, einer effektiven Bekämpfung des Terrorismus und der Kriminalität entgegenstehen. – Unseres Erachtens müsste dies auch im Land erfolgen. Das ist ein klarer Auftrag, dass hierdurch durchaus auch der Datenschutz – –

(Glocke des Präsidenten)

Ich komme zum Schluss.

vielleicht nicht nur absolute Berücksichtigung finden sollte. Eine absolute Sicherheit wird es auch durch diese Anti-Terror-Datei natürlich nicht geben. Es ist aber sehr zu begrüßen, dass hier eine schnellere Aufklärung und eine weitaus bessere Prävention zur höchstmöglichen Sicherheit der Bevölkerung erfolgen kann.

Vielen Dank.