Protokoll der Sitzung vom 02.09.2009

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir wollen außerdem, dass Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen, diese Leis

tung steuerlich absetzen oder bei der Alterssicherung geltend machen können. Dieser Ansatz stellt die Bedürfnisse und Lebensmodelle junger Familien in den Mittelpunkt. Wir wollen Kinder und ihren Betreuungsbedarf fördern. Sie fördern die Institution und die von Ihnen bevorzugte Struktur. Genau hier liegt der politische Unterschied. Das müssen wir akzeptieren. Ich denke, das ist die richtige Stelle, es noch einmal deutlich zu machen.

Nach wie vor gibt es in Rheinland-Pfalz etliche Familien, die für sich ein passgenaues Betreuungsangebot suchen müssen. Nach wie vor gibt es Träger, die herausragende Angebote machen, aber keinerlei Unterstützung von Ihnen bekommen und in der örtlichen Bedarfsplanung nicht berücksichtigt werden können. Nach wie vor werden Tagespflegepersonen in einem nahezu unerträglichen Maß mit Bürokratie belastet und gerade im Bereich der Betreuungsangebote für unter Dreijährige benachteiligt.

Frau Kollegin Dickes hat es angeschnitten, ich möchte in der zweiten Runde gern noch etwas dazu sagen. Sie haben noch Baustellen in den Bereichen, in denen Sie fördern, unterstützen und mit Ihren Programmen voranbringen. Ich habe den Länderreport „Frühkindliche Bildungssysteme 2008“ der Bertelsmann-Stiftung mitgebracht. Vielleicht kann man noch kurz auf die Qualitätskriterien eingehen. Meine Zeit läuft ab.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der FDP)

Ich erteile Frau Ministerin Ahnen das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich ein paar Anmerkungen insbesondere zu dem machen, was von den Oppositionsfraktionen gesagt worden ist.

Frau Morsblech, ich sage Ihnen im Hinblick auf Ihre Kritik der Feierstunde Folgendes: Ich finde, wenn man etwas erreicht hat, dann muss man sich einmal die Stunde nehmen und sich darüber freuen, dass man etwas erreicht hat.

(Beifall der SPD)

Das macht nicht nur die rheinland-pfälzische Lebensart aus, dass wir das auch noch können. Es ist noch etwas anderes. Im Moment sind wir gezwungen, die Menschen sehr oft mit negativen Nachrichten zu konfrontieren. Das bringt die wirtschaftliche Situation und die weltweite Krise mit sich.

Wenn wir nicht in der Lage sind, ab und an das Positive zu kommunizieren, was wir erreicht haben, dann stellt

sich die Frage, wie die Bürgerinnen und Bürger noch Vertrauen in staatliche Institutionen entwickeln sollen.

(Beifall der SPD)

Deshalb ist es nicht nur Aufgabe einer Regierung und eines Parlaments, den Finger in die Wunde zu legen, wenn es eine gibt, sondern es ist auch Aufgabe, den Menschen Vertrauen zu geben, dass das, was möglich ist, möglich gemacht wird. Die Beitragsfreiheit ist nicht nur für die Betroffenen – ich habe das in den letzten Tagen erlebt –, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt, für die Omas und Opas und für viele andere ein ausgesprochen positives Signal. Deswegen sage ich Danke, dass es heute diese Aktuelle Stunde gibt.

Wir haben etwas erreicht. Wir sind bundesweiter Vorreiter mit dieser Beitragsfreiheit. Ich kann nicht verstehen, dass die Beitragsfreiheit immer gegen die Qualität gestellt wird. Ich sage Ihnen jetzt einmal etwas Simples. Die Qualität unserer Kindertagesstätten kann nur wirksam werden, wenn die jungen Kinder sie auch besuchen können. Dazu gehört es, dass wir finanzielle Zugangshürden abbauen, damit sie unabhängig vom Einkommen der Eltern dieses Angebot in Anspruch nehmen können.

(Beifall der SPD)

Das ist das Wichtige für mich. Für mich ist das das wichtigste Argument für die Beitragsfreiheit. Wir haben in den letzten Jahren hier immer wieder über die Bedeutung der frühkindlichen Bildung diskutiert. Ich glaube, es ist inzwischen allgemeiner wissenschaftlicher, aber auch politischer Konsens, die ersten Jahre sind besonders wichtig. Wie wollen wir da auf Dauer erklären, dass wir die Kindertagesstätten trotzdem anders als die Schulen behandeln? Das hält auf Dauer keiner durch, der es mit der Bedeutung der frühkindlichen Bildung ernst meint. Ich sage, das wird bundesweit so kommen. Sie werden das in den nächsten Jahren erleben.

(Beifall bei der SPD)

Dann sage ich noch etwas zu dem positiven Nebeneffekt. Wir diskutieren zu Recht oft über Entlastung von Familien. Es ist bereits von Frau Raab gesagt worden, es geht um 770 Euro im Durchschnitt. Im Einzelfall geht es um über 1.000 Euro. Das ist eine massive und vor allen Dingen eine absolut direkte und chancengleiche Entlastung von Familien. Deswegen sind wir so stolz auf die Beitragsfreiheit.

(Beifall bei der SPD)

Vielleicht haben Sie gestern die OECD-Studie zur Kenntnis genommen, in der es um die Förderung von Kindern geht, und auch die kritischen Worte, die da angesprochen worden sind. Es ist nicht die Höhe der Entlastung der Familien in Deutschland im internationalen Vergleich kritisiert worden.

Es ist kritisiert worden, dass die Hilfen nicht zielgenau sind und sie nicht ausreichend in Infrastruktur gehen. Auch da setzen wir mit der Beitragsfreiheit ein klares Gegengewicht und zeigen einen Weg auf, wie man gleichzeitig Kinder fördern und Familien entlasten kann.

Frau Morsblech, das finde ich unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit wiederum völlig unproblematisch, ganz im Gegenteil, Beitragsfreiheit ist ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit, weil gerade die jungen Familien mit dieser Maßnahme entlastet werden.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich noch wenige Sätze zur Qualität und zu den vermeintlichen Hausaufgaben des Landes Rheinland-Pfalz sagen. Das Land Rheinland-Pfalz hat nicht die Beitragsfreiheit als erste Maßnahme eingeführt, ganz im Gegenteil – Frau Dickes, das haben Sie eben gerade wieder kritisiert –, unser wichtigster und erster Schritt war, dass wir den Auftrag der Kindertagesstätten qualitativ weiterentwickelt haben – und das schon vor vielen Jahren – mit den Bildungs- und Erziehungsempfehlungen bis in die heutigen Tage hinein, allerdings nicht so, wie Sie es wollten, nicht per Dekret von hier vorne oder von der Ministerin an die Träger, sondern in einem Konsensprozess mit den Trägern, weil wir die freien Träger in diesem Prozess mit integrieren wollten und sie auch ernst nehmen. Diesen Weg werden wir auch weiter gehen.

Was die Frage der Personalausstattung angeht, in diesen Tagen verschicken Sie Pressemitteilungen und zitieren da Studien, das wäre alles in Rheinland-Pfalz gar nicht so. Lassen Sie mich dazu nur wenige Sätze sagen. Sie sagen in Ihrer Presseerklärung, die von mir – von Ministerin Ahnen – vorgelegte Betreuungsrelation wird von wissenschaftlicher Seite angezweifelt.

Die Ministerin Ahnen hat keine Betreuungsrelation vorgelegt. Das ist die bundesweite Statistik. Ich sage deswegen auch nicht, es ist die von Frau von der Leyen – das wäre genauso falsch –, sondern das ist einfach die ganz offizielle Statistik, die 16 Länder und der Bund machen. Da sagen Sie jetzt, die solle nicht mehr gelten.

Im Übrigen tun Sie auch der Studie unrecht, die Sie zitieren. Sie stellt das viel differenzierter dar. Sie ist wissenschaftlich absolut korrekt und sagt, dass es Abweichungen gibt und erklärt diese zum Teil auch. Ich würde Sie bitten, auf so verkürzte Darstellungen in Zukunft zu verzichten. Sie geben in keiner Art und Weise die wirkliche Situation wieder. Die wirkliche Situation ist, Sie können aufschlagen, was Sie wollen, RheinlandPfalz hat auch bei der Personalausstattung eine Spitzenposition eingenommen, übrigens nicht immer mit der Unterstützung Ihrer Fraktion.

(Beifall der SPD)

Wenn wir dann schon bei früheren Zeiten sind, dann muss ich es Ihnen leider noch einmal sagen, wir haben immer kontrovers mit Ihrer Fraktion diskutieren müssen, dass Sie meinten, es wäre ein Beitrag zum Standardabbau, wenn wir keine Personalschlüssel mehr festlegen würden.

(Schweitzer, SPD: So ist es! – Ministerpräsident Beck: Genauso ist es! – Hartloff, SPD: Das Gedächtnis ist ein kurzes!)

Wissen Sie, an dieser Stelle haben wir einfach noch zu viel im Hinterkopf auf unserem langen Weg, die frühkindliche Bildung zu stärken.

Zu dem Thema „Fachkräftemangel“, das Sie ansprechen, haben wir im Ausschuss mehrfach diskutiert. Ich habe Ihnen auch im Ausschuss angekündigt, dass wir bei Herrn Professor Sell ein entsprechendes Gutachten in Auftrag gegeben haben. Ich finde, mit solchen Aussagen wie „Fachkräftemangel für einzelne Bereiche“ muss man vorsichtig umgehen. Ich werde von Fachkräftemangel sprechen, wenn wissenschaftlich belegt ist, dass es ihn gibt.

Alles andere wäre gegenüber den jungen Menschen, die heute vor einer Berufsentscheidung stehen, völlig unverantwortlich. Wenn wir hier sagen, es gibt Mangel, dann muss es den auch geben, weil sich die Leute darauf verlassen, dass sie dann auch eine Chance haben, eingestellt zu werden. Das will ich wissenschaftlich fundiert haben. Dann werde ich mich zu dieser Frage äußern. Alles andere halte ich für völlig voreilig.

(Beifall der SPD)

Ein Letztes kann ich mir nicht verkneifen, Frau Dickes. Als ich aus den Ferien zurückkam, habe ich einen Artikel im „Öffentlichen Anzeiger“ gefunden. Hier dürfen die Abgeordneten Briefe aus Mainz schreiben. Die lese ich mit großer Aufmerksamkeit. Ich weiß immer, was Frau Morsblech so denkt.

(Dr. Schmitz, FDP: Schreibt!)

Beim Herrn Pörksen weiß ich es ohnehin.

(Schweitzer, SPD: Wenn er denn denkt!)

Frau Dickes, wissen Sie, was das Schöne bei Ihnen ist? – Ich bin jedes Mal aufs Neue überrascht. Jetzt zitiere ich den Brief – mit Ihrer Genehmigung –, der am 12. August erschienen ist. Zitat Frau Dickes – sie hat geschrieben –: „Die Menschen brauchen endlich mehr Netto vom Brutto, um anschließend selbstständig entscheiden zu können, wie sie damit umgehen. Sie brauchen keine Geschenke vom Staat, der ihnen einen Teil des Geldes zweckgebunden zurückgibt, das er ihnen vorher abgenommen hat.“

Was meinen Sie eigentlich mit den Zwangsgeschenken, um die es da geht? Meinen Sie die Beitragsfreiheit? Meinen Sie die Gruppengröße? Meinen Sie den Personalschlüssel?

(Schweitzer, SPD: Alles!)

Sie müssen sich irgendwann einmal entscheiden, was eigentlich Ihre Linie an dieser Stelle ist.

Jetzt überspringe ich einen Absatz.

(Dr. Schmitz, FDP: Abwrackprämie!)

Man muss noch einmal sagen, sie brauchen keine Geschenke vom Staat. Dann kommt ein Absatz, in dem es

um die Erzieherinnen geht. Dann kommt: „Deswegen brauchen wir unbedingt mehr Gelder.“

(Vereinzelt Heiterkeit bei der SPD)

Mit diesen Widersprüchlichkeiten, die Sie an den Tag legen, hier zu fordern und vor Ort den Leuten zu erzählen, es würde alles nichts kosten, das nimmt Ihnen auf Dauer keiner ab. Dagegen steht eine solide Strategie der Landesregierung.