Protokoll der Sitzung vom 03.09.2009

Mit allgemeinen Zahlen – „ich habe da einmal“ und so – wird man an der Stelle sicherlich nicht weiterkommen.

Lassen Sie mich ein Letztes erwähnen. Nachdem ich heute hier all das gehört habe, muss ich Ihnen sagen: Die Debatte hat sich schon ein Stück weit verändert. Ich verstehe das, und ich finde es übrigens auch richtig, dass man immer zu Schuljahresbeginn darüber diskutiert.

Aber Ihnen ist nicht entgangen – das merkt man Ihrer Argumentation an –, dass wir uns nicht nur, was die materielle Seite angeht, für den Bildungsschwerpunkt nach der Decke strecken, sondern es auch zunehmend messbar ist, welche Verbesserungen im rheinlandpfälzischen Schulsystem eingetreten sind, sowohl im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit als auch im Hinblick auf die soziale Gerechtigkeit. Das werden für uns die zwei Seiten einer Medaille bleiben, um die wir auch in Zukunft mit Nachdruck kämpfen werden.

(Beifall der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat Frau Kollegin Morsblech das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist interessant. Das Phänomen der selektiven Wahrnehmung geht weiter.

(Dr. Rosenbauer, CDU: Genau!)

Es gibt noch eine Presseerklärung des VBE vom 1. September, die anlässlich der heute stattfindenden Aktuellen Stunde veröffentlicht wurde. Sie beinhaltet fünf Punkte, die der VBE zu diesem Anlass noch einmal deutlich machen möchte.

(Dr. Rosenbauer, CDU: So ist es!)

Ich lese einfach die Punkte 1 und 4 vor. Ich glaube, dass man damit vielleicht den Eindruck noch einmal etwas korrigieren kann.

Punkt 1: „Es ist mit einem strukturellen Versorgungsdefizit von ca. 2 % zu rechnen; eine markante Verbesserung gegenüber dem Vorjahr ist nicht erkennbar; ca. 700 Lehrkräfte würden nach VBE-Berechnungen benötigt, um dieses Defizit rechnerisch auszugleichen.“

(Dr. Rosenbauer, CDU: Hört! Hört! – Wirz, CDU: Das kann doch nicht sein!)

Punkt 4 lautet: „Die für die Umsetzung der vom VBE grundsätzlich begrüßten Schulstrukturreform notwendige 100%ige Unterrichtsversorgung an den neuen Realschulen plus ist nicht gesichert; allein in diesem Bereich fehlen ca. 100 Lehrkräfte, wie eine Blitzumfrage des VBE ergeben hat.“

(Dr. Rosenbauer, CDU: So ist es! – Pörksen, SPD: Bleibt doch einmal mit den Füßen auf dem Boden!)

Ich glaube, diese Blitzumfrage ist mit Sicherheit so qualifiziert wie diejenige der Kollegin Brede-Hoffmann.

(Vereinzelt Beifall der FDP)

Lassen Sie mich mit Blick auf die Uhr trotzdem noch ein anderes Problem ansprechen, das meiner Fraktion und insbesondere dem Kollegen Kuhn und mir besonders am Herzen liegt.

Frau Ministerin, Sie haben in Ihrer Presseveröffentlichung zum neuen Schuljahr auch lobend erwähnt, dass es durch gezielte zusätzliche neue Stellenzuweisungen gelungen ist, in den Eingangsklassen der Grundschule die maximale Klassengröße zu reduzieren. Es gebe keine Eingangsklasse über 28 Schülerinnen und Schüler mehr. Das ist mit Sicherheit lobenswert.

Was uns allerdings besonders am Herzen liegt, ist, dass es gerade im Bereich der Grundschule zurzeit keine gerechten Startchancen mehr gibt. Wir haben insbesondere in diesem Bereich sehr große Ungleichheiten. Sie wissen das. Wir haben im ländlichen Raum, in dem es

oft noch sozial intakte Elternhäuser gibt und die Verhältnisse so sind,

(Pörksen, SPD: Diese gibt es in der Stadt auch!)

dass man sich gegenseitig kennt, also wo ohnehin schon gute Startbedingungen sind, zum Teil sehr kleine Klassen. Dazu kann niemand etwas. Das ist der Demografie geschuldet. Das ist grundsätzlich auch begrüßenswert.

Man hat dort zeitweise das Problem, dass die Schulen um eine Lehrkraft bangen müssen, wenn noch zwei Schüler weniger kommen. Ich glaube, auch hier muss man einmal hinschauen.

Wir haben in den Städten zum Teil die großen Lerngruppen, die Sie ansprechen. 28 Schüler und Schülerinnen sind dann, wenn es sehr große soziale Unterschiede und Kinder mit einem schwierigen sozio-kulturellen oder einem Migrationshintergrund in der Klasse gibt, am Start einer Bildungslaufbahn nach wie vor sehr viel.

Ich glaube, an dieser Stelle müssen wir dringend noch einmal hinschauen. Sie müssen in Zukunft für einen gerechten Ausgleich sorgen, damit es gerechte Chancen am Start einer Bildungslaufbahn gibt.

Wir möchten Kindern nicht diese Bedingungen mit auf den Weg geben; denn hier werden die Grundsteine für das gelegt, was Sie später anbieten. Darüber haben wir ausdrücklich diskutiert. Ich glaube, wir müssen an dieser Stelle schauen, dass der Start für alle gerecht gelingt und Kinder nicht schon aufgrund ihrer Herkunft benachteiligt werden.

(Beifall der FDP)

In diese Gefahr laufen wir im Moment. Ich glaube, das ist ein Problem, dem wir uns in aller Sachlichkeit widmen müssen.

Ich habe auch gehört, dass das hier schon einmal recht unsachlich zuungunsten des Kollegen Kuhn abgelaufen ist. Wir sollten uns in aller Sachlichkeit mit diesem Problem auseinandersetzen und an dieser Stelle vielleicht auch zusammenarbeiten.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich der Kollegin Frau BredeHoffmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rosenbauer, lassen Sie mich ganz kurz auf das von Ihnen angesprochene Thema „Elternprotest“ eingehen.

Wir kennen diese Protestplanung für den kommenden Samstag sehr wohl und nehmen sie sehr ernst.

(Zuruf des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU)

Herr Kollege, lassen Sie uns ganz kurz überlegen, um welchen Elternprotest es sich handelt. Ich finde, dass die Eltern, die sich für ihre Kinder und die Schulen einsetzen, das Wichtigste sind, was wir als Begleitung zu guten Lehrern und guten Schulen haben. Ich würde keinem Elternteil – ich war lange genug Vorsitzende des Elternbeirats – das Recht absprechen, für die Kinder und die besten Lernbedingungen zu kämpfen. Hier befinden wir uns ganz nahe bei den Eltern.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Wenn Sie meinen, dass die Demonstration, die am Samstag stattfinden wird, in irgendeiner Form in Zusammenhang mit ganz realen Bedingungen, die jetzt am Schuljahresanfang stattfinden, zu bringen ist, müssen Sie mir die Frage beantworten, wie diese Eltern das bereits am 18. April 2009 wissen konnten; denn an diesem Zeitpunkt haben diese Eltern die anderen Eltern zum Elternprotest am Samstag eingeladen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, sie haben am 18. April bereits gewusst, dass die Unterrichtsversorgung des darauffolgenden Schuljahrs so schlecht sein würde, dass sie diesen Protest machen wollen. Sie haben am 18. April Behauptungen aufgestellt und sie am 1. September wiederholt. Diese haben etwas damit zu tun, dass man das Gefühl hat, dass die Eltern zumindest neben ihrem Protest leider Gottes nicht die ihnen zur Verfügung stehenden Informationen nützen.

Sie haben nämlich davon gesprochen, dass es im Ministerium und in der ADD Vertuschungen und Blockaden über Zahlen gebe, Eltern keine Informationen über Vertretungssituationen und Vertretungsunterricht bekämen und es keinerlei Transparenz beim tatsächlichen Unterrichtsausfall gibt.

Sie und ich wissen, dass es kein Bundesland gibt, in dem jede Schule mit ihren Zahlen spätestens im November dargestellt wird. Sie und ich wissen – ich hoffe jedenfalls, dass Sie es wissen –, dass es kein Bundesland gibt, das über Zahlen über den tatsächlichen Unterrichtsausfall und die Vertretungsqualitäten auf die einzelne Schule heruntergebrochen verfügt.

Unsere Unterlagen für die PES-Schulen und die Schulen, die keine PES-Schulen sind, stehen auch den Eltern zur Verfügung. Die Eltern haben diese zumindest nicht gelesen. Sie haben das leider versäumt.

Das lese ich auch bei den Verbänden nicht, deren grundsätzliche Position ich respektiere. Sie wären kein Verband, würden sie nicht ständig für bessere Bedingungen kämpfen. Sie haben uns kein einziges Beispiel genannt, an welcher Schule es im Moment tatsächlich kneift.

Ich kann Ihnen aber aus meinem Wahlkreis gleich zwei Schulen nennen, von denen ich im Gymnasium weiß, dass sie sogar über 100 % versorgt sind. Wenn Sie die Beispiele hören wollen, kann ich sie Ihnen nennen.

Frau Kollegin Morsblech, ich habe mich ein kleines bisschen über die Ideologiedebatte geärgert, die Sie schon wieder über die Frage angefangen haben, wie pädagogisch stark integrierte Systeme sind; denn wir haben zusammen, als wir noch eine Koalition waren, das System Regionale Schule und Duale Oberschule in das Schulgesetz geschrieben.

Beide Schulformen gehen davon aus, dass Haupt- und Realschule zusammengebracht werden. Auch dort haben wir die gemeinsame Orientierungsstufe. Beide Schulformen setzen auf Durchlässigkeit, gemeinsames Lernen und das gegenseitige Fördern von Kindern, die schwächer und stärker sind.

Sie werden mir nicht erzählen wollen, dass der Starke, nämlich derjenige, von dem Sie sprachen, der sich auf den Gymnasialweg vorbereitet, dann, wenn er einem Schwächeren etwas erklärt, nicht in dem Erklärprozess im Besonderen lernt.

Frau Kollegin, das ist in der Pädagogik eine Binsenweisheit.

(Glocke des Präsidenten)

Ich möchte noch einen Satz sagen. Rheinland-Pfalz hat – das bestätigt auch die GEW – mit den Schulreformen den richtigen Weg eingeschlagen, die moderne Pädagogik, neue Bildungschancen und mehr Aufstieg für unsere Kinder garantieren.