Protokoll der Sitzung vom 04.10.2006

................................................................................................................................... 351, 358 Prof. Dr. Deubel, Minister der Finanzen:....................................................................................................... 351

8. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 04. Oktober 2006

Die Sitzung wird um 13:59 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seien Sie herzlich zur 8. Plenarsitzung willkommen.

Ich darf Sie bitten, mit mir die Feststellung der Tagesordnung durchzuführen. Gibt es Änderungswünsche zur Tagesordnung? –

Sie fragen wahrscheinlich, warum ich so pünktlich anfange. Das hat mit dem dankenswerten Umstand zu tun, dass der SWR unsere Plenarsitzung nach draußen in unser Land überträgt. Er hätte gern, dass wir pünktlich beginnen. So freue ich mich, Sie begrüßen zu dürfen.

Ich darf nach der Feststellung der Tagesordnung Punkt 1 der Tagesordnung aufrufen:

Landeshaushaltsgesetz 2007/2008 (LHG 2007/2008) Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 15/304 – Erste Beratung

dazu: Finanzplan des Landes Rheinland-Pfalz für die Jahre 2006 bis 2011 Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags – Drucksache 15/305; Vorlage 15/335 –

Es spricht Herr Professor Dr. Deubel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem Regierungsentwurf für den Doppelhaushalt 2007 und 2008 zeigen wir Ihnen, wie die Zukunft unseres Landes in den nächsten zwei Jahren gestaltet werden soll. Mit dem Finanzplan bis 2011 stellen wir die finanzwirtschaftlichen Perspektiven in der laufenden Legislaturperiode dar.

Unsere Vorstellung von Zukunft lässt sich kurz und präzise beschreiben. Wir wollen ein lebenswertes und liebenswertes Rheinland-Pfalz, heute, in den nächsten beiden Jahren, aber auch in 20 oder 40 Jahren.

Dazu gehört zuallererst Arbeit, genügend Arbeit, auskömmliche Arbeit, moderne Arbeit. Deshalb müssen wir in Bildung, in Wissenschaft und in Infrastruktur investieren.

Lebenswert wird Rheinland-Pfalz aber nur bleiben, wenn wir niemanden ausschließen. Wir stehen für Integration, für bürgerschaftliches Engagement und für Chancengleichheit.

Das ist die sozialdemokratische Antwort auf die Herausforderung der globalisierten Welt. Dafür steht die Sozialdemokratie in Rheinland-Pfalz.

(Beifall der SPD)

Zukunft gibt es nur mit, nicht ohne Kinder. Zukunft braucht eine intakte Umwelt. Zukunft braucht aber auch Sicherheit; denn ohne Sicherheit wird nicht investiert.

Meine Damen und Herren, unsere Vorstellungen von Zukunft haben wir im Haushaltsplan für die nächsten beiden Jahre in Zahlen abgebildet. Der Haushaltsplan gibt den finanziellen Rahmen und damit auch Rahmenbedingungen für die Zukunftsgestaltung vor.

Für die möglichst effiziente Umsetzung in Leistungen für den Bürger sind wir auf das Engagement der Bediensteten des Landes, aber auch vieler ehrenamtlicher Helfer angewiesen.

Ich habe eine große Achtung vor der Leistung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie produzieren vor Ort mit hohem persönlichen Einsatz Bildung, Sicherheit und eine Vielzahl von Beratungsleistungen.

Sie sorgen für die Einhaltung der Regeln und Gesetze, die wir uns gegeben haben und gewährleisten eine effiziente und gerechte Steuererhebung.

Wir heben die Bezüge unserer Beamten in den nächsten beiden Jahren um jeweils 0,5 % an. Natürlich ist dies nicht zufriedenstellend, aber die Haushaltssituation lässt uns keine andere Wahl.

Für die Finanzpolitik sehe ich drei zentrale Herausforderungen, die wir bewältigen müssen, wenn wir unsere Vorstellung von Zukunft verwirklichen wollen.

Ohne eine gesunde ökonomische Basis bleibt alles andere ein frommer Wunsch. Der Investitionsbedarf ist unsere erste Herausforderung. Deshalb investieren wir in Rheinland-Pfalz in dieser Legislaturperiode 1 Milliarde Euro für neue Impulse in der Wissenschaft, in der Infrastruktur und in der Wirtschaft.

Wir brauchen zweitens einen handlungsfähigen Staat. Wenn wir in den nächsten fünf Jahren die Landesfinanzen nicht weiter massiv konsolidieren, ist die künftige Handlungsfähigkeit des Landes infrage gestellt. Deshalb konsolidieren wir den Landeshaushalt bis 2011 um 1,2 Milliarden Euro.

(Beifall der SPD)

Die demografische Entwicklung ist die dritte Herausforderung. Sie wird dazu führen, dass die öffentlichen Aufgaben von immer weniger Erwerbstätigen zu finanzieren sind.

Insbesondere mit Blick auf unsere Pensionsverpflichtungen müssen wir vorsorgen, um die künftigen Generationen nicht zu überfordern. Deshalb erhöhen wir bis 2011 die Vorsorge im landeseigenen Pensionsfonds um rund 2 Milliarden Euro.

Weitere zentrale Ziele haben wir in der Finanzplanung 2006 bis 2011 festgelegt. Die Verfassungsgrenze wird in allen Jahren eingehalten, sowohl im Kernhaushalt als auch bei den Landesbetrieben.

Die Ausgaben sollen im Jahresdurchschnitt – bereinigt um die Zuflüsse an den Pensionsfonds – lediglich um 1,1 % wachsen. Wir bleiben damit im Rahmen der Vorgaben des Finanzplanungsrates. Hierzu sind in den Jahren 2009 bis 2011 allerdings noch weitere Einsparmaßnahmen notwendig.

Mit einer durchschnittlichen jährlichen Konsolidierungsleistung von 198 Millionen Euro tragen wir unseren Teil dazu bei, die Konsolidierungsvorgaben des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu erfüllen.

Zur Verbesserung der Landesfinanzen werden zunächst die Einmalerlöse schrittweise reduziert. Im vergangenen Jahr waren noch 741 Millionen Euro notwendig. Im Jahr 2011 wollen wir ohne Vermögensaktivierungen auskommen.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Meine Damen und Herren, die deutsche Wirtschaft befindet sich seit dem Frühjahr 2006 in einem kräftigen Aufschwung. Im zweiten Quartal 2006 konnten wir den stärksten Quartalszuwachs des Bruttoinlandsproduktes seit fünf Jahren verzeichnen.

Der Aufschwung wird maßgeblich von inländischer Nachfrage nach Ausrüstungen mitgetragen. Inzwischen hat er den Arbeitsmarkt erreicht.

Seit Februar 2006 nimmt auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wieder zu. Sie lag im Mai erstmals seit langem wieder über dem Vorjahresstand. Die seit 2001 andauernde konjunkturelle Schwächephase ist damit überwunden.

Die Prognostiker wurden vom hohen Wachstum im zweiten Quartal positiv überrascht, sodass für 2006 von einer Erhöhung des realen Wirtschaftswachstums auf mindestens 2 % ausgegangen werden kann. Auch die Bundesregierung wird ihre Prognose im Vorfeld der Steuerschätzung nach oben korrigieren.

Für das nächste Jahr ist aufgrund der Umsatzsteuererhöhung mit einer leichten Abkühlung der wirtschaftlichen Dynamik zu rechnen. Größere Anschaffungen im Privatbereich werden teilweise ins zweite Halbjahr 2006 vorgezogen.

Dieser Effekt beträgt nach dem Frühjahrsgutachten der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute etwa 0,2 % des Bruttoinlandsproduktes. Dennoch erwarten alle Institute, dass die Steuererhöhung die konjunkturelle Entwicklung mittel- und langfristig nicht beeinträchtigen wird.

Auf mittlere Sicht wird die Wirtschaftsentwicklung Deutschlands durch die unmittelbare Nachbarschaft zu den mittel- und osteuropäischen Ländern weiter stark geprägt. Die Lohn- und Gehaltssumme in Deutschland wird aus unserer Sicht so lange nur moderat steigen

können, wie die bestehenden Wohlstandsunterschiede nicht weitgehend überwunden worden sind.

Gleichzeitig sind auch zukünftig starke Wachstumsimpulse aus diesen Ländern für Deutschland zu erwarten. Im Hinblick auf die Steuereinnahmen dürften jedoch die dämpfenden Effekte überwiegen.

Dieser Zusammenhang ist grundlegend für unsere Einschätzung des Steuereinnahmenwachstums in der mittleren Frist. Basierend auch auf den Ergebnissen der letzten Steuerschätzung erwarten wir lediglich eine Zunahme der Steuereinnahmen um jährlich rund 3 %. Die Steuereinnahmenentwicklung, die in den vergangenen fünf Jahren der Hauptgrund für die schwierige Situation der öffentlichen Haushalte war, hat sich dank des Konjunkturaufschwungs und aufgrund der auf Bundesebene beschlossenen Maßnahmen normalisiert.

Für 2006 erwarten wir in Rheinland-Pfalz Steuermehreinnahmen in Höhe von 250 Millionen Euro über dem Haushaltsansatz. Damit erreichen wir in diesem Jahr erstmals wieder das Steuereinnahmenniveau des Jahres 2000.

Die prognostizierten Steuereinnahmen des Jahres 2007 liegen mit 8.642 Millionen Euro um weitere 317 Millionen Euro höher als für 2006 erwartet. Das entspricht den Mehreinnahmen, die sich aus den auf Bundesebene beschlossenen Steuerrechtsänderungen ergeben. Dies macht deutlich, dass auch mit Blick auf die bevorstehende Unternehmensteuerreform vorsichtig veranschlagt worden ist.

Für die Unternehmensteuerreform wurde zwischen den Koalitionspartnern im Bund ein Nettoentlastungsvolumen von maximal 5 Milliarden Euro verabredet. Innerhalb dieses finanziellen Rahmens steht die Landesregierung zu der geplanten Reform.

2008 steigen die von uns veranschlagten Steuereinnahmen um weitere 276 Millionen Euro oder um 3,2 % auf 8.918 Millionen Euro. Die Steuerschätzung im November wird uns in unserer Veranschlagung bestätigen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einen Moment innehalten und den Blick auf die vergangenen fünf Jahre richten, fünf Jahre, die allen, die für öffentliche Haushalte Verantwortung tragen, große Nervenstärke abverlangten.

Die Steuereinnahmen brachen ab 2001 in einem vorher nie beobachteten Maße ein, teils konjunkturbedingt, teils resultierend aus den Entlastungen der Steuerreform 2000.

Im vergangenen Jahr lagen unsere Steuereinnahmen bei 7.665 Millionen Euro. Das waren 686 Millionen Euro oder 8,2 % weniger als im Jahr 2000.

Wären die Steuereinnahmen mit einer Normalrate von 3,2 % pro Jahr seit dem Jahr 2000 gewachsen, hätten wir 2005 2,1 Milliarden Euro mehr an Steuern eingenommen und im Haushalt kein Defizit, sondern einen Überschuss ausgewiesen.