Protokoll der Sitzung vom 04.02.2010

Das Problem des Übergewichts, auch bei Kindern und Jugendlichen, muss doch jedem von uns zu denken geben. Dass die bisherige Kennzeichnung nicht ausreicht, wird uns täglich vor Augen geführt.

Viele Menschen können mit der Kompliziertheit der Mengenbegriffe, mit Kalorien-, Zucker- oder Fettgehalt nicht viel anfangen. Hinzu kommt, dass häufig alles sehr klein gedruckt steht und sehr viel Zeit benötigt wird, es zu lesen.

Ebenso beziehen sich diese Angaben unter anderem auch bei Fertiggerichten auf 100 Gramm bzw. eine Portion, oder, wie bei Kartoffelchips zum Beispiel, auf 50 Gramm. Das ist dann eine Handvoll. Diese Beispiele ließen sich fortsetzen.

Die derzeit bestehende Auszeichnung macht viele Menschen krank – wir wissen das – bzw. bietet keine Chance, sich bei Übergewicht bewusst ernähren zu können.

Die CDU nimmt das in Kauf und spricht vom mündigen Verbraucher, der alle Informationen der jetzigen Kennzeichnung entnehmen kann.

Nein, kann er eben nicht, sonst hätten wir dieses gesellschaftspolitische Problem nicht. Dieses Problem ist schon im Kindergarten und in der Schule feststellbar.

Hierbei spielt das Bildungsniveau überhaupt keine Rolle, sondern die Zeit, die ich im Supermarkt oder im Geschäft verbringen kann.

Bei dem Drogeriemarkt „dm“ gibt es jetzt schon Einkaufswagen, die eine Lupe enthalten. ALDI hat nach meiner Kenntnis die Absicht nachzuziehen.

Ich frage mich ernsthaft, wo leben wir eigentlich, dass wir jetzt schon Inhalte in Lebensmitteln und anderen Produkten, die uns krank machen können, mit einer Lupe nachlesen müssen?

(Beifall der SPD)

Die Kennzeichnung setzt eine einfachere und vor allem transparente Regelung voraus. Diese Transparenz ist durch die Nährwertampelkennzeichnung absolut gegeben. Warum sperren sich die Landes- und Bundes-CDU und auch die FDP vehement dagegen?

Mir scheint, Ihnen geht es wieder um eine Klientelpolitik. Die Lobbyisten der Lebensmittelindustrie, wie zum Beispiel der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V., der sich vehement gegen eine Ampelkennzeichnung wehrt, ist ein Interessenverband der Lebensmittelwirtschaft. Der ist wohl auch für Frau Aigner kompetenter als alle warnenden Stimmen der unabhängigen Verbraucherverbände und Fachleute.

Die Ampelkennzeichnung wurde erstmals 2004 in Großbritannien eingeführt. Dort wurde auch festgestellt, dass

sich das Konsumverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher daraufhin geändert hat.

Was aber genauso wichtig ist, es stellte sich auch heraus, dass sich die Rezepturen der Lebensmittelindustrie teilweise änderten. Außerdem bietet der Tiefkühlanbieter „Frosta“ für seine meistgekauften Produkte freiwillig die Ampelkennzeichnung an.

Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher – das brauche ich Ihnen nicht zu sagen – wollen zu rund 70 % die Nährwertampelkennzeichnung. Alle Vertreterinnen und Vertreter des Gesundheitswesens sprechen sich dafür aus, auf einen Blick den Gehalt an Zucker, Fett, gesättigten Fettsäuren und Salz zu erkennen.

Noch etwas: Es soll Hilfe gegeben werden; denn übergewichtige Menschen und insbesondere Kinder und damit auch ihre Eltern leiden sehr häufig darunter, das Problem nicht in den Griff zu bekommen. Hierbei ist es nicht zielführend, immer wieder den mündigen Verbraucher und die mündige Verbraucherin anzuführen und im Extremfall sogar eine Weiterbildung der Menschen zu fordern, damit sie die bisherige Kennzeichnung auch lesen können, wie Sie es im Ausschuss für richtig hielten, Frau Schäfer. Da haben Sie das nämlich gesagt.

Ich bezeichne diese Aussage als zynisch. Das sage ich Ihnen ganz klar.

(Beifall der SPD)

Es geht bei unserer Forderung um den Alltag, um das Einkaufen nach der Arbeit, um übermäßig belastete Eltern oder Alleinerziehende, die sich noch am Abend beim Einkaufen hinstellen und im Supermarkt die Inhaltsstoffe auf Lebensmittel durchlesen können. Das ist in sehr hohem Maße äußerst verbraucherfeindlich.

Weiterhin geht es darum, auf einfache Art und Weise deutlich zu machen, dass es sehr viele Lebensmittel gibt, die auch mit der entsprechenden Kennzeichnung einfach zuzubereiten sind, also einer Ampelkennzeichnung, und durchaus mit Pommes frites konkurrieren können.

Wir versprechen uns hiervon ein verändertes Bewusstsein der Konsumenten und der Lebensmittelindustrie, damit auch endlich einmal auf Geschmacksverstärker verzichtet werden kann. Wir wollen die Nährwertampelkennzeichnung, damit auf einen Blick sichtbar wird, womit ich mich ernähre.

Die bisherige Kennzeichnung, zu der demnächst dann auch noch eine Lupe gehört, bleibt demnach trotzdem erhalten. Darum wird sich meine Fraktion mit der Landesregierung im Bundesrat weiterhin dafür einsetzen, dass die Kennzeichnung für Lebensmittel, wie in anderen europäischen Ländern auch, endlich bei uns verbraucherfreundlich umgesetzt wird, meine Damen und Herren.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Frau Kollegin Schäfer für die CDUFraktion.

Auch noch einmal der Deutlichkeit halber, weil immer wieder Fragen nach der Zeit kommen: Die SPD hat das Eineinhalbfache der Redezeit, die Grundredezeit beträgt fünf Minuten, zweieinhalb Minuten kommen noch dazu.

Wir haben diese Regelung jetzt fast vier Jahre in diesem Plenum. Seit dieser Zeit ist es schon so. Darauf wollte ich nur noch einmal hinweisen.

Meine Damen und Herren, jetzt kommt Frau Kollegin Schäfer für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion enthält eine falsche, gefährliche Botschaft. Deshalb sagen wir ein ganz klares Nein zu Ihrem Antrag.

(Beifall der CDU)

Ich muss sagen, ich habe mich im ersten Moment gewundert, dass Sie darauf beharren, wo wir das im Ausschuss schon besprochen hatten. Nach dem, was jetzt die liebe Frau Kollegin Elsner uns hier zum Besten gegeben hat, muss ich sagen, jetzt verstehe ich das auch. Das scheint man wohl zu leben.

Ich muss Ihnen aber sagen, ich habe das noch nie gehört, die Worte, dass die derzeitige Auszeichnung die Menschen krank macht. Also ich muss sagen, davon muss man sich einfach distanzieren. Das können Sie wirklich nicht ernst gemeint haben.

(Beifall der CDU und bei der FDP)

Es geht hier tatsächlich darum, welches der richtige Weg ist, um zu einer verbesserten Lebensmittelkennzeichnung zu kommen, eine Kennzeichnung, die den Menschen nutzt, die sie nicht abschreckt, die nicht irreführt, sondern eine Kennzeichnung, die wirklich hilfreich ist und ihnen genau die Informationen gibt, die sie benötigen: dem Allergiker beispielsweise gezielte Informationen, dem anderen wiederum Informationen, die er braucht. Das ist nicht ganz einfach.

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, Ihr Antrag wirft ein beredtes Bild auf Ihre bemerkenswerte Sicht von Verbrauchern und Verbraucherschutz.

(Beifall bei der CDU)

Ich zitiere jetzt einmal aus Ihrem Antrag: „Mit den Ampelfarben wird signalisiert, ob ein Lebensmittel häufig (grün) , … oder besser nur selten (rot) gegessen werden sollte.

(Stretz, SPD: Zwischendrin ist noch gelb!)

Das ist schon sehr erschreckend. Das ist nämlich auch irreführend, weil diese Aussage vereinfacht und pau

schalisiert. Ich kann Ihnen sagen, es gibt keine richtigen oder falschen Lebensmittel. Das wird hier impliziert.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Das denke ich aber nicht!)

Das wird den Verbrauchern mit rot und grün suggeriert.

Nehmen wir einmal ein Beispiel: Was glauben Sie, welche Farbe Cola light bekäme? – Es bekäme natürlich grün, weil es keine Kalorien hat.

Nun frage ich Sie, welche Farbe ein Orangensaft bekommen würde. – Er würde natürlich die Farbe Rot bekommen, weil er einen natürlichen Zuckergehalt hat. – Meine Damen und Herren, nun entscheiden Sie einmal selbst darüber, ob das nicht irreführend ist.

(Beifall der CDU – Frau Mohr, SPD: Was wollen Sie denn damit sagen?)

Eine Ampelkennzeichnung ist dermaßen vereinfachend, dass sie wenig nutzbringend ist.

Sie haben in Ihrem Antrag das Beispiel Großbritannien angeführt, wo man schon so weit sei und an dessen Beispiel man sich orientieren könne. Ich kann Ihnen sagen, in Großbritannien versucht man, wieder davon abzugehen, weil man gemerkt hat, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher mehr irritiert sind, als es gut für sie ist, und dass man das System im Handel überhaupt nicht mehr verwendet. Das ist der falsche Weg.

Wir führen auf EU-Ebene momentan die Diskussion um die Frage nach der richtigen Kennzeichnung. Natürlich ist auch die Ampelkennzeichnung in der Diskussion. Für diejenigen, die es noch nicht wissen, diese Kennzeichnung wird dort nicht als das Allheilmittel angesehen, wie Sie es im Land Rheinland-Pfalz tun. Es gibt eine sehr breite Stimmung dafür oder dagegen. Das heißt, es wird intensiv diskutiert, und wir haben versucht, mit Ihnen im Ausschuss darüber zu sprechen, aber Sie haben die Gegenargumente nicht zur Kenntnis nehmen wollen.

Im Gegensatz dazu ereifern Sie sich so sehr, dass Sie andere Argumente gar nicht gelten lassen wollen. Ich muss sagen, wir haben schon den Eindruck, dass Sie gerade das Bundeskoalitionsprogramm abarbeiten. Dies haben wir heute Morgen schon beim Thema „Energie“ gemerkt, und das merken wir immer wieder. Es hat für uns natürlich den Vorteil, dass wir wissen, was als nächstes an der Reihe sein wird, weil wir uns entsprechend daran entlanghangeln können; aber ich glaube dennoch, wir sollten nun versuchen, Themen aufzugreifen, die für das Land Rheinland-Pfalz relevant sind und mit denen wir dazu beitragen können, dass sich etwas verbessert.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich als letzten Punkt sagen, wir setzen als CDU-Fraktion auf mündige Verbraucher. Wir sagen ihnen nicht, was sie essen sollen und was sie nicht essen sollen. Wir glauben, dass es wichtig ist, dass man informiert.