Protokoll der Sitzung vom 05.10.2006

(Beifall der CDU)

Wenn die Katastrophe schon nicht zu vermeiden ist, dann machen wir es doch wenigstens so, dass wir die gute Laune bewahren und so weitermachen wie bisher.

Meine Damen und Herren, das Schlimmste ist, damit häufen Sie von der Regierung weitere Schulden an.

Jede Sekunde – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – werden im Kernhaushalt in Rheinland-Pfalz 31,25 Euro zusätzliche Schulden gemacht, jede Minute 1.875 Euro, jede Stunde 112.500 Euro, jeden Tag 2,7 Millionen Euro, jeden Monat 81 Millionen Euro und im Laufe eines Jahres beinahe 1 Milliarde Euro – ein Albtraum.

Wenn die Bürger unseres Landes das so machen würden, auf Pump in Urlaub fahren, große Autos fahren, schön leben, alles verprassen, dann würden sie sich sehr schnell bei einer Schuldnerberatungsstelle wiederfinden.

Dort sitzen kompetente Fachkräfte, die ihnen mit Rat und Tat erklären können, wie sie aus dieser Spirale herauskommen können. Herr Finanzminister, das ist übrigens eine Adresse, die ich Ihnen nur wärmstens empfehlen kann.

(Beifall bei der CDU – Ramsauer, SPD: Das können wir Ihrem Geschäftsführer auch empfehlen!)

Jedem – auch jedem von der SPD – ist klar: Wir leben auf Pump und damit auf Kosten unserer Kinder und Enkelkinder. Das ist ein Tanz auf dem Vulkan. Das Schlimmste ist, dass Sie verdrängen, wie Sie die angehäufte Schuldenlast irgendwann einmal tilgen können. Kein Privathaushalt und kein Unternehmen könnte sich ein solches Haushalten erlauben.

(Zuruf von Staatsminister Hering)

Das war sehr unqualifiziert, Herr Hering.

(Billen, CDU: So ist er aber!)

Jeder Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens, der so arbeiten würde, würde sich wegen Insolvenzverschleppung strafbar machen und zusätzlich mit seinem Privatvermögen haften. Daran will ich bei der Landesregierung gar nicht denken.

(Beifall bei der CDU)

Das ist aber nur die wirtschaftliche Seite. Unter diesen Schulden stöhnen die Menschen und vor allem die jungen Menschen in diesem Land. Wir nehmen ihnen nämlich das, was sie brauchen. Wir nehmen ihnen die Entwicklungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, wenn die öffentlichen Haushalte weiterhin hemmungslos Kredite aufnehmen.

Ich bin jetzt 39 Jahre alt. Ich kann es für meine Person nicht verantworten – das mag Ihnen anders gehen –, den nachfolgenden Generationen solche Hypotheken zu übertragen, die ihnen nicht mehr die Möglichkeit eröffnen, sich frei zu entwickeln.

Wir reden so schön – der Herr Finanzminister hat dieses Wort gestern auch gebraucht – von Nachhaltigkeit, also von Dingen, die Entscheidungen prägen, die noch in 20, 30 oder 40 Jahren gelten. Wenn ich mir diesen Haushaltsentwurf anschaue, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass diese Nachhaltigkeit zu weiteren Schulden für die nächsten fünf bis zehn Jahre führt. Dagegen wehre ich mich, weil damit keinerlei Möglichkeit mehr für die Zukunftsgestaltung besteht.

(Beifall der CDU)

Wir brauchen eine neue Kultur der Verantwortung, die sich am Leitbild dieser Nachhaltigkeit orientiert. Ich möchte irgendwann den Kindern erklären, dass nicht alle Ressourcen aufgebraucht, sondern noch welche vorhanden sind. Ich möchte den nachfolgenden Generationen Gestaltungsmöglichkeiten überlassen, aber ihnen nicht nur aufbürden, Schuldendienst zu betreiben. Wie sollen sonst in zehn, 15 oder 20 Jahren Straßen, Plätze, öffentliche Verkehrsmittel, Bahnhöfe, Flughäfen und Ähnliches finanziert werden? Vom Geld unserer Kinder? Das wird schwierig, wenn es so weitergeht, weil unsere Kinder nämlich Schulden zurückbezahlen müssen.

Was ist an dieser Politik eigentlich noch sozial? Ist es sozial, zukünftige Generationen ohne Finanzmittel allein zu lassen? Wollen Sie wirklich dahin kommen – das ist kein Szenario, sondern das kann passieren –, dass sich nachfolgende Generationen nur noch in betuchten Kreisen Bildung leisten können?

(Zurufe von der SPD)

Ihre Reaktion zeigt mir, dass Sie das getroffen hat.

Wer unterstützt denn diese Menschen?

(Beifall bei der CDU)

In dieser Situation müssen wir – gelinde gesagt – von Insolvenzverwaltung sprechen. Jetzt hat sich etwas ganz Entscheidendes in diesem Jahr verändert. Das so genannte Einnahmenproblem, das der Ministerpräsident jahrelang gepredigt hat, ist weg. Wir erwarten zusätzliche Steuereinnahmen – Mehreinnahmen, um Schulden abzubauen. Sie aber planen das Gegenteil.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, wir alle – egal ob Christdemokraten, Sozialdemokraten oder Liberale – reklamieren

den Begriff der Zukunft für uns. Die Zukunft sieht momentan so aus, dass wir Zinszahlungen in Höhe von 1,13 Milliarden Euro allein im Kernhaushalt leisten. Das ist verlorenes Geld. Das übersteigt allein die Größenordnung des Einzelplans des Wissenschaftsministeriums. Monatlich fallen also rund 94 Millionen Euro Zinszahlungen an. Dafür könnten wir das Bauprogramm eines Jahres für alle Hochschulen des Landes und des Universitätsklinikums bezahlen. Die Fachhochschule Mainz wäre längst gebaut. Der Fachbereich Musik hätte längst sein neues Domizil. Pro Tag sind dies 3,1 Millionen Euro Zinszahlungen. Allein dafür könnten wir für ein Jahr 75 neue Lehrer einstellen.

Meine Damen und Herren, bisher habe ich nur von Zinszahlungen gesprochen. Ich habe noch keinen müden Euro an Tilgung hinzugerechnet.

(Ministerpräsident Beck: Keinen müden Vorschlag gemacht!)

Sie scheinen heute nicht müde zu sein. Das freut mich. Die Vorschläge kommen noch.

Das heißt, jeder Rheinland-Pfälzer – egal ob Kleinkind, Rentner, Arbeiter oder Angestellter – steht heute mit 6.500 Euro in der Kreide. Jetzt überlegen wir uns Folgendes: Wenn eine vierköpfige Familie das abbezahlen soll, dann könnte man am einfachsten für 26.000 Euro ein Auto kaufen und der Landesregierung zur Verfügung stellen. Die Familie zahlt dann die Tilgung. Dann ist die Familie schuldenfrei.

Wollen wir es zum Maßstab unserer Politik für die Zukunft machen, dass die Verschuldung pro Kopf immer weiter steigt? Herr Ministerpräsident, Herr Finanzminister, Sie wissen auch, dass uns ohne die Zinslast 2,26 Milliarden Euro mehr Mittel für Investitionen in den nächsten zwei Jahren zur Verfügung stehen würden. Deshalb ist es angebracht, einen langfristigen Masterplan vorzulegen. Wir könnten dann eine Politik betreiben, um die individuellen Chancen für die Menschen in Rheinland-Pfalz in einem zunehmend härter werdenden Standortwettbewerb zu verbessern. Wir könnten die Ausstattung der Schulen verbessern. Wir könnten den Unterrichtsausfall bekämpfen. Wir könnten den Kommunen wieder die Gelder zur Verfügung stellen, die sie brauchen, um als Schulträger und auch sonst tätig zu sein. Wir könnten die Unterfinanzierung der Hochschulen zurückführen. Wir könnten die Qualität der Hochschulen verbessern, sodass auch künftig Nobelpreisträger aus Deutschland kommen und in Deutschland Forschung betreiben und nicht nur als Deutsche im Ausland ihren Nobelpreis erhalten.

(Beifall der CDU)

Wir könnten den kulturellen Bereich stärken. Wir könnten den ländlichen Raum stärken. Wir könnten die Infrastruktur des Landes erhalten und ausbauen. Kurz gesagt: Wir könnten die Stärken unseres Landes stärken und einen Betrag dazu leisten, bestehende Defizite und Schwächen abzumildern. Rheinland-Pfalz könnte sogar im Konzert der Bundesländer in Augenhöhe mit europäischen Regionen sein.

Die Realität sieht aber ganz anders aus. Wenn wir nicht umgehend zu haushaltspolitischer Vernunft zurückkehren, werden die Chancen für die jungen Menschen in Rheinland-Pfalz verspielt, meine Damen und Herren.

(Beifall der CDU)

Deshalb müssen wir trotz der schwierigen Haushaltslage Schwerpunkte setzen. Wir sehen eine Schwerpunktsetzung im Bereich der Bildung als erforderlich an. Unsere Kinder brauchen die Chance auf eine exzellente Bildung, und zwar nicht nur im Kindergarten, sondern bis zur Hochschule. Wir brauchen sehr gut ausgebildete Akademiker und sehr gut ausgebildete Handwerker. Wer aber erfolgreich im Leben sein will, der benötigt mehr als rein abfragbares Wissen. Keine Bildung ohne Erziehung. Wir brauchen Einheit von Herz, Kopf und Hand. Es kann nicht unser Ziel sein, perfekte Spezialisten aus Technokraten auszubilden.

Vielmehr gehört nach unserer Auffassung zum Erziehungsauftrag der Schulen die Hinführung zu sozialen Fähigkeiten, zu Verantwortung, zu Respekt und Toleranz gegenüber den Mitmenschen. Dies ist die Grundlage des menschlichen Miteinanders im Kindergarten, im Klassenzimmer und später an der Werkbank oder im Forschungslabor; denn Forschung und Lehre sowie wirtschaftliche Höchstleistungen sind nicht Zweck an sich, sondern sie erhalten ihren Sinn erst dadurch, dass sie dem Wohl des Menschen dienen.

(Beifall der CDU)

„Kinder sind keine Fässer, die gefüllt werden, sondern Feuer, die entfacht werden sollen“.

Das ist ein Zitat von Michel de Montaigne. Wer dies aber erfolgreich will, der muss optimale Bedingungen bieten. Lust am Lernen zu fördern sowie Wissbegierde und Neugier auf Neues zu unterstützen, bedeutet, unsere Kindergärten, Schulen und Hochschulen seitens der Politik bestens zu unterstützen. Den Wissensdrang der Kinder, ihre natürliche Leistungs- und Entdeckerlust zu fördern, kann uns aber nur dann gut gelingen, wenn wir auch optimal vorbereitet sind. Da finden wir in Rheinland-Pfalz die Situation vor, dass wir eine chronische Unterfinanzierung der Hochschulen haben, Unterrichtsstunden ausfallen und Lehrer fehlen.

Da fragt man sich, ob Sie tatsächlich eine Exzellenzförderung betreiben oder nur wieder etwas zuwischen wollen. Aus unserer Sicht wäre es am dringendsten geboten, den Unterrichtsausfall zurückzufahren, die 800 fehlenden Lehrer einzustellen und die Hochschulen mit ordentlichen Finanzmitteln auszustatten, damit wir auch im internationalen Wettbewerb wieder bestehen können. Ich bitte Sie sehr herzlich, berücksichtigen Sie dies endlich.

Herr Hartloff, ich will Ihnen nur so viel sagen: Wir stehen am Anfang von Haushaltsberatungen. Am Ende dieser Haushaltsberatungen werden wir Ihnen schon sagen, wo wir sparen. Zunächst warten wir einmal auf Ihre Sparvorschläge, Herr Hartloff.

(Beifall der CDU)

Wir befinden uns also in der Situation – ich wiederhole das noch einmal –, gar kein Einnahmenproblem zu haben. Es werden 567 Millionen Euro Steuermehreinnahmen erwartet. Trotzdem erwarten wir eine Neuverschuldung von fast einer Milliarde Euro. Welchen nachhaltigen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten Sie denn eigentlich, wenn die Neuverschuldung über alle Haushalte auf dem Niveau von 2006 verharrt? Zwar kündigt die Landesregierung auf Seite 19 ihres Finanzplans eine moderate Rückführung der Neuverschuldung an, doch davon kann ehrlicherweise bei diesen Zahlen kaum die Rede sein.

Allein im Kernhaushalt steigt die geplante Neuverschuldung von 2006 auf 2007 um 128 Millionen Euro. Im Übrigen verhält es sich genauso bei den Vermögensveräußerungen, die der Finanzminister als wichtigen Konsolidierungsschritt ansieht. Die Veräußerung des Tafelsilbers sieht er als wichtigen Konsolidierungsschritt an.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, die strukturellen Defizite werden dadurch nicht behoben, Herr Finanzminister; denn bis zum Jahr 2011 wird – wenn man es sich genau ansieht – kein Tafelsilber mehr vorhanden sein. Dann ist die Vermögenssubstanz weg. Was machen wir dann, Herr Finanzminister?

(Beifall der CDU)

Das ist aber noch nicht alles. Herr Ministerpräsident, es kommt hinzu, dass sich Ihre Haushaltspolitik auch gegen den Bund richtet. Bekannterweise haben Sie an der Koalitionsvereinbarung im vergangenen Jahr mitgewirkt. In diesem Koalitionsvertrag steht unter Punkt II 1.2 – ich zitiere –: „Bund, Länder und Kommunen haben im Sinne einer gesamtstaatlichen Mitverantwortung“ – ein schönes Wort – „für die ausufernde Staatsverschuldung die Pflicht, gemeinsam zur Wiedereinhaltung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes einen Beitrag zu leisten.“ – Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Herr Ministerpräsident, dann schauen wir uns an, was Sie da machen, wo Sie unmittelbare Verantwortung tragen, nämlich hier im Land. Da konterkarieren Sie genau die Finanzpolitik des Bundesfinanzministers.