Protokoll der Sitzung vom 24.06.2010

„Europa 2020“ löst Lissabon ab. Lissabon läuft in diesem Jahr aus. Im Vergleich dazu will die neue Strategie 2020 angesichts der Herausforderungen durch Globalisierung

und die Wirtschaftsfinanzkrise eine programmatisch, materiell und institutionell völlig neue Stufe der Wirtschaftsintegration erreichen.

Beschränkte sich die Lissabon-Strategie noch darauf, in der nationalen europäischen Politik nur dem Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit einen höheren Stellenwert zu verschaffen, so wird nun der Anspruch erhoben, die Vision der europäischen sozialen Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert zu formulieren und auch entsprechend umzusetzen.

Dabei stützt sich die Strategie auf drei Elemente, und zwar drei Wachstumsprioritäten als Zielbeschreibung, fünf Kernziele als messbare Parameter und sieben Leitinitiativen als spezifische Aktionspläne. Ich möchte im Rahmen der Besprechung des gemeinsamen Antrags zwei Kernziele herausgreifen.

Kernziel 1: 3 % des Bruttoinlandsprodukts der EU sollen in Forschung und Entwicklung investiert werden. Das ist wichtig. Viele von uns haben den Artikel in der „RheinZeitung“ vom 21. Juni 2010 mit dem Titel „Mangelt es im Land am Forscherdrang?“ gelesen. Bei den Ausgaben für die Forschung und die Entwicklung gibt es für Rheinland-Pfalz sicher Nachholbedarf. Es geht um eine Studie des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, die dem Land beim Blick auf die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung ein schlechtes Zeugnis ausstellt.

Bei den Ausgaben von Bund und Land liegt RheinlandPfalz relativ weit hinten. Während in Bremen 530 Euro je Einwohner in die Forschung fließen, sind es hierzulande gerade mal 130 Euro. Wenn man sich die Zahlen einmal genau anschaut, liegt die F-u-E-Aufwendung als Anteil am regionalen BIP nach Sektoren und Ländern deutschlandweit bei 2,54 %. Davon werden 1,78 % von der Wirtschaft getragen. Rheinland-Pfalz liegt mit 1,87 % F-u-E-Aufwendungen als Anteil am regionalen BIP davon entfernt. Von der Wirtschaft werden 1,38 % getragen. Hier gibt es noch etwas zu tun.

Ich möchte auf das zweite Kernziel zu sprechen kommen, nämlich dass mindestens 40 % der jüngeren Generation einen Hochschulabschluss haben sollen. Das ist sehr viel. Wir hatten über dieses Thema bereits vor einigen Monaten im Ausschuss diskutiert. Es bedarf sicherlich im Plenum einer gewissen Klarstellung der „EU 2020“-Strategie.

Herr Dr. Schmuck hatte das damals im Rahmen der 32. Sitzung des Ausschusses für Europafragen am 15. April 2010 erwähnt. Bei uns ist der entscheidende Punkt, dass wir die 40 % nicht haben und auch so schnell nicht bekommen, weil bei uns das duale System zu Ergebnissen führt, wie Herr Dr. Schmuck ausführt, die anderswo als Hochschulabschluss gelten. Das ist richtig. Man liegt in der jetzigen Statistik schon bei 31 %. Wenn dies anders bewertet würde, würden wir an die 40 % herankommen.

In Frankreich ist ein Krankenpfleger Hochschulabsolvent. Das ist bei uns von der Definition her im dualen System anders. Das muss man erläuternd dazu sagen, um diese Forderung zu verstehen.

Das waren die Ausführungen zu diesem Thema.

(Glocke des Präsidenten)

Ich bin sehr froh, dass alle drei Fraktionen diesem Antrag unbürokratisch zustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Werner Kuhn von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal bin ich sehr glücklich darüber, dass jetzt ein gemeinsamer Antrag der drei Fraktionen vorliegt, der auch Bestand haben wird. Das ist im Vergleich zu dem, was wir vorher erlebt haben, schon erwähnenswert.

(Beifall des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Zunächst möchte ich meinem Kollegen Klöckner ganz herzlich dafür danken, dass er diesen Antrag auf den Weg gebracht hat, und zwar auf Anhieb einen konsensfähigen Antrag, an dem auch aus unserer Sicht kein Buchstabe mehr geändert werden musste.

Lieber Herr Kollege Klöckner, herzlichen Dank. Herr Dr. Enders hat sich auch so geäußert. Das zeigt, dass wir in diesem Ausschuss – das ist nicht überall so – eine sehr konstruktive Arbeitsatmosphäre haben. Darüber sind wir sehr glücklich. Sie wissen, dass ich seit einiger Zeit – das kann ich so sagen – das Vergnügen habe, Vorsitzender des Ausschusses zu sein. Das tut mir besonders gut. Ich nehme an, dass es den anderen auch so geht.

Ich möchte auch nicht vergessen, der Landesregierung zu danken.

Herr Dr. Klär, Sie machen das prima. Ihre Dienstleistung für diesen Ausschuss ist perfekt. Sagen Sie auch einen schönen Dank an Herrn Dr. Schmuck. Wir fühlen uns sehr gut bedient. Auch das ist in diesem Parlament eine Rarität. Das sagt man nicht jeden Tag. Wenn es so ist, dann sollte man es auch erwähnen. Herr Dr. Klär ist leicht errötet. Das habe ich vorhergesehen.

Meine Damen und Herren, meine beiden Kollegen haben im Rahmen der Zeit recht intensiv zu den einzelnen Punkten Stellung genommen. Auch hier haben wir Konsens, einmal abgesehen von den kleinen Spitzen gegen die Bundesregierung. Diese habe ich vergessen.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Beck)

Das muss manchmal sein. Darüber bin ich nicht böse.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Beck)

Nicht der Landesregierung. Das hätte ich von Herrn Klöckner auch nicht erwartet.

Wir wissen, dass die Lissabon-Strategie gescheitert ist. Daraus hat man gelernt. Ich möchte zwei Aspekte hervorheben. Zum einen ist es das Ziel, dass wir in Europa zu einem Abbau von regionalen, ökonomischen und sozialen Disparitäten kommen. Das braucht Europa. Es geht auch um Mittel. Wenn auch dieses Programm dazu führt, dann haben wir wirklich viel erreicht.

Das Zweite ist, dass Europa weltweit wettbewerbsfähig sein muss. Das heißt, es ist gerade im Bereich von Wissenschaft und Forschung ein ehrgeiziges Ziel, an die Spitze aller Weltregionen zu kommen. Das ist in Ordnung.

Wir würden es auch sehr begrüßen, wenn diese Strategien möglichst schnell Erfolge zeigen würden. Wir alle wissen, dass das kurzfristig nicht der Fall sein wird. Man muss aber beginnen. Man muss auch vor überzogenen Hoffnungen warnen, dass ganz schnell die großen Erfolge eintreten. Der Weg ist richtig. Wenn man nicht beginnt, kommt man nirgendwo hin.

Dieser Start von „Europa 2020“ wird auch von unserer Fraktion begrüßt. Natürlich hat das auch für RheinlandPfalz Relevanz. Es geht auch um Mittel. Es geht darum, dass wir in Rheinland-Pfalz so partizipieren, dass wir auch entsprechende Erfolge für dieses Land erzielen können. Auch das werden wir beobachten.

Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der FDP)

Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. Klär.

(Ministerpräsident Beck: Der viel Gelobte!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Sie kennen es am Geburtstag. Der Jubilar hört alle diese freundlichen Worte und muss sich anschließend dazu äußern. Das Beste, was ich in der Beziehung gehört habe, habe ich von Horst Ehmke gehört. Er hat sich bedankt und gesagt, mein Vater hätte sich gewundert, und meine Mutter hätte es geglaubt.

(Heiterkeit im Hause)

Also suchen Sie sich Vater oder Mutter aus.

Ich danke jedenfalls zuerst einmal den Abgeordneten Dieter Klöckner, Dr. Peter Enders und Werner Kuhn für das Zustandekommen dieses gemeinsamen Antrags und Beschlusses. Er wird wohl beschlossen werden. Die Landesregierung ist damit sehr einverstanden.

Da Sie schon erörtert haben, worum es geht und worauf zu achten sein wird – das kann ich nur unterschreiben –, möchte ich mich auf ein, zwei Punkte konzentrieren, die nicht angesprochen worden sind.

Das Erste ist der Zusammenhang von Zusammenarbeit in der Europäischen Union und Wettbewerbsfähigkeit.

Es wird leicht vergessen, dass der Kerngedanke der europäischen Integration die Zusammenarbeit ist. Es ist die Kooperation von Ländern, also staatlichen Einheiten, die im 20. Jahrhundert, 1956, diese Zusammenarbeit begründet haben, vorher Kohle und Stahl. Sie hatten sich zweimal heftig bekriegt und an den Abgrund gebracht. Die Antwort darauf war eine Zusammenarbeit der Staaten. Die Antwort war darüber hinaus die Schaffung eines gemeinsamen Marktes, in dem ein einheitliches Wettbewerbsrecht gelten sollte, das darauf achten sollte, dass private Unternehmen sich nicht wieder staatlicher Unterstützung bedienen, um gegeneinander auf dem Markt zu rüsten.

Man darf nie vergessen, Wettbewerbsfähigkeit in der Europäischen Union hieß immer schon Wettbewerb der Unternehmen, und zwar ein Wettbewerb, der einem klaren Rahmen unterliegt. Das gefällt uns manchmal nicht, wenn es um das Beihilferecht geht. Es gefällt uns nicht, wenn es um europäische Strafen wegen Übertretung des Kartellrechtes geht. Aber dieser Wettbewerb ist einer der Unternehmen, und die Staaten achten darauf, dass er eingehalten wird. Das Merkmal der Staaten ist die Zusammenarbeit untereinander.

Wer die Geschichte der letzten zehn Jahre verfolgt hat, hat oft gemerkt, dass mehr und mehr die Rede vom Wettbewerb zum Beispiel der Regionen war, auch vom Wettbewerb der Staaten. Wenn man genau hingeschaut hat, hat man festgestellt, dass dieser Wettbewerb etwas war, was die Engländer „Race to the bottom“ nennen, nämlich ein Wettbewerb, der Bedingungen nach unten geschraubt, die Steuern und die Sozialstandards gesenkt hat, also ein Wettbewerb, den die Staaten und Regionen untereinander zugunsten ihrer jeweils heimischen Wirtschaft veranstaltet haben. Aber insgesamt ist dadurch das Wohlstandsniveau in der Europäischen Union jedenfalls nicht gestiegen.

Umso wichtiger ist es jetzt, dass mit diesen Forderungen, auf die sich die Staats- und Regierungschefs verständigt haben, wieder etwas in den Vordergrund rückt, das wirklich reicher macht: Erfindungsreichtum, Umsetzung des Erfindungsreichtums in technische Anwendung, Stärkung der Produktivkräfte, der Produktivität. Bessere Erfindungen und bessere Umsetzung dieser Erfindungen, das bringt uns voran. Das kann insgesamt den Reichtum erweitern oder – wie Herr Kollege Brüderle neulich wieder sagte – den Kuchen erweitern, auch in der weltwirtschaftlichen Bewährung und Konkurrenz.

So geht es, und es geht nicht, indem man immer wieder die Standards senkt und glaubt, mit solch kleinen Mitteln der jeweiligen heimischen Wirtschaft einen Vorteil zu verschaffen.

Wir in Deutschland können nur froh sein, dass jetzt allmählich dieser Wandel wieder eintritt. Ich meine, wir haben immerhin noch einen industriellen Besatz in der Bundesrepublik von etwa 24 %, 25 %. Schauen Sie sich einmal die Briten oder die Amerikaner an. Wir werden auch eine gewisse Renaissance der Industrie, der Fertigung bekommen. Das wird für uns sehr gut sein, und es

wird gut sein für diejenigen, die tatsächlich Werte schaffen. Wir haben uns angewöhnt, das Realwirtschaft zu nennen. Das ist eigentlich die einzige Wirtschaft.

Die Finanzwirtschaft, die umverteilt, das Geld zirkulieren lässt – – – 600.000 Millionen Dollar gehen jeden Tag um den Erdball. Insgesamt gibt es an Kreditausfallversicherungen auf der Welt laut Deutsche Bank rund 606.000 Milliarden Dollar. Stellen Sie sich das vor. Wissen Sie, da werden keine Werte geschaffen. Da werden gelegentlich Werte umverteilt, vor allem dann, wenn die Industrie an der Klippe steht und anschließend die Steuerzahler dafür eintreten müssen.

Die Ausrichtung der Europäischen Union jetzt mit diesem Programm „2020“ ist im deutschen Sinne und wird uns helfen. Es ist schön, dass der Landtag in RheinlandPfalz zusammen der Meinung ist, dass man hierzu einen Beschluss fassen sollte, wie Sie ihn treffen wollen.

Ich darf noch einmal sagen, im Namen der Landesregierung schönen Dank.

(Beifall im Hause)

Vielen Dank, Herr Staatsekretär.