Es betrifft auch das, was er vergangene Woche gemeinsam mit mir erlebt hat, als wir bei der Ausbildungsbörse waren. Ein Ausbildungsleiter hat uns erzählt, wie schlecht die naturwissenschaftlichen Kenntnisse der Bewerber sind. Der Leiter der Realschule sagte, es wäre kein Wunder, er könne leider nur im 10. Schuljahr qualifizierten Physikunterricht anbieten, weil er für 1.000 Schüler genau einen Physiklehrer hat. Das nenne ich Unterrichtsausfall, Herr Pörksen.
Was sagen Sie zu der Aussage eines Schulleiters, in Rheinland-Pfalz bekommen junge Leute einen befristeten Vertrag, in Baden-Württemberg dagegen eine Planstelle? Seine Kollegin sagt, in diesem Jahr sind schon zwei Kollegen genau aus diesem Grund abgewandert, weg aus Rheinland-Pfalz.
(Pörksen, SPD: Von 40.000 Bestand, und wie viel kommen von Nordrhein-Westfalen nach Rheinland-Pfalz?)
Frau Ministerin, Sie haben beim Verbandstag genau diese Gewerkschaft „meine GEW“ genannt. Warum hören Sie ihr dann nicht endlich einmal zu oder dem Philologenverband, der zugegebenermaßen nicht „Ihr Philologenverband“ ist, aber Missstände trotzdem ganz klar aufdeckt, indem er sagt, der Lehrermangel ist auch hausgemacht? Die Zahlen, die er uns präsentiert, sind eine Ohrfeige für Schüler, Eltern und Lehrer. Sie leisten es sich, auf Kosten unserer Kinder von 800 Bewerbern für das Referendariat an Gymnasien und Gesamtschulen gerade einmal 200 einzustellen. Sie wissen genau – bei allen Anfragen haben Sie uns das immer wieder bestätigt –, dass die Hälfte der Bewerber nicht wieder in Rheinland-Pfalz erscheint.
Das sind Zahlen des Philologenverbandes. Wir haben sie noch einmal nachgecheckt, weil Sie schon wieder den Kopf schütteln, Frau Ministerin.
Ich würde das Ganze noch Sparpolitik auf Kosten unserer Kinder nennen, wenn nicht an anderer Stelle so viel Geld ohne erkennbaren Gewinn verschleudert würde, PES, patentierter Etikettenschwindel nennt das der VBE, Kosten 15 Millionen Euro im Jahr.
15 Millionen Euro werden dafür ausgegeben, dass Unterrichtsausfall an PES-Schulen kontinuierlich ansteigt. Diese 15 Millionen Euro könnten wir auch anders nutzen. Dazu möchte ich gern in der zweiten Runde etwas sagen.
(Beifall bei der CDU – Licht, CDU: Das war die Rede aus 2009! – Zuruf von der SPD: Da war zu Recht spärlicher Beifall!)
Frau Kollegin Dickes, vielen Dank dafür, dass Sie selbst gemerkt haben, dass auch bei Ihnen das Murmeltier immer wieder zuschlägt. Die Rede, die Sie hier gehalten haben, unterschied sich in überhaupt nichts von dem, was Sie uns im letzten Jahr erzählt haben.
Das ist nicht etwa so, weil die Situation so wäre, sondern weil Sie konstant das gleiche Redeprinzip haben. Ich finde ein Beispiel, das reicht mir aus, um die Situation in einem Bundesland zu beschreiben.
Sie haben einen Artikel von heute oder von vor zwei Tagen zitiert. Dieser Artikel beschreibt die Situation im Land. Frau Kollegin, ich kann Ihnen eines sagen, Sie wie ich, wir haben jeder einen Wahlkreis. In den zurückliegenden drei Wochen habe ich Gespräche in meinem Wahlkreis mit Schulleitungen, mit Lehrerinnen und Lehrern geführt. Zu meiner ganz besonderen Freude habe ich dabei hören dürfen, dass sich die Situation an der Schulart, von der ich weiß, dass wir noch richtige Probleme zu bewältigen haben, nämlich der Schulart BBS, in diesem Jahr in einem guten Maß entspannt hat. Diese Schule ist sehr zufrieden mit ihrer Unterrichtsversorgung.
Ich darf Ihnen vielleicht diesen einzelnen Eindruck genauso als Verallgemeinerung für ein Land anbieten. Dann habe ich Ihr Prinzip gewählt. Ich mache das aber nicht.
Ich weiß, dass wir noch an vielen Stellen Probleme haben, weil wir zum Beispiel Lehrerinnen und Lehrer nicht finden. Da Sie Presse so lieben, empfehle ich Ihnen, einen Blick in die „Süddeutsche Zeitung“ von heute zu werfen. Unter der Überschrift „Die Lückenfüller“ wird da die Situation in Bayern beschrieben. Bayern wird meines Wissens von Parteifreunden von Ihnen geleitet. Bayern leidet darunter, dass in Mathematik 300 Lehrerinnen und Lehrer fehlen. Das sind Planstellen in Bayern, die einfach nicht besetzt sind. Die fangen jetzt an und stellen als Ersatz Pensionisten, Hausfrauen und ehemalige Naturschützer ein. Das gilt übrigens auch für die Fächer – jetzt sind sie aufgeführt –, die der bayerische Kultusminister im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ nennt, Physik, Biologie, Chemie, Informatik, Latein, Religion, Wirtschaft, Sport, Kunst und Musik. Das gilt nur für die bayerischen Gymnasien. Die anderen Schularten sind noch doller dran, wird hier geschildert.
Dann wird genau beschrieben, dass das Land Bayern diese Lehrerinnen und Lehrer nicht mehr findet. Auch wir haben in Rheinland-Pfalz das Problem, Mathematiklehrerinnen und -lehrer zu finden, weil offensichtlich zu wenig junge Leute den Mut haben, dieses eigentlich faszinierende Fach zu studieren. Jeder, der hier sitzt, kann jetzt ein schlechtes Gewissen entwickeln, dass er es nicht irgendwann einmal gemacht hat.
Sie haben uns von zwei abgewanderten Kolleginnen und Kollegen nach Baden-Württemberg erzählt. Frau Kollegin, haben Sie sich die Mühe gemacht und nachgefragt, wie viel Kolleginnen und Kollegen aus Hessen oder Nordrhein-Westfalen in der Zwischenzeit an rheinlandpfälzischen Schulen unterrichten, unter anderem des
halb, weil sie es zum Beispiel satt haben, in Hessen in G-8-Gymnasien Kinder in einen Lerndruck bringen zu müssen, der diese Kinder zum Wahnsinn treibt?
Hier in Mainz haben wir solche Kolleginnen und Kollegen, die sagen, in diesem System möchte ich gar nicht mehr unterrichten.
Vielleicht nehmen Sie sich diese zum Beispiel als Merkposten, wie es nicht sein sollte, wenn sich die CDUBildungspolitik über die Kinder hermacht.
Ich fand es sehr beeindruckend, dass Sie darüber hinaus den Philologenverband zitiert haben. Die Presseerklärung des Philologenverbandes fand ich in der Gesamtdiskussion fast am bemerkenswertesten. Dieser forderte die Landesregierung auf, einen offenen Rechtsbruch des Beamtenrechtes vorzunehmen. Das haben Sie uns gerade auch empfohlen. Sie wissen nicht, was der Gleichbehandlungsgrundsatz im Beamtenrecht ist und dass die Landesregierung mit der Bevorzugung von Mathematik-, Physik- und Chemie-Anwärterinnen und -anwärtern, in der Art, wie sie es macht, bei der Zuteilung von Referendariatsplätzen das letzte Restchen an Möglichkeiten ausnutzt. Frau Kollegin, würde sie darüber hinausgehen, dann wäre es ein Rechtsbruch. Dass das ein Philologenverband in einer Presseerklärung von der Landesregierung verlangt, finde ich bemerkenswert.
Lassen Sie mich noch ein paar grundsätzliche Sätze sagen. Dieses Land hat anders als andere Bundesländer in diesem Jahr erneut alle frei gewordenen Stellen wieder besetzt. Bei uns wird keine Stelle eingespart. Bei uns sind alle Stellen, die durch Ruhestand, Altersteilzeit oder sonstige Gründe des Ausscheidens frei geworden sind, wieder mit Lehrkräften besetzt.
In Hessen zum Beispiel hat man sich das tolle Prinzip ausgedacht, dass dort 18 Millionen Euro der Vertretungsmittel dem Landeshaushalt zurückgegeben werden, weil dort der Bildungshaushalt einen Riesenteil der Einsparauflagen, die dort drüben gemacht worden sind, leisten muss. Dort werden Vertretungskräfte jetzt überhaupt nicht mehr zur Verfügung gestellt.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist interessant, dass jedes Mal zu dieser Murmeltierdebatte auch das Murmeltier bejammert wird und gesagt wird, dass es ja ganz schrecklich ist, dass wir das jedes Jahr hier wieder diskutieren. Ich glaube, es ist ganz normal, dass zu Beginn eines Schuljahres hingeschaut und beurteilt wird, unter welchen Startbedingungen rheinland-pfälzische Schulen und die dort Arbeitenden und Lernenden in das neue Schuljahr starten.
Die Landesregierung tut das, indem es jedes Jahr eine schöne Jubelmeldung zu den pädagogischen Neuerungen und den hervorragenden Rahmenbedingungen gibt. Die Opposition tut das, indem sie das kritisch beleuchtet. Ich denke, das ist ein Brauch, der für unsere Schulen gar nicht so schlecht ist; denn ich halte es auch für wichtig, die Rückmeldungen, die wir von den Beteiligten bekommen, die auch jedes Jahr erfolgen, ernst zu nehmen und sich damit zu beschäftigen.
Wenn man diese dann nimmt, sprechen die in der Tat eine andere Sprache als das, was die Landesregierung uns vermittelt. Die Verbände haben alle auch zu diesem Schuljahr sehr kritische Rückmeldungen abgegeben, insbesondere im Hinblick auf die Unterrichtsversorgung. Den Verband der Realschullehrerinnen und Realschullehrer möchte ich deshalb zuerst nennen, weil die auch die größte pädagogische Neuerung umsetzen müssen, nämlich die Schulstrukturreform.
Er hat rückgemeldet, dass gerade diese Schulstrukturreform unter sehr schwierigen Rahmenbedingungen umgesetzt werden müsse, es sei gerade in einer solch schwierigen Phase des Umbaus der Schulstruktur eine dringende Verbesserung der Unterrichtsversorgung nötig, und es wäre insbesondere deshalb schwierig, weil man sehr häufig auf Vertretungskräfte zurückgreifen müsse, die nicht so qualifiziert seien, dass sie dann auch den vollen Unterricht erteilen können. Man fordert weitere Möglichkeiten zur Differenzierung und Individualisierung.
Das sind alles Themen, die meiner Ansicht nach drängend sind, gerade auch im Hinblick darauf, dass wir jetzt größere heterogenere Lerngruppen in der neuen Realschule plus, insbesondere für die schwächeren Hauptschüler, bekommen. Ich glaube, aus diesen Gründen muss man diese Appelle ernst nehmen und sich auch dringend mit diesen Wünschen beschäftigen.