Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Hedi Thelen und Adolf Kessel (CDU), Fachkräftemangel im Pflegebereich – Nummer 9 der Drucksache 15/4947 – betreffend, auf.
1. Inwieweit sind die aktuell berichteten Probleme des Arbeiter-Samariter-Bundes Rheinland-Pfalz, bei dem wegen eines Mangels an Pflegepersonal in manchen Einrichtungen keine neuen Patienten angenommen werden und in neu gebauten Pflegeheimen manche Abteilungen nur mit Verspätung oder noch gar nicht eröffnet werden könnten, symptomatisch für die Situation in Rheinland-Pfalz?
3. Wie beurteilt die Landesregierung die weitere Entwicklung vor dem Hintergrund des demografischen Wandels?
4. Inwieweit hält die Landesregierung vor dem aktuellen Hintergrund ihre Aussage aufrecht, in RheinlandPfalz bestehe derzeit im Pflegebereich „kein Fachkräftemangel“ (Drucksache 15/3998, Seite 2)?
Guten Morgen, Herr Präsident, meine sehr gehrten Herren und Damen Abgeordnete! Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Hedi Thelen und Adolf Kessel beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1: Pflegeheime, die in Rheinland-Pfalz aufgrund eines Mangels an Pflegepersonal keine neuen
Bewohner und Bewohnerrinnen mehr aufnehmen, sind der Landesregierung jenseits der Presseberichterstattung nicht bekannt. Sollte es vereinzelt Probleme bei neu gebauten Heimen oder deren Abteilungen geben, ist das nicht symptomatisch.
Je nach Standort, Konkurrenzsituation und Situation auf dem regionalen Pflegearbeitsmarkt, kann es vorkommen, dass sich Einrichtungen bemühen müssen, ihre Fachkraftquote zu halten. Das kommt in den Ballungsgebieten und auch in der Grenzregion zu Luxemburg aufgrund der besseren Vergütung der Fachkräfte in Luxemburg vor.
Besonders schwierig ist der Start einer neuen Pflegeeinrichtung, wenn auf einmal mehrere neue Fachkräfte gebraucht werden. Bei einem solchen Projekt ist aber auch der Träger selbst gefordert. Mit einer vorausschauenden Personal- und Ausbildungsplanung kann es gelingen, die Fachkräfte selbst auszubilden, die für einen Neustart einer Einrichtung notwendig sind.
Zu Frage 2: Die regional und nach Einrichtungstyp unterschiedliche Anspannung des Pflegearbeitsmarkts stellt das Personalmanagement in den Heimen sicherlich vor große Herausforderungen. Dennoch lässt sich sagen, dass die Versorgung der Bewohner und Bewohnerinnen in den stationären Einrichtungen gesichert ist und generell auch die Aufnahme neuer Personen nicht an Personalproblemen scheitert.
Zu Frage 3: Die demografische Entwicklung wird zu einem weiteren Anstieg der Zahl pflegebedürftiger älterer Menschen führen. Dementsprechend werden auch mehr professionell Pflegende gebraucht werden.
Zu Frage 4: Die Landesregierung hat in der Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU die Frage nach der Fachkräftesituation sehr differenziert beantwortet.
Ich zitiere aus der Drucksache mit Erlaubnis des Präsidenten aus der Antwort: „Auch für den Bereich der Gesundheitsfachberufe kann derzeit in Rheinland-Pfalz nicht von einem Mangel an Fachkräften in der stationären, teilstationären oder ambulanten Altenpflege und in den übrigen Gesundheitsfachberufen gesprochen werden. Allerdings ist es inzwischen für die pflegenden Einrichtungen im Vergleich zur Situation Mitte des Jahrzehnts wieder schwieriger geworden, neue Fachkräfte zu gewinnen.“ Das gilt vor allem für die Ballungsgebiete, die Region Trier und für die ambulanten Dienste. Weiter heißt es: „Für das Jahr 2002 wurde ein Fachkräftemangel in der Pflege und für das Jahr 2005 ein deutlicher Überhang an Fachkräften festgestellt.“
Aufgrund des kontinuierlich steigenden Bedarfs an Pflegekräften, hat die Landesregierung schon vor Jahren unterschiedliche Maßnahmen zur Steigerung der Ausbildungsquoten auf den Weg gebracht. Rheinland-Pfalz ist mit einem System von 42 Krankenpflege- und 25 Altenpflegeschulen und einem funktionierenden finanziellen Ausgleichsverfahren im Bereich der Altenpflege und in den übrigen Gesundheitsfachberufen gut aufgestellt.
Mit dem Ausgleichsverfahren in der Altenpflegeausbildung, das wir flächendeckend eingeführt haben, konnten
wir in den letzten sechs Jahren die Zahl der Auszubildenden um über 30 % erhöhen. Im Schuljahr 2003/2004 waren es 1.913 Auszubildende. Im Schuljahr 2009/2010 waren es 2.664 Auszubildende. Auch für das begonnene Schuljahr geht die Landesregierung nach den bisher vorliegenden Informationen von einer weiteren Steigerung aus. Dennoch dürfen wir in unseren Ausbildungsbemühungen nicht nachlassen. Das gilt auch für Initiativen zur Umschulung.
Mit dem „Branchenmonitoring Pflege“ beobachtet die Landesregierung regelmäßig die Situation auf dem Pflegearbeitsmarkt. Untersuchungen wurden für die Jahre 2002 und 2005 vorgelegt. Im Oktober startet eine weitere, diesmal qualitative und quantitative Untersuchung zur Fachkräftesituation, zum Fachkräfte- und Ausbildungsbedarf in der Pflege im Land. Die ersten Ergebnisse des Monitorings und Gutachtens Fachkräfte- und Ausbildungsbedarf in den Gesundheitsfachberufen liegen im Sommer des nächsten Jahres vor.
Frau Ministerin, zunächst wüsste ich gerne, welche Lösung Sie für Einrichtungen in der Region Trier sehen, weil dort durch die Konkurrenzsituation mit den Luxemburger Einrichtungen noch einmal eine ganz spezielle Nachfragekonkurrenz besteht.
Die Region Trier ist und bleibt schlicht und ergreifend aufgrund der Tatsache eine besondere Herausforderung, dass wir in der Region eigentlich überdurchschnittlich viel ausbilden, aber die Abwerbung durch Luxemburg sehr hoch ist.
Es gibt in der Stadt Trier im Rahmen der Gesundheitswirtschaft einen runden Tisch zu dem Thema „Gesundheitsfachberufe und Zukunft der Gesundheitsfachberufe“. Dort sind alle Organisationen zusammengeschlossen, die Ausbildung in diesem Bereich betreiben, die auch sehr konkret diese Thematik miteinander besprechen.
Dort überlegt man Wege, auch in Kooperation mit Luxemburg, und es gibt Gespräche zwischen dem Luxemburger Minister und mir, wie man Wege gehen kann zu einer gemeinsamen Unterstützung in der Ausbildung, zu einer gemeinsamen Weiterbildung, sodass sozusagen beide Regionen davon profitieren.
Das Gehaltsgefälle zu Luxemburg bleibt, auch wenn ich persönlich der Auffassung bin, dass perspektivisch soziale Berufe, besonders im pflegerischen Bereich, höhere Gehälter brauchen. So wird es immer schwierig bleiben, an die Luxemburger Gehaltsstruktur heranzukommen.
Frau Ministerin, für einen Beruf ist auf der einen Seite die Bezahlung wichtig, auf der anderen Seite aber auch die Frage nach dem Image. In der Pflege, die sich entwickelt, gibt es nach meinem Wissensstand viele neue berufliche Möglichkeiten und Aufgaben.
Mich würde interessieren, welche Aufgabenbereiche auf die Pflege in der Zukunft zukommen und wo sie entlastet werden kann, zum Beispiel im stationären Bereich, wo arbeitsfremde Tätigkeiten woanders übernommen werden könnten.
Wir erproben in Rheinland-Pfalz in vier Krankenhäusern das Thema „Neue Aufgabenverteilung zwischen den akademischen und nicht akademischen Gesundheitsfachberufen“. Das ist ein Thema, das unter den – ich sage jetzt einmal – Repräsentanten der Berufsstände nur von der Pflege, weniger von der medizinischen Seite her begrüßt wird.
Ich halte das trotzdem für außerordentlich erforderlich; denn die Pflege hat sich in den letzten Jahren fundamental verändert. Es ist mehr Verantwortung gewünscht, es gibt viele, die auch im teilakademisierten Bereich inzwischen unterwegs sind.
Wir werden auch in der Zukunft aus meiner festen Überzeugung heraus nur den ganzen medizinischen und pflegerischen Markt abdecken können, wenn wir auch wieder zu neuen Aufgabenverteilungen kommen.
Das gilt auch im ambulanten Bereich, wo, von der Landesärztekammer getragen, zum Beispiel die medizinischen Fachangestellten nach entsprechender Qualifikation neue Aufgaben übernehmen sollen. Natürlich gilt dasselbe dann auch zur Entlastung der Pflegekräfte. Das darf man nicht vergessen.
Ich sage einmal, wenn man in den Modellprojekten alles berücksichtigt, was Pflegekräfte zur Entlastung der Ärzte übernehmen, dann muss es auch umgekehrt passieren, dass die Pflegekräfte entlastet werden.
Das ist alles hoch spannend und verbunden damit, was in den letzten Jahren schon gelungen ist; nämlich auch die Ausbildung in diesem Bereich weiter zu qualifizieren.
Es macht den Beruf in der Pflege eben auch außerordentlich attraktiv. Wenn man früher 50 Jahre Krankenpflegerin war, kann man heute einfach durch die Durchlässigkeit des Systems ganz viele andere Dinge danach noch tun. Ich glaube, das ist das Grundfundament dafür, dass wir auch in diesem Bereich Nachwuchs erhalten werden.
Der Pflegeberuf hat wirklich erheblich an Attraktivität zugenommen, wenngleich die Arbeitsverdichtung extrem hoch ist an den unterschiedlichen Orten.
Es passt gerade zu der letzten Aussage. Wir haben schon öfter den Aspekt des Praxisschocks von jungen Pflegekräften diskutiert, die dann doch wieder frühzeitig aus dem Beruf herausgehen und andere Beschäftigungen suchen, also eine geringe Verweildauer haben.
Vor dem Hintergrund sind wir etwas besorgt, weil uns jetzt auch aktuell wieder einige Meldungen aus dem Land erreichen, dass auch vor dem Hintergrund PflegeTÜV eine Arbeitsverdichtung erfolgt, besonders in der Dokumentation, um den Transparenzwünschen gerecht zu werden, und wieder einige Pflegekräfte versuchen, den Beruf zu verlassen und woanders ihre Arbeit zu finden.
Haben Sie ähnliche Erkenntnisse aus dem Land? Welche Wege sehen Sie, um dieser offensichtlich jetzt verschärften Entwicklung ein Stück Einhalt zu gebieten?
Frau Thelen, ich würde nicht ganz so weit gehen wie Sie, allerdings weiß ich – Sie kennen auch meine Haltung zum Pflege-TÜV –, dass der Pflege-TÜV im Moment dazu führt, dass sich jeder Pflegedienst darum bemüht, richtig zu dokumentieren.
Das, was man eigentlich im TÜV erreichen wollte, nämlich dass gute Pflege gut bewertet wird oder schlechte Pflege sich qualitativ verbessert, kann man nur sehr wenig beobachten. Vielmehr sind die Dienste flächendeckend bundesweit damit beschäftigt, wie dokumentiere ich richtig, um am Ende eine gute Note zu haben.
Nun ist die Erkenntnis inzwischen auch auf der Bundesebene aufgrund vielfältiger Aktivitäten angekommen. Auch der Spitzenverband hat erklärt, es muss zu Verbesserungen kommen. Wir versuchen, das ins System zu transportieren.