Protokoll der Sitzung vom 23.07.2015

Herr Kollege Köbler hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was bleibt am Ende der Debatte? – Am Ende der Debatte bleibt, dass wir uns den Themen der Paliativversorgung und dem Hospizbereich vielleicht noch etwas stärker widmen müssen, als wir das bisher getan haben. Ich stimme im Grunde Herrn Kollegen Schweitzer zu, dass wir das ehrenamtliche Engagement, das in vielen Vereinen erfolgt, noch stärker in den Fokus rücken und mehr würdigen müssen.

Ich glaube, dass wir uns über die Frage Gedanken machen müssen, warum es heute keine Selbstverständlichkeit mehr ist, dass Sterben, Tod und Krankheit in der Gesellschaft eine Rolle spielen, vielleicht auch nicht mehr in den Familien. Ist es am Ende nicht so, dass das Sterben und der Tod am schlimmsten für diejenigen sind, die am Leben bleiben? Ist es vielleicht auch ein Stück weit so, dass wir in einer Gesellschaft leben, die ein Stück weit konsum- und eventorientiert ist, dass sie versucht, diese Aspekte des Lebens, die wir nicht direkt mit positiven Assoziationen belegen, zurück- und wegzudrängen?

Ich glaube, das sind alles Fragen, die offen bleiben und heute nicht finalisiert werden können und sollten. So eine Debatte und Diskussion geht weiter.

Ich will betonen, ich bin froh, dass wir uns im Kern einig sind. Eine selbstbestimmte Teilhabe soll soweit wie möglich bis ans Ende des Lebens ermöglicht werden. Ich denke, wir können in dem Land Rheinland-Pfalz damit weiter die richtigen Impulse setzen.

Ich muss mich auch ein Stück weit dem verpflichtet sehen, was Ruth Ratter gesagt hat. Das ist bei uns in der Fraktion in der Diskussion sehr different. Ich glaube, dass wir die Debatten ein Stück weit trennen müssen, weil die beste Palliativ- und Hospizversorgung am Ende nicht zu einer befriedigenden Lösung für die Individuen kommt, die in der Größenordnung von ein paar Dutzend Menschen pro Jahr, die aus Deutschland in die Schweiz reisen, um Tötung auf Verlangen durchzuführen. Die werden wir damit nicht erreichen. Denen werden wir nicht gerecht. Für die brauchen wir am Ende eine Aussage.

Frau Ganster, als Katholik kann ich Ihre Herleitung nachvollziehen. Aber ich glaube, dass wir aufpassen müssen, dass wir nicht die eigene religiös oder ethisch hergeleitete Wertvorstellung, die wir für uns und unseren Wertekosmos definieren, per se generalisieren, weil wir nicht annehmen können, dass jedes Individuum die gleichen ethischen, religiösen Wertvorstellungen unserer Gesellschaft hat. Das ist einfach nicht der Fall. Ich glaube schon, dass die Fragen bleiben werden, weil es ein Bedürfnis danach gibt. Das kann man am Ende nicht wegdiskutieren.

Wir wissen, dass Ärztinnen und Ärzte in Deutschland auch in Grenzsituationen in ihrem Arbeitsalltag unterwegs sind. Das ist Fakt. Ich glaube, es ist unsere Aufgabe, die Debatte weiterzuführen, wie wir Klarheit schaffen können. Es sind vielleicht zahlenmäßig nicht viele Fälle, aber wir haben

die Fälle vor Verwaltungsgerichten, wo die Gerichte klären müssen, ob der Arzt im legalen Rahmen gehandelt hat oder nicht. Das jeweils von der individuellen Auslegungsentscheidung eines Gerichtes abhängig zu machen, halte ich persönlich auf Dauer politisch für nicht verantwortbar. Ich glaube, dass wir hier die Diskussion weiterführen müssen.

Ich hoffe, dass wir einen Beitrag dazu geleistet haben, diese schwierigen Themen ein Stück weit in die Öffentlichkeit und in die Gesellschaft zu bringen. Vielleicht haben wir auch einen Beitrag dazu geleistet, dass jenseits von Fraktionszwang, Parteibüchern und den üblichen Regulatorien die Debatte an sich für die Weiterentwicklung unserer parlamentarischen Demokratie in Rheinland-Pfalz beigetragen hat.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Frau Klöckner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine solche Debatte hat verschiedene Facetten gebracht. Ich glaube, der eine oder andere hat den einen oder anderen Kollegen ein bisschen anders kennengelernt. Das bringen eine solche Debatte und solche Überlegungen mit sich.

Was ich wirklich gut fand – eigentlich geht man selbstverständlich davon aus, aber dass man das hier so erlebt –, ist dieser Konsens einer Kultur, die wir hier in dem Land haben, und zwar unabhängig davon, ob man für aktive Sterbehilfe ist oder nicht, sondern dass man ein Gespür dafür hat, wie es Menschen geht, die in Nöten sind, wann es solche Situationen gibt und warum Menschen in Grenzsituationen ein Anrecht haben auf die Solidarität, auf das Gehör, aber auch auf die strukturelle Hilfe in einer Gesellschaft, die aufgeklärt ist, die, ich nenne es so, erwachsen ist, auch weil es um Emotionen geht. Finanzierungsfragen sind das andere. Aber man muss ein Ziel haben. Das ist das, was uns eint.

Ich spreche es an, und zwar unabhängig davon, ob man für aktive Sterbehilfe ist oder nicht. Die indirekte, passive Sterbehilfe ist geregelt und weiterhin möglich. Die Grundfrage ist gewesen, warum der Deutsche Bundestag darüber diskutiert hat, warum es zu Recht nicht nur in Berlin im Regierungsviertel geblieben ist, sondern auch in den Feuilletons, in den Länderparlamenten und Ärztekammern diskutiert worden ist. Der Grund ist, dass es jeden betreffen kann, dass es nichts ist, was irgendwie in einem Sonderraum, in einem Pilotprojekt geschieht, sondern es kann überall passieren, weil wir darüber nachdenken. Ich glaube, es geht jedem so.

Wir fühlen uns als Parlamentarier, die hier aktiv sind. Wir bekommen viele Fragen aus dem ganzen Land und sollten Antworten haben. Ob wir manchmal wirklich eine Antwort

wissen, ist das andere. Wir müssen uns damit beschäftigen, wie es wirklich mit der Reduzierung aussieht, nicht des Lebens, weil das eine Unterscheidung in den Lebensphasen in Werte wäre.

Aber eine Reduzierung des Aktivseins, wie könnte das bei uns sein?

Ich will es bewusst aufgreifen; denn ich habe Herrn Raddatz kennengelernt, eine schillernde Persönlichkeit. Mir geht es in der Frage ein bisschen wie Herrn Schweitzer. Ich habe den Artikel in der „ZEIT“ gelesen. Ich habe zu Hause darüber eine Debatte gehabt.

Ich sage es ganz offen. Mein Liebster sagte: Das ist Selbstbestimmung! Er kannte Herrn Raddatz auch. Er sagte: Das war die Fortführung seines Lebens, die Vollendung seines Bildes. –

Wir hatten eine richtig intensive Debatte. Ich sagte: Du redest von Selbstbestimmung. Ist es wirklich Selbstbestimmung? –

Eitel sind wir alle. Wenn sehr exponierte Menschen, seien es Robin Williams oder Gunter Sachs, in dieser Brillanz, auch fast mit Vollkommenheit, von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, ist es wirklich ein Ausdruck von Selbstbestimmung, wenn ich dem nicht mehr genüge und es dann der Weg ist, aus dem Leben zu scheiden? Es ist sicherlich eine philosophische Frage: Was ist jetzt Selbstbestimmung?

Mich hat eine Umfrage der Hospizbewegung sehr umgetrieben. Jetzt sagen die einen oder anderen: Klar, es ist die Hospizbewegung, weil die die Umfrage gemacht haben. Was sind die drei Gründe, warum Menschen früher aus dem Leben scheiden wollen, als es vielleicht die Entwicklung des Lebens vorsieht? – Erstens Angst vor Schmerzen, zweitens Angst vor Einsamkeit, drittens Angst, allein zu sein. Auf alle drei Punkte können wir in einer wohlhabenden Gesellschaft, die mit der Technik, mit der Medizin sehr weit vorangeschritten ist, gute Antworten als Alternative geben.

Deshalb haben wir diesen Antrag auch vorgelegt. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, will ich es im Standpunkt zusammenfassen.

Kollege Köbler hat eben noch etwas gesagt, was das Dilemma beschreibt zwischen denjenigen, über die wir gar nicht urteilen dürfen. Wir versuchen auf der einen Seite, Menschen vom Suizid abzuhalten, weil wir sagen „in der Not“, auf der anderen Seite will und sollte man auch niemals über Menschen urteilen. Es sind einsamste Momente des Lebens, wenn man sich das wieder und wieder vornimmt und entscheidet, aus dem Leben zu scheiden. Darüber zu erteilen, ob das schöpfungsgerecht ist oder nicht, wäre sehr anmaßend. Man weiß nie, wie es den Menschen und auch den Angehörigen geht.

Dennoch kommen wir in eine solche Situation, die uns übrigens von den Feuilletonisten unterscheidet,

(Glocke des Präsidenten)

nicht nur zu beschreiben, sondern irgendwann zu entscheiden. Auf Bundesebene gibt es keine Einzelfallgesetzgebung, sondern eine Gesetzgebung, die für alle gilt.

Deshalb sage ich: Ich bin gegen aktive Sterbehilfe und für den Ausbau der Palliativmedizin.

(Beifall der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, herzlichen Dank aus dem Parlament und auch aus der Regierung für Ihre Beiträge. Wir hatten von Anfang an vor, diese Diskussion zu dokumentieren. Das ist in die Wege geleitet. Die Diskussion werden wir im September vorliegen haben, sodass man damit bei Diskussionen die großen Kenntnisse, die sich hier gezeigt haben, weiterreichen kann.

Nun haben wir zwei Anträge, die scheinbar nicht zusammenfügbar waren. Deshalb wird wie folgt abzustimmen sein:

Der erste Antrag ist von der Fraktion der CDU eingegangen – Drucksache 16/5292 –. Also ist zuerst über diesen Antrag abzustimmen. Dann werden wir gegebenenfalls weitersehen.

Das Verfahren ist verstanden? –

Meine Damen und Herren, wer dem Antrag der CDU – Drucksache 16/5292 – zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen! – Die Gegenprobe! – Damit hat der Antrag nicht die erforderliche Mehrheit.

Das heißt, wir stimmen über den zweiten Antrag, den Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/5299 –, ab.

Wer diesem Antrag die Zustimmung geben mag, den bitte ich um das Handzeichen! – Die Gegenprobe! – Der Antrag hat die erforderliche Mehrheit und ist damit angenommen.

Meine Damen und Herren, wir sehen uns erst am 23. September 2015 um 14:00 Uhr wieder. Ich wünsche Ihnen schöne Sommerferien. Ich wünsche Ihnen, dass Sie gesund zurückkommen. Ich wünsche mir, dass die Baukommission in dieser Zeit die notwendigen Dinge geordnet hat, die wir brauchen, um dann zu entscheiden.

Danke.

E n d e d e r S i t z u n g : 1 8 : 3 5 U h r.