Das ist eine enorme Belastung für die Betroffenen, für die Kommunen, eine enorme finanzielle und auch psychologische Belastung für dieses Ehrenamt um die Menschen herum. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge muss endlich vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Versprechen wurden schon zu Beginn des Jahres gegeben – der Beginn des Jahres war für Sie eine ganz wichtige Zeit, weil Sie dort Ihren Flüchtlingsgipfel hatten, wir zu dem Zeitpunkt aber schon auf Bundesebene verhandelt hatten –, und auf die Umsetzung der Ergebnisse, so wie sie zugesagt worden war, warten wir heute noch.
Das BAMF muss endlich „in die Puschen kommen", sonst haben wir nicht nur ein Verwaltungsversagen, sondern ein Politikversagen, und dann haben wir alle ein Problem. Dem kann sich keiner entziehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Es ist wirklich spannend, hier eine Rede zu halten und an diesem Thema so vorbeizugehen. Auch in der Aktuellen Stunde – ich glaube, Frau Spiegel hat es angesprochen – haben Sie eine Rede zum Thema sichere Herkunftsländer gehalten und sind dabei an dem Thema BAMF vorbeigegangen. Das geht sachlich begründet ganz schwer, eigentlich geht das gar nicht.
Darum werden wir Malu Dreyer dabei unterstützen, dass sie, wenn sie morgen mit Herrn Schäuble und dann mit der Bundesregierung verhandelt, einen zentralen Punkt mit den anderen Ländern gemeinsam deutlich adressiert: Dieses Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das jetzt die Achillesferse der deutschen Flüchtlingspolitik geworden ist, muss endlich einen Muskelaufbau bekommen, nach vorn gehen und dafür sorgen, dass wir in Deutschland wieder geordnete Verhältnisse haben, was die Flüchtlingspolitik angeht.
Liebe Frau Klöckner, ich habe Ihnen das am Wochenende in dem Interview zu Ihrem Parteitag als freundlichen Gruß mitgegeben, und ich sage es Ihnen noch einmal:
Es wäre doch eine enorme Chance für Sie, sich an dieser Stelle als stellvertretende Bundesvorsitzende positiv zu profilieren. Zeigen Sie, dass Sie Einfluss haben. Wir nehmen es Ihnen dann gerne ab. Bisher sind Sie den Beweis schuldig geblieben. Zeigen Sie doch einmal, dass Sie mit all denen, die Sie im Bundesvorstand der CDU treffen, tatsächlich auch in der Art und Weise reden, dass es positive Ergebnisse für das Land Rheinland-Pfalz gibt.
Das wäre einmal eine Form von Patriotismus, den ich Ihnen gerne positiv unterstellen möchte. Zeigen Sie das doch einmal. Wir warten dringend darauf. Ich würde mir das sehr dringend von Ihnen wünschen, liebe Frau Kollegin Klöckner.
Wer dann glaubt, es ginge nicht um Geld, oder es ginge vor allem darum, dass man erst einmal nur Landesmittel und dann irgendwann einmal Bundesmittel in die Hand nimmt, der hat keinen Einblick in die tatsächliche Relation der Kosten und Ausgabenentwicklung, was das Thema Flüchtlinge in Deutschland angeht.
Bei den Zahlen, die uns immer mit einer Verzögerung hinter der Realität als Prognose von diesem BAMF genannt werden, müssen wir für Deutschland in 2015 von 800.000 bis 1 Million Flüchtlinge ausgehen.
Wir können also roundabout sagen, 10 Milliarden Euro beträgt der Gesamtaufwand über alle staatlichen Ebenen. Wenn wir mit 9.000 und mehr Erstaufnahmeplätzen rechnen, kann man sich ausrechnen, dass das Gros bei den Ländern und bei den Kommunen liegt. Der Anteil des Bundes, der momentan aber auf den Tisch gelegt wird, ist denkbar gering. Also ist das doch eine der zentralen Herausforderungen.
delt, dann geht es darum, dass man sich im Gleichklang der Länder mit dem Bund auf Folgendes einigt: Es braucht eine nachhaltige, eine auskömmliche und eine dynamische Finanzierung, sodass wir nicht alle halbe Jahre in irgendwelchen Gipfelsituationen zusammensitzen und um das Tischtuch streiten. Wir brauchen an dieser Stelle Klarheit. Auch das beruhigt die Situation ganz entscheidend, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich möchte gerne, weil ich über den Bund und über das Land gesprochen habe, noch einen Blick auf die europäischen Herausforderungen richten. Wir haben in der europapolitischen Diskussion in den vergangenen Jahren oftmals über das Modell des Europas der zwei Geschwindigkeiten gesprochen.
Ich fürchte, wenn wir nicht verdammt gut aufpassen, bekommen wir ein Europa der unterschiedlichen Wertesysteme. Das ist in der Auswirkung sehr viel problematischer als alles, was wir in der Euro- und der Griechenlandkrise wahrgenommen haben.
Liebe Frau Kollegin Klöckner, Sie haben den Satz gesprochen: Blicken wir nach Bayern. – Wenn wir das heute tun, sehen wir im Kloster Banz Herrn Orbán und Herrn Seehofer. Wenn Sie sagen, es kommt darauf an, wer sich die Hand gibt und wie man sich die Hand gibt, dann möchte ich deutlich sagen, auch da bin ich ganz nahe bei Ihnen. Ich persönlich sage Ihnen aber, mit meiner Vorstellung von Europa passt es nur wenig zusammen, dass Ihr Parteifreund Seehofer heute in Bayern Herrn Orbán symbolisch die Hand reicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, während wir gleichzeitig sehen, dass die Armee in Ungarn mit Schlagstöcken und Fangnetzen auf Flüchtlinge jeden Alters – und damit auch auf Kinder – einwirken darf. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind Wertedebatten, zu denen ich mir von meiner Vorrednerin auch etwas mehr gewünscht hätte, aber dabei kommt auch wieder die Ausblendung ins Spiel.
Wir brauchen ein entschlossenes Handeln in diesem Krisenmodus, in dem wir uns zurzeit befinden. Die Menschen schauen uns an, wollen aber auch schon die Antworten auf Fragen hören wie: Wie geht es nun weiter? Lesen wir jetzt nur noch etwas über Flüchtlinge? Ist das das einzige Thema, das ihr könnt? Was kommt denn danach?
Sie fragen: Denkt ihr auch noch an uns? Habt ihr uns auch noch auf dem Schirm, uns Langzeitarbeitslose, wenn wir eine Familie haben, die vielleicht mehr als ein oder zwei Kinder hat, die abhängig beschäftigt ist und dringend Wohnraum braucht? Habt ihr uns noch auf dem Schirm? – Ich finde, es ist nicht illegitim, diese Fragen zu stellen.
Jawohl, und es ist gut, dass Malu Dreyer die Aussage getroffen hat: Wir wollen nicht, dass wir über den Krisenmodus so viele Ressourcen, auch politische Ressourcen, in das Flüchtlingsthema investieren. Wir wollen nicht, dass die Menschen – wenn es auch nicht stimmt – den Eindruck haben, es würden die Gruppen gegeneinander ausge
spielt, und die eine Gruppe wird dabei vergessen. Das ist doch völlig klar. Für mich ist es eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Gelingen dieser großen Herausforderung, dass wir die Integration der vielen Menschen, die zu uns kommen, nicht zur Desintegration manch anderer, die schon bei uns sind, werden lassen. Das ist die große Gratwanderung, und dazu gehört, dass man auch in einer solchen Debatte selbst austariert und nicht mit überzogenen Zuschreibungen operiert.
Frau Kollegin Klöckner hat Frau Ministerpräsidentin Dreyer als unehrlich bezeichnet, und ich finde, das geht gar nicht. Aber auch dabei muss man aufpassen, welche Atmosphäre man in die Debatte hineinbringt, liebe Frau Kollegin Klöckner.
Wir brauchen eine Vorstellung davon, wie es ist, wenn es 100.000 Menschen sein werden, die bei uns bleiben, mit uns leben, unter uns leben, neben uns leben. Wir brauchen dazu ein positives Bild eines neuen Zusammenlebens. Wir brauchen womöglich auch den Blick auf biografische Entwicklungen, die wir uns noch gar nicht vorstellen können.
Liebe Frau Bildungsministerin Reiß, wir reden derzeit intensiv darüber, dass viele Kinder eingeschult werden und in den Klassen sitzen. Das sind Kinder, die das Deutsch eigentlich nur radebrechend sprechen. Aber ist es nicht eine positive Entwicklung, wenn wir uns gemeinsam mit vielen anderen in dieser Gesellschaft vorstellen, dass aus diesen Kindern, die aus Syrien kommen, vor den Chlorbomben dort geflohen sind, dass aus Kindern, die Deutschland als das Land ansehen, in dem sie angekommen sind, das ihnen etwas gegeben hat und dem sie etwas zurückgeben möchten, dass diese Kinder besonders fleißig sind, besonders engagiert sind, und dass sie sich einbringen? Dann wird aus dem Klassensprecher, der einst geflohen ist, der als Flüchtlingskind in die Klasse gekommen ist, später vielleicht irgendwann einmal der ehrenamtliche Bürgermeister einer Gemeinde.
Ich finde, das ist nicht kitschig, sondern das ist ein positives Bild, das wir zeichnen müssen und unter die Menschen bringen müssen, damit wir nicht nur von heute auf morgen mit den Menschen kommunizieren, sondern uns auch fragen, wie sich diese Gesellschaft entwickeln kann. Natürlich gehört auch dazu, dass wir sagen, jede Form von Parallelgesellschaft, jede Ghettoisierung können und wollen wir nicht unterstützen. Es gibt Regeln des Zusammenlebens – zumindest die, auf die wir uns heute einigen –, die wir in Deutschland eigentlich schon seit der Tradition der Aufklärung kennen. Man braucht auch nicht ein Gesetz zur Umsetzung eines Gesetzes, sondern wir brauchen den Satz, der für alle gilt: In Deutschland gilt das Grundgesetz. –Punkt, Schluss, aus, fertig, und das gilt für alle, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wenn ich die Biografie eines jungen Syrers oder seiner Schwester schildere, sage ich auch, dies braucht Voraussetzungen. Wir brauchen enorme Möglichkeiten im Bereich
des Spracherwerbs, und es werden sich viele Vorstellungen, die wir hatten, was die demografische Dividende in der Schule angeht, vielleicht so nicht verwirklichen lassen. Wir werden auch in den nächsten Haushalten, was Erzieher und Lehrpersonal angeht, ordentlich in die Zukunft investieren müssen, und wir brauchen eine Renaissance des sozialen Wohnungsbaus.
Die Menschen, die da sind und neue Wohnformen suchen, erwarten von uns, dass wir nicht nur denen die Antworten geben, die kommen, sondern dass wir für alle Antworten formulieren, und das ist die Herausforderung, vor der wir stehen.
Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher – ich habe es bereits eingangs meiner Rede formuliert –, wenn es ein Flächenland in Deutschland gibt, das dies alles hinbekommt, dann sind wir es, und zwar aus unserer eigenen Geschichte heraus und aus der Tatsache heraus, dass wir so etwas sind wie die Ehrenamtsweltmeister. Kein anderes Bundesland hat mehr bürgerschaftliches Engagement aufzuweisen, und ich möchte auch sagen, dass wir nach einschlägigen Studien das Land sind, in dem die Fremdenfeindlichkeit am geringsten ausgeprägt ist, und dass wir das Land sind, in dem jeder Beschäftigte erklären kann, wie sehr sein Arbeitsplatz – ob im Handwerk, in den handwerksnahen Dienstleistungen oder in der Industrie – vom Export abhängt, also von der Zusammenarbeit von Märkten, Menschen und Nationen.
Meine Damen und Herren, Rheinland-Pfalz hat das Zeug, zum Musterland der Integration zu werden. Wir können das schaffen, wenn wir uns diese Aufgabe selbst vornehmen, und zwar mit Zuversicht und auch mit Mut, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Deshalb wird es in Berlin nicht nur morgen darum gehen, dass man sich auf finanzielle Unterstützungen einigt. Ich sage Ihnen, neben der Frage des sozialen Wohnungsbaus brauchen wir auch eine ganz neue Entwicklung im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Auch das gehört dazu, und wir brauchen klare Signale an diejenigen, die bereit sind, einzustellen und zu beschäftigen. Die Forderung, jemand, der eine Ausbildung macht, nicht nur für die Dauer der Ausbildung mit einem Aufenthaltstitel auszustatten, ist keine Forderung, die aus rot-grünen Multi-KultiVerdrängungsköpfen kommt. Nein, diese Forderung wurde uns aus der Mitte der Handwerkskammer heraus formuliert. Ich kann mich an eine Sitzung des Ovalen Tisches erinnern, zu der die Fraktionsvorsitzenden eingeladen waren. Frau Klöckner war nicht dabei. Ich sage das, weil Frau Klöckner immer mit einer Anwesenheitsliste auf die Regierungsbank gezeigt hat. Das kann ich auch. Bei dieser Veranstaltung war Frau Klöckner nicht dabei, es war ihr nicht wichtig, es ging ja um Flüchtlinge.
(Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Jetzt ist sie gerade auch nicht da! – Julia Klöckner, CDU: Doch, ich bin da! Ich bin da!)
Dort hatten die Handwerkskammern deutlich gemacht, wir brauchen eine Zusage auch der rheinland-pfälzischen Landespolitik, dass wir über die Zeit der Ausbildung hinaus eine Zuversicht haben, dass die Menschen bei uns im Betrieb bleiben können. Ich habe damals natürlich gesagt, das ist eine gute Idee, und die Kirchen haben gesagt, das ist eine gute Idee. Die Wohlfahrtsverbände haben gesagt, das ist eine gute Idee.
Es saß einer neben mir, der sich am Kuchen fast verschluckt hat, weil er nicht wusste, was er sagen soll. Er hat dann später gesagt: Ich glaube, ich darf nicht sagen, dass es eine gute Idee ist. – Das war Herr Baldauf von der CDU. Es ist also an Ihnen gescheitert, dass eine zentrale Forderung der rheinland-pfälzischen Wirtschaft zur gemeinsamen Auffassung des Ovalen Tisches werden konnte. Auch das möchte ich an dieser Stelle einmal bemerken dürfen.
Meine Damen und Herren, ich bin sehr froh darüber, dass die Tatsache, dass wir eine Aktuelle Stunde hatten, schon zur Klärung herbeigeführt hat, was das Thema der Abschiebungen angeht. Ich möchte Ihnen ganz offen sagen, ich persönlich bin ohne ideologische Belastung. Ich sage ganz deutlich, derjenige, dessen Asylverfahren abgeschlossen ist und bei dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, über das ich schon gesprochen habe, festgestellt hat, dass es für ihn keine Aufenthaltsmöglichkeit nach politischem Asyl gibt, der soll das Land verlassen. Das war schon immer die Politik auch der Sozialdemokratie. Wir haben uns an dieser Stelle nie verkrampft.
Aber in der Regierungserklärung ist auch eine ganz schmucke Riege von Landräten in Rheinland-Pfalz genannt worden, und ich darf mir erlauben, den Worten unserer Ministerpräsidentin noch anzufügen: All die Namen, die genannt wurden, tragen die Bezeichnung „CDU“ in Klammern hinter dem Namen, und sie haben alle in diesem Jahr nicht abgeschoben.
Nein, sie haben an dieser Stelle nicht abgeschoben, weil sie genau wissen, wir bekommen es über die freiwillige Rückkehr sehr viel leichter und sehr viel günstiger und pragmatischer organisiert. Ich finde, das ist ein bestechendes und klares Argument. Wir sollten uns deshalb hier nicht mit ideologischen Stammtischdebatten aufhalten.
Meine Damen und Herren, weil ich gerade über die Abschiebung in die Westbalkanstaaten gesprochen habe, möchte ich noch einen Satz hinzufügen, der mit dem Einwanderungsgesetz zu tun hat. Mir klingt noch im Ohr, Frau Kollegin Oppositionsführerin, dass Sie gesagt haben, das Einwanderungsgesetz hat mit dieser aktuellen Flüchtlingsdebatte nichts zu tun. Das fand ich schon damals mutig.