Ich wäre nicht zu dieser kritischen Einschätzung gekommen, aber Ihre Selbsteinschätzung kann ich unterstreichen. Das war wirklich Quatsch. Viele Konservative, Horst Köhler heute, früher Richard von Weizsäcker, haben deutlich gemacht, es geht bei dieser Frage Asyl oder Einwanderung um zwei Punkte. Er hat es in die Formel zusammengefasst: Es geht um die, die uns brauchen – ein klares Bekenntnis dazu –, und es geht darum, dass dieses Land, das ein Einwanderungsland ist, es sich nur eingestehen muss und den Mumm hat zu sagen, es geht auch um die, die wir brauchen. Genau dafür haben wir keine vernünftige Tür in Deutschland.
Darum muss man Einwanderungsgesetz und Asylgesetzgebung und Asylpolitik zwingend miteinander diskutieren. Ich bin sehr froh, dass jetzt auch in der Union diese Diskussion in Bewegung gekommen ist.
Natürlich – Günter Grass wusste es –, der Fortschritt ist eine Schnecke. Dieses Einwanderungsgesetz bei der CDU ist nun wirklich im Schneckentempo unterwegs. Aber wir alle unterstützen diese Diskussion.
Liebe Frau Kollegin Klöckner, auch dazu haben Sie sich erneut geäußert und gesagt, es geht hier vor allem um ein semantisches Problem bei dem Thema Einwanderungsgesetz. Wissen Sie, auch das ist ein Punkt, bei dem ich sage, eine der zentralen Herausforderungen in unserer Gesellschaft hat nun wirklich nichts mit der Frage zu tun, wie dieses Gesetz heißt, sondern wann es kommt, ob es kommt und ob es wirksam ist. Genau dafür wollen wir sorgen, mit Malu Dreyer an der Spitze, auch in den Verhandlungen, die in Berlin stattfinden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Ministerpräsidentin Dreyer hat in ihrer Regierungserklärung die Situation in Rheinland-Pfalz so zusammengefasst: Wir erleben ein Rheinland-Pfalz, das Kraft hat und Haltung zeigt. – Ich finde, das war ein wunderbarer Begriff. Das ist das RheinlandPfalz, das wir alle erleben, sicherlich auch Sie.
Diese Kraft kann erlahmen, diese Haltung kann geschwächt werden, wenn wir nicht aufpassen, wie wir in der politischen Landschaft diese Fragen diskutieren. Es gibt nun einfach Hausaufgaben zu erledigen. Das sind keine rot-grünen, keine schwarzen Hausaufgaben – von den anderen rede ich gar nicht –, sondern es sind Hausaufga
Herr Kessel, waren Sie das gerade? Ich muss Ihnen eines sagen: Ich freue mich, dass Sie dazwischengerufen haben.
Ich war schon im Finale, aber ich freue mich, dass Sie dazwischengerufen haben. Es gibt mir nämlich die Gelegenheit, noch einmal auf etwas einzugehen.
Sie haben gesagt: Machen Sie einfach! Herr Kessel, ich muss Ihnen sagen, Sie haben zur Debatte um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen wirklich interessanten Satz gesagt. Da leben Menschen in unseren Kommunen im zweiten, dritten und vierten Jahr und wissen nicht, woran sie sind, weil sie immer noch keinen Antrag haben, weil sie immer noch keine Möglichkeit haben zu wissen, woran sie sind. Und Sie erklären in einer Pressemitteilung, es geht wohl nicht an, dass die Menschen auf Zeit spielen. Das ist nun wirklich perfide gewesen. Herr Kessel, ich kenne Sie anders. An dieser Stelle muss ich Ihnen sagen, das Verwaltungsversagen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, nicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber des Bundesamtes, jetzt den Flüchtlingen in die Schuhe zu schieben und ihnen daraus einen Vorwurf zu machen, lieber Herr Kessel, das ist unsauber. Das gehört sich nicht. Danke, dass Sie noch einmal dazwischengerufen haben. Sonst hätte ich es am Ende noch vergessen, lieber Herr Kessel.
Darum gehört es auch zu einer solchen Debatte, dass man klarmacht, wo man steht. Ich habe für meine Fraktion versucht klarzumachen, wo die Hausaufgaben sind. Ich habe ein paar Vorschläge gemacht. Wir haben die Gewissheit, dass diese Landesregierung von einer Frau Ministerpräsidentin Malu Dreyer geführt wird, die in Berlin dieses Thema ganz anders auf die Tagesordnung gesetzt hat, als es andere gemacht hätten, wenn wir sie nicht stärker getrieben hätten. Darum bin ich froh, dass dieses Land von Malu Dreyer regiert wird und diese Aufgaben von ihr auch wahrgenommen werden.
Bevor ich das Wort weitergebe, darf ich als Besucher auf der Zuschauertribünen Mitglieder des 142. Landtagsseminars begrüßen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie uns die Diskussion über das wohl drängendste Thema dieser Tage, über die Flüchtlingspolitik, mit einem Zitat aus der Bibel beginnen: „Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst.“ Dieses Zitat aus dem 3. Buch Mose aus dem Alten Testament hängt an der Stiftskirche in Kaiserslautern.
Als ich das gesehen habe, ist es für mich Sinnbild dessen geworden, was wir hier in Rheinland-Pfalz erleben. Wir erleben Menschen und eine Zivilgesellschaft, die mit einer einmaligen Willkommenskultur und einer tollen Hilfsbereitschaft etwas tut, was wir vielleicht vor vielen Jahren noch nicht für möglich gehalten haben, nämlich uns dabei zu unterstützen, die Herausforderungen, die auf uns zukommen, weil die Menschen, die zu uns fliehen, hier bestmöglich aufgenommen und untergebracht werden sollen, zu meistern. Es sind vor allem die Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer, die mit ihrem Engagement und ihrer Hilfsbereitschaft dazu beitragen, dass in Rheinland-Pfalz eine Willkommenskultur herrscht und die Menschen, die zu uns kommen, bei uns die Voraussetzungen finden, um mit offenen Armen empfangen zu werden. Dafür danke ich den Menschen in diesem Land. Das darf ich auch sagen: Ich bin stolz auf die Menschen in Rheinland-Pfalz.
Ich bin der Ministerpräsidentin dankbar, dass sie heute in ihrer Regierungserklärung deutlich gemacht hat, dass Rheinland-Pfalz den Herausforderungen gewachsen ist. Die Herausforderungen sind groß. Nach dem aktuellen Bericht der OECD handelt es sich hier nicht um ein vorübergehendes Phänomen. Herr Kollege Schweitzer hat dankenswerterweise auf die weltpolitische Lage aufmerksam gemacht. Eine Stabilisierung der Lage in Staaten wie Libyen, Afghanistan und Pakistan ist im Moment ebenso nicht absehbar wie ein Ende des schrecklichen Bürgerkrieges in Syrien. Die Zahl der Flüchtlinge aus Krisenländern wie Syrien, Iran, Afghanistan und Pakistan ist auf einem Rekordniveau.
Meine Damen und Herren, der Anteil der Flüchtlinge aus den viel diskutierten Westbalkanländern beträgt nur noch unter 10 %. So viel noch einmal zu den Relationen über das, was hier die Debattenzeit einnimmt. Die CDU redet gerne über die Flüchtlinge aus den Westbalkanländern, die nach ihrer Lesart gar keine richtigen Flüchtlinge sind.
Sie vergisst dabei, über die 90 % Flüchtlinge zu reden, die nicht aus dieser Region kommen, sondern die aus den Krisenherden dieser Welt kommen wie Libyen, Afghanistan, Pakistan, Syrien und Irak.
Ich finde, es ist eine schiefe Schwerpunktsetzung. Ich bin froh, und es ist auch richtig, dass die Menschen das der
CDU so nicht abnehmen, sondern sie erst einmal sagen, wir schauen gar nicht, wo du herkommst, sondern wir schauen erst einmal, was du brauchst.
So empfangen wir dich in diesem Land. – Die rot-grüne Landesregierung setzt die richtigen Schwerpunkte und sagt zunächst einmal, wir unterstützen die Menschen hier. Wir heißen sie willkommen, und wir schauen erst einmal, dass hier alles gut funktioniert.
Das Management der Landesregierung ist im Vergleich zu anderen Bundesländern vorbildhaft, weil hier eben nicht die falschen Diskussionen geführt werden, sondern die richtigen Lösungen gefunden werden, meine Damen und Herren.
Wir sind in Rheinland-Pfalz gut aufgestellt, um diese Situation zu bewerkstelligen. Wir haben da schon Erfahrungen gemacht. Es ist noch nicht so lange her, dass wir in Deutschland 300.000 Flüchtlinge zu Zeiten der Balkankrise Anfang/Mitte der 90er-Jahre aus dem Balkan aufgenommen haben. Es hat sich aber etwas ganz Entscheidendes zum Positiven geändert. Das sind das gesellschaftliche Klima und die gesellschaftliche Stimmung. Wir wollen nie wieder Bilder sehen wie damals in Rostock-Lichtenhagen und anderswo. Wir werden auch allen entschlossen entgegentreten, die dafür die Stichworte geben oder die Ressentiments wieder sozusagen zum Entfachen kommen lassen.
Wir haben uns eine Willkommenskultur in Rheinland-Pfalz, in diesem Land, nicht nur auf die politische Agenda geschrieben, sondern wir haben sie etabliert und gemeinsam mit den Menschen in diesem Land entwickelt, weil wir in Rheinland-Pfalz auf den fruchtbaren Boden einer Gesellschaft gestoßen sind, die eben in Erinnerung hat, dass niemand einfach so flieht und es zunächst einmal um die Menschen geht.
Deswegen ist die generelle Einstellung dieser Menschen in diesem Land so offen wie noch nie. Deswegen ist es nicht eine irgendwie geartete Ideologie, diese Menschen willkommen zu heißen. Deswegen ist es die richtige Politik, die richtige Leitschnur, die Rot-Grün in Rheinland-Pfalz in der Flüchtlingspolitik an den Tag legt. Die Menschen in diesem Land stehen hinter diesem politischen Kurs. Die Menschen im Land sind viel, viel weiter als die CDU-Opposition, meine Damen und Herren.
Wir dürfen die aktuelle Situation und die Herausforderung niemals auf Zahlen und Daten reduzieren. Hinter jeder Zahl steht ein Mensch. Hinter jedem Flüchtling steht ein Fluchtschicksal, in vielen Fällen ein tragisches Erleben.
Ich war vom Beitrag der Kollegin Klöckner an vielen Punkten enttäuscht, aber ich war ganz besonders enttäuscht, dass sie über diese Menschen eigentlich überhaupt nicht gesprochen hat.
Es ging viel um parteipolitisches Klein-Klein. Es ging viel um verwaltungsorganisatorisches kleines Karo. Wenn es um einen Mensch ging, dann meistens um ihre eigene Befindlichkeit.
(Alexander Licht, CDU: Sie haben überhaupt nicht zugehört! Das ist Ihr Problem! Verstehen beginnt nämlich beim Zuhören!)
Wie stark uns diese Schicksale bewegen, das zeigen uns die Bilder im Fernsehen. Als ich aus dem Sommerurlaub zurückkam, war ich wirklich bewegt von den Bildern, wie die Menschen nachts aufgestanden sind, um die Menschen am Münchner Hauptbahnhof und anderswo – später auch in Rheinland-Pfalz – in Empfang zu nehmen.
Das zeigen starke Bilder wie die Geschichte des Vaters aus Syrien mit dem kleinen Sohn, die auf der Flucht waren und in Ungarn in die Mühlen des Orbán-Regimes, also des Freundes von Herrn Seehofer von den Christdemokraten, gerieten und der vor den Augen der Welt von einer Kamerafrau getreten wurde. Von dem wissen wir heute, dass ein spanischer Profifußballclub dem Vater einen Trainerjob gegeben hat und dieser Junge an der Hand von Cristiano Ronaldo ins Stadion einlaufen durfte.
Ich finde, das ist eines von vielen, vielen Beispielen, dass heute die europäische Gesellschaft weiter ist als in den vergangenen 20 Jahren. Sie ist viel weiter als das, was wir heute von Frau Klöckner gehört haben. Es machen auch die einzelnen Schicksale deutlich, dass die Menschen hier aufgenommen werden und wir eine verantwortliche Politik gestalten, wenn wir sagen, dass wir die bestmöglichen Voraussetzungen schaffen, um die Menschen, die zu uns fliehen, willkommen zu heißen, meine Damen und Herren.
Ich will aber auch ein Beispiel aus Rheinland-Pfalz nennen. Mir ist in Bad Sobernheim ein Mensch begegnet, der auch als Flüchtling nach Deutschland gekommen ist. Er heißt Alexander. Alexander ist total beliebt. Alexander ist deshalb total beliebt, nicht nur weil er sehr gut Deutsch und auch noch sechs andere Sprachen spricht, sondern weil er als Flüchtling Flüchtlingen, die neu zu uns kommen, bei Behördengängen, bei der Gesundheitsversorgung hilft und dabei hilft, sich zurechtzufinden. Er bringt ihnen auch die Sprache bei und fungiert zusammen mit den ehrenund hauptamtlichen Helfern sozusagen als Dolmetscher. Nebenbei ist er noch Co-Trainer beim Jugendfußball. Darüber hinaus ist er vor einem guten Jahr zum ersten Mal Vater geworden. Alexander ist eigentlich hier angekommen. Er ist integriert. Im Gegenteil, es gibt mittlerweile Hilfsorganisationen, die ihn aufgrund seiner sozialen und multikulturellen Kompetenz gerne einstellen würden. Alexander hat nur ein Problem. Seine Duldung läuft in wenigen Wochen aus. Dann muss Alexander wieder zurück nach Mazedonien.
Ich glaube, es ist viel, viel wichtiger, darüber zu reden, wie wir diesen Menschen eine Perspektive geben, als Ablenkungsdebatten über sogenannte sichere Herkunftsstaaten zu führen, die uns im Endeffekt bei der einzigen Lösung