Protokoll der Sitzung vom 11.11.2015

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Alexander Schweitzer, SPD: Dummer Quatsch!)

Natürlich lösen wir auch die Aufgabe, die uns gestellt worden ist. Wir können als Land nicht wirklich den Zustrom eindämmen. So viel Ehrlichkeit muss auch sein. Es gibt keinen Ministerpräsidenten, der dafür sorgen kann, dass der Flüchtlingsstrom eingedämmt wird. Aber alles, was unsere Aufgabe ist, gehen wir sehr beherzt an.

Natürlich hat zum Beispiel im Juli, als sehr viele Menschen zu uns kamen, oder ab dem berühmten 5. September nicht immer alles direkt und sofort super geklappt. Aber heute können wir als Land Rheinland-Pfalz sagen, wir haben 25 Erstaufnahmeeinrichtungen. Jeder Flüchtling in RheinlandPfalz ist registriert. Gestern kamen 700 neue hinzu, sie werden heute registriert, und das wird auch so bleiben. In Rheinland-Pfalz läuft kein Flüchtling mehr herum, der nicht registriert ist.

Wir führen die Menschen, die nicht bleiben dürfen, zurück, und dazu gibt es auch Zahlen. Wir haben allein von Januar bis Oktober 4.560 Menschen zurückgeführt, und das ist mehr, als das BAMF von Januar bis Oktober ablehnende Bescheide herausgeschickt hat. Meine Damen und Herren, wer jetzt nicht versteht, dass die Strategie der Landesregierung, zuerst einmal auf die freiwillige Rückkehr zu setzen, aufgeht, und dass es auch einen Grund hat, weshalb die Oberbürgermeister und Landräte dies genauso machen, der muss es doch spätestens jetzt endlich kapieren, wenn diese Zahlen vorliegen. Wenn jemand an der Realität vorbeischaut, liebe Frau Klöckner, dann sind Sie das.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Alexander Schweitzer, SPD: Genau!)

Herr de Maizière hat angekündigt, dass es im Laufe dieses Jahres noch 40.000 ablehnende Bescheide geben wird. Rheinland-Pfalz ist gerüstet. Wir haben unsere Struktur zur Rückführung der Flüchtlinge neu aufgebaut. Wir haben eine Clearingstelle eingerichtet, die funktioniert, und wir haben Kommunen, die von uns bezuschusst werden. Wir bezuschussen die Menschen, die freiwillig gehen. Ich möchte auch noch einmal ausdrücklich sagen, dieses ewige Gerücht, dass in Rheinland-Pfalz nicht zurückgeführt und nicht abgeschoben wird, ist einfach falsch.

(Alexander Schweitzer, SPD: Das ist gelogen!)

Derzeit sind nur noch 2 % der Flüchtlinge, die zu uns kommen, vom Balkan. Diese Flüchtlinge werden schon länger überhaupt nicht mehr in die Kommunen überwiesen. Wir

konnten sie in der Vergangenheit bis zu drei Monate bei uns behalten. Nun haben wir nach dem Gesetzespaket die Erlaubnis, sie ein paar Wochen länger zu halten.

Westbalkanflüchtlinge, die keine Anerkennung haben und nicht freiwillig zurückgehen, führen wir auch mit Zwang zurück. Es leben auch noch viele bei uns im Land, die wahrscheinlich nicht alle bei uns bleiben dürfen. Dort, wo die Kommunen zuständig sind, unterstützen wir diese, indem wir ihnen helfen, Pässe und Passersatzpapiere zu beschaffen. Wir helfen ihnen bei der Buchung von Bussen und von Flugzeugen, bei allem, was erforderlich ist, um eine humane, eine menschliche und gute Rückführung zu organisieren und zu ermöglichen.

Liebe Kollegen und Kolleginnen von der CDU, es sind nicht wir, die jeden Tag eine neue Nachricht in die Welt setzen, die angeblich das Flüchtlingsproblem löst. Keiner dieser Vorschläge hat bis jetzt getragen. Dass Sie die Transitzonen überhaupt noch einmal erwähnen, ist eigentlich ein Witz, Frau Klöckner. Es hat lange genug gedauert, dass wir uns einigen konnten. Wir haben uns aber vernünftig geeinigt, weil es nicht vernünftig gewesen wäre in einer Situation an der Grenze, bei der man zunächst einmal überhaupt nicht in der Lage ist, wenigstens 5.000 Menschen zu registrieren, perspektivisch 10.000, 20.000, 30.000 oder gar 40.000 Menschen zu sammeln, die dort über zwei oder drei Wochen gehalten werden. Das ist doch kein vernünftiger Vorschlag, und er kann auch nicht funktionieren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb bin ich froh, dass dieses Thema nun endlich vom Tisch ist.

Aber das ist nicht das einzige Thema. Nun reden wir von heute auf morgen plötzlich wieder über den Familiennachzug, obwohl wir doch als Länder mehr als kooperativ sind. Wir wollen doch gemeinsam Hand in Hand mit dem Bund die Flüchtlingsfrage in unserem Land gut bewältigen. Wir haben mehr Gemeinsamkeiten mit der Kanzlerin als mit vielen anderen in der CDU. Wir wollen zwischen Bund und Ländern gemeinsam die Aufgabe gut bewältigen, und das ist der Grund dafür, weshalb wir in dieser Koalition intensiv darüber diskutiert haben, ob wir das Gesetzespaket gemeinsam verabschieden können oder nicht. Es hat wehgetan, aber trotzdem haben wir gesagt, es muss sein, damit wir gemeinsam handeln können.

Deshalb kann man den Ländern nicht vorwerfen, dass es an ihnen hängt. Man kann es aber vielen in der CDU auf Bundesebene und der CSU vorwerfen, immer wieder neue Themen aufzuwerfen, die wie Seifenblasen platzen, wenn man sie nur länger anschaut. Diese Vorschläge muss man noch nicht einmal berühren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage jetzt deshalb meinen letzten Satz zu dem Thema Einzelfallprüfung. Ich möchte sagen, wir reden dabei zwar über die Hälfte der Flüchtlinge in Deutschland, aber wer weiß, dass wir 300.000 unbearbeitete Altfälle und 500.000 Fälle haben, die noch nicht einmal einen Anhörungstermin

hatten, der kann nicht allen Ernstes auf die Idee kommen, dass wir jetzt noch die große Gruppe der Syrer, die fast komplett anerkannt wird, in Einzelfallprüfungen schicken. Das nutzt weder den Ländern, den Menschen noch den Kommunen.

Das zweite ist Folgendes: Wenn ich mir das Thema Familiennachzug anschaue, dann sage ich, dass wir es hochgerechnet haben. Es sind nicht Unmassen von Menschen, die dadurch nicht mehr zu uns ziehen würden. Es ist eine kleine Gruppe von Menschen. In Rheinland-Pfalz sind es hochgerechnet 600 Männer, bei denen wir noch nicht einmal wissen, ob sie überhaupt Familie haben. Über diese Zahlen reden wir.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, immer wieder Dinge in die Welt zu setzen und damit so zu tun, als könnte man den Zuzug damit wesentlich begrenzen, ist keine ordentliche und faire Herangehensweise. Es bestätigt die Ängste der Bürger und Bürgerinnen. Es entlastet sie nicht, weil es nur Scheinlösungen und keine echten Lösungen sind.

Deshalb wäre es hundertmal besser, wenn die CDU auf Bundesebene, die Union, die CDU/CSU ihre Kanzlerin mit aller Kraft unterstützen würde, dass sie auf europäischer und internationaler Ebene zu vernünftigen Lösungen kommt. Sie ist zurzeit die einzige Kraft, die im Kreis der Regierungschefs das wirklich durchsetzen könnte. Sie braucht ein geschlossenes Deutschland, das hinter ihr steht, damit man innerhalb von Europa eine vernünftige Lösung hinbekommt, um dann den Menschen sagen zu können, jetzt haben wir eine Lösung gefunden, die wirklich trägt.

(Anhaltend Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Redezeit für die CDU-Fraktion ist wegen der längeren Inanspruchnahme eine Minute und 13 Sekunden länger. Für die anderen Fraktionen ist es die Hälfte.

Frau Klöckner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, Frau Ministerpräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Dreyer, man merkt, wie sehr Sie unter Druck und Anspannung stehen.

(Beifall der CDU)

Das merkt man; denn Ihre Anspannung und Ihr Druck rühren daher, dass Sie das von Ihren SPD-Kommunalen hören, was wir seit Langem sagen, aber was Ihr grüner Koalitionspartner nicht wahrhaben will.

(Beifall der CDU)

Dann würde ich auch unter Druck stehen, wenn ich eine solche Koalition führen müsste.

Frau Dreyer, Sie haben viel geredet, aber wenig zur Aktu

ellen Stunde gesagt. Das will ich auch einmal sagen.

(Carsten Pörksen, SPD: Wie bitte?)

Was sagen Sie denn den vielen Kommunalen, die schon die weiße Fahne hissen?

(Carsten Pörksen, SPD: Sie erzählen Märchen!)

Was sagen Sie denen beim Thema Familiennachzug? Ist Ihre Wirklichkeitsverweigerung wirklich das Fazit folgender Worte, die Sie gesagt haben:

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist kein Problem, die Syrer sind nur einige wenige hier. – Entweder stimmt Ihre These oder die These Ihrer Ministerin im Ausschuss nicht, dass die Syrer mit die größte Gruppe sind. Wenn sie das sind, dann wird ein Vielfaches davon durch den Familiennachzug eine unglaubliche Belastung für die Fähigkeiten in den Kommunen sein.

(Beifall der CDU)

Das gehört zur Realität dazu.

Frau Ministerpräsidentin, Sie haben gesagt, diese Landesregierung ordnet und sortiert. Gehen wir einmal nach Langenlonsheim. Da sollten in einem Dorf mit 4.000 Einwohnern 3.000 Flüchtlinge untergebracht werden. Während die einen aus ihrer Regierung sagten, die 3.000 kommen, wurde zeitgleich durch eine Pressemitteilung das Gegenteil behauptet. Als es von Ihnen und Ihrem Stab hieß, man hätte dieses Delphi-Gelände angemietet, erfuhren wir von dem, der eigentlich vermieten sollte, dass noch gar kein Vertrag vorhanden ist. Wenn das ordnen ist, dann will ich nicht wissen, wie bei Ihnen eine Unordnung aussieht.

(Beifall der CDU – Carsten Pörksen, SPD: Was ist das für ein Ablenkungsmanöver?)

Frau Ministerpräsidentin, seit elf Monaten, seit dem 15. Januar machen wir Vorschläge bei jedem Flüchtlingsgipfel. Das Interessante ist, zuerst sind Sie dagegen, wir werden beschimpft, dann fallen Sie um und behaupten, wir hätten nie Vorschläge gemacht. Ich sage es Ihnen ganz konkret. Sichere Herkunftsländer – die sicheren Herkunftsländer standen überhaupt nicht zur Debatte. Das war unmenschlich und unchristlich. Heute sprechen Sie wie selbstverständlich von sicheren Herkunftsländern. Das war von uns vorgeschlagen.

Es ging dann darum, ob man die Personen ohne Bleibeperspektive überhaupt in die Kommunen schickt. Wir haben gesagt, dass kann man nicht machen. Sie sagten, natürlich schicken wir sie in die Kommunen; denn wir haben nicht den Platz. Sie haben nie die drei Monate ausgenutzt, die Sie hätten machen können. Sie sind wieder umgefallen.

(Zuruf des Abg. Carsten Pörksen, SPD)

Wir haben dann davon gesprochen, wir müssen schneller abschieben und rückführen. Das Wort Abschieben durften

wir im Mai noch nicht einmal in den Mund nehmen. Das war unchristlich. Man hat von Rückführung gesprochen. Heute sprechen Sie von Abschiebung.

(Carsten Pörksen, SPD: Reden Sie mal zum Thema! – Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eines will ich Ihnen noch sagen. Frau Dreyer, wenn Sie sagen, wie viele Menschen freiwillig zurückgekehrt und abgeschoben sind, dann ist das nur die eine Seite der Wahrheit.

(Glocke des Präsidenten)

Interessant ist doch, wer noch da ist und wen Sie nicht zurückschicken. Wir sagen deshalb, verschließen Sie sich nicht einem Ad-hoc-Ausschuss der ressortübergreifend tagt. Sie wollen nämlich kein vernetztes Bild haben.

(Glocke des Präsidenten – Carsten Pörksen, SPD: Was ist das für eine komische Äußerung? – Zuruf des Abg. Thomas Wansch, SPD)