Protokoll der Sitzung vom 17.12.2015

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Julia Klöckner, CDU: Frau Nahles! Frau Nahles! Sie ist Sozialministerin! Frau Nahles und Frau Schwesig!)

Ich musste mich ein bisschen echauffieren. Es war jetzt

doch sehr ruhig geworden im Hause, und ich habe gedacht, damit Sie mir auch zuhören, werde ich etwas lauter. Es gibt unterschiedliche Strategien, auf eine Rede aufmerksam zu machen, aber ich versuche, mich jetzt wieder ein bisschen zu beruhigen. Jetzt sind Sie alle dabei, und jetzt dürfen Sie es sich auch anhören, und das ist gut so.

Ein zweiter wichtiger Punkt für die Teilhabe ist die Bildung. Der Bildungsetat, den wir haben – das haben wir soeben gehört –, ermöglicht, dass inklusive Bildung in RheinlandPfalz immer mehr Menschen zur Verfügung steht. Inklusion heißt nicht nur, dass Kinder und Jugendliche in der Schule davon profitieren, dass sie sowohl mit als auch ohne eine Behinderung am selben Unterricht teilnehmen können, sondern Inklusion heißt darüber hinaus, dass der Unterricht an die individuellen Bedürfnisse aller Kinder, also beispielsweise auch der hochbegabten Kinder, angepasst werden kann, ohne dass wir zusätzliche Fördermöglichkeiten außerhalb der gemeinsamen Bildung dafür schaffen müssen. Dabei ist das Wahlrecht der Eltern ein zentraler Punkt, bei dem wir davon ausgehen, dass das Bildungsangebot in einem inklusiven Angebot so viel besser sein wird, dass sich die Eltern auf Dauer und nachhaltig dafür entscheiden werden, dass die Kinder gemeinsam dieselbe Schule und denselben Unterricht lernzieldifferenziert und individuell geplant besuchen können.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir sind sicher, dass dies das bessere Konzept ist und dass damit die Menschen unterschiedlicher Herkunft – denken Sie an die Sprachförderung –, Menschen mit und ohne Behinderung nicht nur im Kindes- und Jugendlichenalter, sondern für ihr ganzes Leben lernen, gemeinsam zu leben und eine solidarische Gesellschaft aufrechtzuerhalten.

Ein weiterer Punkt im Inklusionsbereich ist der neue Landesaktionsplan. Alle Fraktionen waren dabei vertreten, dass wir uns neue Ziele gesetzt haben und die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in ganz RheinlandPfalz voranbringen wollen. Wir sind gerade in der Vorbereitung dazu, einen entscheidenden Bereich deutlich weiterzuentwickeln, nämlich die Wohnformen für behinderte Menschen. Die Landesbauordnung mit den neuen Vorgaben und den zusätzlichen Vorgaben zur Barrierefreiheit sei an dieser Stelle genannt, die wir bereits auf den Weg gebracht haben.

Uns allen ist bekannt, dass im Bereich Pflege ein entscheidendes Problem darin liegt, dass Menschen, die Pflege erlernt haben und in der Pflege ausgebildet sind, nur 13 Jahre in ihrem Beruf bleiben. Deshalb müssen wir die Attraktivität steigern, wir müssen die Arbeitsbedingungen verbessern, wir müssen die Weiterbildung neu strukturieren, und wir müssen den Pflegekräften eigene Verantwortung für ihre Weiter- und ihre Fortbildung geben. Wir müssen die Anerkennung der Zusatzausbildungen voranbringen, damit sich auf diesem Boden auch Vergütung und Arbeitsbedingungen neu strukturieren können, und dafür ist ein zentrales Instrument die Pflegekammer, die derzeit aufgebaut wird. Dazu gehört auch die Erhöhung des Anteils akademisch ausgebildeter Pflegekräfte.

Was macht die CDU? – Sie schlägt vor, Gesundheit und Pflege 2020, in dem genau dieser Bereich ganz zentral ist,

(Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

von 1,8 Millionen Euro auf 1 Million Euro zu senken.

(Zuruf der Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD)

Sie schlägt des Weiteren vor, die Förderung der Gesundheits- und Pflegeberufe von 1,4 Millionen Euro auf 900.000 Euro zu senken. Das ist tatsächlich keine zukunftsgerichtete Pflegepolitik.

Des Weiteren haben wir im Bund nach jahrelanger Blockade durch eine schwarz-gelbe Regierung endlich einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt und haben damit tatsächlich Fortschritte in der Pflege und in der Pflegeversicherung erreicht. Dafür ist auch der jetzigen Bundesregierung und dem CDU-Bundesgesundheitsminister Gröhe zu danken. – Jetzt dürfen Sie auch klatschen, meine Damen und Herren von der CDU. Wir machen es jetzt so, dass wir uns gegenseitig dazu auffordern. Das haben wir gestern gelernt.

Auch der CDU-Bundesgesundheitsminister Gröhe hat ein zwar überfälliges, aber wichtiges und gutes Werk in diesem Punkt auf den Weg gebracht.

(Beifall des Abg. Martin Brandl, CDU)

Danke, Herr Brandl! Einer hat es gehört.

Wir wollen, dass auch der nächste Schritt bei der dritten Reform zügig gegangen wird und die Aufgaben der Kommunen in der Pflege entsprechend wahrgenommen werden können. Dies sind Barrierefreiheit, Versorgungssicherheit, Versorgungsmöglichkeiten im Quartier, kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe vor Ort, Pflege, Gesundheit, und Unterstützungsangebote vor Ort in den Quartieren, und das alles entwickelt sich nicht von selbst. Deswegen wollen wir, dass der richtige Weg einer Gemeindeschwester plus, der richtige Weg eines flächendeckenden Netzes von Pflegestützpunkten und damit die Pflegeberatung in Konzepte übernommen werden, in denen die Kommunen die Gesundheits- und die Pflegeberufe vor Ort, also ein Pflege- und ein Quartiersmanagement auf den Weg bringen, das sowohl die ambulanten als auch die stationären Hilfen sozialräumlich auch in kleinen Einrichtungen integriert.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Zur generalistischen Pflegeausbildung muss ich allerdings anmerken, dass die Vorschläge des Referentenentwurfs noch einmal diskutiert werden müssen. Es muss hier Gründlichkeit gefordert werden. Eine sehr kurzfristige Verabschiedung im Bund – dieses Gesetz ist zustimmungspflichtig – mit einer nur zweiwöchigen Anhörung der Länder entspricht nicht dem, was diese Pflegeausbildung für die Zukunft unserer Gesellschaft, die Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit bedeutet.

Deshalb muss hier tatsächlich zum einen diskutiert werden,

inwiefern die Fachdisziplinen, die Kinderkrankenpflege und Altenpflege, entsprechend durch eine vorgesehene Spezialisierung repräsentiert sind und zum anderen inwiefern die Ausbildungsvergütung und die Ausbildungsfinanzierung wirklich dafür sorgen, dass die Ausbildung in der Pflege nachhaltig so hoch gehalten werden kann, wie es zum Beispiel in Rheinland-Pfalz gelungen ist.

Noch einige Worte zu den beiden Gesetzen, die heute anstehen. Das eine ist das Pflegeangebotsstrukturgesetz. Wir sehen dieses Gesetz als eine Weiterentwicklung der Finanzierungsgrundlagen, aber wir erwarten, dass wir auch diesen gesetzlichen Bereich neu strukturieren müssen, sobald aus dem Bund die kommunale Rolle in der Pflege verfasst sein wird.

Ich habe es bereits gesagt, auch dies sehen wir als Anspruch für ein Quartiersmanagement, für ein Pflegemanagement vor Ort und für die Zurverfügungstellung entsprechender teilstationärer ambulanter und, wenn notwendig, auch kleiner ambulanter und sozialräumlich integrierter Möglichkeiten der Sicherstellung von Pflege und Unterstützung.

Im Maßregelvollzug haben wir mit dieser Novelle nach der Vorschaltnovelle zu § 6, die wir bereits mit den entsprechenden Voraussetzungen für Zwangsbehandlungen verabschiedet hatten, jetzt ein Gesamtgesetz, das den Vorgaben der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen entspricht. Es wurde vom Bundesverfassungsgericht gerade im Hinblick auf das rheinland-pfälzische Maßregelvollzugsgesetz als Maßstab gesetzt. Dem nähern wir uns an.

Wir orientieren uns dabei daran, dass es bei der Behandlung von psychischen Krankheiten notwendig ist, mit der Klientin, mit dem Klienten gemeinsam den Behandlungsprozess zu planen, durchzuführen und sich gegenseitig und miteinander für diesen Behandlungsprozess zu motivieren; denn unser aller Ziel ist es, die Sicherheit für die Gesellschaft und die Selbstbestimmung und Teilhabe für betroffene Menschen möglichst schnell und damit kostengünstig für die Gesellschaft und menschenrechtlich sinnvoll für die betroffenen Menschen sicherzustellen.

Die CDU hat ihre Änderungsanträge überschrieben mit „Solide Finanzen für soziale Fairness und den Zusammenhalt der Gesellschaft“.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann es auch noch einmal wiederholen: „Solide Finanzen für soziale Fairness und den Zusammenhalt der Gesellschaft“.

Ich weiß nicht, ob das, was ich gelesen habe, dem entspricht, was dann darunter folgt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bezweifle dies zutiefst.

15 Millionen Euro bei der Hilfe für behinderte Menschen. Frau Thelen, Sie haben das damit begründet, dass die

Ministerpräsidentin als Sozialministerin in Aussicht gestellt hatte, dass es mit der zunehmenden Ambulantisierung zu einer Kostenersparnis in diesem Bereich komme.

Das ist tatsächlich mittel- oder langfristig das Ziel dieser Ambulantisierung, aber wir wissen gemeinsam, dass der Anstieg der Eingliederungshilfekosten seit über zehn Jahren jährlich bei 3 bis 6 % liegt, übrigens unabhängig vom Ländervergleich.

Das liegt unter anderem daran, dass die Maßnahmen anders strukturiert werden können, wir mehr Möglichkeiten haben und die Menschen mit Behinderungen – dafür sind wir doch alle dankbar – heute medizinisch-rehabilitativ so versorgt werden können, dass sie länger an der Gesellschaft teilhaben, mehr Hilfe in Anspruch nehmen können und sie schlichtweg älter werden. Sie wissen, dass es aus der dunklen Seite der deutschen Vergangenheit so war, dass wir über eine Generation kaum ältere behinderte Menschen hatten, weil sie die Nazizeit nicht überlebt haben. Deshalb müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass die Kosten in diesem Bereich durch den Anstieg des Altersdurchschnitts aufgrund anderer medizinischer Möglichkeiten immer weiter steigen.

In Kenntnis dieser Dinge – da ist die Frage, liegt bei der CDU hier Unkenntnis vor oder hat sie eine Verschleierungstaktik –, die ich unterstelle, 15 Millionen Euro bei der Hilfe für behinderte Menschen zu sparen, ist erstens unrealistisch, weil, wie ich schon gesagt habe, es sich um Maßnahmen handelt, die bundesgesetzlich festgelegt sind, und zweitens unredlich, weil es sich hier um eine Gruppe handelt, die politisch und menschenrechtlich auf unsere Vertretung angewiesen ist.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Unchristlich! – Michael Billen, CDU: Nennen Sie uns nicht immer unredlich!)

Solidarität mit Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf fordert den Einsatz der ganzen Gesellschaft. Dafür – dazu stehe ich – gibt es keine Obergrenze. Wenn wir diese Aufgabe haben, sie wahrnehmen und ernst nehmen, ist es die Verpflichtung eines demokratischen und solidarischen Gemeinwesens – so verstehe ich unser Grundgesetz –, diese Verpflichtung zu übernehmen und sie wirtschaftlich umzusetzen. Frau Thelen, an dieser Stelle haben Sie recht.

Ich stelle allerdings in Zweifel, ob pauschale Einsparungen diesem Anspruch genügen; denn dann hätte es wirklich Vorschläge geben müssen, wie das funktionieren soll.

(Hedi Thelen, CDU: Seit 20 Jahren gibt es die Rahmenvereinbarung! Das ist eine gesetzliche Grundlage!)

Ein Beispiel: Sie verlangen jetzt die Evaluation von Arbeitsförderungsmaßnahmen, unterstellen aber bereits in dem anlaufenden Haushaltsjahr, damit 4 Millionen Euro sparen zu können. Sie machen etwas, was man bei Studien nicht machen sollte; denn eine Studie hat immer ergebnisoffen zu sein, sonst entspricht sie nicht wissenschaftlichen An

sprüchen.

(Zurufe der Abg. Hedi Thelen und Christian Baldauf, CDU)

Also müssen Sie sogar in Betracht ziehen, dass dabei herauskommt, dass es vielleicht teurer wird, wenn man eine Evaluierung vornimmt. Sie wissen vor der Evaluation ja nicht, was hinten herauskommt.

(Kathrin Anklam-Trapp, SPD: So ist es!)

Sie gehen dennoch hin und sagen, 4 Millionen Euro müssten drin sein, die sparen wir jetzt einmal, 22 Millionen Euro müssten drin sein, dann machen wir den Deckel drauf oder eben die 15 Millionen Euro bei der Eingliederungshilfe.

(Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

So viel zur Haushaltswahrheit und -klarheit. Ich habe in den fünf Jahren von meinen Kollegen aus der Finanzabteilung anderes beigebracht bekommen.

(Beifall der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich will noch eines sagen. Ich habe mich die ganze Woche damit beschäftigt, wie ich das in meiner Rede unterbringe. Ich mache es jetzt einfach so.