Protokoll der Sitzung vom 10.11.2011

................................................................................................................................. 743 Abg. Dr. Wilke, CDU:............................................................................................................................. 749, 750 Abg. Frau Anklam-Trapp, SPD:..................................................................................................................... 759 Abg. Frau Beilstein, CDU:............................................................................................................................. 748 Abg. Frau Ebli, SPD:...................................................................................................................................... 766 Abg. Frau Mohr, SPD:................................................................................................................................... 762 Abg. Frau Nabinger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:....................................................................................... 768 Abg. Frau Raue, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:............................................................................................. 751 Abg. Frau Schäfer, CDU:....................................................................................................................... 754, 757 Abg. Frau Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:............................................................................... 744 Abg. Frau Schleicher-Rothmund, SPD:................................................................................................. 756, 758 Abg. Günther, CDU:....................................................................................................................................... 760 Abg. Haller, SPD:........................................................................................................................................... 744 Abg. Hartenfels, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.............................................................................................. 748 Abg. Heinisch, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:................................................................................................ 755 Abg. Hürter, SPD:.......................................................................................................................................... 748 Abg. Klein, CDU:.................................................................................................................................... 743, 762 Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.................................................................................................... 760 Abg. Lammert, CDU:..................................................................................................................................... 764 Abg. Seekatz, CDU:............................................................................................................................... 767, 771 Abg. Sippel, SPD:.......................................................................................................................................... 750 Abg. Wansch, SPD:....................................................................................................................................... 763 Abg. Zehfuß, CDU:........................................................................................................................................ 747 Beck, Ministerpräsident:................................................................................................................................ 745 Dr. Kühl, Minister der Finanzen:.................................................................................................................... 731 Frau Ahnen, Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur:.............................................. 753 Frau Lemke, Ministerin für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung:...................................... 749 Hartloff, Minister der Justiz und für Verbraucherschutz:............................................................................... 752 Lewentz, Minister des Innern, für Sport und Infrastruktur:.................................................... 765, 769, 770, 771 Präsident Mertes:................................................................................................................................... 731, 742 Vizepräsident Dr. Braun:....................................................................... 763, 764, 765, 766, 767, 768, 769, 770............................................................................................................................................................... 771, 772 Vizepräsident Schnabel:................................................................................ 755, 756, 757, 758, 759, 760, 762 Vizepräsidentin Frau Klamm:................................................................ 742, 743, 744, 745, 747, 748, 749, 750............................................................................................................................................... 751, 752, 753, 754

13. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 10. November 2011

Die Sitzung wird um 09:30 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf die 13. Plenarsitzung des Landtags eröffnen.

Herr Haller und Herr Klein werden mich als schriftführende Abgeordnete unterstützen. Die Rednerliste führt Herr Haller.

Entschuldigt ist der Kollege Baldauf.

(Pörksen, SPD: Das ist aber schade!)

Entschuldigt sind folgende Mitglieder der Landesregierung: Herr Staatssekretär Dr. Barbaro, Herr Ebling – eben habe ich ihn noch gesehen, da ist er –, Sie sind mir als entschuldigt gemeldet. Herr Ebling, ich freue mich, dass Sie da sind. Entschuldigt ist ferner Frau Staatssekretärin Gottstein. Jetzt muss ich schauen, ob Vera Reiß auch da sitzt. – Nein. Also sind Herr Dr. Barbaro, Frau Gottstein und Frau Reiß entschuldigt.

Es gibt auch Erfreuliches zu berichten. Der Abgeordnete Fred Konrad ist am 21. Oktober 50 Jahre alt geworden. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im Hause)

Der Kollege Ralf Seekatz ist heute das Geburtstagskind mit 39 Jahren.

(Beifall im Hause)

Die Kollegen, die am Tag des Plenums Geburtstag haben, bekommen vom Landtag immer eine kleine Kiste Wein. Sie steht hier neben dem Kollegen Klein für Sie abholbereit. Wir wünschen Ihnen, dass Sie das Jahr bis zu der runden 40 mit viel Erfolg und Glück bestehen können. Herzlichen Glückwunsch!

Schlussendlich darf ich auch noch Fredi Winter für seine Heirat alle Glückwünsche des Hauses aussprechen. Alles Gute für die Zukunft! Auch das gehört mit zu den Gepflogenheiten des Hauses.

(Beifall im Hause)

Ihre Euphorie ist wieder nicht zu bremsen.

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Tagesordnung. Die in der Tagesordnung fehlenden Drucksachen zu den Tagesordnungspunkten 8 bis 10 wurden am Freitag, den 4. November, fristgerecht verteilt. Die Beschlussempfehlungen zu den Tagesordnungspunkten 3 bis 5 sind fristgerecht am Dienstag verteilt worden. Änderungsanträge und Entschließungsanträge werden zu den jeweiligen Tagesordnungspunkten aufgerufen.

Gibt es noch Wünsche zur Tagesordnung, sonst kann ich sie so wie vorgelegt und abgesprochen beschließen lassen? – Es gibt keine weiteren Vorschläge. Dann ist sie so beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Landeshaushaltsgesetz 2012/2013 (LHG 2012/2013) Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 16/519 – Erste Beratung

dazu: Finanzplan des Landes Rheinland-Pfalz für die Jahre 2011 bis 2016 Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags – Drucksache 16/522, Vorlage 16/464 –

Meine Damen und Herren, Herr Finanzminister Carsten Kühl wird jetzt seine Einbringungsrede halten. Danach werden wir die Sitzung unterbrechen und uns um 13:00 Uhr wieder treffen, damit die Fraktionen in der Lage sind, die Rede des Herrn Finanzministers miteinander zu beraten. Um 13:00 Uhr werden wir uns hier zur Fortsetzung mit den anderen Tagesordnungspunkten wiedersehen, die natürlich auch in irgendeinem Zusammenhang mit dem Haushalt stehen.

Lieber Herr Kühl, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat Ihnen vor der Wahl mit ihrer letztjährigen Finanzplanung den Weg der konsequenten Konsolidierung aufgezeigt und angekündigt. Heute können wir sagen: Wir haben ihn umgesetzt, wir haben umgesetzt, was wir vor der Wahl angekündigt haben.

Wir können diesen Haushalt vorlegen, weil diese neue rot-grüne Regierung in einer gemeinsamen Kraftanstrengung den Weg der Haushaltskonsolidierung konsequent geht. Wir spielen nun quasi gemeinsam im roten Stadion auf grünem Rasen, und wir haben bereits zwei wichtige Tore geschossen:

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Welche Tore? Pörksen, SPD: Ihr seid für die Eigentore zuständig!)

Wir halten die verfassungsrechtlichen Ziele ein und setzen die richtigen politischen Schwerpunkte, meine Damen und Herren.

(Starker Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Oder um es weniger bildlich zu sagen, es ist ein sozialer, generationengerechter und nachhaltiger Haushalt.

Wir investieren weiterhin konsequent in die entscheidenden Zukunftsfaktoren für den Wohlstand in unserem

Land. Bildung und Wissenschaft stehen auch bei dieser Landesregierung an erster Stelle.

Wir gehen mit diesem Haushalt die Energiewende in Rheinland-Pfalz an, und wir unterstützen die Kommunen durch ein breites Bündel an Maßnahmen darin, die finanzielle Leistungsfähigkeit zu verbessern.

Vor allem aber – und darüber legen wir Ihnen mit diesem Haushalt und der komplementären Finanzplanung Rechenschaft ab – sichern wir die Nachhaltigkeit der Landesfinanzen, indem wir konsequent konsolidieren. Die neue Schuldenbremse wird eingehalten. Wir erfüllen die Vorgaben der alten Verfassungsgrenze für die Kreditaufnahme, und wir bauen die Kreditaufnahme – das strukturelle Defizit – im Doppelhaushalt um rund 800 Millionen Euro ab.

Meine Damen und Herren, das ist nicht nur ein ordentliches Ergebnis, das ist – auch im Vergleich zu den anderen Ländern – ein ausgesprochen gutes Ergebnis.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir haben unsere Hausaufgaben für 2012 und 2013 gemacht, und wir zeigen, wie wir diesen Weg der nachhaltigen Konsolidierung weiter gehen wollen.

Nachhaltige Finanzen brauchen einen langen Atem und einen langfristigen Plan. In unserer mittelfristigen Finanzplanung für die Jahre 2011 bis 2016 stellen wir Ihnen unsere Konsolidierungsplanung vor. Wir zeigen in der Finanzplanung, dass der aktuelle Haushaltsentwurf und die in der Koalitionsvereinbarung verabredeten Einsparungen geeignet sind, das Ziel des strukturell ausgeglichenen Haushalts im Jahr 2020 zu erreichen. Wir haben hierzu die mittelfristige Finanzplanung – im Übrigen ohne, dass dies gesetzlich vorgeschrieben wäre – erneut bis 2020 verlängert und um eine langfristige Konsolidierungsplanung ergänzt.

Wir dokumentieren, welche Maßnahmen bereits umgesetzt wurden, wo es bereits darüber hinausgehende konkrete politische Festlegungen gibt und in welchen Bereichen wir noch Handlungsbedarf sehen. Wenn wir den Status quo fortschreiben würden, wenn also alles so liefe wie bisher bzw. wie bereits heute erkennbar – wir haben in unserer Finanzplanung dezidiert dargelegt, was wir darunter verstehen –, dann würde das strukturelle Defizit des Landes bis 2020 auf rund 1,9 Milliarden Euro ansteigen.

Meine Damen und Herren, das wären dann allerdings exakt 1,9 Milliarden Euro zu viel; denn die neue rheinland-pfälzische Verfassungsvorschrift zur Schuldenbremse verlangt genau hier die Null. Die von der Landesregierung bereits auf den Weg gebrachten und von den Koalitionsparteien im Koalitionsvertrag beschlossenen Konsolidierungsmaßnahmen belaufen sich auf 1,3 Milliarden Euro. Für die restlichen 600 Millionen Euro zeigen wir auf, wo die weiteren Konsolidierungen in zukünftigen Haushalten stattfinden könnten.

Meine Damen und Herren, dabei sparen wir nicht aus Selbstzweck. Wir werden die Landesfinanzen konsolidie

ren, um sie demografiefest zu machen. Die Erwerbsbevölkerung, also die Bevölkerungsgruppe in RheinlandPfalz, die den Löwenanteil der Steuern zahlt, wird bis 2030 um 14 % kleiner werden. Die Prognosen hierzu sind recht verlässlich; denn diejenigen, die in 20 Jahren in den Arbeitsmarkt eintreten werden, sind heute weit überwiegend bereits geboren. Dabei sinkt gleichzeitig die Gesamtbevölkerung nur um rund 4 %.

Wir wollen, dass die nächste Generation in diesem Land eine Chance hat, in Wohlstand, in sozialer Gerechtigkeit und in einer intakten Umwelt zu leben. Genau deshalb werden wir unsere Finanzen heute in Ordnung bringen. Wir werden ihnen die Bildung ermöglichen, die es ihnen erlaubt, hochwertige Wertschöpfung im Land zu generieren. Wir werden die Energiewende anpacken und unsere Städte und Gemeinden finanziell so ausstatten, dass man weiterhin gern in Rheinland-Pfalz lebt und arbeitet.

(Starker Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Wohlstand, die Ressourcen, die uns für den sozialen Ausgleich zur Verfügung stehen, und der Umfang der Staatsleistungen hängen entscheidend von der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes, vom Wirtschaftswachstum in Deutschland und in Europa ab.

Wir haben im Winter 2008/2009 einen beispiellosen Absturz unserer Wirtschaftsleistung erlebt, als die seit August 2007 schwelende Krise der Finanzmärkte auf die Realwirtschaft übergriff. Die öffentlichen Haushalte haben massiv gegengesteuert Es wurden Konjunkturprogramme aufgelegt, Entlassungen durch Kurzarbeitergeld vermieden, Bürgschaften massiv ausgeweitet und die größte Steuersenkung in der Geschichte unseres Landes beschlossen.

Diese Anstrengungen des Staates haben sich zum weit überwiegenden Teil gelohnt, die befürchtete langfristige Schädigung der Realwirtschaft konnte vermieden werden, die deutsche Wirtschaft hat sich erholt. Ich sage hier mit Bedacht „die deutsche Wirtschaft“; denn so günstig wie bei uns sieht es nicht überall aus. Die Vereinigten Staaten haben weiterhin mit ernsthaften strukturellen Verwerfungen zu kämpfen, und vielen unserer Partner in Europa droht die Überschuldung ihrer Staatshaushalte.

Die rheinland-pfälzische Wirtschaft hat sich in dieser Krise als stabil erwiesen. Wir haben uns als Landesregierung gemeinsam mit den Unternehmen und den Beschäftigten in unseren Betrieben den Herausforderungen dieser Krise gestellt, und wir haben in unseren öffentlichen Haushalt beim Land und in unseren Kommunen dafür einen hohen Preis bezahlt. Wir haben die sogenannten automatischen Stabilisatoren wirken lassen, massive Steuermindereinnahmen ohne Gegensparen akzeptiert und eigene konjunkturstabilisierende Maßnahmen aufgelegt. Heute wissen wir: Dies hat unsere Konsolidierungsaufgabe auf dem Weg bis 2020 noch einmal deutlich erschwert. Wir wissen aber auch: Wenn die Märkte außer Kontrolle geraten, dann sind die Politik und öffentliche Haushalte gefordert, im Interesse der Menschen in unserem Land dagegen anzugehen. Das

neoliberale Paradigma der sich selbst regulierenden Kräfte des Marktes dürfte sich spätestens seit dieser Krise ab absurdum geführt haben.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die aktuellen gesamtwirtschaftlichen Aussichten sind höchst ambivalent. Die wirtschaftliche Situation ist eine auf Messers Schneide. Einerseits zeigen uns alle harten statistischen Fakten, dass sich die deutsche Wirtschaft in hervorragender Weise erholt hat. Für 2011 erwartet die Bundesregierung ein reales Wachstum von 2,9 % und ein nominales von 3,8 %. Noch nie war die Zahl der Erwerbstätigen so hoch wie heute. Die Binnennachfrage hat den Export als Wachstumstreiber abgelöst. Wenn es keine erneuten exogenen Schocks gibt, werden sich die sehr hohen Wachstumszahlen nach der Aufholjagd der letzten beiden Jahre nun normalisieren und damit moderat abschwächen. Wir arbeiten uns aus einer tiefen Schlucht langsam wieder heraus.

Die deutsche Wirtschaft ist in einer guten Verfassung. Ohne die weiterhin angespannte Lage auf den Finanzmärkten könnten wir wohl optimistisch in die Zukunft blicken; aber seit Mitte des Jahres hat uns eine ganze Serie von Ereignissen die nach wie vor bestehenden hohen Risiken für die weltwirtschaftliche Entwicklung bewusst gemacht. Ich erinnere an die medienwirksam bis zur letzten Minute hinausgezögerte Anhebung der Schuldengrenze für den US-Bundeshaushalt und den Entzug der Bestnote für die Vereinigten Staaten von Amerika durch die Ratingagentur Standard & Poor’s. Diese beiden Ereignisse ließen Zweifel an der Finanzierbarkeit der amerikanischen Konjunkturstützungsmaßnahmen und damit an der weiteren wirtschaftlichen Erholung Amerikas aufkommen.