Protokoll der Sitzung vom 11.11.2011

Ganz vorn stehen da mit Sicherheit die Bildung und die Energiewende. Aber bei der Bildung haben wir jetzt gehört, dass ein Großteil Ihrer heute aus dem Hut gezauberten Sparvorschläge den Bereich der Bildung betrifft. Lassen Sie mich einmal die kostenlose Schülerbeförderung nennen. Wir investieren hier allein im Jahr 2012 knapp 17 Millionen Euro, dass auf ökologische Art und Weise die Kinder der Sekundarstufe I zur Schule kommen, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern, was die Belastungen angeht. Ich halte das für richtig, weil wir damit Zugangshürden bei Bildungschancen abbauen und gleichzeitig die ökologische Verkehrsmittelwahl unterstützen. Das ist eine sinnvolle Investition im Sinne von Gerechtigkeit und von ökologischer Erneuerung.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

In der gleichen Rede, in der Sie vorschlagen, das zu streichen, verteidigen Sie die Pendlerpauschale, bei der die Subvention unabhängig von der Verkehrsmittelwahl und vom CO2-Verbrauch geschieht.

(Zuruf des Abg. Weiner, CDU)

Das zeigt, dass Ihre Denkweisen von vorgestern sind. Wir müssen die Subventionen auch vor dem Hintergrund der Co2-Emission neu ausrichten. Es soll keiner abge

hängt werden, der in einer schwierigen ländlichen Region lebt. Ich glaube aber schon, dass die Diskussion notwendig ist, ob wir nicht auch die Frage des CO2Ausstoßes auf dem Weg zur Schule oder zum Arbeitsplatz dann mit in die Diskussion werfen.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Die kostenlose Schülerbeförderung ist der richtige Weg. Das Manifestieren einer Subventionierung, um mit dem Auto um jeden Preis zum Arbeitsplatz zu kommen, ist meines Erachtens nicht die Zukunft, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der Haushaltsentwurf und unsere Haushaltspolitik sind auch von Mut geprägt, weil wir die Dinge offen ansprechen und uns nicht wegducken. Wir haben sie schon im Koalitionsvertrag aufgeschrieben. Die Parteitage der beiden Koalitionsfraktionen haben darüber abgestimmt. Es gibt ein hohes Maß an demokratischer Legitimation für unseren Kurs.

Wir werden keine Sahnebonbons verkaufen, wenn Wermutstropfen die Realität sind. Deswegen werde ich auch nicht verschweigen, dass wir beispielsweise den Beamtinnen und Beamten dieses Landes einiges abverlangen. Die Deckelung der Beamtenbezüge – das verstehe ich – löst keine Jubelstürme aus. Wir wissen, dass wir den Beamtinnen und Beamten einiges zumuten. Ich danke den Beamtinnen und Beamten dieses Landes dafür, dass sie die Arbeit für Rheinland-Pfalz verrichten und bereit sind, einen Beitrag zur Konsolidierung des Landeshaushalts zu leisten. Herzlichen Dank dafür.

Mut bedeutet aber auch, klar zu sagen, dass wir die Einnahmen erhöhen und nicht nur die Ausgaben kürzen. Einnahmeerhöhungen sind nicht sexy, aber Geiz ist auch nicht geil. Wir wissen alle, dass wir die öffentlichen Haushalte auf Dauer nicht sanieren können, wenn wir nicht die Einnahmen entsprechend erhöhen.

Deswegen setzen wir klare Schwerpunkte. Wir nehmen dort Einnahmeerhöhungen vor, wo es sinnvoll und geboten ist, und setzen bei den Ausgaben klare Schwerpunkte, und zwar sowohl was die Reduzierung als auch die Ausgabenerhöhungen angeht. Hier ist einiges vorzuweisen.

Ich möchte ein Thema ansprechen, das in Haushaltsberatungen selten angesprochen wird. Wir tragen in Rheinland-Pfalz für Millionen Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer nicht nur für die kommende Generation, sondern auch für den Erhalt unserer Umwelt und unserer einzigartigen Natur eine Verantwortung.

Trotz des Konsolidierungszwangs setzt Rot-Grün eindeutige Ausrufezeichen in der Naturschutzpolitik beispielsweise dadurch, dass wir uns auf die Suche nach einem Nationalpark begeben, aber auch, weil wir beispielsweise Forderungen der Naturschutzverbände umsetzen und die Bewirtschaftungspläne für die Natura- 2000-Gebiete mit Nachdruck vorantreiben; denn der Naturschutz ist in Rheinland-Pfalz schon lange kein Nischenthema mehr.

Das Netz Natura 2000 besteht aus 120 FFH- und 57 Vogelschutzgebieten und umfasst knapp 20 % unserer Landesfläche. Man muss sich einmal bewusst werden, was es für den Erhalt unserer Region und unserer Natur im Land bedeutet, dass wir jetzt die Bewirtschaftungspläne mit Nachdruck vorantreiben und damit einen wichtigen Beitrag für den Naturschutz und den Erhalt unserer Umwelt für die kommenden Generationen liefern. Das bedeutet, dass wir nicht nur vom ökologischen Wandel reden, sondern ihn konkret und vor Ort gestalten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Auch die Landwirtschaft profitiert von dem Haushaltsentwurf. Das möchte ich klar sagen. Es gibt kein Gegeneinander von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft.

Herr Billen, Sie wissen doch selbst, dass die Landwirtinnen und Landwirte in diesem Land viel weiter sind, als Sie es manchmal propagieren. Das sind doch heute ein gegenseitiges Befruchten und ein wechselseitiges Ergänzen der beiden Anbauformen. Hier setzt Ulrike Höfken als langjährige Expertin und jetzige Landwirtschaftsministerin die richtigen Akzente für die Zukunftsfähigkeit unserer Landwirtschaft, und zwar ein Stück weit hin zur Ökologisierung. Das ist doch das, was die Verbraucherinnen und Verbraucher heute wünschen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Billen, CDU)

Ein klarer Schwerpunkt für unser zentrales Zukunftsprojekt ist die Energiewende. 100 % erneuerbare Energien im Strombereich bis 2030 sind nicht einfach so zu haben. Das Geniale an der Energiewende ist, dass die neuen Energien ohne umfängliche staatliche Subventionen und Abwälzungen der Kosten auf die Gesellschaft auskommen. Das haben die neuen Energien übrigens der Atomkraft voraus, bei der ganz viele Kosten auf die Gesellschaft abgewälzt worden sind, gerade was die Sicherheit und den Schutz angeht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich bin vor einiger Zeit gefragt worden, ob dann die Lichter ausgehen. Ich kann es nicht mehr hören. Die Herzen glühen, die Lichter gehen an. Das ist eine Goldgräberstimmung. Eveline Lemke ist vor allem dabei, alles in geordneten Bahnen zu halten, bis wir morgen oder übermorgen die Akzeptanz dafür haben, die erneuerbaren Energien dauerhaft und geordnet in RheinlandPfalz ausbauen zu können.

Man muss den einen oder anderen Bürgermeister – übrigens auch von der CDU – schon fast bremsen, damit es wirtschaftlich sinnvoll bleibt, um zum Ziel zu kommen. Dafür brauchen wir kaum einen Cent Landesgeld, sondern die richtigen Rahmenbedingungen, die richtigen Strukturen und die richtige politische Haltung.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Deswegen liegt der klare Schwerpunkt auf der Energieberatung, und zwar der Beratung von Kommunen, von Unternehmerinnen und Unternehmern und dem Ausbau der Energieagentur. Es geht zum einen um die Frage, wie man die erneuerbaren Energien bestmöglich vor Ort vorantreibt, und zum anderen um die Frage von Einsparungen und Effizienz. Hier sind das Wissen und die Beratung ganz zentrale Punkte.

Ich komme zum zweiten Schwerpunkt. Wir müssen uns den Fragen der Netzkapazitäten und der Speichertechnologien stellen. Ich sage es ganz offen, dass wir noch nicht auf alle Fragen die besten Antworten gefunden haben. Deswegen liegt ein klarer Schwerpunkt auf der Forschung und der Technologie im Bereich der Energiewende und des Klimaschutzes.

Die besten Investitionen, wie wir sie morgen realisieren, sind die in die Energiewende und den Klimaschutz, aber auch in eine starke Wirtschaft und in Arbeitsplätze auch noch in zehn, 20 und 30 Jahren in Rheinland-Pfalz. Das ist für das Land eine gute Nachricht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die Zukunft hat längst begonnen. Dieser Haushalt spiegelt das wider. Ein Schwerpunkt bei den Zukunftsinvestitionen sind selbstverständlich unsere Kinder. Wir wollen den besten Einstieg und bieten deshalb die besten Chancen bei der frühkindlichen Bildung und Betreuung in unserem Land. Das zeigen auch die aktuellen Statistiken des Statistischen Bundesamtes.

Wir haben in den westdeutschen Flächenländern die mit Abstand beste Betreuungsquote für die unter Dreijährigen. Wir steigern den Haushaltsansatz gegenüber dem Vorjahr noch einmal um 11 %. Die Summe von 419 Millionen Euro für die Kindertagesstätten im Land ist mehr als eine Verdoppelung gegenüber dem Stand von 2005. Das sind manifeste Zukunftsinvestitionen in die Chancen unserer Kinder. Das ist gerecht und zukunftsfähig.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir geben uns mit dem Status quo nicht zufrieden. Der Bereich der frühkindlichen Bildung bleibt eine große Herausforderung. Deswegen werden wir mit dem Programm „Kindergarten plus“, für das in den kommenden Doppelhaushalt 6 Millionen Euro eingestellt sind, in die Kindertagesstätten, die in Stadtteilen und Orten mit einem schwierigen sozialen Umfeld liegen und in denen beispielsweise Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern oder Kinder mit Sprachproblemen untergebracht sind, gezielt investieren und deren Qualität steigern und verbessern.

So bringt man mehr soziale Gerechtigkeit zu den Kleinsten in unserer Gesellschaft, und das zielgenau in Zeiten knapper Kassen. Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit passen zusammen. Das drückt dieser Doppelhaushalt aus.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Dieser Haushalt trägt auch die Überschrift „Ehrlichkeit“. Die Menschen erwarten von uns eine neue Qualität der Ehrlichkeit in der Politik. Diese würden sie sich auch von der Bundesregierung wünschen.

Wenn Rheinland-Pfalz zukunftsfähig bleiben und in Zukunft noch Gestaltungsspielraum haben will, müssen wir uns nicht nur ehrlich überlegen, wofür wir Geld ausgeben wollen und wofür nicht, sondern dann müssen wir das ganz ehrlich auch den Menschen sagen. Eine Politik nach dem Motto „Allen wohl und niemand weh“ wird in der heutigen Zeit nicht mehr aufgehen.

Das ist die ehrliche Nachricht. Das ist die Wahrheit.

(Dr. Wilke, CDU: Die echte oder die lautere?)

Wir haben in diesem Haushalt die Ausgabenseite verbessert. Wir haben echte Einsparungen gezeigt. Wir haben es so getan – Herr Kollege Hering hat es gesagt –, dass wir möglichst die stärkeren Schultern mehr belasten als die schwächeren Schultern. Wir haben das nach ökologischen Prinzipien getan. Wer mehr verbraucht, der soll auch mehr beitragen.

Aber zur Ehrlichkeit gehört auch zu sagen, die Konsolidierungen unserer Haushalte können nicht funktionieren, wenn wir nur ausgabenseitig kürzen oder sparen. Wir gehen auch an die Einnahmeseite heran. Das sagen wir ganz klar. Deswegen ist es richtig, die Grunderwerbsteuer zu erhöhen. Wir brauchen die Einnahmen, und wir belasten damit die Menschen nicht überproportional. Wir belasten vor allem diejenigen nicht, die niedrigere Einkommen haben, weil – ich glaube, das bestätigen Sie mir – Menschen mit einem niedrigeren und mittleren Einkommen sich nicht in jedem Jahr ein neues Grundstück kaufen werden. Deswegen ist es auch eine sozial gerechte Form der Steuererhöhung.

Wir führen die Wasserentgeltabgabe ein, weil es richtig ist, diejenigen, die von unserem Wasser, das die Natur uns scheinbar kostenfrei zur Verfügung stellt, sozusagen einen Profit damit ziehen, daran zu beteiligen, damit wir die Wasserqualität in unserem Land erhalten und bestenfalls steigern können. Das hat etwas mit ökologischer Umsteuerung zu tun. Das hat auch etwas mit Verantwortung für unsere natürlichen Ressourcen zu tun.

Diese Verantwortung, diese Preise für die Ressourcen, die die Natur uns zur Verfügung stellt, gehören vom Staat steuerlich berücksichtigt, weil es etwas mit Gerechtigkeit zu tun hat.

Wer viel von unseren natürlichen Ressourcen profitiert, soll auch seinen Beitrag leisten. Wer weniger davon profitiert, wer also weniger braucht, wird weniger belastet. Auch so geht ökologische Gerechtigkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich sage mit Blick auf die Zukunft ganz ehrlich, das reicht nicht auf der Einnahmeseite. Wir werden mehr Einnahmen brauchen. Ich möchte nur ein Beispiel nennen. Hätten wir heute eine moderate Vermögensteuer

innerhalb der Modelle, wie sie im Moment diskutiert werden, dann würden allein diese Einnahmen ausreichen, unseren offenen Konsolidierungsbeitrag für 2014 komplett darzustellen.

(Zurufe von der CDU)

Es kann nicht sein, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor die mittleren Einkommen belasten und die vermögenden und gut situierten mit dem guten Einkommen – relativ gesehen – weniger zur Kasse bitten als noch in den 90er-Jahren, und das, obwohl einige davon von den Dingen profitiert haben, die uns am Ende in die Krise geführt haben. Ich bin sehr dafür, bei der Einkommensteuer bis auf 49 % nach oben zu gehen und eine Vermögensbesteuerung wieder einzuführen, die 1 : 1 den Ländern zugutekommt. Das bedeutet, dass diejenigen, die viel Geld haben, die viel Vermögen haben, dazu beitragen, dass wir auch morgen noch gute Kitas, gute Schulen, gute Hochschulen in Rheinland-Pfalz haben. Das bedeutet auch Gerechtigkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Licht, CDU: Alter Klassenkampf!)