Protokoll der Sitzung vom 23.02.2012

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich finde, eine Opposition hat eine wichtige Rolle, aber wenn die Gier nach schlechten Nachrichten so groß ist, dass sie gute Nachrichten über das eigene Land schon kaum noch ertragen kann, dann muss diese Opposition nachdenken, wo sie hingeraten ist.

(Starker Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es geht weiter: Frau Kollegin Lemke hat am 30. Januar den Industriekompass vorgestellt. Der beinhaltet, dass wir wieder eine Steigerung hinsichtlich des Umsatzes im Bereich der Industrie gegenüber 2006, also dem Krisenjahr, von 20 % vergleichen können, dass wir, was die Produktivität angeht – meine Damen und Herren, das muss man doch wahrnehmen wollen – Platz 3 im Länder-Ranking haben. Das heißt doch Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und Wettbewerbsfähigkeit unserer Arbeitsplätze. Wenn man sich das nicht mehr anhören will, was soll ich Ihnen denn dann noch erzählen? Das sind doch die Werte, um die wir ringen.

Wir machen das alles doch nicht, damit wir uns hier streiten können, sondern um unseren Beitrag – das ist nur ein Teil –, unseren politischen Beitrag zu leisten,

(Frau Klöckner, CDU: Ja!)

damit Wirtschaft sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Menschen und die gesellschaftlichen Gruppen sich im internationalen Wettbewerb behaupten können.

Man muss doch einmal stolz sein dürfen, wenn man solche Werte vorweisen kann.

(Beifall der SPD)

Es sagt doch etwas aus, wenn wir beim Exportanteil, der 52,7 % beträgt, im Ländervergleich ebenfalls auf dem dritten Platz liegen. Dieser Wert wird noch besser werden. Wir wissen nämlich, dass die Kurve, die bei uns in der Rezession schneller nach unten gegangen ist, nun auch schneller wieder nach oben gehen wird. Ich finde, das ist keinesfalls ein Grund, um hier Horrorszenarien zu malen. Vielmehr kann man darauf aufbauend die Weichen vernünftig stellen.

(Billen, CDU: Das hat Herr Brüderle gut gemacht!)

Herr Brüderle war schon lange nicht mehr in der Regierung, als das gemacht worden ist, lieber Herr Kollege. Nichts gegen die Arbeit von Herrn Brüderle – er war mein Stellvertreter, so wie jetzt Eveline Lemke –, aber das, was ich Ihnen jetzt vortrage, ist unsere Arbeit, nicht die von früher. Machen Sie sich nichts vor.

(Baldauf, CDU: Haben Sie von Herrn Brüderle auch etwas gelernt?)

Schauen wir uns einmal an, was das für die Arbeitnehmerschaft bedeutet. Eines der wichtigsten Anliegen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist, dass sie mit dem Wissen, das sie erworben haben und, sich immer weiterbildend, à jour halten, eine Chance auf einen Arbeitsplatz mit einer anständigen Bezahlung haben. Im Jahr 2002 haben wir erstmals – diese Position haben wir auch beibehalten – an drittgünstigster Stelle gelegen, was die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland angeht. Das heißt, dass wir, wenn wir auf einem durchschnittlichen Platz lägen, mehrere 10.000 Menschen samt Familien hätten, die von den Sozialsystemen abhängig wären. Darauf, dass dies nicht der Fall ist, sollten wir gemeinsam stolz sein, statt sich über uns zu mokieren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Bei der Arbeitsplatzversorgung liegen wir im Ländervergleich ebenfalls auf Platz drei. Die Erwerbstätigkeit ist, wie der Kollege Hering schon mehrfach öffentlich deutlich gemacht hat, im Jahr 2011 – aller Voraussicht nach wird das auch im Jahr 2012 so sein – mit 1,275 Millionen Menschen in sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen so hoch wie noch nie zuvor in der Geschichte dieses Landes. Ich finde, als Ergebnis der Anstrengungen der Menschen und der Wirtschaft – der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer –, aber eben auch der Politik kann sich das sehen lassen.

(Billen, CDU: Auch der Bundespolitik!)

Als Ergebnis der Bundespolitik kann es sich dort sehen lassen, wo es um die Konjunkturpakete ging, die wir allerdings um über 200 Millionen Euro aufgestockt haben. Sie haben kein Wort darüber verloren, dass in den Verschuldungszahlen, die Sie hier nennen, eben auch diese 200 Millionen Euro stecken, die wir den Kommu

nen, den Kirchen und den freigemeinnützigen Trägern zinslos vorgeschossen haben, damit sie an diesen Konjunkturprogrammen teilhaben können. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich will auch noch erwähnen: Ja, wir können in diesem Doppelhaushalt in diesen Bereichen sehr zielgenau 4 Millionen Euro einsparen. Aber Sie wollen bei den Langzeitarbeitslosen gezielt noch eine Streichung obendrauf setzen. Aber genau dort müssen wir ansetzen; denn das ist die Gruppe der Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt immer noch keine ausreichenden Chancen haben. In einer Situation, in der wir das quantitative Problem der Arbeitslosigkeit besser in den Griff bekommen, also zielgenauer handeln können, schlagen Sie vor, diese Mittel zusammenzustreichen. Das halte ich für grundlegend falsch und auch nicht für sozial.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Erlauben Sie mir, einen dritten Punkt anzusprechen: die ökologische Verantwortung. – Ich bin Kollegin Lemke und Kollegin Höfken sehr dankbar dafür, dass sie sich dieses Themas unermüdlich annehmen. Ich finde, es ist ein sehr gutes Zeichen, dass es in Rheinland-Pfalz kaum noch einen Gemeinderat gibt, in dem das Thema „Energiewende“ nicht diskutiert wird, wenn auch manchmal unter etwas schwierigen Bedingungen, keine Frage. Für viele ist es schließlich ein völlig neues Aufgabenfeld. Aber es ist ein Thema in diesem Land. Das macht mich zuversichtlich, dass wir unser weiß Gott ehrgeiziges Ziel, bis 2030 unsere Stromversorgung unter dem Strich aus regenerativen Energien gewährleisten zu können, auch erreichen.

Freilich sage ich auch an dieser Stelle: Es ist nötig, dass die Rahmenbedingungen seitens der Bundespolitik deutlich verändert und die Verhältnisse somit geklärt werden. Das ist keine Schelte, sondern eine Feststellung. Daran, dass das, was jetzt hinsichtlich der Solarenergie auf der Fläche geplant ist, richtig ist, habe ich größte Zweifel. Reden Sie einmal mit den Vertretern großer und kleiner Unternehmen – ich habe das in den letzten Tagen und Wochen getan –, die in der Solarwirtschaft tätig sind.

Ich fürchte, wir würgen gerade einen neuen Wirtschaftszweig ab, der sich allerdings, weil er in Konkurrenz zu der Staatswirtschaft in China steht, im Moment in einer sehr schwierigen Situation befindet. Wir würgen auch das Bewusstsein ab, das sich in vielen Kommunen und bei vielen Privatpersonen gebildet hat, die sagen: Selbst wenn es sich für mich nicht richtig rechnet und ich nicht genau weiß, ob die Abschreibungszeit und die Haltbarkeit wirklich so beschaffen sind, dass ich zu 100 % davon profitiere, gehe ich diesen Weg. – Das finde ich noch schlimmer.

Meine Heimatgemeinde, die 2.000 Einwohner hat, finanziert auf dem Dach der Schule, die der Verbandsgemeinde gehört – das ist direkt neben meinem Häuschen –, eine Solaranlage. Die Bürgermeisterin hat gera

de die Abrechnung für das erste Jahr vorgelegt und gesagt, der Ertrag liege bei – ich glaube – 9.400 Euro. Diese Impulse, wodurch auch Betroffene einer solchen Veränderung auf einmal zu Beteiligten gemacht und Interessen geweckt werden, nicht hoch einzuschätzen, halte ich für einen Fehler. Es geht nicht nur um Subventionen und eine betriebswirtschaftliche Betrachtung, sondern auch um eine andere Einstellung, die am Ende die Grundlage dafür sein wird, dass wir die Energiewende alle miteinander wirklich schaffen können.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Zu den Ackerflächen haben wir hier unsere Position schon hundertmal dargestellt. Es gibt wertvolle Ackerflächen, die wir für die Lebensmittelversorgung brauchen, und es gibt schwache Ackerflächen,

(Frau Klöckner, CDU: Die brauchen wir für Futtermittel!)

Konversionsflächen und Industriebrachen. Dort ist auch eine am Boden installierte Solaranlage durchaus vernünftig. Das ist unsere Position, und dabei bleiben wir ausdrücklich.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich glaube, wir haben eine Chance, diese große Herausforderung zu bewältigen, aber wir müssen es auch angehen. Der Streit zwischen Herrn Rösler und dem Bundesumweltminister darf nicht der Grund dafür sein, dass die Rahmenbedingungen nicht oder falsch gesetzt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich in aller Kürze eine weitere Betrachtung der Situation vornehmen. Es geht um das Thema, von dem ich wirklich absolut sicher bin, dass es die entscheidende Zukunftsfrage für jede europäische Region sein wird. In anderen Teilen der Welt, in denen 20 % bis 30 % der Bevölkerung unter 20 Jahre alt sind, sieht das anders aus. Bei uns in Europa ist dies andersherum. Deshalb wird es ganz entscheidend sein, welche Impulse wir zugunsten junger Familien setzen, welche Lebens- und Rahmenbedingungen wir anzubieten haben und wie wir uns im Wettbewerb positionieren, beispielsweise gegenüber unseren Nachbarn in Frankreich, die hervorragende materielle Leistungen für Familien mit Kindern erbringen.

Das Reden davon, dass Rheinland-Pfalz eine Region im Herzen Mittel- und Westeuropas mit einer Verbindungsfunktion nach Mittelosteuropa und Osteuropa ist, muss mit Leben gefüllt werden. Es muss damit gefüllt werden – davon bin ich überzeugt –, dass jemand auf die Frage, wo ich meine Familie gründen und meinen Lebensmittelpunkt haben will, aus voller Überzeugung antwortet: Wenn ich ein Angebot einer Firma aus Rheinland-Pfalz bekomme, ist das spannend, weil dort die Rahmenbedingungen stimmen. –

Ich habe dieser Tage einen Brief von einer jungen Familie bekommen – ich habe mich sehr darüber gefreut –,

die aus Sachsen nach Bad Dürkheim gezogen ist. Die Familie hat mir einen Brief geschrieben und bestätigt, dass diese Bedingungen für sie von unendlicher Bedeutung waren, um mit ihren Kindern nach Rheinland-Pfalz zu kommen.

Die Kinder haben ganztags einen Kindertagesstättenplatz. Beide Partner können ihrem Beruf nachgehen und haben einen Job. Sie sagen, wir fühlen uns hier wohl. Es ist uns ein zentrales Anliegen, dieses Gefühl möglichst vielen Menschen zu bieten, und zwar auch den jungen Menschen, die noch nicht wissen, ob sie eine Familie gründen und sich für Kinder entscheiden wollen oder nicht. Dieses Anliegen findet sich auch in diesem Haushalt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist auch die Basis dafür, dass wir so massiv in die Bildung, aber auch in die Entlastung von jungen Familien investieren. Aus solchen Überlegungen heraus lehnen wir Ihre Einsparvorschläge ab.

(Frau Klöckner, CDU: Natürlich!)

Liebe Frau Kollegin, natürlich ist es natürlich, wenn man so denkt.

(Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Ach, Herr Bracht, es ist prachtvoll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir bleiben dabei. Es kann doch nicht wirklich Ihr Ernst sein – wir haben Ihre Haushaltszahlen eben noch einmal überprüft –, dass Sie auf die jetzige Zahlung noch 4 Millionen Euro obendrauf geben wollen. Das ist Ihr Antrag. Diese Zahlen bedingen, wie es der Kollege Hering gesagt hat, dass allenfalls noch 15 % der Eltern für ihre Kinder die Schulfahrten finanziert bekommen.

Wir haben noch einmal die Bruttoeinkommen verglichen. Das ist die Grundlage für die Lernmittelfreiheit, § 2 Abs. 4 Einkommensteuergesetz, wenn ich es richtig im Kopf habe. Schauen Sie es nach. Ich hoffe, es stimmt, sonst bitte ich um einen Zwischenruf.

Wenn Sie das zugrunde legen, dann haben Sie die Krankenschwester, die Verkäuferin, den Facharbeiter etc. alle draußen. Diese müssen alle bezahlen, und zwar auch diejenigen, die in Rheinland-Pfalz noch nie bezahlen mussten, weil ihre Kinder vorher in die Hauptschule gegangen sind. Das kann man doch den Leuten nicht zumuten. Das ist familienfeindlich und nicht familienfreundlich. Deshalb tun wir das nicht.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Dann haben wir große Ohren. Wenn man zugehört hat – Frau Kollegin Klöckner, ich glaube, Sie haben Klarstellungsbedarf –, weiß man, dass Frau Klöckner gesagt hat, dass das, was mit den Kindertagesstätten und der Gebührenfreiheit ist, jetzt nicht anstehe. Das heißt aber doch, dass es irgendwann ansteht. Solange Sie das nicht dementieren, vermute ich, dass Sie auch die El

ternbeiträge bei den Kindertagesstätten auf die eine oder andere Art wieder einführen wollen. Wenn es nicht so ist, dementieren Sie es! Dann sage ich Respekt, entgegengenommen. Ich höre keinen Widerspruch.

(Frau Klöckner, CDU: Ich möchte keine Schulden den anderen vererben!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich halte dies für eine Politik, die elementar die Zukunftsinteressen dieses Landes Rheinland-Pfalz schädigt.