Protokoll der Sitzung vom 24.02.2012

Bevor Frau Kollegin Dickes das Wort ergreift, begrüße ich noch eine Besuchergruppe, und zwar Schülerinnen und Schüler des Immanuel-Kant-Gymnasiums aus Pirmasens. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Jetzt hat Frau Kollegin Dickes das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem sich der Vorwurf der sozialen Kälte gestern wie ein rot-grüner Faden durch alle Reden gezogen hat, möchte ich damit beginnen, was wir als CDU-Faktion unter dem Begriff soziale Gerechtigkeit in der Bildungspolitik verstehen.

(Zuruf von der SPD: Da bin ich einmal gespannt!)

Ich glaube, das ist ganz klar: Soziale Gerechtigkeit haben wir dann, wenn jedes Kind, gleich welchen sozialen Status seine Eltern haben, Chancen auf die bestmögliche Entfaltung seiner individuellen Fertigkeiten und Fähigkeiten hat.

Aufgabe einer sozial gerechten Bildungspolitik ist es, die guten Rahmenbedingungen zu schaffen. Das ist ganz klar die Aufgabe des Landes.

Soziale Gerechtigkeit heißt nicht, dass der Geldbeutel der Eltern, mit deren Hilfe man sich teure Nachhilfe leisten kann, darüber entscheidet, ob das Kind die Aufnahmeprüfung besteht, um einen Beruf zu erlernen.

Ich wiederhole mich jetzt: Es ist eine ganz klare Aufgabe des Landes, Schulen so auszustatten, dass Kinder keine Nachhilfeinstitute in Anspruch nehmen müssen, sondern die Lehrerinnen und Lehrer in der Schule diese individuelle Förderung leisten können.

(Beifall der CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, genau da sehe ich die soziale Ungerechtigkeit in der Bildungspolitik in Rheinland-Pfalz. Statt die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass gerade die Schwächsten, gerade die, die sie von Haus aus nicht optimal haben, die notwendige Förderung bekommen können, verdoppeln Sie den Unterrichtsausfall an unseren Schulen, und das geplant,

indem Sie einfach Lehrerinnen und Lehrer nicht einstellen, obwohl sie zur Verfügung stehen, Frau Ministerin.

(Beifall der CDU – Frau Thelen, CDU: Genau richtig!)

Sie, die vor der Wahl noch versprochen haben, die demografische Rendite im System zu lassen, bauen in den kommenden fünf Jahren 2.000 Stellen an unseren Schulen ab. Soziale Politik für Schülerinnen und Schüler heißt aber, Luft im System durch den Schülerrückgang für eine 100 %ige Unterrichtsversorgung zu nutzen; denn darauf haben unsere Schülerinnen und Schüler einen Anspruch.

(Beifall der CDU)

Sozial ungerecht erleben wir auch den Arbeitgeber Land, wie er mit jungen Menschen umgeht, die mit ihrer Ausbildung fertig sind. Statt ihnen Lebensperspektiven mit einer Planstelle zu geben, werden diese jungen Menschen immer wieder mit befristeten Verträgen vertröstet. Nicht selten enden diese vor den Ferien, danach beginnen neue, und die Ferien werden nicht bezahlt.

Frau Ministerin, in solchen Momenten höre ich dann immer, die Opposition habe keine Ahnung, sie wisse nicht, wovon sie spreche.

(Beifall der Abg. Frau Spiegel und Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir hätten gern einmal Dokumente vorgelegt bekommen, die das belegen.

Ich weiß sehr wohl, dass die Briefe, die wir bekommen, zu einem sehr großen Teil auch bei Ihnen ankommen und Sie diese immer wieder bestreiten. Ich habe es gestern bei der Rede der Kollegin Höfken gehört – das ist auch der Eindruck, der im Land entsteht –: Wenn jemand anderer Meinung ist als Sie, dann hat er es einfach nicht verstanden.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Bei Ihnen glaube ich das sogar!)

Sie bekommen diese Briefe der verzweifelten jungen Menschen, die eine Anstellung, die eine Lebensperspektive möchten und nicht das Land Rheinland-Pfalz in Richtung Hessen verlassen möchten, wo sie eine Planstelle bekommen.

(Pörksen, SPD: Die gehen alle nach Hessen! – Ramsauer, SPD: Ich zeige Ihnen gern einmal meine Dienstverträge! 500 DM habe ich damals unter der CDU bekommen! Hanna-Granata!)

Sie wissen es auch, nicht nur der Briefe wegen; denn ich unterstelle Ihnen, dass Sie als Ministerin wissen, wie Ihr Ministerium agiert, Frau Ministerin.

Frau Ministerin, Lehrkräfte wie Schulen brauchen Perspektiven und Planungssicherheit, nicht nur für drei Monate. Sozial gerecht ist es, wenn man die Mittel, die wir im Haushalt für Vertretungskräfte haben, zu einem

überwiegenden Teil in feste Stellen umwandelt: haushaltsneutral, aber Menschen eine Zukunft geben.

(Beifall der CDU – Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben das letzte Mal mehr Vertretungskräfte gefordert!)

Statt sozialer Gerechtigkeit in der Bildungspolitik erleben wir in der Bildungspolitik nur zahlreiche Baustellen. Ich möchte mit dem Thema „Lernmittelausleihe“ beginnen. Wir haben Ihnen vertraut, als wir Ihnen bezüglich der Lernmittelausleihe zugestimmt haben. Wir haben dem Passus aus dem Gesetz vertraut, der heißt: Die Kosten werden sich im Endausbau im bisherigen Kostenrahmen bewegen. – Was haben wir bekommen? Ein Bürokratiemonster, das Schulträger und Schulsekretariate mehr als belastet.

(Heiterkeit bei der SPD – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Ist das Wort von Ihnen? – Pörksen, SPD: Ich weiß, wo ein Monster ist!)

Wir haben Arbeit und Kosten bekommen, auf denen die Schulträger und die Schulsekretariate sitzen bleiben. Es gibt nicht nur einen Kreis und eine Stadt, die sich beschweren und massive Defizite wegen dieser Lernmittelausleihe einfahren. Das stand so nicht im Antrag.

(Beifall der CDU)

Baustelle „PES“: 15 Millionen Euro im aktuellen Haushalt sollten den temporären Unterrichtsausfall um mindestens ein Drittel reduzieren. Fakt ist, dass der Unterrichtsausfall an PES-Schulen identisch mit dem Unterrichtsausfall an nicht PES-Schulen ist.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Müssen Sie es jetzt wieder erklärt bekommen?)

Für mich und die CDU-Fraktion ist das ein ganz klares Zeichen, dass wir diese Gelder nehmen und in Planstellen umwandeln; denn wir möchten Lehrer an den Schulen und nicht befristet beschäftigte Vertretungskräfte.

(Beifall der CDU – Frau Klöckner, CDU: Genau! – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Die Schulen wollen PES-Kräfte!)

Die Schulen hätten viel lieber Planstellen.

Ich komme zur nächsten Baustelle, die wir in unserem Land haben, das ist das Thema „AQS“. Die Sinnhaftigkeit in der derzeitigen Form haben wir mehr als einmal infrage gestellt;

(Pörksen, SPD: Na und?)

denn solange diese Agentur für die sogenannte Qualitätssicherung keine Ressourcen bekommt, um genau diese Qualität zu sichern, stecken wir dieses Geld lieber direkt in Lehrerstellen.

(Beifall der CDU – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Sogenannte Qualitäts- sicherung! Wo ist denn Ihr Antrag? Das ist doch wohl jetzt die lächerlichste Bemerkung gewesen!)

Frau Brede-Hoffmann, ich komme jetzt zu einem lächerlichen Antrag; denn die Baustelle „kleinere Klassen“ haben wir ebenfalls.

Mit einem lächerlichen Antrag – ich muss es wirklich so sagen – haben Sie sich rückwirkend selbst dafür gelobt, dass zu diesem Schuljahr die Klassenmesszahl an den Grundschulen herabgesenkt wurde. Ich bin froh, dass Sie endlich auf diese Forderung der CDU-Landtagsfraktion eingegangen sind, nachdem Sie uns jahrelang gesagt haben, dass die Klassengröße überhaupt keine Auswirkungen auf die Qualität des Unterrichts hat.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Oh Gott im Himmel!)

Noch einmal: Ich bin froh, dass Sie unsere Forderung zum Teil umgesetzt haben, aber hier steckt der Teufel im Detail. Auch wir sind für kleinere Klassen, aber wir haben seinerzeit gesagt, wir möchten eine flexible Umsetzung. Das hieß für uns, dass die Schulen die Stunden für kleine Klassen zugewiesen bekommen, aber wir dort, wo es aus räumlichen Gegebenheiten nicht möglich ist, auch größere Klassen mit Doppelbesetzung von Lehrern fahren können.

Hier erleben wir – das sind die Rückmeldungen von Schulträgern, Frau Ministerin –, dass es einen lapidaren Brief an die Kommunen gibt, in dem es heißt: Wir reduzieren die Klassenmesszahl. – Eine Rechtsgrundlage haben die Kommunen nicht, im Zweifel müssen sie ausbauen und das auch noch bei gekürzten Schulbaumitteln im aktuellen Haushalt.

(Beifall der CDU)

Hier möchte ich Rot-Grün nur sagen, statt Jubelanträge zu schreiben, statt sich selbst zu loben, sollte man vielleicht auch an die Details denken.

Baustelle „Schülerbeförderung“: Wir haben gestern einiges dazu gehört. Herr Hering hat uns genau in diesem Punkt mehrfach soziale Kälte vorgeworfen.

(Noss, SPD: Zu Recht!)

Soziale Kälte ist für uns, wenn wir verantwortungslos unseren Kindern immer mehr Schulden aufbürden. Sozial gerecht hingegen ist es, wenn starke Schultern mehr tragen als schwache und nicht, wenn der Staat auch dem Starken die Fahrkarte mit Krediten bezahlt.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Machen Sie doch eine entsprechende Steuerreform in Berlin!)