Protokoll der Sitzung vom 03.05.2012

die geringer entlohnten Frauen werden durch das Betreuungsgeld dazu ermutigt, länger aus der Erwerbstätigkeit auszusteigen. Dies erhöht im weiteren Lebensverlauf das Armutsrisiko der Betroffenen deutlich. Herr Hering hat schon darauf hingewiesen. Besonders schwerwiegend sind die Folgen für die Alterssicherung.

Insgesamt führt die Einführung eines Betreuungsgeldes zur Verfestigung einer überkommenen Rollenverteilung von Frauen und Männern und trägt somit zur Vergrößerung der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern bei. Das wollen wir nicht. Wir werden uns mit aller Kraft für eine Verwirklichung der Gleichberechtigung von Mann und Frau einsetzen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Gern möchte ich an dieser Stelle an die Veröffentlichung der Expertise der Rechtswissenschaftlerin Margarete Schuler-Harms im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung im September 2010 erinnern. Dort wurden rechtssystematische Aspekte des Betreuungsgeldes in den Blick genommen, und es wurden vier wichtige Schlussfolgerungen gezogen:

1. Das Betreuungsgeld bedeutet die Rückkehr zu einem überholten Modell der Familienförderung.

2. Das Betreuungsgeld verfestigt die traditionelle Rollenverteilung zwischen Frauen und Männern.

3. Die Differenzierung bei der Auszahlung des Betreuungsgeldes nach der Art, zu Hause oder in öffentlicher Betreuung, ist in den Augen der Autorin der Studie verfassungsrechtlich prekär. Nämlich ein Betreuungsgeld zur Anerkennung der Leistung, ein Kind nicht in eine öffentlich geförderte Betreuungseinrichtung zu bringen, verstärkt bereits bestehende Ungleichgewichte.

4. Die bestehende Gesetzgebung kann als paradox bezeichnet werden, da sie Entscheidungen fördert, die das Potential haben, sich insbesondere im Lebenslauf von Frauen negativ auszuwirken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung des Landes Rheinland-Pfalz steht für ausreichend qualitativ hochwertige und kostengünstige bzw. beitragsfreie Betreuungsplätze. Wir werden mit dieser erfolgreichen Politik weiterhin die Kinder im Land und ihre Familien mit ihren Bedürfnissen fest im Blick behalten, statt mit einem kontraproduktiven Instrument wie dem Betreuungsgeld an den Familien vorbei zu planen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es spricht Frau Abgeordnete Sahler-Fesel.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Fachpolitikerin Huth-Haage! Zu Ihrer Information, in Rheinland-Pfalz haben wir einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab zwei Jahren. Dieser Betreuungsplatz darf sehr gerne in der Kita sein. Wir sprechen hier nicht nur über Krippenplätze.

Ich kann Ihnen sagen, bei uns in der Fraktion der SPD findet Gleichstellung in zwei Richtungen statt, da darf der Mann, sogar der Fraktionsvorsitzende selbst, zu einem familienpolitischen Thema sprechen, ohne dass er sich dafür anhören müsste, er hätte keine Ahnung und wäre kein Fachpolitiker. Ich weiß nicht, wo Sie Ihre Fraktionsvorsitzende ansiedeln, aber bei uns muss ein Fraktionsvorsitzender in ganz vielen Feldern fit sein und fundierte Kenntnisse haben. Hendrik Hering, herzlichen Dank dafür.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich möchte auf einen Aspekt eingehen, den Sie unauffällig verschwiegen haben. Betreuungsgeld setzt falsche Anreize und spaltet die Gesellschaft in Besserverdienende und die Menschen, die arm sind, nämlich HartzIV-Empfänger; denn die Besserverdienenden bekommen die Geldleistung. Nachdem eine Gutscheinlösung diskutiert wurde, sind wir jetzt so weit, dass die Ehrlichkeit auf dem Tisch liegt und das Geld auf die Hartz-IVLeistungen angerechnet werden muss. Das ist dummerweise Gesetz. Das klingt so, als ob die Hartz-IVEmpfänger ihre Kinder schlechter erziehen würden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Klöckner, CDU: Was wollen Sie denn? – Zuruf der Abg. Frau Huth-Haage, CDU)

Das ändert sich nicht durch Gebrüll. Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ist genau das, was eine echte Wahlfreiheit bedingt, dass man nämlich nicht nur betteln muss. Man hat einen Anspruch darauf, dass das Kind betreut wird, wenn man das will.

Das ist das Wichtige dabei. Das verstehen wir unter Rechtsanspruch. Frau Klöckner und liebe CDU-Fraktion, im Sinne von Dr. Enders nehmen Sie sich schon in die Pflicht, nehmen Sie Vernunft an.

(Ministerpräsident Beck: Die nehmen nichts an!)

Wir erwarten von Ihnen ein klares Bekenntnis zum weiteren Ausbau der Kindertagesstätten, zum weiteren gebührenfreien Kita-Besuch

(Zuruf der Abg. Frau Huth-Haage, CDU)

und eine Absage an das Betreuungsgeld, das Sie so lieben.

(Glocke des Präsidenten)

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU spricht noch einmal Frau HuthHaage.

(Pörksen, SPD: Jetzt schreit sie wieder rum! – Frau Klöckner, CDU: Ihr schreit doch rum!)

Sehr geehrte Frau Kollegin, Sie lassen uns jetzt hier wieder ratlos zurück. Ich weiß wirklich nicht – – –

(Weitere Zurufe des Abg. Pörksen, SPD, und der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Herr Präsident, es ist unerträglich.

Frau Huth-Haage – – –

Wir wissen nicht, was Sie jetzt wollten. Der „RHEINPFALZ“-Kommentator hat vor einigen Tagen dazu etwas Treffendes gesagt. Er sagt, es ist die Empörungsmaschinerie.

Frau Huth-Haage, Entschuldigung – – –

Die Empörungsmaschinerie ist losgetreten, und das haben Sie jetzt noch einmal aufgegriffen.

(Zurufe von der SPD)

Ich will darauf gar nicht mehr eingehen. Frau Ministerin, was Sie gesagt haben, das hat mich auch enttäuscht. Sie sagen jetzt, das Rollenbild verfestigt sich. Frau Ministerin, wir sprechen hier von den ersten drei Lebensjahren eines Kindes. Da verfestigen sich keine Rollenmodelle.

(Ramsauer, SPD: Doch! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ich sage Ihnen einmal, da sind die Bayern weiter. In deren Modell steht nämlich, es kann sowohl der Vater als auch die Mutter zu Hause bleiben. Da redet doch keiner rein. Das können die Familien doch selbst entscheiden.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, eine Sache ist mir aber noch wichtig. Das haben Sie auch betont: diese eigenartige Kombination Rot-Grün mit Arbeitgeberverbänden und DGB. – Herr Hundt und Herr Sommer machen sich Gedanken über den Fachkräftemangel. Das dürfen sie tun. Ich glaube aber, wir als Familienpolitiker sollten die Familien im Fokus haben.

(Beifall der CDU – Zurufe von der SPD)

Familien sind für uns kein Steinbruch der Wirtschaft.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen einmal sagen, was die thüringische Ministerpräsidentin gesagt hat. Sie sagte, sie habe eine Vermachtung durch Ideologie erlebt, und weiter, sie sei nicht bereit, eine zunehmende Vermachtung durch die Wirtschaft in allen Lebensbereichen hinzunehmen. Recht hat sie.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, wir dürfen Familien doch nicht der Wirtschaft unterwerfen. Wir waren früher einmal weiter. Da haben wir gesagt, die Wirtschaft hat sich den Familien anzupassen. Sie wollen hier doch jetzt das Gegenteil.

Eine Sache ist mir auch noch wichtig: eine Landesregierung, die immer wieder Toleranz vor sich herträgt und wie tolerant diese Gesellschaft sein müsse. – Seien Sie doch einmal tolerant bei Familien. Seien Sie doch einmal tolerant bei denen, die vielleicht einen anderen Lebensentwurf haben, als Sie es gern hätten, Frau Ministerin.

(Beifall der CDU)

Darum bitte ich Sie ganz herzlich. Werden Sie Ihren eigenen Ansprüchen in punkto Toleranz gerecht.

(Beifall der CDU – Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Abenteuerlich!)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abgeordnete Spiegel.