Protokoll der Sitzung vom 03.05.2012

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Sehr richtig!)

Das rheinland-pfälzische Bildungssystem ist auf die steigende Anzahl von Kindern, in deren Familien nicht oder nur wenig deutsch gesprochen wird, noch besser auszurichten. Die Förderung der deutschen Sprache, verstanden als Schlüssel zum Bildungserfolg, muss originärer Bestandteil der Pädagogik in den Kindertagesstätten und den Schulen sein und mit der Aufnahme des Kindes in der Kindertagesstätte sofort beginnen. Für die sogenannten Quereinsteiger, also Kinder, die im schulpflichtigen Alter mit ihren Eltern zu uns kommen, müssen Konzepte entwickelt werden, damit sie möglichst schnell erfolgreich am Unterricht teilnehmen können. Feriensprachkurse helfen hier, sind jedoch allein nicht ausreichend.

Damit werden die Bildungschancen verbessert und Misserfolgen von Bildungsverläufen vorgebeugt. Voraussetzung hierfür sind Qualitätsstandards, ganzheitliche evaluierte Arbeitskonzepte, mehr Personal mit Migrationskompetenzen – wir hatten eben ein Gespräch, bei dem vom Initiativkreis gefordert worden ist, mehr Lehrer

mit Migrationshintergrund in den Landesdienst einzustellen – und gleichzeitig die aktive Mitarbeit von Eltern mit Migrationshintergrund für ihre Kinder. Hier kann das Pilotprojekt der Elternlotsen, wie es in der vergangenen Woche in Worms im Beisein der Ministerin vorgestellt wurde, wertvolle Hilfe leisten.

Wie im Zuwanderungs- und Integrationsbericht zutreffend festgestellt wird, kommt der Verbesserung der Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegration von Migrantinnen und Migranten eine zunehmende Bedeutung zu; dies umso mehr mit Blick auf die demografische Entwicklung und die mittel- und langfristige Sicherung des Fachkräftebedarfs. Verstärkte Berufsorientierung der Schulen, flächenübergreifende Vermittlung der betrieblich relevanten Bildungsinhalte, ausbildungsbegleitende und arbeitsweltorientierte Sprachförderung sowie bessere Beratung zur Berufswahl und zu Bewerbungsstrategien fördern die Ausbildungsfähigkeit der Schulabgänger.

Das Übergangsmanagement von der Schule in den Beruf muss mit festen Ansprechpartnern und verlässlichen Strukturen ganzheitlich vernetzt sein. Trotz der von 2005 mit 21,6 % zum Jahr 2010 fast um die Hälfte auf 12,7 % reduzierten Arbeitslosenquote von Ausländerinnen und Ausländern ist deren Situation im Vergleich zur allgemeinen Arbeitslosigkeit, die im Jahr 2010 bei 5,7 % lag, immer noch mehr als doppelt so hoch.

Tendenziell finden die Zuwanderer wegen ihrer Bildungs- und Qualifikationsvoraussetzungen nur schwer eine Beschäftigung. Sie werden teilweise auch unterqualifiziert beschäftigt. Das von der Bundesregierung initiierte und mittlerweile mit der Zustimmung des Bundesrats versehene Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen wird zukünftig den Zugang zu qualifizierten Berufsfeldern erleichtern und damit auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

(Beifall bei der CDU)

Die Arbeitswelt bedarf mehr interkultureller Kompetenzen und interkulturellen Bewusstseins, um auch hier die Potentiale der Zugewanderten besser zu nutzen. Dass es auch hier positive Beispiele gibt, zeigt die Preisverleihung für ein vorbildliches interkulturelles Miteinander unter anderem an das Polizeipräsidium in Mainz und die ARGE in Mayen-Koblenz.

In der Polizeilichen Kriminalstatistik ist der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger in allen Altersgruppen etwa doppelt so hoch wie der Anteil der Nichtdeutschen an der Wohnbevölkerung. Wenn auch laut des Bundesinnenministeriums die seit Langem in Deutschland lebenden und beruflich integrierten Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit im Kriminalitätsgeschehen eine eher geringe Rolle spielen und die Erklärung des überproportionalen Anteils von Nichtdeutschen nicht im Merkmal der Staatsangehörigkeit gefunden werden kann, sondern in den sozialstrukturellen Einflussfaktoren und Lebensumständen der Menschen gesucht werden muss, dürfen wir uns damit nicht zufriedengeben.

Die Erkenntnisse über die aktive und passive Gewalt und Kriminalitätsbelastung bei Menschen mit Migrationshintergrund sind unzureichend. In unserer Gesellschaft wird Gewalt nicht akzeptiert. Die Gewaltbelastung ist als soziales oder sozial bedingtes Problem der Prävention zugänglich. In der an den Schulen geleisteten Gewaltprävention ist besonderer Wert auf die gewaltfreie Problemlösung zu legen.

Die Anstrengungen zur Stärkung der interkulturellen Kompetenz der Polizei müssen weitergeführt werden. Hierzu gehört auch die weitere Erhöhung der Anzahl der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten mit Migrationshintergrund, ähnlich wie es vorhin schon bei den Lehrern berichtet wurde. Der Bildungsgang „Polizeidienst und Verwaltung“ an den höheren Berufsfachschulen trägt maßgeblich dazu bei. Die Polizeiliche Kriminalstatistik muss um zusätzliche Parameter erweitert werden, damit die Gewaltproblematik bei Menschen mit Migrationshintergrund authentisch abgebildet und analysiert werden kann. Darauf aufbauend ergeben sich dann Möglichkeiten, um gezielter und stärker präventiv vorgehen zu können.

Informationslücken, Kommunikation und kulturelle Probleme führen zu Zugangsdefiziten von Menschen mit Migrationshintergrund in die Gesundheits- und Pflegeberufe. Gerade vor dem Hintergrund des massiven Fachkräftemangels in diesem Bereich müssen die brachliegenden Potentiale stärker ausgeschöpft werden. Mit dem demografischen Wandel steigt auch der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in der Altersgruppe der Seniorinnen und Senioren.

Das Gesundheits- und Pflegeangebot muss sich deshalb auch der Frage nach dem besonderen Hilfebedarf bei Menschen mit Migrationshintergrund stellen – hier gilt das Stichwort der kultursensiblen Pflege – und sich hierfür inhaltlich und personell mit Versorgungskonzepten öffnen.

Wir brauchen auch zukünftig eine Einwanderungspolitik, die die Einwanderung qualifizierter und hoch qualifizierter Fachkräfte gezielt steuert. Die Einführung des neuen Aufenthaltstitels Blaue Karte EU wird, wenn auch der Bundesrat sein Zustimmung erteilt, durch die Anpassung der aufenthaltsrechtlichen Regelungen und der Herabsetzung der Gehaltsgrenzen gerade in den sogenannten Mangelberufen, wie den Ärzten, Ingenieuren und ITFachkräften, den Zuzug und den dauerhaften Aufenthalt von gut ausgebildeten Ausländerinnen und Ausländern erleichtern. Die Integration der zugewanderten Menschen macht erkennbare und auch in den Statistiken messbare Fortschritte. Dennoch bleibt noch viel für uns zu tun.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Dieter Klöckner das Wort.

Sehr verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Uns liegt ein Bericht von nahezu 200 Seiten vor. Ich habe zuerst einmal gestöhnt. Es ist aber ein großer statistischer Teil dabei, den ich jedem empfehlen sollte. Der Textteil ist eine interessante Lektüre, zeigt er doch eine Erfolgsbilanz auf, die aus meiner Sicht beachtlich ist.

Der 4. Zuwanderungs- und Integrationsbericht zeigt schon in der Einleitung interessante Zahlen. Herr Kessel hat sie genannt – ich will sie noch einmal wiederholen –, obwohl er einen falschen Schluss gezogen hat. Vielleicht haben Sie sich verrechnet. Wenn man sieht, dass im Schuljahr 1980/1981 46,6 % der Schülerinnen und Schüler ohne Hauptschulabschluss waren, so waren das im September 2010 12,1 %. Das ist nach meiner Rechnung – so viele Grundrechenarten habe ich noch drauf – keine Halbierung, sondern entschieden mehr als eine Halbierung.

Auch die allgemeine Hochschulreife – das ist sehr wichtig – lag im Jahr 1980/1981 bei nur 2,9 % und ist im September 2010 mit 12,1 % gemessen worden. Auch der qualifizierte Sekundarabschluss ist von 6,4 % auf beachtliche 36,9 % gestiegen. Sicher kann man sagen, dass das noch verbesserungsbedürftig ist. Das ist aber mit Sicherheit eine wirkliche Erfolgsbilanz, die nicht zuletzt auch mit der Integrationspolitik und den Integrationsmaßnahmen des Landes zu tun hat.

In dem Bericht sind acht Handlungsfelder aufgeführt. Einzelne möchte ich ganz kurz würdigen, wobei man bei dieser wirklich breit gestreuten Initiative und der Vielzahl von Projekten große Gefahr läuft, das eine oder andere zu vergessen.

Das Integrationskonzept hat die individuelle Sozialkompetenz von Fachkräften innerhalb der Regeleinrichtungen der allgemeinen Daseinsvorsorge verlangt. Ein Ministerbeschluss, in dem es darum ging, die Potentiale der Migrantinnen und Migranten zu nutzen und die gleichberechtigte Teilnahme zu ermöglichen, soll Zeichen setzen, um die Integration auch innerhalb der Landesverwaltung nachdrücklich voranzutreiben. Das wird auch durch Monitoring-Programme und Ähnliches in vielfältiger Weise vorgenommen. Das möchte ich nicht im Einzelnen hervorheben.

Viele Projekte und Maßnahmen laufen in Kooperation mit den NGOs, wie zum Beispiel Integrationskonzepte in kleinen und mittleren Kommunen zusammen mit den Beiräten für Migration und Integration. Vereine, Wohlfahrtsverbände, Kirchen, Wohnungsunternehmen, Arbeitgeber, Gewerkschaften, vier Kommunen, nämlich Mainz, Koblenz, Trier und Landau, und vier Landkreise, und zwar Mayen-Koblenz, Cochem-Zell, BernkastelWittlich und Germersheim, sind eingebunden.

Zu erwähnen ist auch RIGG, das Interventionsprojekt gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen. Das hat – so sagt auch der Bericht – einen hohen Stellenwert bei der Unterstützung von Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund.

Malu Dreyer hat im Jahr 2010 die Initiative „Vorsprung durch Vielfalt“ ins Leben gerufen. Inzwischen sind 50 Akteure aus der Wirtschaft, dem Arbeitsmarkt und dem Sozialbereich dabei, Werbung für die Potentiale der Menschen mit Migrationshintergrund zu machen.

Im Bereich Partizipation ist sehr vieles geschehen. 32 % der Menschen mit Migrationshintergrund sind ehrenamtlich tätig. Das ist ein bisschen unterhalb des Levels im Land. Wir liegen aber weit über dem im Bund mit 23 %. Ich denke, das ist eine beachtliche Zahl des Engagements.

Der Landesbeirat für Migration und Integration als Nachfolger von RIFI wurde 2007 von Malu Dreyer einberufen. Morgen wird er wieder mit einer interessanten Tagesordnung und einer breit gestreuten Teilnehmerzahl aller Migrationsbereiche tagen.

Ein großer Erfolg war 2009 die Umgestaltung und die Neuwahl der Beiräte für Migration und Integration. 49 Beiräte sind gewählt worden, wobei nur zwei berufen werden mussten. 47 sind gewählt worden. Das ist eine Steigerung von sage und schreibe 40 %. Wenn ich sehe, dass der Frauenanteil bei 40 % und in den Kommunen allgemein bei 17 % liegt, ist das ein enormer Fortschritt. Die Wahlbeteiligung lag dieses Mal bei fast 11 %. Einige haben gelästert und sagen: Mein Gott, wo ist mit 11 % die Legitimation? Bei Pfarrgemeinderäten und bei Presbyteriumswahlen liegt sie deutlich unter 10 %, um eine Vergleichszahl zu nennen.

Die AGARP unterstützt diese Arbeit beträchtlich und wird auch finanziell und organisatorisch von der Landesregierung gestützt.

Seit 1997 gibt es Bemühungen – Anne Spiegel hat darauf hingewiesen –, den Artikel 28 des Grundgesetzes zu ändern, damit man endlich das kommunale Wahlrecht für alle Menschen, die in Deutschland leben, erreichen kann. Das scheitert bisher leider an der CDU; denn dafür benötigt man eine verfassungsändernde Mehrheit. In diesem Fall sollte die CDU einmal in sich gehen und eine Änderung herbeiführen.

Die Aktion „Ja zur Einbürgerung“, getragen vom Ministerium, der AGARP und dem Initiativausschuss für Migrationspolitik in Rheinland-Pfalz, hat meiner Meinung nach sehr viele Erfolge zu verzeichnen. Die Zahl der Einbürgerungen hat sich dadurch erhöht.

Anne Spiegel hat mit Recht darauf hingewiesen – ich kann dem nur beipflichten –, dass endlich die Optionspflicht nach § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes abgeschafft werden sollte, die inzwischen eine Vielzahl von jungen Menschen betrifft. Ich meine, das ist ein Nachteil in jeder Hinsicht. Man sollte an dieser Stelle für eine Gleichberechtigung mit allen anderen Bürgerinnen und Bürgern sorgen.

Ich merke, dass mir die Zeit langsam davonläuft. Deshalb muss ich zusehen, dass ich die wichtigsten Punkte noch hervorhebe.

In dem Zusammenhang möchte ich den Brückenpreis erwähnen, der vom Ministerpräsidenten regelmäßig

verliehen wird. Dabei geht es um ein Miteinander zwischen Behinderten und Nichtbehinderten, um den Dialog zwischen Jung und Alt und auch stark um die Integrationsfrage. 2010 wurde beispielsweise in Neustadt an der Weinstraße das orientalische Frühstück ausgezeichnet.

Die Kampagne für Zivilcourage „Wer nichts tut, macht mit“, das Feuerwehr-Integrationskonzept und das sehr wichtige Förderprogramm „Soziale Stadt“ sind zu erwähnen. Das gilt auch für „Muslimische Mädchen im Sportverein“. Ich habe das selbst in Bendorf erlebt. Dort befindet sich ein Brennpunkt, in dem sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund leben. Dort war eine starke Beteiligung zu verzeichnen.

Auf die Bildung ist bereits hingewiesen worden.

740 Euro je Kind und KITA-Jahr beseitigen soziale Härten. Das betrifft zum großen Teil die Familien mit Migrationshintergrund. Man muss überlegen, 98,9 % besuchen den Kindergarten. Das ist eine Zahl, die vielen im Land nicht bekannt ist und auf die man hinweisen sollte.

Der muttersprachliche Unterricht in 17 Herkunftssprachen hat im Berichtszeitraum rund 1.400 Schülerinnen und Schüler angesprochen. 148 muttersprachliche Lehrkräfte sind tätig. Ich sage an dieser Stelle, weil wir uns da im Landtag nicht einig sind, dass der muttersprachliche Unterricht konstitutiver Teil einer ganzheitlichen Persönlichkeitsbildung ist und von uns weiter tatkräftig gefördert wird.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Da sind wir uns einig mit allen Sprachwissenschaftlern, die auch bestätigen, dass es wichtig ist, die Muttersprache zu lehren, weil man dann die besten Voraussetzungen hat, um die Zweitsprache zu lernen. In diesem Bereich wird viel getan. „Mama lernt Deutsch“, die Ferienkurse usw. sind angesprochen worden.

Im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt sind die JobFüxe zu erwähnen.

Das ist das Ergebnis, wenn man die Rede nicht ausgearbeitet, sondern sich nur Stichworte notiert hat. Ich merke, dass ich Schwierigkeiten mit der Zeit bekomme.

Im Hinblick auf die Bildung möchte ich auch das vom ESF mit geförderte Programm „Schulverweigerung – die 2. Chance“, das Projekt „MuT“ in Bad Kreuznach, bei dem Mentorinnen weibliche Teenager beim Einstieg ins Berufsleben fördern, und das Projekt „Integration durch Ausbildung“ erwähnen. „Integration durch Ausbildung“ ist ein interessantes Projekt in Ludwigshafen, bei dem türkische Firmeninhaber als Ausbilder zusätzliche Ausbildungsplätze in 86 Betrieben geschaffen haben. Die Handwerkskammer Koblenz hat in meinem Bereich das Projekt „HiM“ (Handwerk integriert Migranten) aufgelegt. Der Projektbeginn war im Jahr 2007. 2010 – also zum Ende des Berichtzeitraums – befanden sich 77 Jugendliche in ständiger Betreuung durch zwei Netzwerker, von denen einer einen Migrationshintergrund aufweist, und einen Ausbildungsakquisiteur.

Zu weiteren Punkten kann ich leider keine Stellung nehmen, weil dadurch der Zeitrahmen gesprengt würde.

Die letzte halbe Minute möchte ich aber noch dazu nutzen, um darauf hinzuweisen, dass wir seit 1998 einen Landespräventionstag haben, der von der Leitstelle Kriminalprävention durchgeführt wird. Darüber werden sehr viele kommunale Präventionsprojekte gefördert. Als Beispiel nenne ich „Die Zukunft nicht verpassen“, bei dem es sich um ein türkisches Theaterstück in Koblenz handelt.

(Glocke des Präsidenten)

Weiter sind zu erwähnen „Schule ohne Rassismus“ und „Schule mit Courage“, an denen sich 35 Schulen beteiligen.

Nicht vergessen werden soll auch eine umfassende Gedenkarbeit, die wir in Rheinland-Pfalz pflegen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.