Protokoll der Sitzung vom 20.06.2012

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die beiden Regierungsfraktionen haben jeweils noch die Hälfte, jeweils 11 Minuten und 23 Sekunden plus zwei Minuten.

Herr Kollege Hering, Sie haben das Wort.

(Licht, CDU: Das wird ganz schwer. Aber jetzt nicht noch einmal das Gleiche erklären! – Pörksen, SPD: Das ist auch völlig sinnlos!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rede, die Sie hier gehalten haben, entsprach der Sprachregelung der Bundesregierung, der CDU-Bundestagsfraktion und vielleicht des Parteivorstandes mit Stand vor zwei Monaten, Frau Klöckner. Das haben Sie hier heute in der Debatte vorgetragen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ministerpräsident Beck: So ist es!)

Der Diskussionsprozess ist weitergegangen. In den meisten Punkten hat die Bundesregierung einsehen müssen, dass ihre ursprüngliche Position, einen reinen Fiskalpakt, der nur Sparen vorschreibt, ohne Wachstumsprogramm, ohne Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit, ohne Einnahmeverbesserungen in Europa, nicht haltbar ist. Das haben Sie entweder nicht zur Kenntnis genommen oder wollen das nicht zur Kenntnis nehmen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vor allen Dingen hat eines stattgefunden: Die Krise hat sich weiter verschärft, weil sinnvolle Maßnahmen blockiert wurden. Die Wahl in Frankreich, deren Ergebnis Sie kritisiert haben, ist ein wichtiger Baustein gewesen, um Lösungskonzepte auf europäischer Ebene auf den Weg zu bringen.

(Licht, CDU: Man sollte dabei auch wissen, wie die Krisen entstanden sind!)

Herr Licht, eines hat stattgefunden – da hat der Ministerpräsident recht –: Bis zu dem Zeitpunkt, als Sie ermahnt wurden, haben Sie demonstrativ bei der Debatte nicht zugehört, haben sich demonstrativ mit dem Nachbarn unterhalten. Das ist ein unmöglicher Stil bei einer solchen zentralen Debatte, in der es um die Zukunft von Europa und Deutschland geht.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dann haben Sie es als kleinkariert bezeichnet, dass wir im rheinland-pfälzischen Landtag über das zentrale Recht der Volksvertretung sprechen, das Budgetrecht, und alle 16 Bundesländer die kritische Frage gestellt haben, dass mit der Ausführung des Fiskalpakts, so wie er ursprünglich vorgelegt wurde, massiv die Budgetrechte der Länder tangiert sind und dies nach Auffassung von Verfassungsexperten verfassungswidrig ist. Das ist nicht kleinkariert, sondern dann ist es unsere Pflicht, uns mit dem Budgetrecht des Parlaments auseinanderzusetzen Dazu sind wir gewählt, diese Aufgabe wahrzunehmen.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es ist unredlich zu sagen, dass die, die sich für Wachstumsprogramme entschließen und die Maßnahmen auf europäischer Ebene gegen die Jugendarbeitslosigkeit

auf den Weg bringen, diese Schritte mit neuen Schulden finanzieren. Es ist immer damit verbunden worden, dass dies durch zusätzliche Einnahmen, insbesondere durch eine Finanztransaktionssteuer, finanziert werden soll oder durch Mittel der Strukturprogramme, die derzeit ausgezahlt werden können. Keiner hat die These vertreten, es soll durch neue Schulden finanziert werden. Deswegen sind die Aussagen auch unredlich.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Finanztransaktionssteuer ist ein Punkt, bei dem die Bundesregierung zugeben musste, ihre Position ist nicht mehr haltbar. Mittlerweile wirbt Angela Merkel bei Martin Schulz und anderen dafür, doch neun Staaten zu finden, die gemeinsam mit ihnen die Finanztransaktionssteuer auf den Weg bringen können, eine Position, die wir seit zwei Jahren vertreten. Hätten wir früher gehandelt, hätten wir höhere Einnahmen.

Ich bin der festen Überzeugung, auch andere Länder in Europa, selbst England, werden darüber nachdenken, diese Steuer einzuführen, wenn sie eine Reihe von Staaten bereits auf den Weg gebracht haben.

Wenn Sie die Ausführung machen, es gäbe keinen Zusammenhang zwischen den Forderungen der Länder, die Finanzsituation der Kommunen zu verbessern, und dieser europäischen Debatte, dann haben Sie die Dimension der Diskussion nicht verstanden.

Der Ministerpräsident hat sehr nachvollziehbar dargestellt, wenn ein Verschuldungskorridor von 0,5 % festgelegt wird, den wir akzeptieren, und der Bund sich 0,35 % vorbehält, das dann heißt, dass es bei steigenden Zinsen und – was nicht auszuschließen ist – bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten keinen finanziellen Spielraum der Länder mehr geben wird, den Kommunen zu helfen. Das wird schlicht und ergreifend aufgrund der Verfassungslage und der Vorgaben des Fiskalpaktes nicht möglich sein, dass Länder, selbst wenn sie es wollten, die finanzielle Situation der Kommunen verbessern können.

Dann werden wir eine Diskussion bekommen – wir müssten alle ein Interesse daran haben, dass es sie nicht gibt –, in der Bürger die Frage stellen, warum bei ihnen das Schwimmbad geschlossen wird und der Putz von den Wänden fällt. Dann werden radikale Kräfte in der Politik die Stimmung ausnutzen und formulieren, das liege an den Beschlüssen in Europa. In anderen Ländern wird das Geld ausgegeben, das eigentlich in den Kommunen benötigt wird.

(Zuruf des Abgeordneten Baldauf, CDU)

Wer den Zusammenhang nicht erkennt und sich dafür nicht einsetzt, der führt fahrlässig solche Situationen herbei. Deswegen brauchen wir einen handlungsfähigen Staat, beginnend von den Kommunen über die Länder bis hin zum Bund. Das muss bei solchen Entscheidungen bedacht werden, meine Damen und Herren,

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Mich hat das sehr bewegt, als Martin Schulz, der auf dem Parteikonvent Ausführungen zu Europa gemacht hat, von einem Gespräch mit Jugendlichen aus Spanien berichtet hat.

Er war dort in einer Universität und hat mit Hochschulabsolventen mit besten Examen, die teilweise zwei Studienabschlüsse hintereinander absolviert haben, diskutiert, die ohne Polemik die Frage gestellt haben: Die Politik in Europa hat mehrere hundert Milliarden Euro für die Sicherung des Bankensystems aufgebracht. Welchen Betrag seid ihr bereit aufzubringen, um uns eine Zukunftsperspektive zu geben? – Er musste redlicherweise zu diesem Zeitpunkt sagen: Beschlossen haben wir noch keinen einzigen Euro.

Welches Signal kommt bei der jungen Generation in großen Teilen von Europa an, wenn wir an einem solchen Kurs festhalten würden, den Sie hier propagiert haben? – Nicht ein Europa der Solidarität, sondern ein Europa, dass dann, wenn es schwierig wird und Zukunftsperspektiven für junge Menschen auf dem Spiel stehen, ihnen die kalte Schulter zeigt.

Eine solche Politik werden wir nicht vertreten; denn wir wollen junge Menschen von Europa begeistern. Wir wollen sie von der europäischen Idee neu begeistern und sie zu Anhängern von Europa machen. Mit der Politik, die Sie formulieren, machen wir sie zu Gegnern von Europa.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Sie haben davon gesprochen, es müssten auch Kontrollen stattfinden. Dabei haben Sie wahrscheinlich nur die Kontrollen bezüglich der Verschuldung von Staaten gemeint. Diese Kontrolle muss auch stattfinden. Wir haben immer gesagt, Hilfe darf keine Einbahnstraße sein. Aber was wir brauchen, ist insbesondere ein Kontrollsystem der Banken und Finanzmärkte.

(Frau Klöckner, CDU: Das habe ich doch auch gesagt!)

Dies sind die eigentlichen Ursachen für die Staatsschuldenkrise; denn ein Großteil der Schulden musste gemacht werden, um das Bankensystem zu sichern und die Folgen der Weltwirtschaftskrise zu beseitigen. Dies ist eine der entscheidenden Ursachen für die Staatsschuldenkrise, die wir momentan haben.

Helfen Sie dabei, dass diese Beschlüsse gefasst werden; denn Sie wissen ganz genau, dass Sie als CDU die notwendigen Maßnahmen der Bankenaufsicht und der Finanztransaktionssteuer schon lange auf den Weg gebracht hätten, wenn Sie sich von der FDP nicht hätten erpressen lassen, eine „vernünftige“ Politik zu machen. Sie sind das Opfer einer Koalition, die regierungsunfähig ist und in Deutschland und in Europa großen Schaden angerichtet hat.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Oh!)

Frau Klöckner, wenn Sie das, was Sie vor einigen Monaten schon einmal zu der Euro-Krise und heute zum Fiskalpakt ausgeführt haben, einmal mit dem vergleichen, was Ende des Monats auf dem europäischen Gipfel – möglicherweise noch vor der Sommerpause oder auch danach – im Bundestag und im Bundesrat von Ihren Parteikollegen mit der entsprechenden Mehrheit verabschiedet wird, dann ist dies vielleicht Veranlassung, einmal kritisch darüber nachzudenken, dass Sie Positionen vertreten, die in der Tat nicht mehr haltbar sind und die vor allen Dingen nicht dazu führen, dass ein Gemeinwesen gestärkt wird. Wir brauchen eine verantwortungsvolle Politik, die über den Tag hinaus denkt, aber das haben wir von Ihnen leider nicht gehört.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat noch einmal Frau Kollegin Klöckner das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Beck! Ich möchte vorab eines sagen: Als ich meine Rede in der ersten Runde begann und Sie auch ansprach, wie ich es immer in meiner Grußformel tue, waren Sie lautstark im Gespräch. Sie sind die Person, die mich laut Protokoll als „diese Tante“ bezeichnet hat. Ich lasse Ihnen dieses Protokoll gerne zukommen.

(Ministerpräsident Beck: Was? Ich kenne dieses Wort überhaupt nicht!)

Deswegen müssen Sie mir keine Nachhilfe im parlamentarischen Stil geben. Dieses Protokoll lasse ich Ihnen gerne zukommen – das sage ich Ihnen hier und heute zu –, aus dem hervorgeht, dass Sie mich im Parlament jüngst als „diese Tante“ bezeichnet haben.

(Beifall der CDU – Ministerpräsident Beck: Das stimmt nicht! Das ist nicht richtig! Ich kenne das Wort gar nicht! – Zurufe von der SPD)

Herr Ministerpräsident, Sie brauchen sich darüber nicht aufzuregen. Ich stehe zu meinem Wort: Ich lasse Ihnen das Protokoll zukommen. Darin sprechen Sie von „dieser Tante“, und Sie meinen mich damit. Das werde ich Ihnen zukommen lassen. Ich denke, dann werden auch die SPD-Kollegen verstummen, es sei denn, sie zweifelten die Richtigkeit eines Protokolls im Landtag an, aber das glaube ich nicht.

(Beifall der CDU – Zurufe von der SPD)

Sehr geehrter Herr Kollege Hering, ich höre gerade, ich soll zum Thema reden. Wenn Herr Ministerpräsident Beck und Herr Hering sich darüber beklagen, dass ich

mit einem Kollegen spreche, dann darf ich auch ansprechen, wenn sich der Ministerpräsident unterhält, während ich am Reden bin und ihn sogar in meiner Grußformel anspreche. Ich denke, dabei sollten wir die parteipolitische Brille einmal weglassen.

(Beifall der CDU – Ramsauer, SPD: Sie machen das doch immer!)

Sehr geehrter Herr Kollege Hering, Sie sprachen davon, ich hätte behauptet – das können wir auch im Protokoll nachlesen –, es ginge um Kleinkariertheit. Vielleicht sollten Sie etwas besser hinhören. – Wir lesen es im Protokoll gern nach. Ich habe zu Beginn gesagt, Sie versuchen, das, was in Berlin mit großer und konstruktiver Arbeit auch der SPD im Bundestag beraten wird, mit kleiner Münze zu wechseln. – Das ist etwas anderes, als wenn Sie behaupten, ich würde sagen, die Debatte sei kleinkariert und habe hier nichts zu suchen.

(Beifall der CDU)

Ich finde es nicht in Ordnung, dass man sich irgendwelche Zwischenrufe oder vor allen Dingen Debattenpunkte heraussucht, die es überhaupt nicht gegeben hat. Das ist unredlich, und dies möchte ich zu Beginn dieser Rede einfach einmal sagen. Das ist nicht in Ordnung.