Protokoll der Sitzung vom 20.06.2012

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrter Herr Ministerpräsident! Die Lösung der Eurokrise ist eine wahrhaft historische Aufgabe. Leider wechselt der Fraktionsvorsitzende der SPD seine staatspolitische Verantwortung in sehr kleiner Münze. Das unterscheidet ihn von der SPD in Berlin.

(Beifall der CDU)

Europa braucht eine Vertiefung der europäischen Integration. Europa braucht eine gemeinsame Bankenaufsicht, und Europa braucht eine Fiskalunion, in der auch die Finanzpolitik abgestimmt und überwacht wird; denn Haftung und Kontrolle gehören wie die zwei Seiten einer Medaille untrennbar zusammen.

(Beifall der CDU)

Aus diesem Grund kommen wir nicht um einen strikten Sparkurs und um Strukturreformen herum. Sie sind

notwendig. Deshalb ist der Fiskalpakt, der allen Ländern strengere Schuldengrenzen auferlegt, ein erster Schritt.

Ich kann für die CDU-Landtagsfraktion sagen: Wir stehen voll und ganz hinter dem Projekt des Fiskalpakts. Wir fordern die Landesregierung nachhaltig auf, diesen Fiskalpakt im Bundesrat weder zu blockieren noch zu verzögern. Das ist eine staatspolitische Aufgabe, der Sie gerecht werden müssen.

(Beifall der CDU)

Warum? – Der Fiskalpakt, eine Erfindung unserer Bundeskanzlerin, soll dafür sorgen, dass sich die EUStaaten künftig nicht mehr bis über beide Ohren verschulden. Im Sinne künftiger Generationen und im Sinne des deutschen – aber auch des rheinland-pfälzischen – Steuerzahlers sind wir der Bundeskanzlerin sehr dankbar dafür, dass sie Kurs hält.

(Beifall der CDU)

Die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung in Berlin haben sich zu Recht gegen die Vorstellung der Berliner Opposition gewehrt, Eurobonds einzuführen, und sie sind, anders als die SPD selbst, zur Hüterin der Agenda 2010 geworden.

(Beifall bei der CDU)

Während die Mitglieder der SPD nach Frankreich zu Hollande pilgern, der das Renteneintrittsalter auf 60 Jahre absenken will, sieht es die Bundeskanzlerin eben nicht ein, dass unsere 67-Jährigen mit ihren Steuern diese Wohltaten mitfinanzieren sollen. Das ist richtig.

(Beifall der CDU)

Eine Vergemeinschaftung der Schulden ist völlig kontraproduktiv. Der Fiskalpakt ist richtig und wichtig. Wir müssen ihm ohne parteitaktisches Kalkül zustimmen.

Weitere kreditfinanzierte sogenannte Wachstumspakete sind nämlich hoch riskant. Wir alle müssen der Versuchung widerstehen, die Förderung von Wachstum wieder mit mehr Schulden zu finanzieren. In Deutschland gibt es schon eine solche Regelung: die Schuldenbremse. Diese wurde von der Großen Koalition, also unter maßgeblicher Beteiligung der SPD, im Grundgesetz festgeschrieben. Der Pakt muss dennoch vom Bundestag und vom Bundesrat mit einer Zweidrittelmehrheit ratifiziert werden. Das ist gut und richtig.

Nun macht Ministerpräsident Beck die Zustimmung zum Fiskalpakt davon abhängig, dass die Bundesregierung Rechnungen übernimmt, die bisher bei den Ländern lagen. Dass Kosten für Behinderte und der Fiskalpakt nicht ursächlich miteinander zu tun haben, liegt auf der Hand. Folgerichtig lehnt Finanzminister Schäuble den Vorstoß als sachfremd ab. Er bot aber an, Verhandlungen über eine generelle Reform der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufzunehmen.

Auch Deutschland darf nicht überfordert werden. Herr Ministerpräsident, wir sitzen alle in einem Boot. Ihre Aufforderung an die Bundesregierung, ebenfalls Euro

bonds zu übernehmen und sich für andere notleidende Länder in Europa stärker in Haftung nehmen zu lassen, hat für die Bundesländer – auch für Rheinland-Pfalz – und für die Gemeinden Auswirkungen. Auf der einen Seite fordern Sie, dass sich der Bund stärker engagiert, auf der anderen Seite wollen Sie mehr Geld vom Bund haben. Sie geben den Kommunen nichts ab. Sie müssen uns erst noch erklären, wo die Kanzlerin die Erdölquelle gefunden haben soll, um Ihre Wünsche zu finanzieren. Das ist unredlich und auch unanständig.

(Beifall der CDU)

SPD und die GRÜNEN drohen, den Fiskalpakt abzulehnen, den sie im Grundsatz für richtig halten. Herr Ministerpräsident, ich bin froh, dass Sie von dem hohen Ross heruntergekommen sind und nicht mehr die komplette Übernahme der Eingliederungshilfe fordern. Es ist nämlich klar, dass wir ein Problem mit den steigenden Sozialkosten haben. Ich erinnere daran, was der Kollegin Hedi Thelen passiert ist: Als wir hier die Haushaltsdebatte geführt haben und sie über steigende Eingliederungskosten sprach, wurde ihr und der CDU allein die Thematisierung dieser Problematik – bis zum Jahr 2020 werden die Kosten in Deutschland um 50 % steigen – als unsozial ausgelegt. Das war auch nicht in Ordnung und auch nicht anständig.

(Beifall der CDU)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich werde in der zweiten Runde darauf eingehen, welche notwendigen Voraussetzungen wir für die Zustimmung zum Fiskalpakt sehen: Was muss für die Länder gewährleistet sein? – Eines ist klar: Wir haben die Schuldenbremse im Grundgesetz festgeschrieben. Wenn wir das einhalten, wozu wir jetzt schon verpflichtet sind, gibt es gar keinen Grund, ein solches Getöse zu machen, wie es von Ihnen hier kommt.

(Beifall der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Kollege Köbler das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Ich glaube, das Thema ist viel zu groß, um hier kleinstaatlerische Neiddebatten, wie wir sie gerade hören mussten, vom Zaun zu brechen. Schauen wir uns doch die Situation in Europa einmal an. Wir haben eine dramatische Situation in Griechenland und eine schwierige Situation in Spanien.

Auf der anderen Seite gab es in Frankreich eine Wahl, die eines deutlich gemacht hat: Die Politik, die die konservativ geführten Nationalstaaten, insbesondere die Republik Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland, betrieben haben, wird Europa nicht in die Zukunft führen. Ja, ich sage sogar: Wenn man genau hinguckt

und den Horizont erweitert, stellt man fest, dass Angela Merkel mit ihrer Europapolitik in Europa vor einem Scherbenhaufen steht.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Das andauernde Ad-hoc-Krisenmanagement, die Flickschusterei und die Politik der Austerität sind in Europa offenkundig nicht mehrheitsfähig. Sie sind gescheitert.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir brauchen endlich wieder eine Politik mit einer Vision für Europa und mit einem klaren Kurs der europäischen Solidität, aber auch der europäischen Solidarität, und wir dürfen in Deutschland das Erbe von Adenauer, Brandt und Kohl nicht länger aufs Spiel setzen. Das ist in den letzten Monaten schon viel zu sehr geschehen. Deswegen wird es Zeit, dass auch in Deutschland eine europapolitische Trendwende einsetzt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ja, es ist richtig, die europäische Haushaltspolitik auf Solidität aufzubauen und zu harmonisieren, indem nationale Schuldenbremsen festgeschrieben werden. Aber man muss auch sehen, dass die gesamtstaatlichen Schuldenbremsen in einem Verfahren ausgehandelt worden sind, das ich als intransparent und undemokratisch charakterisieren möchte.

Dieses Verfahren müssen wir in den Beratungen mit der Bundestagsopposition und mit den Ländern heilen. Warum verknüpft die Bundeskanzlerin eigentlich die Beschlussfassung über den Fiskalpakt, der erst zum Ende des Jahres beschlossen werden muss, mit dem ESM, der jetzt beschlossen werden muss? Sie macht das doch nur deswegen, weil sie für den Fiskalpakt, wie auch für andere Projekte in der Vergangenheit, überhaupt keine Koalitionsmehrheit mehr im Bundestag hat. Es wird nur Druck gemacht, einem solchen Vertragswerk zuzustimmen, weil die FDP sonst von der Stange geht und die schwarz-gelbe Regierung in Berlin längst handlungsunfähig ist. Ich glaube, das muss in diesem Hause einmal klar gesagt werden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Frau Klöckner, CDU: Immer die gleiche Rede!)

Es sind handwerkliche Fehler gemacht worden. Das Sparen allein hilft uns nicht aus der Krise. Das Sparen in eine Krise hinein verschärft sie. Das ist in Griechenland zu beobachten.

(Frau Klöckner, CDU: Das hören wir jedes Mal!)

Wer hier behauptet, die Griechen würden das nicht ernst genug nehmen, möge sich in Griechenland einmal mit Leuten unterhalten, die seit einem Jahr keine staatlich garantierte Rente mehr bekommen haben, oder mit Lehrerinnen und Lehrern, die Gehaltskürzungen hingenommen haben und nun mit einem geringeren Gehalt Familien ernähren müssen. Ich finde so etwas zynisch

und ziemlich weltfremd. Auf diesem Niveau sollten wir die heutige Debatte nicht führen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Stattdessen brauchen wir Zukunftsimpulse: ein europäisches Investitions- und Wachstumsprogramm und eine Beteiligung des Finanzmarkts, der mit für die Krise verantwortlich ist, an dessen Finanzierung über eine Finanztransaktionssteuer. Wir müssen uns auch über einen Altschuldenpakt und über einen europäischen Bankenrestrukturierungsfonds unterhalten.

Das sind alles wichtige Einzelmaßnahmen für Europa, die endlich einmal zusammengebracht werden müssen, und zwar als Europapolitik und nicht länger als nationalstaatliche Egoismen. Unsere Vorstellung von Europa ist, dass man das endlich überwindet, weil das nur zur Blockade führt. Da freut sich der Markt, aber am Ende verschärft es nur die Krise.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wie kann man in diesem Parlament zum Fiskalpakt reden und über die demokratischen Fragen und die Beteiligung dieses Parlaments kein Wort verlieren? Es geht um eine Schuldenbremse, die so angelegt ist, dass sie auch die Länder und die Kommunen betrifft. Wir müssen uns hier damit auseinandersetzen. Deswegen ist es richtig, dass 16 Bundesländer – Frau Klöckner, auch schwarz-geführte Bundesländer – einstimmig gesagt haben, dass die Länderautonomie gewahrt bleiben muss.

Der Bund muss am Ende die Risiken tragen, weil es nicht sein kann, dass die Bundesregierung in Hinterzimmern etwas aushandelt, was die Länder letztlich bezahlen. Hier bin ich ihren CDU-Kolleginnen und – Kollegen in den anderen Bundesländern sehr dankbar. Diese sind viel weiter als Sie.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Letztlich gilt diese Schuldenbremse auch erstmals für die Kommunen. Wir wissen alle, dass die Kommunen und gerade die Städte mit den hohen Sozialausgaben ihre strukturellen Defizite aus eigener Kraft nicht stemmen können.

(Glocke der Präsidentin)

Deswegen ist es richtig, dass wir sagen, wir können der innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalpakts als Schuldenbremse, indem die Länder für die Kommunen haften, nur dann zustimmen, wenn der Bund hilft, das strukturelle Defizit in den Kommunen zu reduzieren. Da ist die Eingliederungshilfe ein sehr guter Einstieg.

Herzlichen Dank.