Protokoll der Sitzung vom 20.06.2012

Wir denken auch in neuen Zeithorizonten, wir denken über Wahlperioden hinaus, und ich glaube, es steht uns gut an, dies auch in unserem Land immer wieder zu tun. Parlamente und Bürger nehmen zunehmend die Verantwortung wahr, nicht mehr zu leben nach dem Motto: „Nach mir die Sintflut“. – Ein Zeichen ist das Konsumverhalten unserer Bürger und ein Bekenntnis zu ökologisch produzierten und fair gehandelten Produkten.

Es gibt auch eine Reihe von Publikationen von Kirchen, von NGOs und auch von Unternehmen, die sich dazu bekennen und diese Selbstkritik in ihre Planungsmechanismen und Konferenzen einbauen, wo sie über sich selbst nachdenken und den Begriff des „Common“ gemeinsam diskutieren.

Da ich gern auch für die Unternehmen spreche, lassen Sie mich noch eine Zahl nennen, die unsere Unternehmer motivieren sollte, dies gemeinsam intensiver zu tun.

Die Unternehmen in Deutschland brauchen Rohstoffe. Ohne die Rohstoffe dieser Welt können wir keine Güter produzieren, und wir können sie auch nicht in der Welt verteilen. Schon jetzt sind 46 % aller Kosten, die durchschnittlich in den Betrieben entstehen, auf Kosten für Material und Ressourcen zurückzuführen, und nur 18 % entstehen tatsächlich durch Personal.

Die Deutsche Materialeffizienzagentur hat darauf hingewiesen, dass sich schon jetzt 20 % an Material und Ressourcen einsparen ließen, wenn man nur die Technologie, die es bereits auf dem Markt gibt, zum Einsatz brächte. Schon ohne eine Technologie-Innovation als solche könnten wir also schon sehr viel tun, aber wir tun es zum Teil noch nicht.

Dass wir die zunehmende Nachfrage nach Ressourcen, die bis zum Ende dieses Jahrhunderts voraussichtlich so hoch sein wird, dass wir einen Ressourcenbedarf von zwei Erden haben werden, und die dadurch noch ansteigt, dass wir Menschen auf diesem Planeten immer mehr werden, nicht decken können, bedeutet, dass wir noch erheblich effizienter wirtschaften müssen und noch erheblich effizienter mit unserer Energie und unserem Material umgehen müssen. Dies ist eine sehr konkrete Aufgabe, die aus meiner Sicht noch nicht ausreichend in unser aller Bewusstsein angekommen ist.

Wenn wir die Energiewende als einen Baustein umsetzen, und wenn wir einen Nationalpark einführen als einen weiteren Baustein in der Strategie der Ressourcenschonung und des Erhalts der natürlichen Lebensgrundlagen, wenn wir den Staatswald zertifizieren, wenn wir all diese Maßnahmen vornehmen, dann sind dies kleine Schritte in einer eigenen Politik, die aber immer auch den Blick auf das Ganze nicht auslassen darf. Diese Erfahrungen nehmen wir selbstverständlich mit, wo immer die nächste Konferenz auch stattfinden wird. Bei Rio + 21 wird dies auf jeden Fall der Fall sein, und es bleibt auf der Agenda. Ich darf auch Sie herzlich dazu einladen, dies mit uns weiterhin zu tun und in RheinlandPfalz genauso konstruktiv projektbezogen und selbstkritisch unterwegs zu sein, wie wir es in dieser Landesregierung sind.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat noch einmal Herr Kollege Hartenfels das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zwei Aspekte herausgreifen, die in den verschiedenen Redebeiträgen gefallen sind. Dies ist zum einen das Stichwort „Green Economy“. Wir brauchen eine grünere, wir brauchen eine nachhaltigere Wirtschaftsweise, das ist keine Frage, aber wir brauchen es nicht als zusätzliches, rein gewinnträchtiges neues

Geschäftsfeld oder als grünes Alibi-Mäntelchen, sondern wir brauchen tatsächlich eine nachhaltigere Lebensführung und Lebensgestaltung. Dies wird uns viel mehr abverlangen, als nur auf eine neue grüne Wirtschaftsweise zu setzen. Dies möchte ich eindeutig kritisch anmerken.

Ich möchte es an einer Zahl deutlich machen. Wenn wir bis 2050 nur von einem moderaten Wachstum von 1,4 % weltweit ausgehen, besteht der zwingende Bedarf, dass die Weltwirtschaft um den Faktor 21 effizienter werden müsste, damit wir in diesem Bereich das Weltklima nicht gefährden.

Das macht für mich deutlich, dass es nicht nur um eine grünere Wirtschaftsweise geht, sondern wir tatsächlich vieles auf den Prüfstand stellen müssen, was wir bisher noch nicht auf den Prüfstand gestellt haben.

Ein zweiter Aspekt ist durchgeklungen: Wir müssen auch über die Machtverhältnisse auf diesem Globus reden. Als Beispiel nenne ich das Thema „Land Grabbing“. Die großen transnationalen Konzerne kaufen zurzeit weltweit sehr massiv Landflächen auf und vertreiben die kleinen Landbauern, die Land in einer Größe von unter 2 Hektar bewirtschaften, obwohl wir wissen, dass gerade diese Landbauern 70 % zur Ernährung dieser Weltbevölkerung beitragen. Damit werden Strukturen zerschlagen, und dies können wir auch nicht mehr rückgängig machen. Stattdessen müssen wir dagegenhalten und deutlich machen, dass wir diese Machtverhältnisse nicht mehr wollen und wir einen ganz anderen Anspruch von sozialer Gerechtigkeit haben. Damit schließt sich für mich auch der Kreis zu der Finanzdebatte, die wir vorhin geführt haben.

In diesem Zusammenhang möchte ich ein Beispiel zum Stichwort „Reichtum“ anführen. Wenn wir allein die führenden 30 Dax-Konzerne an der Deutschen Börse nehmen, so haben sie im Jahr 2011 wieder über 100 Milliarden Euro operativen Gewinn eingefahren, davon allein VW 15 Milliarden Euro.

(Glocke des Präsidenten)

Den Gedanken führe ich noch zu Ende, wenn ich darf, weil die Anzeige hier in der Tat völlig verkehrt ist.

Diese Gewinnmargen, die wieder eingefahren werden, müssen wir auch wieder abschöpfen, um sie für den Erhalt dieses grünen Globus auch wieder einzusetzen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Sinne hoffe ich, dass auf diesem Rio-Gipfel tatsächlich nachhaltige und verbindliche Entscheidungen getroffen werden, die uns dann auch weiterführen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich erteile Herrn Kollegen Hürter für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Normalerweise ist die Aktuelle Stunde so aufgegliedert, dass man dann auf die Kollegen eingehen und auch noch einmal Paroli bieten kann. Das muss ich an der Stelle nicht; denn ich glaube, dass es hier bei dem Thema erfreulicherweise im Landtag sehr viele Gemeinsamkeiten gibt.

Ich glaube, die Herausforderungen, die angesprochen wurden, benötigen auch diese gemeinsamen Kraftanstrengungen.

Nach den Ausführungen von eben möchte ich noch einmal kurz darauf eingehen, wie wir das Ganze für Rheinland-Pfalz ein Stück weit herunterbrechen können, weil wir immer noch im Landtag sind und eben aktuell im Gegensatz zur Umweltministerin nicht in Rio.

Wenn wir über eine Gesellschaft von morgen reden, die nachhaltig ist, dann bedeutet das an der einen oder anderen Stelle – Herr Kollege Hartenfels hat es angesprochen – Verzicht. Das ist nie bequem, das erfordert es auch, zu hinterfragen, wie die eigene Art zu wirtschaften, zu leben ist. Dazu gehört, dass man anspricht, dass wir zwar in Deutschland in den letzten 30 Jahren sehr viel erreicht haben – die ökologische Revolution –, aber an der einen oder anderen Stelle noch sehr viel vor uns liegt.

Wenn wir uns den Zustand unserer Gewässer anschauen, dann haben wir es zwar geschafft, die chemische Qualität deutlich zu verbessern, aber der ökologische Wert ist noch immer nicht da, wo er sein müsste. Wir haben enorme Belastungen, die gerade aus der Landwirtschaft auf die Gewässer wirken. Wir haben enorme Herausforderungen, die Energiewende gerade beim Thema „Windenergie“, aber auch beim Thema „Biomasse“ ökologisch zu gestalten. Insofern glaube ich, dass wir auch hier vor Ort ganz konkrete Herausforderungen haben, die wir unter diesem Stichwort Nachhaltigkeit angehen müssen. Deswegen finde ich es gut, dass diese Konferenz – ähnlich wie die vorangegangenen Konferenzen – sich auch Gedanken darüber macht, wie wir es schaffen, diese hehren Ziele herunterzubrechen.

Der eine oder andere weiß es hier in diesem Saal, aber sicherlich nicht jeder, die Lokale Agenda 21 war einer der Punkte aus der Rio-Konferenz vor 20 Jahren, der in den Kommunen aufgegriffen wurde, auch in RheinlandPfalz. Ich glaube, wir sollten uns wieder vornehmen, den einen oder anderen Impuls mitzunehmen und dann auch in ganz praktisches Handeln vor Ort umzusetzen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der zweite Teil der Aktuellen Stunde ist damit beendet.

Wir kommen zum dritten Teil der

AKTUELLEN STUNDE

„Personalsituation bei der rheinland-pfälzischen Polizei“ auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/1334 –

Ich erteile Herrn Kollegen Lammert für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Die sogenannte Polizeireform des Innenministers ist ein Fiasko (…).“ Dieses Zitat stammt aus einem offenen Brief der Koblenzer Kreisgruppe der Gewerkschaft der Polizei an den Innenminister persönlich. Ich muss sagen, treffender kann man es nicht auf den Punkt bringen.

(Beifall der CDU)

Die aktuelle personelle Situation der Polizeidienststellen in Rheinland-Pfalz ist offensichtlich weitaus kritischer, als dies bislang von uns vermutet wurde. Ich hoffe nicht, Herr Minister, dass es zutrifft, dass, wie in dem Schreiben zu lesen ist, gelegentlich Bachelor-Studenten statt ausgebildeter Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Streifenwagen als zweiter Mann oder als zweite Frau mitfahren.

(Pörksen, SPD: Quatsch!)

Ich hoffe auch nicht, dass es wirklich wahr ist, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in unserem Land aufgrund der derzeitigen Personalsituation unter Missachtung der Eigensicherung auf den Inspektionen Strafanzeigen alleine aufnehmen oder Vernehmungen durchführen. Dies alles wird nämlich sehr plausibel in dem Schreiben der Koblenzer Kreisgruppe der Gewerkschaft der Polizei, die im Übrigen auch von der Landesgruppe entsprechend gestützt wird, geschildert.

Wenn es in dem Schreiben weiter heißt, dass Beamte in Koblenz vergeblich Private davon abhalten müssen, eine bezahlte Sicherheitswehr in der Altstadt zu installieren, dann muss man sich ernsthaft Gedanken machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich demgegenüber dann Ihre lapidare Antwort auf die Kritik höre, die Optimierung der Polizeistruktur beeinträchtigt nicht die Sicherheit der Menschen, im Gegenteil, dann frage ich mich ernsthaft: Wer berät Sie in polizeilichen Fragen?

(Beifall der CDU)

Die CDU-Landtagsfraktion fordert Sie daher hier an dieser Stelle auf, diesen Schilderungen, die ein unglaubliches Bild der derzeitigen Lage abzeichnen, nachzugehen und aufzuklären.

(Beifall der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es nur der eine Brief wäre, so könnte man sicherlich von einem Einzelfall reden. Nur, wir alle bekommen zahlreiche Briefe und Mails. Es gibt zahlreiche Gespräche, zahlreiche Antworten. Glauben Sie mir, ich komme viel im Land herum, ich bin viel in Polizeiinspektionen vor Ort und spreche mit denen.

Aktuell kommt jetzt auch noch der Hauptpersonalrat der Polizei und lässt verlautbaren, dass die Großeinsätze, wie beispielsweise der Landeskontrolltag im Land, aufgrund der derzeitigen personellen Engpässe nicht mehr möglich seien. Das schlägt dann schon meines Erachtens dem Fass den Boden aus.

(Beifall der CDU)

Es geht nicht darum, Herr Minister, dass wir Landeskontrolltage oder sonstige Sicherheitsvorkehrungen nicht begrüßen. Aber es geht darum, dass es hier personelle Engpässe gibt und wir uns diese Dinge offensichtlich im Augenblick bedauerlicherweise nicht leisten können.

Ich habe es auch noch nicht erlebt, dass dies irgendwann einmal im Land auf diese deutliche Art und Weise geäußert wurde. Das ist dann schon eine neue Situation.