Man geht ein Stück weit in sich, tritt noch einmal zurück und hinterfragt sich selbst, ob das, was man tut, auf dem richtigen Weg ist, weil es zugegebenermaßen keine einfachen Zeiten sind. Es waren auch keine einfachen Entscheidungen, die hinter uns liegen. Es liegen noch viel schwerere und schwierigere Entscheidungen und Diskussionen vor uns.
Man denkt nach und diskutiert viel. Wir haben in der Fraktion und in der Partei sehr offen diskutiert. Ich habe auch mit vielen Bürgerinnen und Bürgern diskutiert. Das bringt einen dann schon etwas weiter, als wenn man sich nur darauf konzentriert, dass möglichst die nächste Schlagzeile stimmt und man möglichst bundesweit in die Presse kommt.
Dazu gehören zwei Sachen. Es ist richtig und es ist auch die Aufgabe dieses Parlaments, und zwar der Opposition und der regierungstragenden Fraktionen, die Fehler, die gemacht worden sind, und die Konsequenzen am Nürburgring in diesem Parlament zu thematisieren und
zu diskutieren. Das ist Ihr gutes Recht. Das ist unser gutes Recht. Das kann und wird die Landesregierung auch entsprechend aushalten.
Es ist aber etwas gänzlich anderes, die persönliche Integrität eines Menschen, auch wenn es der Ministerpräsident ist, derart anzugreifen, wie Sie es unverhältnismäßigerweise in den letzten Tagen und Wochen und auch heute wieder im Parlament getan haben. Lassen Sie uns zur Sachpolitik zurückkommen. Das ist das, was das Land braucht, und keine Dreckschleuder und persönlichen Angriffe.
Deswegen möchte ich mich der sachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema „Nürburgring“ überhaupt nicht entziehen. Wir haben das in der Diskussion in der Fraktion sehr offen miteinander besprochen und ausgetragen. Wir haben als GRÜNE immer eine sehr kritische Position zu den Vorgängen am Nürburgring gehabt.
Diese kritische Position hinsichtlich der Entscheidung im Zeitraum 2004 bis 2009 besteht nach wie vor. Diese Kritik wird die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN immer äußern. Wir sind darin auch jetzt leider bitter bestätigt worden. Der Koalitionspartner – die SPD und der Ministerpräsident – hat die Fehler auch eingestanden. Wir haben das gewusst, als wir den Koalitionsvertrag unterschrieben haben. Warum sollten wir an dieser Stelle, an der Sie keinen einzigen neuen Fakt aus dieser Legislaturperiode aufzählen, jetzt die Koalition infrage stellen, wo doch unsere Kernforderungen, die die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor der Wahl an den Nürburgring gestellt hat, allesamt erfüllt werden?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt keinen triftigen Grund, inhaltlich Ihrem Antrag zu folgen, wenn es nur um den Nürburgring gehen würde. Deswegen werden 18 Abgeordnete – so haben sie es mir angekündigt – von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Kolleginnen und Kollegen der SPD Ihren Antrag ablehnen.
Ich kann das auch entsprechend belegen. Sie finden in unserem Wahlprogramm zum Nürburgring folgende Punkte:
Wir wollen ein tragfähiges Konzept, das einen Betrieb auf Dauer ohne Steuergelder ermöglicht. – Wir werden am Ende genau zu einem solchen Konzept kommen, weil entsprechende Landesgelder möglicherweise nicht mit dem Beihilferecht vereinbar sind und so dauerhaft nicht mehr fließen werden.
Wir wollen eine Neuorientierung, Alternativen und ein sinnvolles Konzept für den Ring erarbeiten. – Das steht in unserem Wahlprogramm. Auch das ist nun auf dem
Weg. Wir wollten es nicht über die Insolvenz machen. Das hatte die Regierung zunächst selbst in der Hand. Jetzt machen es der Insolvenzgeschäftsführer und der Sachwalter. Es wird eine entsprechende konsequente Neuaufstellung geben. Wir haben uns auch dazu bekannt, dass der Nürburgring Potenzial hat und in seinem Kerngeschäft auch in Zukunft bestehen wird. Auch da bin ich mir sicher, dass es entsprechend geschehen wird.
Das bedeutet, dass das, was die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor der Wahl an Leitlinien für den Nürburgring in ihrem Wahlprogramm beschlossen und formuliert hat, in der rot-grünen Regierungskoalition auch umgesetzt wird.
Deswegen gibt es überhaupt keinen Grund, uns vorzuwerfen, wir würden vor der Wahl etwas anderes sagen als nach der Wahl. Nein, wir sind an diesem Punkt 100 % glaubwürdig.
Ja, es ist richtig, wir haben das in der außerparlamentarischen Opposition kritisiert, politisch bewertet und Kritik an Verantwortlichen geübt, mit denen wir heute in einer Koalition zusammenarbeiten. Aber es gehört nun einmal in einer Demokratie dazu, die aus Pluralismus, verschiedenen Meinungen und Parteien besteht. Ich glaube, es ist richtig, dafür zu stehen und es jetzt nicht infrage zu stellen oder zu glauben, man könnte durch Vorwürfe die Kritik von damals sozusagen relativieren, wie Sie es tun, sondern es kommt darauf an, dass man, wenn man von zwei Positionen herkommt, versucht, einen gemeinsamen Weg zu finden. Das haben wir im Koalitionsvertrag getan. Wir waren uns bei vielen Punkten sehr einig, weil SPD und GRÜNE in Rheinland-Pfalz eine große gemeinsame Wertebasis haben und in vielen inhaltlichen Punkten miteinander übereinstimmen. Hendrik Hering hat viele genannt.
Es war natürlich schwierig am Punkt Nürburgring. Aber jetzt schauen wir einmal in den Koalitionsvertrag, was wir hineingeschrieben haben.
Da steht: „Der Nürburgring hat eine wichtige strukturpolitische Bedeutung für die Region. Er bietet vielen Menschen einen zukunftsfähigen Arbeitsplatz.“ Und dann weiter: „Teile des Vertragswerks sind derzeit Gegenstand einer Klage und von Beschwerden bei der EU. Deren Ausgang bleibt ebenso wie die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen (…) abzuwarten. Sollte sich die Notwendigkeit einer Neuregelung ergeben, werden die rot-grünen Koalitionspartner den Betrieb neu ausschreiben.“ Unabhängig davon werden wir prüfen, ob zukünftige Risiken oder finanzielle oder wirtschaftliche Auswirkungen des Nürburgrings für das Land oder die Region bestehen. – Koalitionsvertrag, beschlossen im Mai letztes Jahr von SPD und GRÜNEN, von Eveline Lemke, Kurt Beck und Daniel Köbler unterschrieben.
Die SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben diesen Text vorgelegt bekommen, und Parteitage haben mit übergroßer Mehrheit diesen Text beschlossen.
Nun gehen wir anhand dieses Koalitionsvertrags alle gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten an der Spitze genau diesen Weg, auch wenn er schwierig ist. Deswegen gibt es überhaupt keinen Grund, diese Koalition infrage zu stellen oder Ihrem Antrag zu folgen. Wir gehen auch in schwierigen Zeiten miteinander.
Frau Klöckner, Verantwortung bedeutet eben nicht nur die Rosinenpickerei, sondern auch die schwierigen Probleme miteinander anzugehen und miteinander zu lösen.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Licht, CDU: 524 Millionen sind keine Rosinenpickerei!)
Dann ist unterstellt worden, die GRÜNEN-Abgeordneten oder die Ministerin wären meilenweit von der Basis entfernt. Im Gegensatz zur CDU haben wir, als die Debatte um den Nürburgring erneut hochkochte, einen entsprechenden Antrag auf unserem Parteitag diskutiert und beschlossen. Wir haben uns der Diskussion mit der Basis gestellt. Erst am vergangenen Wochenende hat unser Parteirat, das zweithöchste Gremium, wieder diskutiert und einen einstimmigen Beschluss zum Nürburgring und gegen das von Ihnen angekündigte Misstrauensvotum beschlossen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellen sich auch in Regierungsverantwortung der Diskussion mit ihren Wählerinnen und mit ihrer Basis und gerade und auch dann, wenn es schwierig wird und man es vielleicht mehr erklären muss als nur in einer Überschrift oder in einem Flyer. Aber das machen eine andere politische Kultur und ein anderer Stil aus. Da wird nichts durchgedrückt, da wird kein Zwang ausgeübt, da wird diskutiert und nachher eine kluge Entscheidung gefällt, die im Wohle des Landes angelegt ist, im Lichte des Koalitionsvertrags, des sozial-ökologischen Wandels, den wir vollenden wollen.
Wir lassen uns nicht blenden von möglichst schnellen Schlagzeilen, wie Sie das tun. Das ist ein Showeffekt. Der wird wie ein Feuerwerk kurz in die Luft gehen, dann ist wieder dunkle Nacht und dann gute Nacht. Dafür stehen wir nicht zur Verfügung. Wir wollen die Zukunft dieses Landes gestalten.
Ein zweiter Punkt, der meiner Fraktion wirklich wichtig ist: Es ist eine nicht zu verantwortende Unterstellung, zu behaupten und der Mehrheit dieses Parlaments vorzuwerfen, dass sie durch die Abstimmung über einen Punkt, den sie aus genannten Gründen nicht teilt, weil sie anderer Auffassung ist als sie, liebe CDU, ihre Kontrollfunktion gegenüber der Regierung nicht ausüben würde.
Das ist ein schwerwiegender Vorwurf in einer parlamentarischen Demokratie. Den lasse ich auf meiner Fraktion, auf allen 18 Abgeordneten – ich denke, auch für die Kollegen der SPD sprechen zu dürfen – nicht unwidersprochen sitzen. Es geht nicht um einen Blankoscheck für die Regierung, sondern es geht um eine kritische Solidarität, und die werden wir weiter üben.
Genau das ist der Grund, warum wir seit gut einem Jahr dabei sind, die Dinge neu anzugehen, auch am Nürburgring. Es ist der Runde Tisch in der Region von den Gewerkschaften einberufen worden, an dem der Minister persönlich und die Fraktionsvorsitzenden der beiden Regierungsfraktionen regelmäßig teilnehmen. Auch die Opposition mit Herrn Licht – dafür danke ich Ihnen sehr – nimmt daran teil. Es gibt das Dialogforum Nürburgring. Wir haben den parlamentarischen Beirat angestoßen. Es ist eine Vielzahl von stärkeren Beteiligungsmöglichkeiten des Parlaments in diesem Zusammenhang aufgezeigt worden. Der Finanzminister, der Innenminister, aber auch die Wirtschaftsministerin haben in einer Vielzahl von Fachausschüssen detailliert und umfassend, schonungslos und ehrlich über alle Vorgänge rund um den Nürburgring berichtet. Sie können es in allen Protokollen nachlesen. Sie müssten es halt nachlesen.
Von daher kommen wir doch zur Sache zurück. Es ist in diesem Land doch keinem damit gedient, wenn man nur immer weiter mit Dreck schmeißt nach dem Motto, irgendwann wird schon etwas kleben bleiben.
Liebe CDU, auch derjenige, der mit Dreck schmeißt, wird schmutzig werden. Bedenken Sie das mit Blick auf die Politikverdrossenheit und die Öffnung, die wir brauchen, um mehr Demokratie und mehr Beteiligung auch in unseren Kommunalparlamenten zu generieren. Hören Sie auf, stellen Sie sich der sachlichen Diskussion. Die ist gerechtfertigt. Aber hören Sie auf mit populistischer Dreckschmeißerei. Das hat dieses Land wahrlich nicht verdient.
Wir haben in der deutschen Geschichte Erfahrungen gemacht, weswegen man ein Instrumentarium wie das Misstrauensvotum in Verfassungen geschrieben hat. Im Bund gibt es nur ein konstruktives Misstrauensvotum aus der Erfahrung der Weimarer Republik. Das bedeutet, dass man eine Regierungschefin oder einen Regie
rungschef nicht nur einfach abwählen, sondern gleichzeitig eine Nachfolge benennen muss. Das bedeutet, es ist ein sehr wertvolles Gut unserer Verfassung, das wir in der Demokratie auch gegen Antidemokratinnen und Antidemokraten oder unsere entsprechenden Vorfahren erstritten haben. Man sollte also behutsam mit dessen Einsatz umgehen.
Frau Klöckner, Sie haben selbst gesagt, Sie glauben nicht, dass Sie eine Mehrheit dafür bekommen. Aber Sie werden sie nicht deswegen nicht bekommen, weil Koalitionszwang die Koalition dazu bindet, sondern weil Sie einfach keine überzeugenden Argumente dafür haben.
Es handelt sich um ein rein destruktives Misstrauensvotum. Wir haben das in der Fraktion in zwei Sitzungen lange miteinander diskutiert. Wir haben keinen Fraktionszwang ausgesprochen.
Wir haben eine Probeabstimmung vollzogen. Es haben sich alle Abgeordneten aus freien Stücken – ich meine, auch vor ihrem reinen Gewissen – gegen Ihren Antrag ausgesprochen. Dazu war keinerlei Druck und Zwang notwendig, weil die Argumente nicht da sind und weil sie in der zurückliegenden Sitzung groß angekündigt haben, das sei das erste Mal in der Geschichte des Landes. Sagen Sie doch, dass Sie sich geirrt haben und das nicht stimmt. Vielleicht hat Herr Hebgen – das weiß ich nicht – auch noch Ihre Archive und nicht nur die Fraktionskasse mitgenommen hat, als er gegangen ist.