Protokoll der Sitzung vom 26.09.2012

........................................................................................................................... 2108, 2113 Abg. Billen, CDU:......................................................................................................................................... 2148 Abg. Brandl, CDU:............................................................................................................................. 2121, 2126 Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:............................................................... 2123, 2127, 2138, 2142 Abg. Dr. Mittrücker, CDU:.................................................................................................................. 2135, 2141 Abg. Dr. Wilke, CDU:................................................................................................................................... 2128 Abg. Dröscher, SPD:................................................................................................................................... 2133 Abg. Frau Anklam-Trapp, SPD:................................................................................................................... 2145 Abg. Frau Dr. Ganster, CDU:...................................................................................................................... 2153 Abg. Frau Ebli, SPD:................................................................................................................ 2115, 2119, 2144 Abg. Frau Meurer, CDU:.............................................................................................................................. 2128 Abg. Frau Raue, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:........................................................................................... 2131 Abg. Frau Schleicher-Rothmund, SPD:....................................................................................................... 2154 Abg. Frau Spiegel, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.................................................................... 2120, 2133, 2145 Abg. Frau Thelen, CDU:.................................................................................................................... 2116, 2120 Abg. Frau Wieland, CDU:............................................................................................................................ 2132 Abg. Fuhr, SPD:................................................................................................................................ 2127, 2142 Abg. Guth, SPD:................................................................................................................................ 2122, 2137 Abg. Heinisch, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.............................................................................................. 2154 Abg. Hering, SPD:............................................................................................................................. 2109, 2114 Abg. Johnen, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:................................................................................................. 2150 Abg. Kessel, CDU:............................................................................................................................. 2132, 2144 Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.................................................................... 2107, 2108, 2112, 2117 Abg. Sippel, SPD:.............................................................................................................................. 2130, 2135 Abg. Wehner, SPD:..................................................................................................................................... 2148 Abg. Zehfuß, CDU:...................................................................................................................................... 2149 Frau Conrad, Bevollmächtigte des Landes beim Bund und für Europa:..................................................... 2152 Frau Dreyer, Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie:.................. 2110, 2118, 2134, 2146 Frau Höfken, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten:........................... 2151 Frau Lemke, Ministerin für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung:.......................... 2124, 2140 Hartloff, Minister der Justiz und für Verbraucherschutz:............................................................................. 2131 Präsident Mertes:......................................................... 2107, 2108, 2109, 2110, 2112, 2113, 2114, 2115, 2116............................................................................................... 2117, 2118, 2119, 2120, 2121, 2122, 2123, 2124 Vizepräsident Dr. Braun:................................................................ 2149, 2150, 2151, 2152, 2153, 2154, 2155 Vizepräsident Schnabel:.............................................. 2140, 2141, 2142, 2143, 2144, 2145, 2146, 2147, 2148 Vizepräsidentin Frau Klamm:...................................... 2125, 2126, 2127, 2128, 2129, 2130, 2131, 2132, 2133....................................................................................................................................... 2134, 2135, 2136, 2138

34. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 26. September 2012

Die Sitzung wird um 14:00 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf sie zur 34. Plenarsitzung am heutigen Mittwoch begrüßen. Die Kollegen Schwarz und Wäschenbach werden mich als schriftführende Abgeordnete unterstützen.

Entschuldigt sind die Kollegen Jutta Blatzheim-Roegler und Fred Konrad sowie Herr Minister Kühl, Staatssekretär Beckmann, Staatssekretär Schumacher und Staatssekretär Griese. Die Herren sind jeweils durch Bundestermine bei entsprechenden Konferenzen in Berlin anwesend.

Geburtstag – er ist noch nicht da; er kann aber nicht noch feiern; denn der Geburtstag war schon am 13. September – hatte unser Kollege Alexander Licht. Er ist 60 Jahre alt geworden. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im Hause)

Meine Damen und Herren, Ihnen liegt die Tagesordnung vor. Die entsprechenden Drucksachen sind noch verteilt worden. Wir rufen die Änderungsanträge und Entschließungsanträge bei den jeweiligen Tagesordnungspunkten auf.

Gibt es von Ihnen noch Wünsche vor der Feststellung der Tagesordnung? – Wenn das nicht der Fall ist, dann ist sie so beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

AKTUELLE STUNDE

„Haltung der Landesregierung zu den vorab veröffentlichten Ergebnissen des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung“ auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Drucksache 16/1628 –

Vielleicht darf ich nur noch einmal der guten Ordnung halber darauf hinweisen, wenn die Landesregierung bei ihrer Antwort mehr als sieben Minuten in Anspruch nimmt, wird diese Zeit an die Fraktionen wie folgt verteilt: Die Fraktion der CDU bekommt die volle Überschreitung sozusagen gutgeschrieben und die beiden anderen Fraktionen jeweils die Hälfte dieser Überschreitung als zusätzliche Zeit.

Es ist vielleicht besser, ich sage es vorher, als es nachher anzuwenden.

Herr Kollege Köbler, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, die vorab öffentlich gewordenen Ergebnisse des neuen Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung müssen uns hier alarmieren. Wir haben relativ konstante Wirtschaftszahlen. Wir haben sehr niedrige Arbeitslosenzahlen, und dennoch ist die Armut in der Bundesrepublik Deutschland weiter dramatisch hoch bei 15 %. Sie nimmt sogar leicht zu.

Vor allem geht die Schere zwischen Arm und Reich in unserer Gesellschaft immer weiter auseinander. Die Bundesregierung hat dazu keine Antwort und keine Konzepte, nein, der Wind der sozialen Kälte bläst von Berlin durchs ganze Land, meine Damen und Herren. Gerechtigkeit ist der blinde Fleck der schwarz-gelben Bundesregierung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich nehme als Beleg mit Erlaubnis des Präsidenten einmal das „Handelsblatt“, das nicht gerade als kommunistisches Organ verschrien ist. Dem ist zu entnehmen, dass der Wirtschaftsminister für seine Farbe in Anspruch nimmt, diesen Bericht in dieser Form abzulehnen. Er verschließt die Augen vor den sozialen Problemen und sagt, dieser Bericht entspricht nicht der Meinung der Bundesregierung. Hier wird versucht, die sozialen Probleme, die wir in Deutschland haben, wegzuredigieren und kleinzureden, um der neoliberalen Ideologie Vorschub zu leisten, die diese Bundesregierung vertritt. Wenn es nicht symptomatisch ist, so zeigt das „Handelsblatt online“ Herrn Rösler, wie er am Champagner nippt. Meine Damen und Herren, es wird Zeit, dass diese Form der spätrömischen Dekadenz in Deutschland endlich ein Ende findet.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich bin sehr froh, dass die rot-grüne Landesregierung sich dieses Themas annimmt und das Thema „Armutsbekämpfung und Stärkung der sozialen Teilhabe für alle Menschen“ ganz oben auf die Agenda geschrieben hat. Das fängt an beim Thema „kostenfreie Bildung“. Das Thema „kostenfreie Bildung“ ist vor allem auch eine Gerechtigkeitsfrage. Ich bin froh, dass wir diesen Weg konsequent fortsetzen, was die Beitragsfreiheit im Kindergarten, die kostenlose Schülerbeförderung und auch die Abschaffung sämtlicher Studiengebühren angeht; denn eine Zahl, die in der Diskussion etwas untergeht, muss uns doch alarmieren. 7,5 Millionen Deutsche sind nach diesem Bericht funktionale Analphabetinnen und Analphabeten.

(Unruhe im Hause – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, es ist sehr viel Unruhe im Raum, und das schon beim ersten Redner. – Bitte schön.

Vielen Dank. Diese Zahl von 7,5 Millionen Analphabeten ist auch ein Beleg dafür, dass mehr Gerechtigkeit und soziale Teilhabe ganz grundsätzlich vom Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung abhängt. Da ist Rheinland-Pfalz ganz vorn mit dabei. Das ist eine gute Nachricht.

Es gibt die Charta gegen Armut, die Sozialministerin Dreyer mit den Verbänden der Landesarmutskonferenz verabschiedet hat. Nun geht es daran, einen Aktionsplan gegen Armut in Rheinland-Pfalz aufzulegen und abzuarbeiten. Es gibt vielfältige Ansätze zum Thema „gute Arbeit“; denn es ist nicht wahr, wie es CDU und FDP sagen, dass sozial ist, was Arbeit schafft, sondern es kommt darauf an, dass man von seiner Arbeit auch leben kann, es gute Arbeit ist und ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wird.

Dass die Zahl der prekären Beschäftigungsverhältnisse dramatische Ausmaße angenommen hat, das bedeutet jetzt schon eine große Zahl an Aufstockern, aber das wird vor allem auch im Alter bedeuten, dass die Rentenansprüche zu gering sind. Wir laufen sehenden Auges in eine Zunahme, in ein neues Phänomen von Altersarmut. Das Einzige, was die Bundesregierung dazu zu bieten hat, ist koalitionsinterner Streit und keinerlei Konzept, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Umso erfreulicher ist die Nachricht, dass das Kabinett beschlossen hat, dass nach dem Landestariftreuegesetz jetzt hier der Mindestlohn von 8,70 Euro bei öffentlichen Vergaben gezahlt werden muss. Ich denke, das ist eine gute Nachricht. Ganz anders die Bundesregierung, die nach wie vor den Mindestlohn blockiert, was auch von der rheinland-pfälzischen CDU goutiert wird. Ihre Kollegin in Thüringen ist da schon viel weiter als sie, meine Damen und Herren.

Sie versperrt sich einem gesetzlichen Mindestlohn wenigstens im Grundsatz nicht mehr. Folgen sie den Kollegen aus Thüringen. Ein Mindestlohn trägt auch dazu bei, dass man von seiner Arbeit leben kann, und vor allem auch, dass die Altersarmut entsprechend eingedämmt werden kann.

(Glocke des Präsidenten)

Es geht aber nicht nur um Armut, es geht auch um die Frage von Verteilung und Vermögen. Ich denke, es ist gut, dass es auch ein Reichtumsbericht ist. Dazu werden wir in der zweiten Runde etwas hören.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich erteile das Wort dem Kollegen Baldauf.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Köbler, anknüpfend an das, was Sie gesagt haben, es ist richtig, man muss sich mit dem Thema „Armut“ in einem so wohlhabenden Land wie dem unsrigen beschäftigen. Ich meine aber, man muss es auch seriös tun. Ich möchte zunächst einmal auf den bisherigen Entwurf dieses Armutsberichts eingehen. Mehr ist es bisher ja nicht. Da gibt es auch die Feststellungen in diesem Bericht, dass die Ungleichheit in den vergangenen Jahren zwar zugenommen hätte, aber wieder schrumpft.

Dann haben wir auf Seite 3 des Entwurfs – ich zitiere –: „Alles in allem belegen die Daten eine positive Entwicklung der Lebenslagen.“ – Es steht beispielsweise auch drin, dass der Trend zunehmender Einkommensungleichheit seit 2006 gestoppt werden konnte. Es steht beispielsweise auch drin, dass bei uns die Ungleichheit relativ gering ist, weil wir im Verhältnis zu anderen europäischen Ländern knapp hinter den Skandinaviern kommen.

(Beifall der Abg. Frau Thelen, CDU)

Das mag uns zunächst natürlich nicht unbedingt befriedigen. Ich warne nur davor, Herr Kollege Köbler, Armut mit 15 % zu bezeichnen, wenn es um die Frage geht, ob das Armutsrisiko bei 15 % liegt oder ob wir tatsächliche Armut bei 15 % haben. Das ist ein wesentlicher Unterschied.

Ich möchte auch darauf hinweisen dürfen, wir müssen bei diesem Thema sehr aufpassen, dass wir das nicht zu emotional diskutieren und vor allem nicht so demagogisch. Wir haben in diesem Bericht beispielsweise folgende Erhebungen gar nicht gefunden: Wir haben die Sozialstruktur der Gesellschaft nicht berücksichtigt.

Seit zehn Jahren, wenn man den Zeitraum nimmt, haben wir zwischenzeitlich eine wesentlich ältere Gesellschaft. Wir haben mehr Alleinerziehende. Wir haben mehr Alleinlebende. Die Haushalte sind kleiner, und damit sind die Einkommen in den Haushalten kleiner, als wenn ich einen größeren Haushalt mit mehreren Personen habe. Das müsste hier berücksichtigt werden.

(Frau Schmitt, SPD: Was macht das denn besser an der Lage der Menschen?)

Es müssten die Renten und die Pensionsanwartschaften berücksichtigt werden. Die fehlen auch. Sie werden berücksichtigt in diesem Bericht bei den Selbstständigen, bei Lebensversicherungen, Kapitalerträgen, Kapitalrenten, aber sie werden nicht bei den Arbeitnehmern und Beamten berücksichtigt. Da reden wir auch noch einmal über 5 bis 7 Billionen Euro

Was möchte ich damit sagen? Dieser Bericht ist natürlich sehr vorsichtig zu betrachten und muss aus unserer Sicht auf einen wesentlich grundsätzlicheren Ansatz gebracht werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der CDU)

Ich verhehle nicht, Herr Kollege: Es gibt, die Menschen, die in Saus und Braus leben.

(Ministerpräsident Beck: Erzählen Sie das bei Frau von der Leyen! Warum sagen Sie das uns?)

Hören Sie zu, Herr Ministerpräsident, dann lernen Sie noch etwas.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Ministerpräsident Beck: Das glaube ich nicht!)

Es gibt diese Leute, die in Saus und Braus leben. Aber das sind ungefähr 0,1 % der Bevölkerung. Bei denen – da haben Sie recht – bin ich bereit, darüber nachzudenken, was man macht.

(Fuhr, SPD: Der Rest interessiert Sie nicht!)

Aber, und das möchte ich an dieser Stelle sagen, wir stehen in der Union auf dem Standpunkt, dass wir nicht – und schon gar nicht aufgrund eines solchen Berichts – über neue Umverteilungen nachdenken dürfen. Für uns steht nach wie vor im Mittelpunkt, dass wir denjenigen helfen möchten, die Leistung bringen. Wir möchten denjenigen helfen, die aufsteigen wollen, und wir möchten denjenigen helfen, die für ihre Leistung auch etwas erreichen möchten, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Frau Schmitt, SPD: Und was sagen Sie den Rentnerinnen, die von der Versorgung nicht mehr leben können?)