Protokoll der Sitzung vom 07.11.2012

Es ist absolut nachvollziehbar, dass nach 20 Jahren Gebührenstabilität eine Anpassung der Verwaltungsgebühren erfolgen muss. Der Verbraucherpreisindex – Herr Dr. Wilke, Sie haben bereits darauf hingewie- sen – ist nach meiner Berechnung um mehr als 30 % gestiegen. Insofern ist eine Anpassung vollkommen nachvollziehbar. Wenn Sie sich die Gebührensätze ansehen, werden Sie feststellen, dass sie weitgehend hinter der Inflationsrate zurückbleiben. Ich meine, in Zeiten knapper öffentlicher Kassen ist die Anpassung absolut vertretbar und eine angemessene Abgeltung von Verwaltungsdienstleistungen mehr als geboten.

Die Gesetzesänderung ist nicht zuletzt auch aufgrund neuer Gebührentatbestände erforderlich. Über das Vollstreckungsportal wird es elektronische Auskünfte geben. Hierfür ist ein neuer Gebührentatbestand zu schaffen. Aus der Begründung zum Staatsvertrag geht hervor, dass es einheitliche Gebühren geben soll und sich alle 16 Bundesländer – mit Ausnahme der Gebührenfreiheit, bei der es Unterschiede gibt – daran orientieren werden.

Bei der Gebührenbemessung will man gemeinsam vorgehen, was ausdrücklich zu begrüßen ist.

Daran wird zum einen deutlich, dass der Föderalismus funktioniert und eine Kooperation möglich ist, aber zum anderen ist ein solches Vorgehen auch deshalb erforderlich, damit die Verwaltung in Nordrhein-Westfalen, die für das Vollstreckungsportal zuständig sein wird, das einfach handhaben kann. Es wäre sicherlich schwierig, wenn es einen Flickenteppich mit 16 Gebührenordnungen der jeweiligen Bundesländer geben würde. Ein solches Vorgehen wäre nicht zielführend. Insofern wurde das Gesetz hinreichend begründet.

Im Rahmen des Anhörungsverfahrens hat sich die IHK Trier zu Wort gemeldet und gesagt, es gäbe keinen Anlass zur Kritik.

Die Wirtschaft erkennt die guten Leistungen unserer Justiz und die Möglichkeiten, schnell und effizient Auskünfte zu erlangen. Das ist gerade für die mittelständische Wirtschaft von einem großen Belang. Wenn Zahlungsausfälle vorhanden sind und Zahlungsansprüche über längere Zeiträume realisiert werden müssen, dann droht manchem Unternehmen die Existenzgefährdung. Deshalb erkennt die Wirtschaft auch die Leistungen unserer Justiz an.

Deshalb bin ich überzeugt, dass dieser Gesetzentwurf hinreichend begründet ist.

Danke schön.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Kollegin Raue das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das gemeinsame Vollstreckungsportal, das eingeführt werden soll, um all diese Dinge zu regeln und einheitlich einzuziehen, ist ein guter Schritt auf dem Weg zur Kostenminimierung und zur Vereinheitlichung von Vorgängen, die man gemeinsam bundesländerübergreifend erledigen kann. Wir begrüßen das. Wir begrüßen auch die vorgelegten Gebührenvorschläge.

Die Anpassung nach 20 Jahren ist fällig und notwendig, weil wir gezwungen sind, nur kostendeckende, aber auch tatsächlich kostendeckende Gebühren zu erheben. Dafür ist der vorgelegte Berechnungsmaßstab des Inflationsvolumens ein guter und richtiger.

Die Gebühren in der Höhe anzuzweifeln, sehe ich mich nicht in der Lage, Herr Dr. Wilke. Aber ich denke, wir können das in den Ausschüssen noch im Einzelnen diskutieren.

Das Problem liegt bei den 4,50 Euro für die Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis. Es wird eine einheitliche

Gebühr angestrebt. Wir werden sehen, inwieweit sie angemessen ist. Ich habe daran keinen Zweifel.

Ich halte es für sehr sinnvoll, dass die Schuldnerinnen und Schuldner für eine eigene Auskunft keine Gebühren zahlen müssen. Das dient dem Schuldnerschutz und der Bürgernähe und entspricht den Möglichkeiten, die das Bundesdatenschutzgesetz eröffnet. Insofern wäre das aus unserer Sicht durchaus zustimmungsfähig.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen sehe ich nicht mehr.

Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 16/1728 – an den Rechtsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke. Die Gegenprobe! – Danke. Enthaltungen? – Keine. Dann ist die Überweisung beschlossen.

Wir kommen zu Punkt 6 der Tagesordnung:

…tes Landesgesetz zur Änderung des Bildungs- freistellungsgesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 16/1735 – Erste Beratung

Gibt es eine Begründung durch die Landesregierung? – Frau Staatsminister Ahnen begründet den Antrag.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich, die vorliegende Änderung des Bildungsfreistellungsgesetzes heute in die parlamentarische Debatte einbringen zu dürfen.

(Pörksen, SPD: Man sieht es Ihnen an!)

Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir die Rahmenbedingungen für die gesellschaftspolitische Weiterbildung von Auszubildenden verbessern. Mit dieser Gesetzesänderung entwickeln wir zugleich ein Gesetz nach fast 20jähriger Geltungszeit fort.

Das am 1. April 1993 in Kraft getretene Bildungsfreistellungsgesetz hat in dieser Zeit vielen rheinlandpfälzischen Beschäftigten die Möglichkeit zur Teilnahme an Veranstaltungen der beruflichen oder der gesellschaftspolitischen Weiterbildung ermöglicht. Mit diesem Regierungsentwurf wollen wir vor allem den Freistellungsanspruch für Auszubildende erweitern. Bisher haben Auszubildende lediglich einen Anspruch auf Freistellung von drei Tagen während der gesamten Ausbildung. Darüber hinaus haben sie eine zwölfmonatige

Wartefrist, sodass sie faktisch diese Freistellung nur im zweiten Ausbildungsjahr in Anspruch nehmen können.

In Zukunft – so ist es vorgesehen – soll der Anspruch fünf Tage in jedem Ausbildungsjahr umfassen. Die Verkürzung der Wartefrist auf sechs Monate ermöglicht dann eine Inanspruchnahme bereits im ersten Ausbildungsjahr.

Wir wollen mit diesem Gesetzentwurf – insofern steht es ganz in der Tradition der Debatte heute während der Aktuellen Stunde – mehr Auszubildende zur Teilnahme an der gesellschaftspolitischen Weiterbildung und damit an gesellschaftlicher Teilhabe ermutigen.

Wir alle wissen, dass unsere demokratische Gesellschaftsordnung nur dann eine gute Zukunft haben wird, wenn sie immer wieder neu von möglichst vielen Menschen mit Leben erfüllt wird. Dieses demokratische Leben hat viele Gesichter. Es kann sich durch Engagement in öffentlichen Funktionen und Ämtern ausdrücken, genauso wie in der aktiven Mitarbeit in gesellschaftlichen Organisationen wie Kirchen, Gewerkschaften, Berufsorganisationen und Parteien oder im bürgerschaftlichen Engagement für die unterschiedlichsten Belange in unserer Gesellschaft, ob es um die Arbeit in Sozialverbänden, im Umweltschutz, die Sicherung des Friedens, die Hilfe für von Armut betroffene Länder oder um die Unterstützung politisch Verfolgter geht.

Das aktive, an den Grundwerten unseres Grundgesetzes orientierte Engagement ist lebensnotwendig für die Sicherung unserer Demokratie.

Mit dieser Änderung des Bildungsfreistellungsgesetzes greifen wir eine Forderung auf, die aus dem Bereich der Jugendverbände vielfach erhoben worden ist, namentlich von den Gremien des Landesjugendrings, den Teilnehmenden an den Jugend- und Auszubildendenkonferenzen, zu denen der Ministerpräsident regelmäßig einlädt, und der Gewerkschaftsjugend.

Gerade bei jungen Menschen können die Grundlagen für ein nachhaltiges Engagement für demokratische Grundwerte gelegt werden. Die Zeit des Besuchs von Schulen und Hochschulen – darüber haben wir hier schon öfter diskutiert –, aber auch die Zeit der Absolvierung einer Berufsausbildung – das steht heute im Mittelpunkt – ist dafür ein ganz wichtiger Zeitabschnitt. Hier bilden sich Wertorientierungen heraus, hier können positive Erfahrungen mit den Prozessen und Institutionen unserer demokratischen Ordnung gemacht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Staat ist primär dafür zuständig, die Rahmenbedingungen zu schaffen. Solche Rahmenbedingungen schaffen wir, indem wir das Bildungsfreistellungsgesetz weiterentwickeln.

Die vorgeschlagene Änderung nimmt Erfahrungen aus anderen Bundesländern auf. Mit der jetzt vorgesehenen Ausweitung bewegen wir uns auf eine Reihe von Ländern zu. In Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein beträgt der Freistellungsanspruch für Auszubildende bereits fünf Tage pro Ausbildungsjahr.

Ich bin sicher, dass die vorgeschlagene Änderung zur Teilnahme an Veranstaltungen der gesellschaftspolitischen Weiterbildung ermutigen wird und sie die vielen Bildungseinrichtungen in diesem Bereich unterstützen wird: Die Jugendverbände, die Gewerkschaften, die Kirchen, die Stiftungen und die Umweltorganisationen, um nur einige zu nennen, die entsprechende Angebote in unserem Land machen.

Ich glaube auch, mit dieser speziellen Betrachtung der Zeit der dualen Berufsausbildung leisten wir durchaus einmal mehr einen Beitrag, um die Gleichwertigkeit deutlich zu machen und damit einen Beitrag zur Attraktivitätssteigerung der beruflichen Ausbildung zu leisten.

In den einschlägigen Anhörungsverfahren hatten 24 Verbände und Institutionen die Gelegenheit zur Stellungnahme. Zwölf haben davon Gebrauch gemacht: neun uneingeschränkt positiv, drei aus der Wirtschaft und den kommunalen Spitzenverbänden haben den fachbezogenen Ausbildungsteilen Priorität eingeräumt und eine Ausweitung des Freistellungsanspruches abgelehnt.

Ich will an dieser Stelle deutlich machen, in keinem Fall wird es eine Konkurrenz zwischen den fachpraktischen Inhalten, der Ausbildung und den gesellschaftspolitischen Ausbildungsinhalten geben. Auch in Zukunft ist vorgesehen, dass eine Teilnahme an einer Veranstaltung durchaus versagt werden kann, wenn dadurch etwa der Ausbildungserfolg gefährdet wäre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit diesem Gesetzentwurf nehmen wir Erfahrungen einer fast zwei Jahrzehnte dauernden Anwendung des Bildungsfreistellungsgesetzes auf und entwickeln sie konsequent weiter.

Ich bin sicher, dass wir mit dem heute in die parlamentarische Debatte eingebrachten Gesetzentwurf die Rahmenbedingungen verbessern. Natürlich – aber das liegt völlig in Ihren Händen – wäre es schön, wenn wir zum 20. Geburtstag dieses Gesetzes im April – 1993 ist es auf den Weg gebracht worden – vielleicht diese Änderungen bereits vollzogen haben könnten.

Ich freue mich auf die weitere Debatte.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Kollegin Ganster das Wort.

Vorher darf ich noch Gäste begrüßen, die schon etwas länger hier sind. Ich glaube, das sollten wir in aller Gebührlichkeit tun.

Auf der Zuschauertribüne begrüße ich Mitglieder des SPD-Ortsvereins Hachenburg. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Für all diejenigen, die es nicht sehen können: Es wird sehr freundlich von der Zuschauertribüne heruntergewunken; das ist ganz toll. Danke.

Als weitere Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Saarburg. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)