Protokoll der Sitzung vom 08.03.2013

Außerdem stört mich ein bisschen, dass sie von Teilzeit für Frauen sprechen. Es geht um Männer und Frauen. Das ist das Wichtigste.

Wir reden heute über den Bundesgleichstellungsbericht und über die Nichtumsetzung durch die Bundesregierung. Vieles erinnert mich fatal an Missstände, die es schon vor 100 Jahren gab.

Frau Kohnle-Gros, Sie haben in Ihrer Pressemitteilung hervorgehoben, dass der Kampf gegen Gewalt ganz oben auf der Agenda stehen muss. Das ist ein ganz wichtiges Anliegen.

Allerdings stelle ich die These dagegen, wenn Frauen entsprechend wirtschaftlich abgesichert sind, sozialversicherte Arbeitsplätze haben, Minijobs abgeschafft werden, entsprechende Wiedereinstiegschancen nach der Geburt eines Kindes bestehen, die Kinderbetreuung umfangreich gelöst ist, dann stellt sich diese Gewaltfrage nicht mehr in der Form, wie wir sie jetzt noch haben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Schlimmste an den Bemühungen ist, dass es immer wieder Ihre Partei ist, die den Fortschritt zur Schnecke werden lässt. Ihre Bundesregierung, insbesondere die Ministerinnen Schröder und von der Leyen, setzen sich persönlich dafür ein, dass der Fortschritt nicht überhandnimmt. So wird der Mindestlohn verhindert, werden Minijobs von 400 Euro auf 450 Euro aufgestockt, was Altersarmut zur Folge hat, wird das Betreuungsgeld eingeführt, am Ehegattensplitting dogmatisch festgehalten. Frau Merkel weist die Vertretung in Brüssel an, die gesetzliche Quote für Frauen – das konnten wir gestern lesen – in DAX-Unternehmen zu verhindern. Das ist Ihre Politik.

Wenn das mit Ihnen so weitergeht, brauchen wir weitere 100 Jahre, um die Rechte und die Würde von Frauen umzusetzen. Gott sei Dank verändern sich in den Ländern die Mehrheiten, sodass Ihre Blockadepolitik immer weniger Chancen hat.

Hin und wieder sagt auch das Verfassungsgericht, wie Gleichberechtigung in unserer heutigen Gesellschaft auszusehen hat. Die meisten Damen und Herren von der CDU sind schon immer dem Zeitgeist hinterher gehechelt.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die veränderten Gesellschaftsstrukturen haben Sie erst zur Kenntnis genommen, als Sie nach und nach vom Wähler abgestraft worden sind. Ich versichere Ihnen, die Grundlage der Politik von Willy Brandt in den 70erJahren, nämlich eine Bildungsoffensive insbesondere für Mädchen und natürlich auch für Jungen zu starten, holt Sie jetzt ein; denn diese Bildungsgeneration wählt bedeutend bewusster, denen kann man nicht mehr alles erzählen.

Ich kann Ihnen sagen, mein Frust über Ihre Art der Verhinderungspolitik hat sich sehr stark gemildert, weil ich Ministerinnen wie Doris Ahnen und Malu Dreyer damals erleben durfte, die eine Politik gestaltet haben und gestalten, die in die Zukunft weist und jetzt von Frau Ministerin Irene Alt sehr schön fortgesetzt wird. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir werden weiter mit unserem Koalitionspartner zusammen dicke Bretter bohren.

(Licht, CDU: Das ist manchmal wichtig!)

Andere Möglichkeiten wird es mit dieser Bundesregierung offenbar nicht geben. Ich hoffe, dass wir dann etwas schneller weiterkommen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Frau Kohnle-Gros, CDU: Die Frage ist, wohin!)

Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Alt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Gäste oben auf der Tribüne! Lassen Sie mich als erstes als Frauenministerin sagen, wir feiern heute den Internationalen Frauentag.

Ich darf allen Frauen und Mädchen in diesem Land ganz herzlich gratulieren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich bin froh, dass wir heute durch den Antrag der Koalitionsfraktionen die Gelegenheit haben, uns mit der Umsetzung des ersten Bundesgleichstellungsberichtes zu befassen. Der Bundesgleichstellungsbericht hat sehr viele gute Ergebnisse hervorgebracht. Dennoch sind viele Fragen offen. Wir müssen uns damit befassen, wie wir damit umgehen.

Beim Durcharbeiten sind mir folgende Fragen aufgefallen bzw. in den Kopf gekommen:

1. Wie wollen wir die Arbeit in den kommenden Jahren und Jahrzehnten organisieren?

2. Wie soll die Balance zwischen beruflicher Arbeit und Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern gelingen?

3. Welche steuerrechtlichen, sozialrechtlichen und arbeitsrechtlichen Hindernisse müssen wir beseitigen?

Wir wissen, dass wir staatliche Regelungen haben, die Widersprüche und Fehlanreize beinhalten. Ich möchte ein Beispiel nennen. Nach dem geltenden Unterhaltsrecht sind beide Geschlechter aufgefordert, selbst für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen.

Gleichzeitig bevorzugt aber das Steuerrecht das veraltete Modell – Frau Spiegel hat es bereits gesagt – eines zumeist männlichen Hauptverdieners und einer meist weiblichen Mitverdienerin in Teilzeit oder gar auf MinijobBasis und in der ungünstigen Steuerklasse V. Gerade angesichts des neuen Scheidungsrechts und der bekannten Scheidungszahlen, vor allem aber auch aus Gründen einer tatsächlichen Gleichstellung und Chancengleichheit, sind die Auswirkungen auf die Frauen in diesen Beispielen fatal, und man muss deutlich sagen, so kann keine eigenständige Alterssicherung aufgebaut werden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Mein Haus hat im vergangenen Jahr eine Fachtagung zum Ersten Bundesgleichstellungsbericht organisiert. Frau Kohnle-Gros hat bereits darauf hingewiesen, die Fachtagung hat einen sehr großen Zuspruch gefunden, und wir haben sehr konstruktiv und intensiv diskutiert. Ich möchte einen wichtigen Aspekt herausgreifen, den wir dort besprochen haben. Für eine lang angelegte Umsetzung muss die Politik die grundlegenden Ansprüche des Bundesgleichstellungsberichtes aufnehmen und zu einem widerspruchsfreien, konsistenten Gesamtplan zusammenfügen.

Frau Kohnle-Gros, Sie haben darauf hingewiesen, dass es schon zwei Jahre her sei, seit er erstellt und veröffentlicht worden ist. Insoweit muss man schon davon ausgehen, dass die Bundesregierung einen Rahmenplan vorlegt. Sie hat ihn zwar angekündigt, aber er liegt bis heute noch nicht vor. Deswegen werden wir als Lan

desregierung Rheinland-Pfalz einen Fragenkatalog zur Umsetzung der Handlungsempfehlungen an die Bundesregierung richten. Wir werden einen entsprechenden Berichtsantrag im Bundesrat einbringen, und zwar voraussichtlich am 22. März.

Wir selbst im Land haben aus dem Bundesgleichstellungsbericht einen Katalog von Vorschlägen für Rheinland-Pfalz abgeleitet. Die wichtigsten Punkte möchte ich Ihnen kurz vorstellen.

1. Wie werden die Rahmenbedingungen für eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter verbessert? – Dazu – das wissen Sie – werden wir viel Geld in die Hand nehmen, um gemeinsam mit den Kommunen die Kinderbetreuung auszubauen. Wir haben im Rahmen des Nachtragshaushalts in diesen Tagen schon häufig darüber gesprochen. 56,6 Millionen Euro für den Kita- und den U3-Ausbau sind veranschlagt, und ich glaube, dies ist eine sehr große Summe, mit der wir die Infrastruktur in der Kinderbetreuung weiter ausbauen können.

Ich möchte auch noch einmal auf den Punkt des dualen Ausbildungssystems eingehen, den Frau Kohnle-Gros genannt hat. Ich glaube, wir haben eine sehr gute Fachschulausbildung für die Erzieherinnen in diesem Land, und wir sind auch in diese Richtung gegangen, weil wir die neue Teilzeitausbildung haben, bei der die Erzieherinnen drei Praxistage absolvieren und zwei Tage in der Schule verbringen.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das ist aber ein ganz anderer Ansatz!)

Ich weiß. Aber ich glaube dennoch, dass wir sehr gut diesen Praxisansatz umsetzen.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das ist aber ein ganz anderer Ansatz!)

Ja, das weiß ich.

Wir unterstützen zudem Unternehmen bei der Einführung vereinbarkeitsfreundlicher Arbeitsbedingungen. Wir selbst als Landesregierung haben kürzlich eine Selbstverpflichtung zur Sicherung und Weiterentwicklung unserer familienfreundlichen Personalpolitik beschlossen.

Wir beteiligen uns zudem an Projekten zur Unterstützung von Frauen, die nach der Familienphase wieder ins Erwerbsleben zurückkehren möchten. Des Weiteren initiieren wir zusammen mit dem Gesundheitsministerium Projekte zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege.

Auch das Thema „Frauenquote“ liegt mir sehr am Herzen, das wissen Sie, und ich setze mich mittelfristig verbindlich für eine verbindliche Frauenquote von 40 % in Aufsichtsräten und Vorständen ein.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es kann nicht sein, dass wir nach mehr als 50 Jahren europäischer Gleichstellungspolitik in den DAX-Unternehmen immer noch einen Frauenanteil von aktuell 8 % in den Vorständen haben. Das ist ein Armutszeugnis,

und wir sehen, dass auch die Selbstverpflichtung der Wirtschaft der letzten 12 Jahre daran nichts geändert hat.

Ein letzter Punkt, den ich noch nennen möchte, ist das Thema „gleiche Bezahlung bei gleicher Tätigkeit“. Nach wie vor werden Frauen im Vergleich zu den Männern unterschiedlich bezahlt. Frau Spiegel hat auf den Gender Pension Gap sowie auf den Gender Pay Gap hingewiesen. Dies sind Themenstellungen, die wir angehen müssen. Dies ist für uns eine Situation, die nicht hinnehmbar ist.

Wir haben in den letzten Tagen schon darüber gesprochen, dass wir uns deshalb für die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes einsetzen. In der letzten Woche hat Rheinland-Pfalz einen Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht. Dies ist für uns ein Thema, an dem wir in jedem Fall weiterarbeiten werden.

Wenn Sie einen Blick in den Koalitionsvertrag werfen, dann wird darin die gleichberechtigte Teilhabe am Erwerbsleben betont. Dies ist für mich eine Verpflichtung, und das ist auch Leitgedanke der rheinland-pfälzischen Frauenpolitik. Es muss eine eigenständige Existenzsicherung für die Frauen geben.

Wir haben noch viel zu tun. Sie sehen, die Themen sind alle noch vorhanden. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir in Zukunft gemeinsam diese Themen im Sinne und zum Wohle der Frauen angehen.

Vielen Dank.