Protokoll der Sitzung vom 06.06.2013

Ich habe viele Rückmeldungen aus den Unternehmen erhalten, die sagen, es sei tatsächlich anders geworden. So manchen „Kollegen“, aus welchen Ländern der Europäischen Union und darüber hinaus auch immer, den wir üblicherweise manchmal bei den Aufträgen dabei hatten und der manchmal an uns vorbeigezogen ist, erleben wir jetzt gar nicht mehr bei der öffentlichen Auftragsvergabe. Das ist gut so.

Das ist auch gut so aus Sicht der Kommunen. Ich habe das schon einmal aus der politischen Sicht beschrieben.

Es hat aber auch eine Verwaltungskomponente, lieber Herr Baldauf. Bei vielen dieser Aufträge, die ich gerade beschrieben habe, bei denen man im Rat zähneknirschend hat zustimmen müssen, ist zu erleben gewesen, dass diese Firmen nicht nur ominös scheinen, sondern es auch sind und während der Auftragsgestaltung weggebrochen sind. Man hat eine Baustelle, ein Projekt, und dann sind die weg. Man weiß gar nicht mehr, wo die sind. Man hat am Ende noch nicht einmal eine ladungsfähige Adresse gefunden. Wir wissen genau, das war die Realität, auch in Rheinland-Pfalz, meine Damen und Herren.

Dem haben wir einen Riegel vorgeschoben.

(Guth, SPD: Fürwahr!)

Sie sollten es nicht kritisieren, sondern uns dabei unterstützen, lieber Herr Baldauf und meine Damen und Herren von der Opposition.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Baldauf, Sie notieren sich jetzt wieder etwas. Bevor Sie sich wieder ganz groß „Ideologie“ auf Ihren Zettel schreiben,

(Heiterkeit bei der SPD – Baldauf, CDU: Das weiß ich so!)

will ich Ihnen sagen, alles, was ich Ihnen hier schildere, ist beinharter Pragmatismus. Das ist alles aus der Praxis herbeigeführt und begründet. Lieber Herr Baldauf, Sie sollten sich den Argumenten annähern, wenn Sie in einer solchen Debatte den Menschen den Eindruck vermitteln wollen, dass Sie noch ein bisschen wissen, wie es im Land zugeht.

Ich möchte eine Formulierung aufnehmen, die, wie ich finde, ganz interessant war, nämlich, dass wir ein solches Gesetz den Unternehmen auferlegt hätten.

Das ist eben nicht der Fall. Ich habe es schon beschrieben, dass wir den Unternehmen, insbesondere dem Mittelstand, an der Stelle manche Sorge genommen haben.

(Frau Ebli, SPD: Ganz genau! Das stimmt!)

Ich will hinzufügen, dass wir jetzt den Unternehmen ein Stück weit entgegenkommen, wenn sie uns fragen: Wie ist das, wenn ich einen Auftrag von euch, öffentliche Verwaltung oder welche Ebene auch immer, angenom

men habe und dann diese Entgeltkommission kommt – die Sie, wie ich finde, sehr despektierlich beschrieben haben, weil dort renommierte Vertreter der Wissenschaft und Menschen, die die Arbeitgeber- genauso wie die Arbeitnehmerseite vertreten, eingebunden sind, denen Sie sonst auf den Empfängen doch gar nicht nahe genug kommen können, und da diskreditieren Sie ihre Arbeit, lieber Herr Baldauf – und sagt, da gibt es Aufträge, die laufen über die Entscheidungszeit hinaus.

Was mache ich aus Sicht eines Unternehmens mit den Arbeitnehmern, die ich an dem Projekt beschäftigt habe und sagen, wir sind jetzt sozusagen über das Mindestentgelt zwar dabei, aber das hat sich erhöht? Warum kommt das bei uns nicht an?

Die sagen dann, auf Grundlage des Landestariftreuegesetzes hätte ich zunächst einmal gar nicht die Möglichkeit oder bin ich zumindest nicht gezwungen. Deshalb haben wir die Pflicht, für Klarheit zu sorgen.

Ich bin deshalb sehr froh, dass die beiden Fraktionen, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, diesen Impuls aus der Praxis, das Stichwort „Dynamisierung“, und auch die Erfahrungen aus den Gesetzgebungsarbeiten anderer Länderparlamente aufgenommen haben, die schon wieder zurückkommen nach Rheinland-Pfalz bezugnehmend auf die Frage: Haben wir schon damals klar genug auch vor dem Hintergrund der sich entwickelnden Rechtsprechung definiert, dass wir nicht nur die Nachunternehmer, sondern auch deren Kooperationspartner insbesondere dann, wenn sie Verleiher sind, mit im Spiel haben?

Lieber Herr Baldauf, ich muss Ihnen sagen: Wenn Sie immer noch so reden, wie Sie es vor zwei oder drei Jahren wahrscheinlich in den Manuskripten nachgeblättert haben, dann muss ich Ihnen sagen, die Wirklichkeit ist völlig über Sie hinweggegangen.

Herr Kollege Köbler hat es völlig zu Recht beschrieben: Wir könnten jetzt einigermaßen selbstbewusst sagen, dass es jetzt fast überall in Deutschland Landestariftreuegesetze gibt, die uns, vorsichtig ausgedrückt, bis in die Formulierungen hinein sehr bekannt vorkommen; denn das zeigt, dass dieses rheinland-pfälzische Parlament damals eine richtige Entscheidung getroffen hat und wir eine gute Gesetzgebung gemacht haben, die praktisch ist und den Menschen tatsächlich hilft und deshalb auch in Zukunft weiterentwickelt werden muss.

Wir brauchen faire Chancen am Arbeitsmarkt, einem Arbeitsmarkt, der stark und lebendig ist und die Unternehmen, die bei uns investieren und Steuern zahlen, auch in Zukunft mit Fachkräften unterstützt und die Unternehmen bei ihrer unternehmerischen Tätigkeit gegen Lohndumpingkonkurrenz schützt.

Lieber Herr Baldauf, ich kann eigentlich nicht sehen, warum Sie dagegen sind, außer von der Tatsache abgesehen, dass Sie sozusagen dafür bezahlt werden, dagegen zu sein, weil Sie hier Opposition machen.

(Beifall bei der SPD)

Lieber Herr Baldauf, Sie sollten sich deshalb diesem Gesetzentwurf annähern. Wenn es heute nicht passiert, so gibt es noch die Ausschussberatung, auf die ich mich sehr freue.

Danke schön.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jede Fraktion hat jetzt noch eine Redezeit von 6 Minuten und 30 Sekunden, wobei die SPD noch eine Redezeit von 7 Minuten und 30 Sekunden hat.

(Staatsminister Schweitzer: Selbst schuld! – Heiterkeit des Abg. Fuhr, SPD)

Bevor ich das Wort weitergebe, begrüße ich als Gäste auf der Zuschauertribüne 05er Classics – Mitglieder über 65 Jahre von Mainz 05. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Frau Kollegin Dr. Machalet.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Baldauf, was Sie vorhin erzählt haben, kennen wir alles schon aus den letzten Mindestlohndebatten, die wir hier geführt haben.

Ich möchte noch einmal auf ein Argument eingehen, dass Sie immer wieder anführen, wir seien gegen die Tarifautonomie oder wollten keine Tarifautonomie mehr und legten einen politischen Mindestlohn fest.

Wir haben immer gesagt, Mindestlohn ist politisch gewollt, um ein Mindestmaß an Absicherung zu haben, und nichts anderes. Bei der Argumentation, die Sie immer wieder anführen, frage ich mich, warum Sie nicht auch für die Abschaffung des Arbeitszeitgesetzes oder des Bundesurlaubsgesetzes plädieren; denn auch bei diesen Gesetzen geht es darum, dass der Staat gesetzlich ein Mindestmaß an Regelungen festschreibt und die Tarifpartner natürlich darüber hinaus gehen können.

(Baldauf, CDU: Die können Sie nicht abschaffen, weil die gerichtlich entschieden sind!)

Herr Baldauf, in Ihrer Logik aber wäre genau das konsequent und folgerichtig, dass Sie fordern, das Bundesurlaubsgesetz und das Arbeitszeitgesetz abzuschaffen. Auf die Initiative bin ich gespannt.

Wir werden auf jeden Fall weiter für einen gesetzlichen Mindestlohn genau aus dem Grund eintreten, dass wir ein Mindestmaß an Absicherung wollen und das Günstigkeitsprinzip bei den Tarifverhandlungen weiterhin gilt.

Ich denke, da werden wir an der einen oder anderen Stelle hier im Hause weiter spannende Diskussionen führen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Kollege Baldauf.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch zwei oder drei Takte zu dem sagen, was der liebe Kollege Schweitzer gesagt hat.

Frau Machalet, ganz interessant ist das, was Sie mit dem Gesetz fordern. Das führt eigentlich dazu, dass in jedem Bundesland aufgrund unterschiedlicher Tariftreuegesetze auch unterschiedliche sogenannte Mindestlöhne bestehen. Das geht ja schon fast in Richtung dessen, was wir immer sagen, dass wir regional unterschiedliche Entlohnungen brauchen, die mit einer Mindestbedingung ausgestattet sind, damit die Menschen davon leben können.

Darüber sind wir uns einig. Wir sagen aber nur – das ist der Unterschied –, wir meinen, dass es nichts bringt, es gesetzlich für ganz Deutschland zu regeln, weil wir viel zu unterschiedliche Bedingungen und unterschiedliche Geldströme haben. Von daher werden wir sicherlich nicht zusammenkommen.

Die Anhörung wird sicherlich spannend werden, wie sich das entwickeln wird. Herr Kollege Schweitzer, es ist schlecht, wenn Sie sagen, es hat sich bewährt und Sie hätten mit vielen Unternehmern gesprochen. Dann müssen wir einmal schauen, wer das alles ist.

(Zuruf der Abg. Frau Ebli, SPD)

Im Übrigen habe ich nicht die Kommissionsmitglieder diskreditiert, sondern ich habe gesagt, die Frage, wie die Kommission entscheiden soll auf der Grundlage dessen, was dort vorgesehen ist, ist so schwammig, dass ich unter dem Strich überhaupt nicht feststellen kann, unter welchen Kriterien ich das genau tun soll. Darüber muss man doch sprechen können.

Ich hätte vielleicht von Ihnen erwartet, dass Sie nach zwei Jahren eine Evaluation vorlegen – das ist ein Gesetzentwurf von den GRÜNEN und der SPD, aber Sie sind aufgesprungen, sodass Sie das im Ausschuss noch machen könnten –, aus der hervorgeht, was sich verschoben hat und wo es besser geworden ist.

Ich kann Ihnen nur aus meiner kommunalpolitischen Erfahrung sagen – ich habe gerade auch noch einmal zwei, drei Kolleginnen und Kollegen aus unseren Reihen gefragt –, bei den Ausschreibungen heute hat sich für mich so viel zu dem, was vor zwei oder drei Jahren gewesen ist und bei denen, die dort anbieten, nicht getan, wie ich mir das vielleicht hätte vorstellen müssen,

wenn Sie mit dem Gesetz einen Erfolg hätten haben wollen.

Das muss man – bitte schön – auch einmal ganz klar und deutlich offenlegen, was sich in diesem Bereich verändert haben soll. Das ist bis heute leider nicht geschehen.

Herr Kollege Schweitzer, ich habe mich im Übrigen darüber gefreut, dass Sie den Bautarifvertrag genannt haben. Wir betreiben doch immer das Spiel: Wer ist nun derjenige, der es erfunden hat? – Dieser Tarifvertrag ist einmal unter einer schwarz-gelben Regierung entstanden, damals noch mit einer Allgemeinverbindlichkeit. Dass dieser Tarifvertrag für alle gilt, ist doch gut. Darüber sind wir doch froh, und darüber sind wir alle einer Meinung. Wir sind auch der Meinung, dass man es entsprechend bestrafen muss, wenn sich jemand nicht daran hält.