Protokoll der Sitzung vom 06.06.2013

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Adolf Kessel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Kollegin Schellhammer, auch wir verurteilen die Attacke auf den Arab-Nil-Rhein-Verein in Mainz und sind mit Sicherheit genauso betroffen, wie Sie es auch sind;

(Beifall der CDU)

denn diese Attacke läuft dem Miteinander entgegen. Und genau dieses Miteinander brauchen wir. Das haben Sie in Ihrer Rede auch betont. Die Hintergründe müssen lückenlos aufgeklärt werden. Die Täter wurden dingfest gemacht. Über die Motive hat man schon etwas gehört, aber auch da muss man weiterhin dranbleiben.

Ebenso ist zu hinterfragen, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass ein international einschlägig bekannter salafistischer Hassprediger wie Mohammed AlArifi die Möglichkeit erhielt, beim Arab-Nil-Rhein-Verein aufzutreten. Er ist übrigens ein Hassprediger, der bekannt dafür ist – das haben Sie, Frau Kollegin Schellhammer, auch betont –, öffentlich gegen Juden und Homosexuelle zu hetzen und Gewalt gegen Frauen für legitim zu erachten.

Welche Gefahr von solchen geistigen Brandstiftern für unsere Gesellschaft ausgehen kann, davor warnt unter anderem der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz.

Ich darf zitieren: „Es kann mithin als gesichert gelten, dass das von Salafisten verbreitete Gedankengut den Nährboden für eine islamistische Radikalisierung ‚Jihadisierung‘, und schließlich Rekrutierung für den militanten Jihad bildet.“–

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Hört, hört!)

„Eine besondere Gefahr ergibt sich daraus, dass auch rein virtuell verbreitetes salafistisches Gedankengut“– vor allem bei Jugendlichen – „radikalisierungsfördernd sein kann.“

Welche Ziele Salafisten konkret verfolgen, dazu erklärt der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz weiter – auch hier darf ich zitieren –: „Ziel von Salafisten ist jedoch die vollständige Umgestaltung von Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft nach einem salafistischen Regelwerk, das als ‚gottgewollte‘ Ordnung angesehen wird. In letzter Konsequenz soll ein islamistischer ‚Gottesstaat‘ errichtet werden, in dem wesentliche, in Deutschland garantierte Grundrechte und Verfassungspositionen keine Geltung haben sollen.“

Vor diesem Hintergrund ist es legitim, ja, sogar zwingend notwendig, kritisch zu hinterfragen, wie es sein kann, dass der Arab-Nil-Rhein-Verein nicht wusste, für welche grundgesetzwidrigen Thesen sein prominenter

salafistischer Gastredner steht, wie das der Vorsitzende der Mainzer CDU-Stadtratsfraktion getan hat.

(Beifall der CDU)

Diesen dann im Gegenzug als Hassprediger zu bezeichnen und für den Anschlag auf das Gebäude des Moscheevereins verantwortlich zu machen, wie das der Vorsitzende des Vereins getan hat, ist instinktlos und infam,

(Beifall der CDU)

ganz abgesehen davon, dass derartige Beschimpfungen nicht dazu beitragen, Vertrauen zu schaffen und einen interkulturellen Dialog zu fördern.

Jetzt, nachdem sich die Wogen etwas geglättet haben und die für den Anschlag Verantwortlichen gefasst wurden – auch hier danke ich ganz besonders den Ermittlungsbehörden –, gilt es innezuhalten, um die Umstände, die zu den Dissonanzen geführt haben, genauer zu analysieren und die Vorgänge in aller Besonnenheit aufzuarbeiten.

Gemeinsame Aufklärung, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, tut Not. Politischer Extremismus, egal, in welchem Gewand er daherkommt, hat in unserer freiheitlich demokratischen Gesellschaft keinen Platz.

(Beifall der CDU)

Damit die Saat des Hasses, die seine Protagonisten säen, nicht aufgeht, müssen beide Seiten – Christen und Muslime, Politiker und Vereinsvertreter – gemeinsam an einem Strang ziehen, um den Auswüchsen der Intoleranz mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten. Echtes interkulturelles Miteinander kann nur in einem Klima des gegenseitigen Vertrauens gedeihen. Vorschnelle Verurteilungen, mangelnde Transparenz, gegenseitige Schuldzuweisungen und ungerechtfertigte Beschimpfungen dagegen sind hierfür keine guten Lehrmeister, da sie die Gräben weiter vertiefen, anstatt sie zuzuschütten.

Die aktuellen Vorgänge um den Arab-Nil-Rhein-Verein haben gezeigt, dass es trotz jahrelanger Integrationsarbeit der Landesregierung immer noch keine funktionierende Kooperation zwischen Moscheeverein und Landesregierung gibt. Um künftig angemessen auf derartige Situationen reagieren zu können,

(Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was?)

ist deshalb eine bessere Präventionsarbeit im Bereich des islamistischen Extremismus zwingend erforderlich.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Brede-Hoffmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass wir uns als Grundsatz hier scheinbar einig sind,

(Zurufe von der CDU: Was heißt „scheinbar“?)

dass wir die Attacke, die gegen den Arab-Nil-RheinVerein und die Moschee dort, gegen ein Kirchengebäude, geschehen ist, einig ablehnen.

(Ernst, CDU: Unscheinbar ist das, was Sie sagen!)

Ich bin außerdem froh,

(Bracht, CDU: Gilt das „scheinbar“ für Sie?)

dass Sie festgestellt haben, dass es wichtig ist, dass junge Männer, die eine solche Attacke begehen, entsprechend ermittelt werden und dagegen ermittelt wird. Ich finde es trotzdem erschreckend, dass Sie nicht über die Attacke, nicht über die Frage, wer junge Männer – einen 17-Jährigen, fast noch ein Kind – verführt hat, einen solchen Irrsinn zu machen, geredet haben, sondern Sie ausschließlich über das Thema „Islamische Radikalität eines Predigers“ geredet haben, was – das lassen Sie mich auch feststellen –

(Zurufe von der CDU)

hier einig im Haus als Fehler bezeichnet worden ist, ihn einzuladen. Ich sage sogar schärfer „als richtige Dummheit“. Trotzdem lassen Sie mich auch feststellen, der Mann steht auf einer Liste von Menschen, die ein Einreiseverbot für die Bundesrepublik Deutschland haben. Deutsche Bundesbehörden haben ihm für seinen Auftritt in Deutschland, der nicht nur in Mainz war, ein Einreisevisum erteilt. Darüber ist dann auch ausführlich zu reden, Herr Kessel.

(Kessel, CDU: Ja!)

Aber lassen Sie mich noch einiges andere sagen. Neben dem Fehler, den es darstellt, diesen Prediger in eine Mainzer Moschee einzuladen, wiewohl übereinstimmende Berichte über seinen Auftritt dort an Silvester sagen, er hat nicht einen dieser diskriminierenden Tatbestände verbreitet, den wir brandmarken und den wir in vielen Gesprächen mit dem Arab-Nil-Rhein-Verein immer wieder betont haben und den der Arab-Nil-Rhein-Verein in einer, wie ich denke, sehr offenen und ehrlichen Form zugegeben hat, sich dafür entschuldigt hat, ist es aber auch ein Fehler gewesen, statt zu dem Zeitpunkt, als man erfahren hat, dass dieser Mann nach Mainz kommt, mit dem Verein in den Räumen des Vereins zu reden oder ihn in andere Räume einzuladen, darüber dann eine Pressekampagne zu beginnen, indem genau das passiert ist, was Herr Kessel hier heute auch gemacht hat. Das war auch ein großer Fehler;

(Zuruf des Abg. Reichel, CDU)

denn wir wissen in der Zwischenzeit, dass genau diese Kampagne diese jungen Männer in ihrer Verwirrtheit im Kopf dazu gebracht hat, diese widerwärtige Attacke zu begehen. Man muss schon verschiedene Ursachen auf einen Zeitstrahl schreiben. Erst kam der Fehler des muslimischen Vereins. Dann kam der Fehler der Pressekampagne, und dann kam eine widerwärtige Attacke. Nichts anderes kann man historisch beschreiben. Es gibt also mehrere Menschen, die mehrere Fehler begangen haben. Man soll sie nicht schönreden. Man darf sie nicht übertreiben.

Ich will jetzt darüber reden, was wir brauchen. Wir brauchen interreligiösen Dialog. Wir brauchen Debatten über Werte. Die brauchen wir an Tischen und auf Stühlen gemeinsam im selben Raum, Auge in Auge, nicht in Pressekampagnen.

(Zuruf der Abg. Frau Thelen, CDU)

Wir brauchen ganz viel Werteerziehung und politische Bildung – darüber sind wir uns hier einig –, um solche Irrsinnigkeiten eines 17-Jährigen, der Blut verkippt und wirkliche fiese Plakate aufhängt und auch noch glaubt, er habe recht damit, und wir brauchen für diese jungen Menschen ganz viel Aufklärung. Ich habe mich deswegen über jeden einzelnen gefreut, der zum Arab-NilRhein-Verein gegangen ist und dort mit ihm geredet hat, auch meine hochgeschätzte CDU-Kollegin als Stadträtin und Ortsversteherin, Frau Karin Trautwein, die dort hingegangen ist und mit den Leuten geredet hat. Das war ein tolles Zeichen von dieser CDU-Frau.

(Frau Klöckner, CDU: Frau Groden-Kranich auch! Es waren noch ein paar mehr Leute!)

Wir brauchen deswegen für diese jungen Männer einen moderierten Täter-Opfer-Ausgleich. Denen muss vor Ort und mit den Betroffenen – am besten mit den Kindern – klar gemacht werden, was sie da angerichtet haben, damit sie vielleicht die Chance haben – 17 und 22 ist noch nicht so alt –, zu erkennen, das geht auch anders in unserer Gesellschaft. Wenn ich Kritik habe, kann ich meinen Mund benutzen und es denen sagen, die es scheinbar verdienen. Junge Männer hätten auch zum Arab-Nil-Rhein-Verein gehen können und sagen können: Wir finden es fies, wen ihr da eingeladen habt, und diesen Menschen lehnen wir ab. – Dafür hätten sie nicht eine fiese Attacke machen müssen.

Wir brauchen also einen Täter-Opfer-Ausgleich. Wir brauchen politische Bildung. Wir brauchen Wertediskussionen, und wir brauchen das alles Auge in Auge zwischen Menschen. Ich bitte darum, dass das in den nächsten Wochen geschieht, dass die Einladung, die der Arab-Nil-Rhein-Verein jetzt auf allen Wegen mit Briefen und über die Presse an alle, auch die CDU, ausgesprochen hat, angenommen wird.

(Glocke des Präsidenten)

Liebe CDU-Mitglieder, springen Sie über Ihren Schatten, den Sie meinen, aufbauen zu müssen. Gehen Sie dort

hin, und reden Sie mit den Menschen. Schauen Sie sich einen schönen fröhlichen Kindergarten an,

(Glocke des Präsidenten)

und vergessen Sie nicht, der 17-Jährige kam aus Ihren Reihen. Vergessen Sie das nicht!

(Vereinzelt Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Reichel, CDU: Das ist eine Unverschämtheit! – Weitere Zurufe von der CDU)