Protokoll der Sitzung vom 04.07.2013

Umso wichtiger ist es, dass die Politik jetzt alles vermeidet, was Wachstum und Beschäftigungsaufbau erschweren und nur irritieren würde.

(Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, eine Wiederwahl zu vermeiden, wäre gut!)

Hier meine ich mitnichten das Wachsen nach dem immer Schnelleren und Höheren. Frau Ministerin, ich fand es gut, dass Sie das Thema des Gemeinwohls und des Wohlstandsindex erwähnt haben. Aber das hat auch etwas mit Wohlfühlen im besten Sinne zu tun; denn Wachstum per se, das immer nur aufeinander aufwächst und wie ein Kartenhaus zusammenfallen kann, ist kein Wachstum, das wir uns vorstellen. Da nutze ich sehr gerne den Begriff „Nachhaltigkeit“, lieber breiter und langsamer wachsen, aber dafür solide.

Von der Research-Abteilung der Deutschen Bank gibt es seit Jahrzehnten Untersuchungen, die jetzt auch der Bundestag herangezogen hat. Ich finde es gut, dass Sie jetzt auch vorhaben – nachdem es die anderen gemacht haben –, das in Rheinland-Pfalz einzuführen. Da haben Sie unsere Unterstützung.

(Beifall des Abg. Dr. Weiland, CDU)

Frau Lemke, auf vielen Wirtschaftsveranstaltungen sind wir gemeinsam. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer fassen häufig die Gespräche mit Ihnen zusammen, ich zitiere: Herzblut für die Belange der Wirtschaft sieht wahrlich anders aus. – Unternehmer und Verbände klagen, dass sie über Wochen keinen Termin bei der zuständigen Wirtschaftsministerin bekommen.

Verehrte Frau Lemke, wir Politiker – da nehme ich uns nicht von aus – haben nur einen Zeitvertrag. Es sind die Unternehmer, denen auch Sie als Ministerin verpflichtet sind. Politik heißt heute nicht mehr Ausübung von Herrschaft und Belehrung des Volkes von oben, sondern Dienst an den Bürgern, Frau Ministerin.

(Beifall der CDU)

Frau Ministerin, es sind auch die Unternehmer, denen Sie keinen Termin geben, die mit ihren Steuergeldern Ihr Gehalt und auch unser Gehalt bezahlen. Ich finde, Sie haben mehr als nur ein Ohr oder Ihr Verständnis – lassen Sie uns darüber sprechen, nach dem Motto „eine Dialogkultur nur in Ihre eigene Richtung“ – verdient. Bei Ihrer Dialogkultur geht es meist nur um die sogenannte Green Economy, und alle anderen fallen hinten runter, aber die zahlen die Steuern für Ihr Gehalt, Frau Lemke.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Das ist doch alles aus der Luft gegriffen!)

Frau Ministerin, viele müssen den Eindruck haben, den GRÜNEN in der Regierung käme es gar nicht so ungelegen, wenn die Flughäfen Hahn und Zweibrücken schwächer würden, wenn am Nürburgring weniger los

wäre und der Straßenverkehr im Land zum Erliegen käme. Herzblut für Betriebe und deren Mitarbeiter sieht wahrlich anders aus.

(Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann Ihnen sagen, wir als CDU stehen im Gegensatz zu Ihnen für eine Politik des echten Dialogs mit den Unternehmern, für eine Politik mit der Wirtschaft und nicht gegen die Wirtschaft, gerade auch im Interesse der Arbeitnehmerinnen und -nehmer.

(Beifall der CDU)

Warum muss das in unser aller Interesse sein? – Um Arbeitsplätze im Land zu erhalten und neue Arbeitsplätze zu schaffen, damit Arbeit fair entlohnt werden kann und Arbeitsplätze wohnortnah angeboten werden können.

Auch das hat etwas mit Familienstrukturen zu tun, nicht nur bei der Kindererziehung, sondern Familien müssen auch zusammenhalten, wenn auf sie die große Aufgabe der Pflege zukommt.

Die Anstrengungen haben auch etwas damit zu tun, ob wir wohnortnah auf Arbeit zurückgreifen können und die Arbeitsplätze sicher sind.

Wir sind dagegen, dass eine grüne Ministerin die Industrie und die Mittelständler belehrt, was gute und was schlechte unternehmerische Ideen sind. Green Economy, die grüne Wirtschaft, ist ein Standbein, aber beileibe nicht das einzige, Frau Lemke. Auch für Windräder muss Stahl produziert werden, und zwar in der von Ihnen als schmutzig betrachteten

(Staatsministerin Frau Lemke: Das ist doch Quatsch!)

und energieintensiven Industrie. Auch das muss geschehen, und auch das gehört dazu.

(Beifall der CDU)

Wir halten es für falsch, dass fast nur noch das gefördert wird, was von Ihnen das Etikett „Öko“ bekommt. Diese Einseitigkeit und Konzentration auf die sogenannte „Grüne Wirtschaft“ halten wir für absurd. Auch dort gibt es nicht ausschließlich die Allgemeinwohlorientierung, auch dort gibt es handfeste Lobbyinteressen, und auch dort gibt es je nach Fördertopf eine atemberaubende Flexibilität.

Hören Sie daher bitte damit auf, Wirtschaft in gut und schlecht zu unterteilen, nach Ihrem ganz persönlichen, grünen, parteipolitischen Maßstab. Das wird der Bandbreite der Wirtschaft, der Unternehmen in unserem Land nicht gerecht.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Worum geht es stattdessen? – Es geht uns um einen Gegenentwurf zu diesem grünen Modell. Es geht ers

tens darum, die unternehmerische Freiheit zu respektieren, zweitens, verlässliche Rahmenbedingungen zu setzen, und drittens, bürokratische und finanzielle Belastungen so gering wie möglich zu halten. Es geht viertens darum, die unternehmerische Leistung auch einmal anzuerkennen, und fünftens, den Unternehmerinnen und Unternehmern im Land Vertrauen zu schenken, ihnen zuzutrauen, dass sie am besten die Entscheidungen treffen können, um ihre Geschäfte voranzubringen, und nicht automatisch Ihr Haus mit neuen Energieagenturen und neu geschaffenen Stellen gerade in Ihrem Leitungsbereich, Frau Ministerin Lemke.

(Beifall der CDU)

Ich habe leider oft den Eindruck, dass in Politik und Gesellschaft zuweilen ein verzerrtes Unternehmerbild herrscht. Die Unternehmer sind in ihrer Masse doch weder Heuschrecken noch vaterlandslose Gesellen. Sicherlich gibt es und gab es auch erhebliche Fehlverhalten und Fehlentwicklungen, rücksichtsloses und arrogantes Verhalten von Managern und Finanzjongleuren, und zwar besonders dann, wenn der Zusammenhang zwischen persönlicher und privater Verantwortung einerseits und persönlicher und privater Haftung andererseits auseinandergefallen ist. Aber die überwiegende Zahl der Unternehmerinnen und Unternehmer in Rheinland-Pfalz hält sich hingegen an Recht und Gesetz, und dies mit Anstand und Moral. Das wollen wir auch einmal betonen.

(Beifall der CDU)

Es sind nämlich gerade diejenigen Familienunternehmer, die persönlich haften, wenn etwas schiefgeht. Sie prägen unsere Wirtschaft.

Ausdrücklich möchte ich auch das Engagement der vielen Unternehmer für das Gemeinwohl hervorheben, die sich kulturell, im Sport und auch sozial engagieren, die eben kein Problem damit haben, einen Teil ihrer Belegschaft auch während der Arbeitszeit zum Beispiel für die Feuerwehr freizustellen. Damit tragen diese Wirtschaftstreibenden zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft bei, und ich hätte mir gewünscht, dass Sie auch dafür einmal Danke sagen. Wir tun es sehr gerne.

(Beifall der CDU)

Es wird aber nur dauerhaft möglich sein, diesen Beitrag über den eigenen Gewinn hinaus für die Gesellschaft zu leisten, wenn die Unternehmen auch erfolgreich sind. Unternehmerischer Erfolg und Rendite sind nichts Unanständiges, das man gleich wieder höher besteuern müsste. Anständiger unternehmerischer Erfolg verdient eben keinen Neid, verdient keinen Argwohn, sondern politische und gesellschaftliche Anerkennung. Dafür wird es wirklich Zeit, so etwas einmal auszusprechen, ohne in einem Neben- oder Halbsatz immer gleich den Verweis auf Öko und Grün zu tätigen. Es wird Zeit, einfach einmal diesen Hinweis zu geben und sich zu bedanken ohne Vorbedingung, Frau Lemke.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen eine Politik und eine Gesellschaft, die versteht, was Wirtschaft leistet. Wir brauchen ein Umfeld, das Unternehmertum stützt, begleitet und fördert, auch in der politischen Debatte. Diejenigen, die sich für unsere Unternehmen aus dem Fenster lehnen, sind durchaus sehr rar geworden.

Die Produkte, Arbeitsplätze, Sozialleistungen, Steuern – das alles sind auch Beiträge zu unserem Gemeinwesen. Natürlich profitiert die Wirtschaft von unserem Land, wenn die Straßen gut ausgebaut sind und wenn es eine gute Bildung gibt, aber umgekehrt profitiert auch unser Land von guten Unternehmern. Deshalb sind die Unternehmer unsere Partner und nicht unsere Gegner, egal ob Old oder New Economy.

(Beifall der CDU)

Ist es nicht paradox, dass wir einerseits unseren Nachbarstaaten politische Maßnahmen ans Herz legen, die uns so stark gemacht haben, und andererseits unsere Politik – vor allen Dingen Rot-Grün – gerade dabei ist, genau diese Reformerfolge bei uns selbst wieder rückgängig zu machen?

(Pörksen, SPD: Wieso denn das?)

Herr Pörksen ruft: Wieso denn das? – Ich könnte Ihnen einiges aus Ihrer Agenda 2010 vorlesen, was damals verabschiedet worden ist. Damals haben Sie es nicht kritisiert, und was jetzt in Ihrem Wahlprogramm als Rolle rückwärts steht, ist von Ihnen auch nicht kritisiert worden.

Deshalb sagen wir als Christdemokraten in diesem Hause, nachhaltig im Sinne von wirtschaftlich erfolgreich ist Wirtschaftpolitik nur dann, wenn man den Unternehmen ausreichend Kapital für Investitionen belässt. – Woher sollen sonst die Mittel für Forschung und Entwicklung kommen? Wie sollen sonst neue Arbeitsplätze geschaffen oder auch in einem harten Wettbewerb bestehende Arbeitsplätze gesichert werden? Wie sollen sonst die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fair entlohnt werden? Woher soll sonst das Geld für umweltfreundliche Technologien kommen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Frau Ministerin Lemke, eines ist klar: Ohne schwarze Zahlen kann man auch keine grünen Experimente verwirklichen.

(Beifall der CDU – Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ohne Experimente keine Innovation!)

Deshalb sieht das Bekenntnis der Christdemokraten zum Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz anders aus als das der Landesregierung, und darauf lege ich für meine Fraktion auch sehr großen Wert. Der Standort Rheinland-Pfalz braucht ein klares Profil mit einem tragfähigen Geschäftsmodell. Die Landesregierung braucht für unser Land endlich ein Wohlstandskonzept.

Was dazu notwendig ist, ist ein wirtschaftsfreundliches Klima, unternehmerische Freiheit und beste Standortbedingungen, und dazu wiederum gehört eine moderne Infrastruktur und nicht drei läppische Sätze, die wir so

eben von Ihnen zur Infrastruktur gehört haben, Frau Lemke.

(Beifall der CDU)

Dazu gehört auch eine anspruchsvolle Bildung sowie ausbildungsreife junge Leute, dazu gehört ein familienfreundlicher Arbeitsmarkt und nicht eine arbeitsmarktfreundliche Familienpolitik. Als Letztes – das fordere ich für die CDU in diesem Hause – gehört dazu ein Moratorium bei Bürokratie, Standards und Steuern.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In rheinland-pfälzischen Unternehmen wird richtig gute Arbeit geleistet, aber diese gute Arbeit kann nur geleistet werden, wenn es Verlässlichkeit gibt und nicht immer wieder neue Ideen mit neuen Standards, die Geld kosten, die Arbeitsplätze gefährden und letztlich den Menschen auch den Spaß nehmen, überhaupt bei uns aktiv zu sein. Lassen Sie den Leuten doch ihren Spaß, in Rheinland-Pfalz aktiv und tätig zu sein, und überlegen Sie sich nicht jeden Tag etwas Neues, um ihnen diese Freude wieder zu nehmen. Lassen Sie sie einfach arbeiten!