Protokoll der Sitzung vom 04.07.2013

In dieser Tradition steht jetzt auch der Dialog Industrieentwicklung. Mit unseren Partnern haben wir eine gemeinsame Diskussionsplattform geschaffen – bewusst auch unter Einbeziehung wissenschaftlicher Expertise. Uns geht es darum, gemeinsam Handlungsfelder, Handlungsstrategien und Handlungsempfehlungen zu identifizieren, zu beschreiben und umzusetzen. Ziel ist es, Akteure zu aktivieren. Nicht die Landesregierung allein kann den Wirtschaftsstandort voranbringen, sondern das Zusammenspiel mit Unternehmerinnen und Unternehmern, mit den Kammern und mit den Sozialpartnern. Natürlich sind wir dabei nicht immer einer Meinung. Ich halte auch nichts davon, Kritik und Meinungsunterschiede mehr oder weniger unausgesprochen im Raum stehen zu lassen; denn tragfähige und nachhaltige Lösungen entwickeln wir nur, wenn wir Positionen, Meinungen und Interessen offen austauschen.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Dialog Industrieentwicklung läuft, und er läuft gut. Ich darf Ihnen einige wichtige Trendaussagen berichten. Zunächst einmal: Die Zufriedenheit der Industrie mit dem Standort RheinlandPfalz ist ausgesprochen hoch. – Über zwei Drittel der Unternehmen, die wir zusammen mit den Industrie- und Handelskammern befragt haben, sagen: Wir sind zufrieden oder sehr zufrieden mit dem Standort RheinlandPfalz. –

Gleichzeitig haben wir festgestellt: Wir haben im Vergleich zu den entscheidenden Mitbewerbern auf nationaler Ebene – Bayern, Hessen, Baden-Württem-berg – den stärksten Sockel an beruflich Qualifizierten, also an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit abgeschlossener Berufsausbildung. – Auch darauf können wir stolz sein; denn das zeigt doch, das duale Ausbildungssystem in Rheinland-Pfalz ist leistungsfähig. Wir werden mit Argusaugen darauf achten, dass dies auch künftig so sein wird und beispielsweise auch künftig eine angemessene Zahl von Berufsschulstandorten im ländlichen Raum vorhanden sein wird.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Was wir mit der Unternehmensbefragung auch festgestellt haben, ist: Das Thema, das für die Unternehmen in den nächsten fünf bis zehn Jahren für die Standortqualität die größte Bedeutung haben wird, ist die Frage der Fachkräfteversorgung. Die Landespolitik greift dieses Thema mit ihren Partnern auf, beispielsweise mit der MINT-Kampagne am Ovalen Tisch der Ministerpräsidentin, mit der Initiative zur Fachkräftesicherung im Pflege- und Gesundheitsbereich des Sozialministeriums. Wir haben heute Morgen schon darüber gesprochen. Auch und gerade für eine nachhaltige Wirtschaftspolitik ist die

Fachkräftesicherung ein zentraler Baustein, mit dem wir das Morgen gestalten.

Wir wissen auch heute schon ziemlich sicher: Die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter in RheinlandPfalz wird bis 2030 um schätzungsweise 350.000 Menschen sinken. Das ist mehr als die Einwohnerzahl von Mainz und Trier zusammengerechnet. Gleichzeitig bleibt die Nachfrage nach Fachkräften unverändert hoch. Künftig wird der deutsche Arbeitsmarkt sogar noch stärker als heute ein Fachkräftearbeitsmarkt sein.

Zur Fachkräftesicherung brauchen wir deswegen eine Dreifachstrategie. So müssen wir das vorhandene Potenzial an Fachkräften noch besser erschließen. Wir müssen erstens die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gerade für die vielen qualifizierten und hoch motivierten Frauen verbessern. Wir müssen zweitens dafür Sorge tragen, dass die Erfahrung und das Wissen der Älteren nicht verloren gehen. Wir müssen drittens für eine qualitativ gute Ausbildung der jungen Generation sorgen. Bei all diesen Themen steht auch und gerade der Bund in der Pflicht, aber leider oft auch im Weg. Ich erinnere an das Betreuungsgeld.

(Starker Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Genauso wichtig, wie heimische Potenziale zu heben, ist es, durch die aktive Zuwanderungspolitik ausländische Fachkräfte dauerhaft für die Bundesrepublik zu gewinnen. Dazu braucht es eine echte Willkommenskultur. Mit dem neu geschaffenen Integrationsministerium haben wir in Rheinland-Pfalz ein für alle sichtbares Zeichen einer solchen Willkommenskultur gesetzt. Aber auch das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz, das die Landesregierung auf den Weg gebracht hat und das der Anerkennung ausländischer Abschlüsse dient, zeigt: Rheinland-Pfalz ist weltoffen und tolerant. Mit dem Feststellungsgesetz schaffen wir es, ohne einen Euro an Fördergeldern ausgeben zu müssen, dass gut ausgebildete Migrantinnen und Migranten leichter offene Stellen besetzen können. Das ist ein konkreter Beitrag, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Bei der Frage der Fachkräfte konzentriert sich die Wirtschaftspolitik darüber hinaus ganz bewusst auf die Nachwuchssicherung. Hier setze ich neue Akzente, drei weitere Bausteine, mit denen wir die Zukunft gestalten.

Erster Baustein: Wir erschließen zukunftsträchtige Berufsfelder im Bereich der erneuerbaren Energien. In Zusammenarbeit mit Kammern und Verbänden werden derzeit gemeinsam mit der neu gegründeten Energieagentur entsprechende Aus- und Weiterbildungsangebote entwickelt.

Zweiter Baustein: Wir werben noch stärker als bisher für die duale Ausbildung. Der Fachkräftemangel wird nicht nur die MINT-Berufe betreffen, sondern auch und gerade die Ausbildungsberufe. Deshalb werden wir zusammen mit unseren Partnern am Ovalen Tisch für Ausbildung und Fachkräftesicherung eine Kampagne mit dem Motto „Nach vorne führen viele Wege“ starten. Deutlich werden soll dabei: Die Bildungssysteme in Rheinland

Pfalz sind gleichwertig und anschlussfähig; auch und gerade eine duale Ausbildung eröffnet vielfältige Karrierechancen.

Dritter Baustein: Zur Fachkräftesicherung durch Stärkung der dualen Ausbildung gehört als dritter Baustein der Erhalt und die Weiterentwicklung der dualen Ausbildungsinfrastruktur wie beispielsweise die von mir angestrebte Modernisierung der Bildungszentren der Handwerkskammer Trier.

Meine Damen und Herren, mein Haus steht bei der Fachkräftesicherung für die Arbeitgeberperspektive. Unternehmen müssen als Arbeitgeber attraktiv sein, um Fachkräfte gewinnen und binden zu können. Die Landesregierung gibt hier durch ein langfristig angelegtes Projekt zur lebensphasenorientierten Personalpolitik gezielte Hilfestellung gerade für kleine und mittlere Unternehmen. Dies ist ein weiterer Baustein, damit unsere Unternehmen die Herausforderung der Fachkräftesicherung erfolgreich bewältigen und sich für das Morgen wappnen können.

Ich will darüber hinaus, dass wir bei der Fachkräftesicherung die regionale Perspektive deutlicher machen. Ich will die regionale Ebene dabei unterstützen, sich des Themas „Fachkräfte“ stärker anzunehmen. Deshalb werden wir mit einem neuen Projekt regionale Initiativen zur Fachkräftesicherung aufbauen.

All diese Aktivitäten sind Teil unserer Gesamtstrategie zur Fachkräftesicherung, die wir derzeit mit unseren Partnern im Land weiterentwickeln.

Wir werden die Strategie am Ovalen Tisch der Ministerpräsidentin diskutieren und dort mit unseren Partnern eine neue Vereinbarung schließen, die sich des Themas umfassend annimmt.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich komme zu einem anderen Thema. Ich möchte mit Ihnen gern über Infrastruktur sprechen.

(Schmitt, CDU: Wir auch!)

Wer heute noch immer meint, Infrastruktur bemesse sich in immer neuen Laufmetern Asphalt und Beton, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir haben in Rheinland-Pfalz das dichteste Straßennetz aller Flächenländer. Wenn wir diese Qualität bewahren wollen – und das wollen wir –, dann muss Erhalt vor Neubau gehen.

(Licht, CDU: Wenigstens das kriegt er nicht hin!)

Der Herr Kollege kümmert sich und arbeitet hervorragend. Das kriegen wir hin. – Hinzu kommt: Die Infrastruktur im Jahr 2013 ist so viel mehr als das Straßennetz. Eine moderne, eine leistungsfähige Infrastruktur bemisst sich heute auch in Bits und Bytes – in Geschwindigkeit und Bandbreite des Internetzugangs. Das ist schon heute ein knallharter Standortfaktor, und des

halb mahnen alle 16 Bundesländer zu Recht eine zusätzliche Investitionsförderung des Bundes an; denn dies ist eine Aufgabe von nationaler Dimension. Eine flächendeckende, moderne Breitbandinfrastruktur ist einer der Schlüssel für zukunftsfähige Arbeitsplätze. Das ist das Ziel der Landesregierung, und deshalb ist es ganz klar: Wir wollen eine flächendeckende Grundversorgung mit einem leistungsfähigen Breitband unter Einbezug aller vorhandenen Technologien.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Zur wirtschaftsnahen Infrastruktur gehört zudem auch und gerade die Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur. Wenn Fachkräfte zum entscheidenden Produktionsfaktor werden – und das werden sie –, ist es für Unternehmensansiedlungen ganz entscheidend: Was kann ich meinen Fachkräften bieten? Gibt es gute Kinderbetreuungsmöglichkeiten? Wie sieht es mit der Qualität der Bildungseinrichtungen aus? Wie sieht es mit moderner Infrastruktur aus?

(Dr. Weiland, CDU: Jetzt werden Sie konkret!)

Auch diese Frage wird beantwortet. Das ist in Zukunft mindestens genauso entscheidend wie die Verkehrsanbindung in der Region.

Meine Damen und Herren, deswegen gehört zur Gestaltung des wirtschaftlichen Rahmens für mich auch das, was wir in Sachen Energiewende unternehmen. Ich höre oft, die Wirtschaftsministerin kümmere sich zu viel um Energie. Ich sage: Eine Wirtschaftsministerin kann sich gar nicht genug um die Energieversorgung der Zukunft kümmern; alles andere wäre sträflich, nicht nur weil der Umbau unserer Energieversorgung von einen breiten Mehrheit in Deutschland – auch in Rheinland-Pfalz – akzeptiert und gewollt ist.

Ich bekräftige noch einmal: Das Ziel dieser Landesregierung, bis 2030 bilanziell eine 100 %-ige Stromversorgung aus erneuerbaren Energien bei uns im Land hinzubekommen, ist nicht nur aus ökologischen, sondern auch und gerade aus ökonomischen Gründen richtig. Die Energiewende, wie wir sie in Rheinland-Pfalz betreiben, ist eine Investition in die Zukunft dieses Wirtschaftsstandortes.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Energiewende lohnt sich ökonomisch; denn sie sichert Arbeitsplätze und schafft neue. Die Energiewende sorgt zudem für regionale Wertschöpfung – häufig gerade in Regionen, die bisher als strukturschwach eingeschätzt wurden. Nach den Berechnungen des Instituts für ökologische Wirtschaftsförderung sorgten der Ausbau und die Nutzung der Erneuerbaren im Jahr 2011 deutschlandweit für eine kommunale Wertschöpfung von 8,9 Millionen Euro. Allein die regenerative Stromerzeugung trug 7,5 Milliarden Euro bei. Die Energiewende lohnt sich ökonomisch; denn sie ist die langfristige Garantie dafür, dass die Energiepreise nicht immer weiter ansteigen. Wir machen mit der Energie

wende die Alternativen zu den endlichen fossilen Rohstoffen nachhaltig wettbewerbsfähig.

Mit der Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms und dem Rundschreiben Windenergie sind bereits wichtige Weichen gestellt und die Handlungsspielräume für die Windenergienutzung erweitert worden. Mit dem in Kürze vorliegenden Windatlas wird ein weiterer wichtiger Baustein hinzugefügt. Damit stehen den Regionen und Kommunen wichtige Grundlagen für die Steuerung der Windenergienutzung zur Verfügung.

(Licht, CDU: Die Sie nicht leisten!)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Landesregierung ist sich bewusst: Wir dürfen unsere Wirtschaft bei der Energiewende nicht überfordern. Das heißt nicht, dass wir die Energiewende verzögern oder gar rückgängig machen. Wir erleben es doch gerade: Das Zögern und Zaudern der Bundesregierung und ihre Halbherzigkeit machen erneuerbare Energien teurer, als sie es sein müssten. (Zurufe von der CDU: Oh!)

Nein, wir brauchen intelligente Konzepte zur Begrenzung des Energiepreisanstiegs. Hier hat die Landesregierung klare Vorstellungen. Es ist falsch, einseitig zu entlasten. Es ist wichtig, dass wir die entlasten, die im internationalen Wettbewerb stehen.

(Baldauf, CDU: Genau!)

Aber es müssen alle – die kleinen und mittleren Unternehmer und die privaten Verbraucher –, die im Moment die Last tragen, von der Energiewende profitieren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ein hoher Energieverbrauch als alleiniges Befreiungskriterium ist falsch. Das benachteiligt vor allem den Mittelstand, für den wir uns alle, gerade in Rheinland-Pfalz, einsetzen.

Weitere geeignete Maßnahmen, den Energiepreisanstieg zu begrenzen, sind auch Anpassungen in der Vergütungsstruktur des EEG – wir alle wissen, dass eine Reform notwendig ist –, die Rückführung der Netzentgeltbefreiung und die Reduktion der Stromsteuer entsprechend des Anteils der Erneuerbaren an der Stromerzeugung. All dies waren auch schon Vorschläge der Länder in Berlin. Das – und nicht der Kahlschlag, den die Bundesregierung will – sind konkrete Maßnahmen, um den Anstieg der Energiepreise zu begrenzen, wofür sich die Landesregierung auf allen Ebenen einsetzt.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, zu einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik gehört auch: Unternehmen ansiedeln. Ich möchte, dass auch künftig ansiedlungswillige Unternehmen in Rheinland-Pfalz einen attraktiven Standort sehen und hier einen attraktiven Standort vorfinden.

(Baldauf, CDU: Dann müssen Sie erst zurücktreten!)

Wir haben dafür gute Voraussetzungen. Wir haben eine leistungsfähige Infrastruktur, wir haben schlanke Genehmigungsverfahren, wir haben eine besondere Lebensqualität in Rheinland-Pfalz, und wir haben – das darf ich seit über zwei Jahren hautnah erleben – im Ministerium und bei der ISB Topleute, die Unternehmen bei ihren Ansiedlungsentscheidungen kompetent beraten.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)