Protokoll der Sitzung vom 23.01.2014

(Pörksen, SPD: Das ist schon viel!)

Das ist leider bedauerlich. Ich bedauere auch, dass Sie heute Morgen leider nicht die Mündliche Anfrage Nummer 4 stellen konnten;

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

denn da steht drin, dass die strukturelle Unterrichtsversorgung angestiegen ist. Das heißt, da ist genau das Gegenteil dessen, was Sie eben behauptet haben, in den Raum gestellt worden.

Der erste Absatz Ihres Antrags deckt auf, mit welchem logischen Denken Sie zu hantieren gewohnt sind. Sie blenden komplett aus, dass für guten Unterricht eben nicht ausschlaggebend ist, dass der Lehrer oder die Lehrerin Platz am Pult genommen hat. Im zweiten Absatz stellen Sie mit Fug und Recht fest, dass die letzten Prozente der Stundenzuweisung der Differenzierung im Schulprofil dienen.

Im dritten Absatz stellen Sie fest, dass die Pflichtversorgung nicht ausreicht – dafür meine Anerkennung –, dass besonders integrative Schulsysteme ein Plus an Zuweisung brauchen. Bravo! Damit haben Sie eigentlich schon erkannt, dass in unseren Zuweisungen bereits das Plus eingerechnet ist, also das, was Sie unter 100 plus verstehen, bereits darin eingerechnet ist.

Wir sind durchaus der Meinung, dass alle Schulen noch mehr brauchen – Frau Brück hat das gerade darge- stellt –, also nach Ihrer Rechnung ein 100 plus plus. Dies ist ebenfalls schon in den Kontingenten mit einberechnet.

Andernfalls wird die gewollte Heterogenität zur Bildungsfalle, sagen Sie, andernfalls, wenn 100 plus nach Ihrer Meinung nicht geleistet werden kann. Über diesen Satz habe ich sehr lange nachdenken müssen; denn es war nicht ganz klar, was Sie damit sagen wollen, etwa, dass Sie Heterogenität der Schülerschaft wollen oder Koalitionsfraktionen dies wollen. Oder ist die Interpretation zutreffend, dass es möglicherweise der CDU nicht gefällt, dass Schülerschaften sich nicht aus homogenen Gruppen zusammensetzen? Wenn ja, setze ich dagegen, dass es solche Schülerschaften noch nie gegeben hat und in früheren Jahrzehnten nur durch autoritäre Strukturen und Anpassungszwang ein derartiger Eindruck erweckt wurde. Schülerinnen werden entweder angepasst oder geschasst.

Eine Frage des Wollens – falls Sie damit die Inklusion meinen sollten – ist überhaupt nur, ob man sich didaktisch auf die Heterogenität einstellt und entgegen der Zufälligkeit von Sozialschicht, Gesundheit und Talent allen Menschen die bestmögliche Förderung zukommen lassen will. Falls Sie diese Heterogenität nicht wollen, frage ich Sie: Was ist Ihr Konzept von Gerechtigkeit in der Bildung? Sollen es immer weiter nur Herkunft und Sozialstatus der Eltern sein, die über das Leben der Kinder entscheiden? Sollen sie sich vererben, so wie der Finanzstatus, und ist das am Ende der Grund, warum Sie immer noch weiter auf Selektion pochen?

Sollten sie aber versuchen, die Heterogenität der Schülerschaft als verfehlte Politik der Koalition zu brandmarken, dann halluzinieren Sie. Wir machen natürlich eine Politik, die versucht, ein Bewusstsein für Heterogenität zu schaffen und gute Strategien im Umgang damit politisch umzusetzen. Aber Heterogenität ist ein empirisches Faktum. Die Lehrerschaft sollte damit am besten natürlich auf wertschätzende Weise zum Nutzen jedes einzelnen Individuums umgehen. Übrigens liegt darin in meinen Augen ein gutes Argument für eine Schule für alle.

Nicht zu Unrecht verweisen Sie darauf, dass die berufsbildenden Schulen schlechter dastehen als die allgemeinbildenden Schulen. Aber die Behauptung, dass dies an fehlenden Stundenzuweisungen liegt, ist entschieden unterkomplex. Das wissen Sie auch. Martin Brandl hat es sich heute Mittag zu leicht gemacht.

(Frau Klöckner, CDU: Na, na, na!)

Der Mangel an Fachlehrerinnen dürfte auch auf Ihrer Argumentationslinie ein echtes Problem sein, dem man nicht mit Zuweisung beikommen kann, weil die qualifizierten Lehrkräfte fehlen. Ihr Vorschlag, den Schulen eine integrierte Lehrerreserve zuzuweisen, ist eine denkbar unflexible Lösung; denn natürlich würden solche Stunden als stille Reserven – wie alle anderen – verplant, und wenn an einer Stelle ein Kollege oder eine Kollegin krank wird, klemmt es genauso wie bei allen anderen Ausfällen. Die PES-Variante, die bald für alle öffentlichen weiterführenden Schulen praktiziert werden wird, ist nicht nur flexibler, sondern bietet den Schulen auch eine Basis für individuelle Lösungen.

(Glocke des Präsidenten)

Wir dürfen nicht länger die Fehler hinnehmen, den strukturellen Unterrichtsausfall und den temporären zu verquicken, so wie Sie das tun; denn das Maß der Dinge ist nicht die Stunde, die gehalten oder nicht gehalten wird, sondern die Qualität dessen, was am Ende an schulischer Bildung und persönlicher Bildung herauskommt.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Ramsauer, SPD: Sehr richtig!)

Für die Landesregierung spricht Herr Staatssekretär Beckmann.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gute Bildung ist ein Markenzeichen der Politik dieser Landesregierung. Diese Politik ist nicht nur gebührenfrei, sie ist auch sozial gerecht.

Meine Damen und Herren, zu dieser guten Bildungspolitik gehört auch eine gute Unterrichtsversorgung.

(Ramsauer, SPD: So ist das!)

Sie hat für die Landesregierung einen sehr hohen Stellenwert. Das zeigt sich auch beim Blick in den Doppelhaushalt. Weit über 1,7 Milliarden Euro sind hierfür in den Jahren 2014 und 2015 jeweils vorgesehen. Unterrichtsversorgung ist aber auch bundesweit ein politisches Thema, und zwar in allen Bundesländern. Dabei wird gern versucht – die CDU-Fraktion hat das schon mehrfach getan –, Vergleiche zwischen den einzelnen Bundesländern anzustellen. Dabei ist eines inzwischen klar. Angebliche Unterrichtsversorgung von 100 % oder sogar von 105 %, für die sich im vergangenen Jahr noch die Landesregierung in Hessen gelobt hat, entspricht nicht den Lehrerwochenstunden zu 100 % in BadenWürttemberg oder in Nordrhein-Westfalen oder in Rheinland-Pfalz. Für unsere Diskussion ist doch vielmehr die Frage interessant, ob eine Abweichung des StundenIsts, also dem, was die Schulen an Lehrerwochenstunden in einem Schuljahr bekommen, vom Soll, also dem, was Schule und Schulaufsicht als Zuweisung unter idealen Bedingungen errechnet haben, gleichbedeutend ist mit Unterrichtsausfall in den Pflichtstunden.

Meine Damen und Herren, die Antwort darauf hat sich die CDU vor knapp zwei Jahren in einer großen Anfrage geben lassen. Sie erinnern sich vielleicht noch.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Bestimmt nicht! – Pörksen, SPD: Nein!)

Ich erinnere mich aber noch daran.

In Rheinland-Pfalz sind bei einem Großteil der Schulen, insbesondere im allgemeinbildenden Bereich, die Abweichungen im Pflichtunterricht zu den Stundentafeln

gering. Frau Dickes, ich will jetzt nicht, obwohl ich das könnte, auf den Bericht in der „RHEINPFALZ“ vom Schulelternclub in Ludwigshafen näher eingehen. Wenn Sie das tun, werden Sie nämlich ganz schnell erkennen, dass sie vollkommen die strukturelle Unterrichtsversorgung und den temporären Ausfall durcheinanderwerfen. Das hilft an der Stelle nicht wirklich weiter.

(Frau Klöckner, CDU: Unterricht fällt aus!)

Meine Damen und Herren, ich sage aber ganz klar: Der Pflichtunterricht muss immer Vorrang haben vor zusätzlichen Unterrichtsangeboten. Das ist sicher so in allen Bundesländern geregelt, aber für uns in Rheinland-Pfalz – darauf hat Frau Brück schon hingewiesen – ist Schule mehr als Pflichtunterricht. Unser Maßstab für die Lehrkräftezuweisung ist nämlich nicht allein der Unterricht nach Stundentafel, sondern bei uns gehören Förder- und Differenzierungsangebote ebenso dazu wie Lehrerwochenstundenzuweisungen etwa für Bläserklassen oder Chorgruppen. Ob das in allen anderen Bundesländern der Fall ist, bezweifle ich sehr.

Meine Damen und Herren von der CDU, ich will aber auf eine Behauptung von Ihnen eingehen, die mir doch sehr nahe gegangen ist. Sie haben nämlich behauptet, die Zahl der Schulabbrecher sei wegen der Entwicklung der Unterrichtungsversorgung gestiegen. Sie haben in diesem Zusammenhang von einer Katastrophe gesprochen.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Genau!)

Die Realität sieht aber anders aus. Auf der Grundlage der Daten des Statistischen Landesamtes kann von einer Katastrophe keine Rede sein. Ich will Ihnen das anhand einiger Zahlen belegen. Im Sommer 2013 hatten 2.399 junge Leute in Rheinland-Pfalz die allgemeinbildenden Schulen ohne das Abgangszeugnis der Berufsreife verlassen. Gegenüber 2012 ist dies ein Plus von 46. Gleichzeitig ist allerdings die Zahl der Schulabgänge im Jahr 2013 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 370 auf 44.272 gestiegen, sodass die Quote der Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Abschluss im Jahr 2013 völlig identisch mit dem Vorjahr ist, und zwar liegt sie bei 5,4 %. Genau das hat auch das Statistische Landesamt so ausgewiesen.

Bei der Nachprüfung der Zahlen hat sich sogar herausgestellt, dass sich in die Statistik ein Rückmeldefehler eingeschlichen hatte. Die Zahl der Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne den Abschluss der Berufsreife lag demnach 2013 in absoluten Zahlen bei 2.346 Jugendlichen, und der prozentuale Anteil sinkt damit sogar auf 5,3 %.

In Rheinland-Pfalz ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. 2003 lag er noch bei 9,1 %. Wir stehen im Ländervergleich sehr gut da. Das ist das Ergebnis erheblicher Anstrengungen für eine intensivere individuelle Förderung von Projekten, wie „Keiner ohne Abschluss“, und eines stetigen Ausbaus der Berufsorientierung. Insbesondere zeigt sich das an den Realschulen plus. Dort wirkt sich das besonders positiv aus.

Meine Damen und Herren, sehen lassen können sich aber auch unsere Einstellungszahlen. Zur Absicherung einer guten Unterrichtungsversorgung wurden im laufenden Schuljahr bislang bereits rund 1.000 Lehrkräfte neu eingestellt. Zum 1. Februar kommen noch einmal rund 300 dazu. Das sind 30 mehr als zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr. Nicht von ungefähr haben wir in Rheinland-Pfalz inzwischen die jüngsten Lehrerinnen und Lehrer bundesweit.

Darüber hinaus haben wir mit dem Ausbau des Vertretungspools auf 300 Stellen jungen Lehrkräften längst das gegeben, was Sie in Ihrem Antrag fordern, nämlich feste und verlässliche Beschäftigungsverhältnisse. Frau Brück hat auch darauf hingewiesen, dass wir diesen Vertretungspool auf 1.000 Stellen aufbauen.

Ihr Antrag enthält viele bekannte Forderungen, aber er enthalt auch etwas Neues. Sie verzichten nämlich erstmals auf Ihre bisherige Geheimformel für die Unterrichtungsversorgung von 100 plus x. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber vielleicht haben dazu die Ergebnisse des jüngsten Schulleistungsvergleichs in Mathematik und in den Naturwissenschaften beigetragen. Es ist nicht entscheidend, nach welcher Formel sich die Unterrichtsversorgung berechnet, sondern entscheidend ist vielmehr, was von der Unterrichtungsversorgung bei den Schülerinnen und Schülern ankommt. Nach dem Leistungsvergleich ist das in Rheinland-Pfalz signifikant mehr als im von Ihnen bisher so oft zitierten 105-%-Land Hessen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag, da Ausschussüberweisung nicht beantragt ist.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/3202 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.

Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:

Naturschutz und Offenhaltung der Landschaft

in bäuerlicher Hand!

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 16/3203 –

Es ist keine Aussprache vereinbart.

(Zurufe: Ausschussüberweisung!)

Es ist Ausschussüberweisung beantragt. Es gibt Zustimmung für die Ausschussüberweisung. Dann wird der Antrag an den Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten überwiesen.

Damit kommen wir zum Ende der heutigen Sitzung. Ich lade Sie zur nächsten Sitzung, unserer Sondersitzung, am Montag, den 27. Januar 2014, um 10:00 Uhr ein.

Ich wünsche Ihnen einen guten Abend.