Sie kritisieren die Expertengruppe als enttäuschend und verlautbaren öffentlich, deren Mitglieder würden ohnehin
nicht frei arbeiten, sondern nur auf Bestellung liefern. Dann höre ich in Ihrem Zwischenruf den Vorwurf, dass es angeblich für den Vorsitz dieser Expertengruppe keinen von den eigenen Leuten gäbe.
(Frau Klöckner, CDU: Hören Sie doch zu, was er gesagt hat! – Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)
Lassen Sie diese Expertengruppe arbeiten. Ich glaube, es tut dem gesamten Diskussionsspektrum gut, in aller Sachlichkeit Vorschläge zu unterbreiten. Herr Professor Hill hat angekündigt, er wird die Betroffenen einbinden und ihnen Gehör verschaffen. Nicht nur er, sondern auch der Ministerpräsident und der Justizminister haben angekündigt, dass diese Expertengruppe frei die Vorschläge unterbreiten kann.
Herr Baldauf, insofern weiß ich nicht, wieso Sie mehrfach dazwischenrufen, dass das nicht ergebnisoffen sein sollte.
Auch war die Tatsache sehr bedauerlich – deswegen war es der richtige nächste Schritt, eine solche Expertengruppe einzuberufen –, dass neben der Diskussion, die eine Regierung und die Justizfamilie in Koblenz geführt haben, ganz deutlich ein Konflikt Rheinland gegen Pfalz öffentlich aufgemacht wurde. Ich bedaure das sehr.
Zumindest in meiner Generation und sicher auch bei vielen von Ihnen war Rheinland-Pfalz nie ein geteiltes, sondern immer ein gemeinschaftlich agierendes und mit den gegenseitigen Stärken befruchtendes Bundesland. Ganz oft hat man in der Diskussion gerade in der Region Mittelrhein gehört, dass es vernünftig ist, ein Oberlandesgericht zu haben, aber bitte nicht in Zweibrücken.
Wenn eine solche Diskussion einen solchen Grad erreicht hat, ist es richtig und wichtig, die Diskussionsprozesse auf neue Füße zu stellen und zu versachlichen. Wir haben gemeinsam Einsparvorschläge gemacht, wie Doppelstrukturen abgebaut werden können. Wir wussten, wir werden dafür in vielen Teilen des Landes, vielleicht sogar im größeren Teil, nicht nur Lob ernten. Wir haben sicher auch in der Kommunikation Fehler gemacht.
Herr Dr. Wilke, Sie zitieren permanent, im Koalitionsvertrag stehe „geschlossen“. Das ist völlig falsch. Darin steht „zusammenführen“. Es war immer klar, dass ein Standort in Koblenz wegen der Bürgernähe zu erhalten ist.
Es ist deshalb notwendig, dass wir das mit der Expertengruppe auf neue Füße stellen; denn jeder sachliche Vorschlag verpuffte in der allgemeinen emotional geführten Diskussion. Sicher waren beide Seiten am Ende gleichermaßen emotionalisiert, und die Nerven lagen blank. Dann muss man sich aber auch die Chance ge
ben, darüber nachzudenken, vor allem deshalb, weil die Justiz in Koblenz immer wieder vorgebracht hat, das Oberlandesgericht Koblenz muss bleiben, weil es für die Region wichtig ist.
Es gibt in weiten Teilen der Justiz viel mehr und viel bessere Einsparmöglichkeiten. Wenn wir jetzt mit Professor Hill jemanden haben, der das Expertengremium leitet und uns Vorschläge unter Beteiligung der Betroffenen unterbreiten kann, haben wir, auch wenn es noch etwas dauert, eine solide Basis, wie sich die Justiz an der Schuldenbremse beteiligt.
Ich gebe Ihnen völlig recht, mit einem 700 MillionenEuro-Etat werden wir nicht den Landeshaushalt sanieren und die Schuldenbremse einhalten können. Aber das, was in der Justiz und überall im Land diskutiert wird, ist für uns klar. Ich sage es in aller Deutlichkeit: Die Justiz wird und muss den gleichen Solidarbeitrag zur Schuldenbremse leisten, wie es jeder andere Teil des Landeshaushalts auch leisten muss.
Wenn dies mit der Doppelstruktur zweier Oberlandesgerichte und zweier Präsidentenstellen möglich ist, dann ist es gut so. Wir haben den Vorschlag unterbreitet. Jochen Hartloff hat bereits ausgeführt, welches Kostenvolumen allein durch das Oberlandesgericht und das Verwaltungsgericht hätte erreicht werden können. Wir sind gespannt, welche Vorschläge Sie unterbreiten werden. Sie sagen, Sie wollen eine Anhörung zu Ihrer Großen Anfrage durchführen,
bevor das Gesamtkonstrukt vorgelegt werden kann. Ich weiß nicht, ob Sie der Justiz damit einen Gefallen tun, wenn im Rechtsausschuss an einzelnen Standorten vielleicht Einsparvorschläge vorgetragen werden, weil jemand vom Oberlandesgericht denkt, das Amtsgericht XY könne geschlossen werden, ohne dass Bürgernähe verloren ginge, und jemand von einem Amtsgericht denkt, vielleicht können wir uns ein Landgericht sparen.
Ich glaube, das ist nicht produktiv, um eine Justizreform gemeinsam zu gestalten und den Einsparvorschlägen Genüge zu tun.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich war zu Anfang der Diskussion über das Niveau dieser Debat
Frau Klöckner, das war Ihre Initialrede, bei der ich gedacht habe, das kann doch nicht sein. Das ist nicht das Niveau, auf dem man ernsthaft mit Problemen umgehen und diskutieren kann.
Ich bin froh, dass sich das im Laufe der Debatte gebessert hat, und danke vor allem dem Kollegen der SPD dafür.
Eigentlich sagt man es den GRÜNEN nach, dass wir emotional wären oder zu Schlammschlachten oder ähnlichen Dingen neigen. Ich glaube, die Verhältnisse haben sich ein wenig verschoben.
Mich hat sehr betroffen gemacht, dass Sie in großer Polemik die richterliche Unabhängigkeit als gefährdet darstellen.
Meine Damen und Herren, die richterliche Unabhängigkeit ist ein überragend hohes Gut. Dieses sollte man nicht zum Zwecke der politischen Diskussion instrumentalisieren.
Sie wissen sehr genau, dass dafür sehr viel mehr nötig ist als eine Strukturreform, und die Strukturhoheit immer noch in den Händen der Legislative liegt, und das, ohne jegliche richterliche Unabhängigkeit anzutasten.
Zur richterlichen Unabhängigkeit gehört viel mehr. Dazu gehört die wirtschaftliche und persönliche Sicherheit, zum Beispiel durch die Verbeamtung. Dazu gehören noch viele andere Dinge. Kein Mensch denkt daran, diese jemals anzutasten. Ich möchte Sie bitten, nicht eine solche Stimmung im Land zu verbreiten. Das ist nämlich der Diskussion nicht dienlich.
Ich finde, es ist ein schlechter Stil, einen Redner oder eine Rednerin in der Weise zu unterbrechen, dass man keinen klaren Gedanken mehr fassen kann. Vielleicht könnten Sie mich bitte einmal ausreden lassen.
Das können Sie beurteilen, wenn sie fertig ist, aber bitte nicht vorher. Im Moment komme ich überhaupt nicht dazu, meine Ausführungen vernünftig zu formulieren.
Sie sagen, dass Sie mit der Besetzung des Expertengremiums nicht zufrieden sind, weil es nicht mit Kolleginnen und Kollegen aus Rheinland-Pfalz besetzt ist. Wenn ich mir anschaue, welche Hexenjagd hier betrieben wird, wenn die Schließung eines Gerichtsstandortes in der Diskussion ist, kann ich nur jedem Richter und jeder Richterin in Rheinland-Pfalz davon abraten, in ein solches Gremium zu gehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wenn eine Strukturreform erarbeitet wird und es vielleicht zur Schließung von Standorten – wo auch immer – kommen sollte, kann man sich doch bei Ihnen nicht mehr blicken lassen.
Ich begrüße die Einsetzung der Expertenkommission und die Auswahl der Experten und Expertinnen sowie die offene Prüfung, nämlich den Prüfungsauftrag, den die Kommission bekommen hat, auf der Grundlage des Koalitionsvertrags einen Vorschlag zur möglichen Einsparung vorzulegen und dabei alle Positionen zu berücksichtigen und alle Argumente zu gewichten.
Im Ergebnis bedeutet eine offene Prüfung aller Argumente und aller Strukturen auch eine Prüfung der Standortdiskussionen und eine Justizreform in großem Umfang, die es uns ermöglicht, die rheinland-pfälzische Justiz zukunftsfähig aufzustellen und sich den Herausforderungen der kommenden Jahre zu stellen.
Wir haben die Schuldenbremse. Wir müssen auch den demografischen Wandel betrachten. Die Verfahrensanzahl in der Justiz ist in den letzten Jahren rückläufig gewesen. Beabsichtigt ist, die Justiz bei zukünftigen Gesetzgebungen zum Beispiel mit dem angedachten Mediationsverfahren zu entlasten. Das sollten wir abwarten. Dafür sollten wir uns wappnen. Wir brauchen keine Überkapazitäten und müssen Doppelstrukturen entsorgen.