Protokoll der Sitzung vom 15.05.2014

Das lässt sich locker begründen und locker rechnen.

Frau Brede-Hoffmann, dass Sie es nicht rechnen können, ist mir klar. Ich erkläre es Ihnen aber auch nicht, aber gern Herrn Kollegen Ramsauer.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Zur Erwiderung hat Herr Kollege Ramsauer das Wort.

Herr Baldauf, Sie haben geschickt um die Kanzlerin herumgeredet. Ich habe aus demselben Artikel zitiert wie Sie. Allein ihr fehlt die Fantasie, eine Möglichkeit zu finden, die Mehreinnahmen auszuschütten. Allein das.

Wenn Sie Herrn Gabriel zitieren, der hat jetzt auf die Erhöhung des Spitzensteuersatzes verzichtet, weil es Koalitionsräson ist. Sozialdemokraten wollten das. Das ist jetzt ein Kompromiss.

Wenn Sie aber in diesem Hause darüber reden, müssen Sie unsere Meinung zur Kenntnis nehmen. Wenn Sie in diesem Hause über Einsparungen reden, müssen Sie

zur Kenntnis nehmen, was wir heute schon mehrfach gehört haben, dass wir auf dem richtigen Weg sind, was die Schuldenbremse angeht. Da müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir wissen, dass Sie 1,4 Milliarden Euro oder noch mehr Milliarden, nicht beantragt, sondern an Ausgabenmehrung versprochen haben, was Personal, Lehrer, Polizisten, Juristen angeht. Das müssen Sie auch in Rechnung stellen.

Deshalb setzen Sie sich nicht so auf das hohe Ross, sagen Sie, das Ganze ist eine komplizierte Sache. Man muss über die kalte Progression reden. Man darf aber nicht so tun, als wäre das eine einfache Sache, und man darf nicht so tun, als hätte die Steuerpolitik unter den bisherigen Regierungen nicht auch darauf reagiert.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Steinbach von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei kleine Bemerkungen vorweg: Ich habe heute Morgen bei Herrn Dr. Weiland gesagt, dass die Konfettiparade wieder angefangen hätte. Herr Baldauf, was Sie jetzt mit dem Antrag gemacht haben, ist, die Konfettis, die er heute Morgen hochgeworfen hat, wieder vom Boden aufzufegen und noch einmal in die Luft zu werfen. Es ist zwar immer bunt, irgendwie immer ganz lustig, aber scheinbar gibt es die Bienchen bei Ihnen im Hause. Anders kann ich es mir nicht erklären. Sie haben sich auf jeden Fall wieder welche verdient. Herzlichen Glückwunsch dazu!

Das Zweite ist, ich bin verwirrt ob Ihrer Verwirrtheit, weil Sie es nach dem Motto dargestellt haben, das Ganze sei klar und eindeutig von der Union, aber dagegen stünde sozusagen eine Phalanx aus völlig verwirrten Sozialdemokraten. Meine Wahrnehmung ist eine völlig andere.

Sie haben eine Position, Sie haben ein Lieblingsprojekt, darüber reden Sie schon seit langer Zeit, sind aber nicht in der Verantwortung, es umzusetzen. Deswegen fordern Sie diese Landesregierung auf, etwas umzusetzen, was die CDU in Berlin gar nicht bereit ist umzusetzen.

Herr Baldauf, das ist ein bisschen albern. Das muss man einmal sagen, weil ich mir nach der ersten Lesung des Antrags der CDU unsicher war, ob Sie diesen vielleicht versehentlich im Landtag eingereicht haben oder ob es nicht doch ein Antrag zum Parteitag der CDU hätte sein müssen, um dort Ihre Position zu klären. In den einzelnen Punkten ist das im Wesentlichen ein Misstrauensantrag gegen Frau Dr. Merkel und Herrn Dr. Schäuble und Ihre eigene Bundestagsfraktion, Herr Baldauf. So ist das.

(Ramsauer, SPD: So ist das!)

Das hat mit Landespolitik herzlich wenig zu tun. Vielleicht erklären und klären Sie das zunächst erst einmal innerparteilich, bevor Sie mit solchen Anträgen diesen Landtag behelligen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich habe den schweren Verdacht, dass Ihre vollmundigen Ankündigungen und die starken Worte, die Sie gefunden haben, davon ablenken sollen, dass Sie momentan in der Bundestagsfraktion der CDU und in der Bundesregierung keine Chance haben, es umzusetzen und Ihre Parteifreundinnen und -freunde dazu überhaupt kein geschlossenes Bild abgeben.

Ich bin Herrn Ramsauer sehr dankbar, dass er es verlesen hat. Ich habe darüber nachgedacht, aber ich habe gedacht, ich nehme ein anderes Zitat. Warum ist es eigentlich unredlich, was Sie tun, nämlich unredlich dahin gehend, in den Ländern etwas zu fordern, von dem Sie wissen, dass es in Berlin nicht umgesetzt werden wird und dann sozusagen die Landesregierung und spezifisch den Finanzminister dafür in Haftung nehmen?

Aber ich lese Ihnen noch ein Zitat vor. Ich zitiere Volker Kauder mit freundlicher Genehmigung des Präsidenten: Im jetzigen Haushalt gibt es für die Abschaffung der kalten Progression keine finanziellen Spielräume. Das Problem könne erst ab 2015 oder 2016 angegangen werden. –

Das sagt Ihr Fraktionsvorsitzender in Berlin. Dann sagen Sie, der Finanzminister möge sich nicht querstellen. Das ist aber eine klare Sache. Ich sage, es ist ein deutlicher Widerspruch, Herr Baldauf.

Es ist weiterhin bemerkenswert, dass die CDU immer dann, wenn es kompliziert wird, jeden konkreten Vorschlag, wie eine entsprechende Regelung aussehen soll, vermissen lässt. Genauso ist es mit dem Sparen. Wir haben Sie heute dreimal gehört, mehr sparen, mehr ausgeben, weniger einnehmen. Jetzt müssen Sie sich schon entscheiden. Das ist der ruinöse Dreiklang, den Sie immer vortragen. Dankenswerterweise haben Sie es heute an einem Tag gemacht, irgendwie alles an einem Ort an einem Tag. Wir können es nachlesen. Deshalb wird es offensichtlich, dass Sie da extrem widersprüchlich agieren, lieber Herr Baldauf.

Auch wenn Sie sagen, sie wollen einen Tarif auf Rädern, wo ist die konkrete Festlegung für den Tarifverlauf, wie soll die Progression tatsächlich aussehen? Unserer Auffassung nach kann es nicht um eine einfache Rechtsverschiebung gehen. Genau vor dieser Debatte drücken Sie sich wieder. Dann sagen Sie Herrn Ramsauer, Sie können ihn gerne belehren. Ich finde, Sie sind erst einmal in der Pflicht klarzulegen, was Sie wollen, bevor Sie uns darüber belehren, was Sie für Vorstellungen haben.

Daraus insgesamt einen solchen Antrag zu zimmern, muss man bestenfalls als das bezeichnen, was es ist, es ist ein wahltaktisches Täuschungsmanöver. 25.05.2014 ist die entscheidende Zahl, die dahinter steht. Vor der Wahl wollen Sie den Leuten etwas versprechen, was Sie

niemals erfüllen müssen, meine Damen und Herren. Vielleicht ist für Sie auch die Frage von Relevanz. Wir haben eine klare grüne Position dazu. Wir stehen solchen Verhandlungen, Tarifverläufe zu ändern, um den Effekt zu mildern, grundsätzlich offen gegenüber. Ich sage Ihnen nur ganz klar, wir haben Bedingungen. Die erste ist, dass der Tarifverlauf so geändert werden muss, dass die Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen im Vordergrund steht.

Sie haben in der letzten Legislaturperiode schon einmal einen Vorschlag gemacht. Da haben wir dann gesehen, dass vor allen Dingen obere Einkommen profitieren. Das ist mit uns nicht zu machen, meine Damen und Herren.

Das Zweite, was Sie riskieren, da machen wir definitiv nicht mit, das muss für uns sichergestellt sein, der Kurs der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte darf nicht gefährdet werden. Wenn Sie sagen, die Ausgaben herunterfahren, dann fragen Sie sich bitte, welche Subventionen Ihr Kollege Dr. Fuchs in Berlin genau abschaffen möchte, um das zu finanzieren. Kommen Sie mit diesem Vorschlag wieder, dann reden wir darüber.

Der Finanzminister dieses Landes hat einen Vorschlag eingebracht, mit welcher steuersystematischen Änderung ein Abbau der kalten Progression zu finanzieren wäre: Mit der Abschöpfung der Abgeltungssteuer und der Eingliederung in den ganz normalen Einkommen- und Lohnsteuerbereich. Ich gehe davon aus, dass er uns das gleich persönlich erklären wird. Ich mache deswegen keine weiteren Äußerungen dazu.

Aber das ist ein Vorschlag, auf dessen Grundlage man darüber reden kann. Es ist ein steuersystematischer Vorschlag, es ist ein Steuergerechtigkeitsvorschlag, und den werden wir gerne akzeptieren.

Darum werden wir Ihrem Antrag, obwohl er Kritik an Herrn Dr. Schäuble und an Frau Dr. Merkel enthält, nicht zustimmen.

Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat Herr Minister Dr. Kühl.

Danke schön, Herr Präsident.

Dass es kalte Progression gibt, hat etwas mit der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu tun; denn sie entsteht unter bestimmten Voraussetzungen, wenn es Inflation gibt, weil wir ein progressives Steuersystem, einen progressiven Tarifverlauf haben.

In Deutschland gab es immer einen politischen Konsens über 60 Jahre, nein, fast immer, dass dieser progressive

Tarif der richtige Tarif ist, um eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit abzubilden.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Das war in den Hochzeiten des Neoliberalismus bei der FDP einmal anders. Ich weiß nicht, wie es bei der FDP heute ist, man hört nicht mehr so viel von ihr.

Das war bei Ihnen 2005 auch einmal anders. Herr Baldauf, ich kann mich daran erinnern. Sie haben sich in Bezug auf den „Merzschen Bierdeckel“ kaum beruhigen können. Da wollte man einen anderen Tarif haben, einen proportionalen Tarif, der zwar keine kalte Progression kennt, aber auch keine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und damit keine Gerechtigkeit.

Herr Baldauf, ich weiß nicht, wo Sie hören lassen,

(Heiterkeit der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

aber die Position von mir und von Frau Dreyer ist ziemlich klar, glaube ich. Um eine progressive Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu erhalten, muss die kalte Progression in gewissen Abständen im Einklang mit der Schuldenbremse korrigiert werden.

Diese Auffassung hat die Landesregierung in der letzten Legislaturperiode des Deutschen Bundestags vertreten. Diese Position hat Frau Dreyer beispielsweise auf dem Jahresempfang der Wirtschaft vor 900 Zuhörern sehr klar und deutlich vertreten. Sie hat gesagt: Abbau der kalten Progression in Einklang mit den Zielen der Schuldenbremse.

Um was geht es eigentlich bei der kalten Progression, wie dramatisch ist sie? – Da habe ich selbst vor nicht allzu langer Zeit etwas Interessantes gelernt; denn die GRÜNEN im Deutschen Bundestag haben eine Kleine Anfrage gestellt, aus der Sie vorhin auch zitiert haben, glaube ich – oder war es aus der „WirtschaftsWoche“, Herr Baldauf? –, und haben detailliert gefragt, wie die Auswirkungen der kalten Progression seien.

Da ist ein ganz interessantes Ergebnis herausgekommen. Ich muss Ihnen einen Satz zunächst einmal vorlesen, damit man versteht, wie die Bundesregierung die Wirkung von kalter Progression definiert. Ich zitiere aus der Antwort der Bundesregierung: Die kalte Progression ist durch steigende Durchschnittssteuersätze definiert, die sich aus dem Grundfreibetrag und den im Tarifverlauf steigenden Grenzsteuersätzen ergibt. – Wichtig ist „steigende Durchschnittssteuersätze“.

Dann haben die GRÜNEN danach gefragt, wie sich die durchschnittliche Steuerbelastung bei einem durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmer zwischen 1989 und 2013 entwickelt hat. Sie haben das für verschiedene familiäre Konstellationen abgefragt, ledig, ledig mit Kind, verheiratet mit Kind etc. pp.

In allen Konstellationen gab es das gleiche Ergebnis. Das ist interessant. Es ist im Grunde genommen das Ergebnis, das Herr Ramsauer schon angedeutet hat. 1998, dem letzten Jahr der Kohl-Regierung, war in allen Kategorien der Durchschnittssteuersatz am höchsten. Er

war nie mehr nach 1998 höher als im letzten Jahr der Kohl-Regierung.