Protokoll der Sitzung vom 26.06.2014

Hierzu gehört auch die Durchführung von Anhörungen. Wenn es auch so nicht ausdrücklich im Gesetz gefordert ist, wissen wir doch seit Stuttgart 21, dass diese Art von Bürgerbeteiligung in einem solchen Verfahren einfach selbstverständlich dazugehört und dazugehören muss. Hier wissen wir uns mit den Bürgerinitiativen, die bei der Anhörung dabei waren, einig.

Die Landesregierung macht also das, was selbstverständlich ist. Die Fraktion der GRÜNEN feiert dies als etwas Besonderes und feiert die Ministerin, weil sie das tut, was man zu Recht von ihr erwartet.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –

Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einmalig!

Das hat es noch nicht gegeben in Deutschland,

noch nie, Herr Dötsch! –

Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Wie kleingeistig!

Die Menschen in Mühlheim-Kärlich, die Menschen in der Region, erwarten, dass sie hier informiert werden.

(Pörksen, SDP: Das tut die Ministerin! Und jetzt?)

Die Menschen erwarten einen sicheren und zügigen Abbau des Kraftwerks und einen Rückbau, den man mit

Ernsthaftigkeit, der notwendigen Gelassenheit und mit Zielstrebigkeit durchführt, einen zügigen Abbau, der im Interesse aller Beteiligten ist, im Interesse der Kommunen, des Landes, des Eigners, aber vor allem der Menschen vor Ort.

Bei aller zum Teil auch richtigen Kritik an der RWE als dem Eigner – wenn auch die RWE nicht alle Fragen in der Anhörung beantworten konnte – trägt die RWE doch erheblich zur Information und auch zur Transparenz bei. Frau Ministerin, dies haben Sie soeben dankenswerterweise bestätigt; leider hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dies in ihren Ausführungen nicht entsprechend gewürdigt, ob es nun bei regelmäßigen Meetings der politischen Vertreter oder bei privaten Gruppen ist.

Meine Damen und Herren, die Menschen erwarten, dass Mülheim-Kärlich kein Zwischenlager wird und kein Einschluss erlaubt wird. Ich glaube, dies ist unstrittig in diesem Hause, und ich denke, wir sollten gemeinsam daran arbeiten, dass dies nicht möglich ist.

(Beifall der CDU)

Diese Forderungen wurden auch schon sehr früh von der kommunalen Seite formuliert. Bereits mit Beginn des Rückbaus haben sich die örtlichen Kommunalpolitiker von CDU, SPD, FDP und auch FWG über die Parteigrenzen hinweg dafür ausgesprochen, dass kein Zwischenlager eingerichtet werden soll, und dabei soll es nach unserer Auffassung auch bleiben.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Hürter das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es gut, dass wir uns heute die Zeit nehmen, über das Thema des Rückbaus des AKW Mülheim-Kärlich zu sprechen, und ich finde es besonders gut, dass Frau Ministerin Lemke ganz klargemacht hat, dass für diese Landesregierung die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in der Region, die Sorgfalt auch in den Details, die Einbindung der Menschen sowie auch die Transparenz einen ganz hohen Stellenwert haben und wir in diesem Verfahren Rechtssicherheit brauchen.

Es wurde vorhin angesprochen, das seien Selbstverständlichkeiten; aber es ist dennoch richtig, dass wir darüber sprechen, weil genau diese Selbstverständlichkeiten beim Bau von Mülheim-Kärlich eben nicht eingehalten wurden.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Um es ganz deutlich zu sagen, beim Bau bzw. bei der Genehmigung stand eben nicht die Sicherheit der Menschen an oberster Stelle, es war nicht rechtssicher und transparent, und der Bürgerwille wurde damals auch

nicht so hoch gehängt, wie es heute der Fall ist. Insofern kann man diesen Kontrast auch heute ganz deutlich ansprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, man muss des Weiteren ansprechen, dass das AKW Mülheim-Kärlich auch aus ökonomischer Sicht eine mittlere Katastrophe für dieses Land und für die Energieversorgung ist. Wir können feststellen, dass rund 3,6 Milliarden Euro beim Bau im wahrsten Sinne des Wortes versenkt wurden und auch die Folgekosten beim Rückbau – je nachdem, wen man fragt – von 500 Millionen Euro bis 700 Millionen Euro ganz erheblich sind.

Die wichtigste und nach wie vor ungeklärte Frage beim Thema Atomenergie und bei der Lagerung der Abfälle, die entstanden sind, ist natürlich, welche Kosten in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten anfallen werden und wie unsere Gesellschaft diese Probleme lösen wird. Deswegen ist es wichtig, dass wir heute über das Thema Zwischenlager gesprochen haben.

Dafür scheidet aus unserer Sicht Mülheim-Kärlich aus; denn die Punkte, die damals in dem Urteil von 1998 zu der entsprechenden Entscheidung über die Rechtssicherheit geführt haben, dass nämlich dieses Kernkraftwerk nicht sicher betrieben werden kann, führen auch dazu, dass dort ein Zwischenlager nicht verantwortbar wäre.

Ich glaube, es ist ein ganz wesentlicher Punkt, dass wir über die Energiepolitik, wie sie sich nach 1998 darstellt, reden und wir auch darüber reden, dass der erste Ausstieg aus der Kernenergie damit verbunden war, dass eine Rechtssicherheit für Mülheim-Kärlich herbeigeführt wurde, die für unser Land auch finanziell eine enorme Bedeutung hat. Es ist wichtig, dass wir eben nicht in eine Situation gekommen sind, in der unser Land, der Staat bzw. die Bürgerinnen und Bürger für diese verfehlten Entscheidungen der Politik der 70er- und 80er-Jahre zur Haftung gezogen wurden, sondern dies in einem vernünftigen Kompromiss geregelt werden konnte.

Ich glaube, dies ist eine der großen Leistungen der rotgrünen Bundesregierung von 1998 bis 2002 gewesen, und es ist umso bedauerlicher, dass dieser große Kompromiss von der darauffolgenden Bundesregierung unter Angela Merkel und Guido Westerwelle wieder aufgehoben wurde; Gott sei Dank in diesem Punkt nicht, wohl aber in anderen Punkten. Wir sehen immer und immer wieder, was es bedeutet, wenn man gerade bei solch großen Projekten die Rechtssicherheit gefährdet und welche Auswirkungen dies für unser Land hat.

Ich möchte abschließend noch ansprechen, dass wir eben nicht nur über Mülheim-Kärlich sprechen müssen im Sinne der Frage, was dieses Kraftwerk für den Standort und für die Menschen in der Region bedeutet. Das ist für uns natürlich sehr wichtig. Aber es geht auch darum, dass Mülheim-Kärlich beispielhaft ist für den Rückbau. Wir werden dort Erfahrungen sammeln, und damit verbinde ich zwei Dinge:

Der eine Punkt ist, dass wir sehen werden, inwieweit die Rückstellungen ausreichen; insofern ist es auch wichtig, dass man über dieses nach meinem Empfinden vergifte

te Angebot der „Bad Bank“ für AKW sehr deutlich und transparent spricht und es als Politik auch deutlich zurückweist.

Der andere Punkt ist, dass man ganz deutlich sieht, es geht nicht nur darum, aus der Kernenergie auszusteigen, sondern es geht auch darum, die Energieversorgung der Zukunft zu gestalten, und dazu gehören in Rheinland-Pfalz und in Deutschland natürlich auch die erneuerbaren Energien. Deswegen ist es an solchen Stellen auch immer wichtig zu bekennen, ja, die Energieversorgung ist mit Zielkonflikten verbunden, auch bei den Erneuerbaren; aber wir glauben, dass diese Zielkonflikte dort handhabbar sind, beherrschbar sind. Insofern ist das die Alternative zur Kernenergie und zur Braunkohle, und diesen Weg wollen wir in diesem Hause in Zukunft hoffentlich gemeinsam gehen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für die Landesregierung hat nun Frau Staatsministerin Lemke das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte gern noch auf einige Dinge eingehen. Ich freue mich darüber, dass Sie noch einmal in allen Redebeiträgen herausgearbeitet haben, dass wir uns in einer neuen Stufe des Miteinanders von Verwaltungen, von Genehmigungsbehörden, von Antragstellern und von Bürgerinnen und Bürgern befinden auf dem Weg hin zu mehr Transparenz, zu mehr Miteinander und natürlich auch zu mehr Vertrauen. Ich möchte an dieser Stelle einmal sagen, dies bedeutet ebenfalls, dass bei den Genehmigungsbehörden, auch bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ein erhöhtes Maß an Miteinander natürlich auch im Umgang gefordert ist, und ich möchte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesem Prozess, auf dem Weg hin zu mehr Transparenz und Miteinander, herzlich danken, dass sie all dies zur Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger so gut machen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Dieses Selbstverständnis ist wirklich neu, gerade wenn wir zu diesem Thema auf die letzten 30 Jahre zurückblicken, wo sich Bürgerinnen und Bürger alle Informationen erkämpfen mussten. Heute ist es so, dass wir über alle Dinge des Strahlenschutzes, der Überwachung, der Freigabemechanismen und des Abbaukonzeptes offen reden und Dinge wie Minimierungsgebote, die im Gesetz festgelegt sind, natürlich auch einer Interpretation bedürfen und die Bürgerinnen und Bürger zu Recht wissen wollen, was es bedeutet, wenn man ein Gebot der Minimierung der Strahlung, die entweichen könnte, einhalten soll und wie die Behörden das machen. Sie fragen sich:

Was bedeutet das explizit? Welche Strahlenexposition gibt es an den Ableitungen im Zaun für die Bürgerinnen und Bürger?

Insofern – dies möchte ich an dieser Stelle in Richtung der CDU sagen – gibt es natürlich eine gesetzliche Vorgabe, das ist richtig, und diese Vorgabe arbeiten wir auch ab. Aber gerade diese Spielräume in einem transparenten Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern sind dennoch etwas Neues, und es ist uns dabei ganz wichtig, auch das Vertrauen zur Bevölkerung zu bewahren.

Ich möchte einige Anmerkungen zu Fragestellungen machen wie beispielsweise den sicheren Einschluss, der auch in der Erörterung diskutiert worden ist. Ich möchte Ihnen diese Frage politisch beantworten. – Ein sicherer Einschluss würde bedeuten, dass all das, was eine Strahlungsintensität hätte, auf dem Gelände verschlossen würde. – Das wäre doch unvorstellbar, ich habe es Ihren Redebeiträgen entnommen. Es ist politisch unvorstellbar, und es ist für die Bevölkerung völlig unvorstellbar. Es steht sozusagen auch nicht in der Debatte. Es bedarf natürlich immer einer Abwägung im Verfahren, die auch verlangt worden ist, und das wird die Behörde auch tun.

Wir haben natürlich den Vergleich zu der Fragestellung, was es bedeutet, dies vor Ort vorzunehmen, und das werden wir auch tun.

Da aber natürlich niemand will, dass strahlendes Material irgendwo in Mühlheim-Kärlich auf dem Anlagengelände zurückbleibt und wir keine Entlassung des Geländes aus dem Atomgesetz vornehmen können, ist es für mich keine zukunftsweisende politische Vision.

Der Antrag von RWE, dort ein Zwischenlager zu errichten, ruhte. Wir haben im Erörterungstermin noch einmal sehr deutlich gesagt, wie die Landesregierung mit diesem Antrag umgehen muss, weil er nicht genehmigungsfähig wäre. Wir haben nun von der RWE gehört, dass sie diesen Antrag auf das Zwischenlager offiziell zurückziehen möchte. Ich denke, dass klärt an diesem Punkt auch noch Ihre letzte Fragestellung.

Abschließend möchte ich noch eine kleine Bewertung vornehmen. Was waren die Fehler, auch die politischen Fehler der Vergangenheit? Es wurde nie berücksichtigt, was es uns kosten würde, ein Atomkraftwerk abzubauen. Was wird es uns kosten, diesen Müll, ob nun mittel, schwach oder stark radioaktiv strahlend zu endlagern? Diese Kosten – das haben wir zu Recht immer kritisiert – wurden nie in die Berechnungen auch volkswirtschaftlich einbezogen. Wir hätten es längst machen sollen. Wir hätten es längst auch mit Bezug auf den Strompreis machen sollen, weil wir heute wissen, der teuerste Strom kommt aus der Atomenergie. Es ist der teuerste Strom, je nach Studie, mit ca. 52 Cent pro Kilowattstunde anzusetzen. Zum Vergleich, wir liegen bei 9 Cent für die Kilowattstunde Windenergie.

Was haben wir daraus gelernt? Wir haben daraus gelernt, dass dann, wenn heute ein Windkraftanlage errichtet wird – ich sage das so deutlich, weil Sie, Herr Hürter, noch einmal auf die Rückstellungen eingegangen sind –, nicht mit einer Rückstellung für den Abbau einer Wind

kraftanlage gearbeitet wird, sondern mit einer echten Rücklage. Wer heute eine Windkraftanlage bauen möchte, muss eine Bürgschaft bringen, damit man sie auch später wieder abbauen kann.

Das ist eine politische Schlussfolgerung. Am stärksten wird sie gerade bei den erneuerbaren Energien, die zum Klimaschutz beitragen, berücksichtigt. Gerade bei diesen Technologien findet sie schon Anwendung und trägt natürlich zu den Kosten bei, auch wenn es dort die geringsten Kosten sind, was noch einmal zeigt, dass die Argumentation und unser politischer Weg richtig sind.

Ich möchte noch etwas zur Abgrenzung zwischen einer Rücklage und einer Rückstellung sagen. Eine Rückstellung ist auch immer Buchgeld. Da weiß man nicht, was wirklich dahintersteckt. Sie hatten das Stichwort „Bad Bank“ genannt. Unsere politische Intention muss sein, dass wir auch für die AKW-Lösung zum Abbau für die Zukunft mit Rücklagen, sozusagen mit echtem Geld, hantieren, bei dem wir wissen, was es ist. Es gibt immer noch Risiken für die Zukunft, Wertverluste, die möglicherweise mit berechnet werden müssen.

Es stellt sich die Frage, wie man mit Rücklagen umgeht, die sehr lange zurückgelegt werden müssen, weil der Prozess so lange dauert und auch weil die Lagerung so lange dauert. Diese Risiken müssen alle erörtert werden. Sie müssen Eingang finden. Deshalb gilt auch für die Zukunft das, was jetzt schon an starken Rücklagen und Anwendungen für Windkraftanlagen und erneuerbaren Energien auch gilt. Wir wollen hier über echtes Geld und echte Rücklagen auch im Zusammenhang mit dem Abbau von Atomkraftwerken in der Zukunft sprechen.

Vielen Dank.