Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bin froh, und wir können froh sein, dass Menschen jüdischen Glaubens ihr Zuhause hier in Deutschland finden oder Deutschland als ihr Zuhause betrachten und ihre Kinder hier aufwachsen lassen. Es darf nicht so weit kommen wie in Frankreich, wo jährlich Tausende von Juden wieder auswandern, weil sie Angst um ihr Leben haben.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Wochen haben in verschiedenen Städten in Deutschland, bedauerlicherweise auch in Mainz, sogenannte pro-palästinensische Demonstrationen stattgefunden. Im Rahmen und am Rande dieser Demonstrationen ist es zu antisemitischen und israelfeindlichen Ausschreitungen gekommen. Diese Ausschreitungen waren unerträglich. Ihnen muss mit aller Entschiedenheit entgegengetreten werden.
Auch in Mainz wurden offenbar von einer großen Anzahl der Demonstrationsteilnehmer, die sich mutmaßlich für die Interessen der Palästinenser einsetzen, antisemitische Hetzparolen gerufen. Sie sollen hier nicht wieder
holt werden. Sie sind abscheulich. Diesen Demonstranten ging es nicht um eine Kritik an der Politik der israelischen Regierung, ihnen ging es darum, Hass zu säen und Juden und den Staat Israel zu diffamieren.
In anderen Städten ist es am Rande von Demonstrationen zu tätlichen Angriffen gegen Passanten gekommen, die öffentlich ihre Sympathie für Israel zum Ausdruck gebracht haben. Mit Gewalt bedroht wurden ein eine Kippa tragender Mann und seine Begleiterin. Synagogen wurden mit Steinen angegriffen. Berichtet wird, dass in Berlin ein Imam beim Freitagsgebet zur Tötung der zionistischen Juden aufgerufen habe.
Gegenüber solchen Manifestationen des Antisemitismus kann es nur eine Reaktion geben: unzweideutige, harte Zurückweisung, null Toleranz.
Das sind strafbare Handlungen, und sie müssen konsequent verfolgt werden. Das grundlegende Demonstrationsrecht muss vor Missbrauch geschützt werden. Antisemitischer Hetze muss öffentlich und auf allen politischen Ebenen offensiv und unzweideutig entgegengetreten werden.
Meine Damen und Herren, es ist schon ein Stück weit beschämend für uns, wenn der Präsident des Zentralrats der Juden aus seiner Sicht zu Recht sagt: Niemals im Leben hätte ich mir vorgestellt, dass wir eine solche Hetze gegen Juden in Deutschland wieder hören könnten. – Das ist für uns ein beschämender Satz.
Wir können es unter gar keinen Umständen akzeptieren, dass sich deutsche Juden, Juden in Deutschland bedroht und potenzieller Gewalt ausgesetzt fühlen müssen. Das ist bedauerlicherweise aktuell der Fall.
Wir alle sind uns in diesem Hause darin einig, dass angesichts der schlimmen Ereignisse der letzten Wochen unsere Solidarität unseren jüdischen Mitbürgern gehört.
Deshalb begrüßt meine Fraktion, dass Sie das heute thematisieren, dass es auch in Mainz zu einer Gegendemonstration gekommen ist, auf der Oberbürgermeister Michael Ebling gesprochen hat. Ich will auch begrüßen, dass Johannes Gerster diese Straftaten zur Anzeige gebracht hat. Hier müssen Demokraten ohne Wenn und Aber zusammenstehen.
Das Recht des Staates Israel zur Verteidigung gegen den Terror der Hamas ist unbezweifelbar. Es ist unabhängig davon, wie man das gegenwärtige Vorgehen Israels im Gazastreifen beurteilt. Dazu kann man geteilter Meinung sein, aber das darf niemals dazu führen, antisemitische Äußerungen auch nur im Ansatz zu rechtfertigen.
Ich glaube, wir müssen uns immer wieder intensiv mit dem Holocaust und seinen Folgen auseinandersetzen. Diese Notwendigkeit gehört dazu, um so etwas künftig zu verhindern.
Das bedeutet auch, uns intensiv mit dem Nahostkonflikt auseinanderzusetzen. Wir waren gemeinsam mit dem Ältestenrat in Israel und Palästina gewesen. Das Schwierige, vielleicht Tragische an diesem Konflikt ist, wenn man mit den einen redet und wie wir eine Schule besucht, eine ganz normale Schule, bei der in der Aula 50 Bilder von ehemaligen Schülerinnen und Schülern hingen, die als Soldaten oder Bombenopfer zu Opfern wurden, kann man vielleicht die Sichtweise verstehen. Man stellt sich die Frage, wie man selbst denken würde, wenn man so aufgewachsen wäre.
Wenn man 30 Kilometer weiter fährt, wo Palästinenser leben, und sich die Lebensbedingungen betrachtet, kann man deren Auffassung auch verstehen. Das sind ein Stück weit die Tragik und die Schwierigkeit.
Klar ist aber, diese beschämende Situation darf nicht sein, dass Juden in Deutschland im Jahre 2014 teilweise wieder Angst haben, auf die Straße zu gehen. An dieser Stelle müssen die Demokraten ohne Wenn und Aber zusammenstehen. Deswegen bin ich für diese Debatte dankbar.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Bei allem, was wir in diesem Parlament diskutieren, sollte es einige unumstößliche Grundlagen geben. Dazu gehört ein klares Bekenntnis gegen Antisemitismus in allen Ausprägungen.
Das Thema dieser Aktuellen Stunde ist, antisemitischen Parolen entschieden entgegenzutreten. Aktueller Anlass dafür sind Demonstrationen, auch in Rheinland-Pfalz, die ein solches Bekenntnis erforderlich machen.
Dass wir vor dem Hintergrund der erneuten Eskalation im Nahen Osten über dieses Thema diskutieren müssen, ist traurig genug.
Es ist aber ganz unabhängig von dieser Eskalation der Gewalt: Es gibt keine Rechtfertigung dafür, antiisraeli
Wer bei den gegenwärtigen Demonstrationen unter der Fahne der Hamas marschiert, marschiert nicht für Frieden und Freiheit, sondern für einen religiös grundierten menschenfeindlichen Fanatismus, für Unfreiheit und für den Weg der Gewalt. Ich denke, wer glaubt, er geht auf eine Demonstration für Frieden und sieht diese Fahnen, sollte dann wenigstens merken, in welcher Gesellschaft er sich befindet.
Wenn dabei Demonstranten den Niedergang Israels herbeirufen, dann muss die Antwort darauf eindeutig lauten: Für solche Parolen gibt es in unserer Gesellschaft keinen Platz.
Das Demonstrationsrecht und die Meinungsfreiheit genießen zu Recht einen sehr hohen Schutz in unserem Grundgesetz. Wenn wir aber mit ansehen müssen, welche Gruppen sich derzeit zu antiisraelischen Demonstrationen versammeln, welche Parolen dabei laut werden und welche Symbole dabei durch die Straßen getragen werden, muss uns all das dazu bringen, dem als Demokratinnen und Demokraten eindeutig entgegenzutreten.
Es ist bezeichnend für den Charakter solcher Aufzüge, dass es dabei immer wieder zu Ausbrüchen von Gewalt gekommen ist gegen Gruppen, die beispielsweise mit Israelfahnen, mit anderen Standpunkten Gesicht gezeigt haben, sich dem entgegengestellt haben. Das ist Ausdruck dessen, mit welchen Kräften wir es zu tun haben.
Wenn Parolen laut werden und Symbole durch die Straßen getragen werden, die unmissverständlich gegen das Existenzrecht Israels gerichtet sind, dann gilt es ebenso unmissverständlich, sich zu diesem Existenzrecht zu bekennen. Das sollte aber mit der Botschaft verbunden sein, dass wir solche Debatten über das Existenzrecht Israels eigentlich gar nicht führen wollen. Es ist eine Selbstverständlichkeit auf der Grundlage der völkerrechtlichen Vereinbarungen, die für alle gelten. Eigentlich sollte es gar nicht notwendig sein, solche Diskussionen zu führen.
Es gibt aber eine Besonderheit. Es gibt die besondere historische Verantwortung. Jeder Angriff gegen das Existenzrecht Israels ist gegen das Existenzrecht jüdischen Lebens gerichtet. Ich denke, auch vor dem Hintergrund der besonderen Verantwortung der deutschen Geschichte sollten wir mit besonderer Vehemenz entgegentreten, wenn solche Positionen laut werden.
„Kein Frieden mit Antisemitismus“ stand auf dem Transparent einer Gegendemonstration in Mainz gegen solche
Aufmärsche. Ich denke, dieser Anspruch sollte allen Auseinandersetzungen mit den Konflikten im Nahen Osten vorangehen: Kein Frieden mit Antisemitismus.
Dann kann man sich diese Konflikte ansehen, und dann sollte es unsere Aufgabe sein, die Kräfte zu stärken, die für Versöhnung eintreten, für Verständigung. Ich erwähne den Verein Givat Haviva. Wir sollten die Kräfte stärken, die sich dafür einsetzen, in diesen Konflikten zu deeskalieren, Verständigung herbeizuführen, und nicht denen auf den Leim gehen, die die Eskalierer sind und die Spirale der Gewalt weiterdrehen wollen.
Wer mit antiisraelischen und antisemitischen Parolen durch unsere Straßen zieht, kann dagegen nichts anderes erwarten als unsere eindeutige Ablehnung. Ich denke, für meine Fraktion brauchen wir nicht unbedingt eine zweite Runde in dieser Aktuellen Stunde. Es wäre aber durchaus eine Überlegung wert, wie man in der Auseinandersetzung auch auf dieser Ebene entsprechend mit Bündnissen auf solche Demonstrationen reagieren kann.