Ich möchte noch darauf hinweisen, dass zwischenzeitlich das Oberlandesgericht in Koblenz das Landestariftreuegesetz dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt hat mit der Maßgabe zu prüfen, ob dieses Gesetz überhaupt europarechtskonform sein kann, weil es selbstverständlich in die Vergabefragen europäisch zu vergebender Aufträge eingreifen kann. Es gibt noch keine Entscheidung. Ich kann mir aber gut vorstellen, wie diese Entscheidung lautet. In diesem Haus sind wir mit euro
päischen Regeln und europäischen Weisungen durchaus sehr stark gebrandmarkt, weshalb wir uns vielleicht an dieser Stelle jetzt nicht auch noch das einfangen sollten, dass uns der Europäische Gerichtshof sagt, dass dieses Gesetz nicht haltbar ist.
Last but not least, wir werben dafür, unserem Antrag zu folgen und den Mut aufzubringen, an dieser Stelle endlich einmal zu sagen: Ein Gesetz ist nicht mehr notwendig. Wir schaffen es ab.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass wir heute einmal wieder in diesem Haus über das Thema Tariftreue und Mindestlöhne diskutieren. Vielleicht vorab für diejenigen Kolleginnen und Kollegen von der CDU, die es vergessen haben sollten: Was regelt das rheinland-pfälzische Landestariftreuegesetz?
Es verpflichtet öffentliche Auftraggeber, öffentliche Aufträge nur an Unternehmen zu vergeben, die sich verpflichten, ihren Beschäftigten bei der Ausführung dieser Leistungen mindestens die am Ort der Leistungsausführung einschlägigen Lohn- und Gehaltstarife zu zahlen. Das Ziel des Landestariftreuegesetzes war und ist, Wettbewerbsverzerrungen durch Lohndumping zu verhindern, einen fairen Wettbewerb gerade für kleine und mittelständische Unternehmen sicherzustellen und – das ist vor allem unser Anliegen – den Arbeitsmarkt sozial zu gestalten.
Um die soziale Gestaltung geht es auch bei dem jetzt verabschiedeten gesetzlichen Mindestlohn auf der Bundesebene. Der Mindestlohn soll da gezahlt werden, wo kein Tarifvertrag existiert.
Herr Baldauf, Sie haben es angesprochen. Der gesetzliche Mindestlohn auf Bundesebene soll durch eine Kommission geregelt werden. Wir sind froh, dass dem rheinland-pfälzischen Beispiel an der Stelle auch gefolgt wurde.
Das bedeutet aber, dass sich das Landestariftreuegesetz und das Mindestlohngesetz auf Bundesebene in keiner Weise ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Sie haben den Sinn des Landestariftreuegesetzes an der Stelle nicht ganz verstanden. Im Übrigen waren Ihre Ausführungen auch wieder ein bisschen ein Beleg für Ihr widersprüchliches Verhalten bei der Frage der Tariftreue und des Mindestlohns. Sie haben das Landestariftreuegesetz in der Vergangenheit immer abgelehnt. Sie haben immer die angebliche Bürokratie
Das Thema Bürokratie ist aber in der Praxis überhaupt kein Problem. Das haben wir in diesem Haus schon des Öfteren festgestellt.
Herr Baldauf, Sie haben immer den Mindestlohn abgelehnt. Sie haben sich gerade Ihrer persönlichen Einschätzung enthalten. Diese kann man durchaus im Protokoll nachlesen. Sie und Frau Klöckner haben immer tarifvertraglich festgesetzte Lohnuntergrenzen gefordert. Jetzt haben Sie dem Mindestlohn zugestimmt. Wir setzen beim Landestariftreuegesetz auf Tarifverträge. Das wollen Sie auch wieder abschaffen. Es ist sehr widersprüchlich, was Sie an der Stelle formulieren.
Es weiß keiner genau, was Sie eigentlich wollen. Was Sie nicht wollen, sind vernünftige soziale Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt. Ich denke, das ist bei dem, was Sie gesagt haben, nachvollziehbar.
Sie wissen – darüber haben wir im Haus schon gesprochen –, dass derzeit die Evaluation des Landestariftreuegesetzes läuft. Wir sind auf die Ergebnisse gespannt. Wir wollen und werden, wenn die Ergebnisse vorliegen, das Landestariftreuegesetz entsprechend weiterentwickeln. Wir wollen in Rheinland-Pfalz weiter Vorreiter sein, wenn es um gute und faire Arbeitsbedingungen geht. Es hindert uns niemand daran, einen Schritt weiterzugehen als im Rest der Republik. Das ist unser Ziel. Wir geben uns mit dem Status quo an dieser Stelle nicht zufrieden.
Ich glaube, man kann das, was Sie in Ihrem Gesetzentwurf vorschlagen, ein bisschen damit vergleichen, als würden wir bundesweit ein Tempolimit von 130 einführen, gleichzeitig aber alle 80er- und 70er-Schilder auf den Straßen abbauen. Das machen wir nicht mit. Wir werden das Thema sicherlich im Ausschuss diskutieren. Ich glaube, unsere Haltung wird sich an dieser Stelle in keiner Weise bis zur nächsten Beratung ändern. Wenn Sie sagen, es gibt Gewerkschaften, die das genauso sehen wie Sie, Herr Baldauf, dann wäre ich Ihnen wirklich sehr dankbar, wenn Sie mir diese einfach einmal nennen würden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Um die Überraschung und die Spannung zu nehmen, wir werden den Gesetzentwurf der CDU-Fraktion ablehnen, weil wir mit dem Landestariftreuegesetz in Rheinland-Pfalz ein vorbildliches Gesetz haben, das Vorbild war und ist für viele Regelungen in anderen Bundesländern. Es ist so, dass das Tariftreuegesetz – Kollegin Dr. Machalet hat es gesagt – über das hinausgeht, was im Bund mit dem Mindestlohngesetz geregelt werden soll.
Herr Baldauf, dass Sie sich vielleicht nicht die Mühe gemacht haben, in jeden einzelnen Paragrafen zu gehen, um genau das zu untersuchen, ist die eine Sache. Aber allein schon die Tatsache, dass der Mindestlohn, wie er nun in der Bundesrepublik Deutschland kommen soll, 8,50 Euro beträgt und wir nach Landestariftreuegesetz in Rheinland-Pfalz einen Mindestlohn von 8,90 Euro haben, sollte Ihnen zu denken geben, dass es nicht einfach nur so ist, dass das Mindestlohngesetz des Bundes jetzt das Landestariftreuegesetz des Landes verdrängt.
Ich glaube, es ist eine einfache Rechenaufgabe, dass 8,90 Euro in Rheinland-Pfalz mehr sind als 8,50 Euro bundesweit. So viel hätte ich Ihnen doch schon zugetraut.
Was noch wichtiger ist, ist, dass das Gesetz in Rheinland-Pfalz sozial gerechter ist und weiter geht als das, was der Bund einführt. Zum Beispiel werden auf Bundesebene gerade Langzeitarbeitslose vom Mindestlohn ausgenommen, während das rheinland-pfälzische Landestariftreuegesetz beispielsweise schon in § 1 Abs. 3 Nr. 2 schreibt, dass soziale Aspekte – da werden die Langzeitarbeitslosen explizit genannt – bei der Vergabe an Unternehmen durch öffentliche Stellen besondere Berücksichtigung finden sollen. Das Gleiche gilt übrigens auch für Auszubildende.
Dann schreibt dieses Gesetz weiterhin vor, dass – ich zitiere § 1 Abs. 3 Nr. 3 – die Verwendung von Produkten und die Lieferung von Waren, die im Ausland unter Einhaltung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation gewonnen oder hergestellt wurden, gefordert werden können, das heißt, im Landestariftreuegesetz wird der Gedanke des Fair Trade und der sozial-ökologischen und fairen Beschaffung niedergelegt, und an den haben sich öffentliche Stellen zu binden.
Es kann doch nicht in Ihrem Sinne sein, mit Ihrem Gesetz es jetzt abzuschaffen, dass wir nicht mehr darauf achten, woher die Produkte kommen, mit denen die Unternehmen arbeiten, ob die vielleicht aus Kinderarbeit stammen oder unter ökologisch nicht verantwortbaren Standards hergestellt wurden. Sie müssen sich das Gesetz schon anschauen, das Sie begehren abzuschaffen. So viel hätte ich schon erwartet, meine Damen und Herren!
Es geht wohl weniger darum, sich inhaltlich mit dem Tariftreuegesetz auseinanderzusetzen, sondern es geht darum, dass die CDU-Fraktion wieder einmal einen Gesetzentwurf eingereicht hat. Vielleicht führen Sie da
irgendwo eine Liste, und dann werden Sie am Ende sagen, wir haben soundso viel Gesetze eingebracht. Da machen Sie sich doch ein bisschen weniger Arbeit und machen nur einen Artikel. Dann zählt das genauso wie ein vollumfängliches Gesetz.
Da Sie mit Krokodilstränen jetzt erklären, Sie würden das tun, weil der Mindestlohn eingeführt worden wäre, erstens haben Sie dem Landestariftreuegesetz meines Wissens früher auch schon nicht zugestimmt, als es noch keinen bundesweiten Mindestlohn gab.
Herr Baldauf, zweitens gelten Sie nicht als die Speerspitze derer, die immer den Mindestlohn gefordert haben und sagen, ich habe jetzt meine Mission auf Bundesebene erfüllt.
Bei Ihrer Vorsitzenden weiß man nicht so genau, ob sie für oder gegen den Mindestlohn ist. Es kommt immer darauf an, wann und mit wem sie so spricht. Aber bei Ihnen war ich mir immer relativ sicher, dass Sie den Mindestlohn abgelehnt haben. Dann kommt das jetzt schon krokodilstränenmäßig daher, wenn Sie sagen, wir haben jetzt den Mindestlohn auf Bundesebene, dann brauchen wir das Tariftreugesetz im Land nicht.
Nein, der Mindestlohn auf Bundesebene ist ähnlich wie der Atomausstieg gegen erbitterten Wiederstand der Union durchgesetzt und abgetrotzt worden. Wir haben im Bundesrat als Rot-Grün unsere Zustimmung erteilt. Zwar sind wir als GRÜNE nicht mit allen Ausgestaltungen 100 %ig zufrieden, aber dass der bundesweite gesetzliche Mindestlohn in Deutschland letztendlich eingeführt worden ist, ist ein wichtiger und ein längst überfälliger Schritt zu mehr sozialer Gerechtigkeit in diesem Land. Das Landestariftreuegesetz soll so bleiben. Es ist nämlich ein wichtiger Beitrag für mehr soziale Gerechtigkeit auch hier in Rheinland-Pfalz.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich gerne dem anschließen, was Frau Kollegin Machalet und Herr Kollege Köbler gesagt haben, in einigen Bereichen sogar dem, was Herr Baldauf gesagt hat, nicht in der Konsequenz dessen, was er gesagt hat, aber doch zumindest in der rhetorischen Ausformung dessen, was er gesagt hat.
Lieber Christian Baldauf, ich bin dermaßen davon beeindruckt, wie stark Sie jetzt schon sozialdemokratische Rhetorik absorbiert haben, nämlich die Aussage, dass es in einer sozialen Marktwirtschaft nicht vorkommen darf, dass jemand vollschichtig arbeitet und nicht davon
leben kann. Ja, es hat am Ende doch einen pädagogischen Wert, dass wir diese Debatten immer geführt haben. Es ist bei Ihnen angekommen. Ob Sie es schon verinnerlicht haben, steht mir nicht zu zu beurteilen. Zumindest haben Sie die Rhetorik aufgenommen. Ich bin sehr froh, dass wir mit Ihnen schon so weit gekommen sind.
Vielleicht hat auch dazu beigetragen, dass Sie gesehen haben, dass unsere soziale Marktwirtschaft an dieser Stelle dann doch das Versprechen ihrer Gründungsjahre hält, dass, wer sich anstrengt, wer bereit ist, morgens aufzustehen, arbeiten zu gehen, sich besser stellen muss, als der, der es eben nicht tut. Dieses zentrale Versprechen an die soziale Marktwirtschaft haben wir in den letzten Jahren nicht mehr einlösen können. Wir haben zugelassen, dass es immer wieder Unternehmen gibt, die weniger an Bruttostundenlohn zahlen, als der Mensch braucht, um tatsächlich über die Runden zu kommen. Unsere Auffassung, die der Gewerkschaften und vieler aufgeklärter Unternehmen in diesem Land war immer, dann braucht man so etwas wie einen Mindestlohn, auf dem dann wieder neue, sozialpartnerschaftliche Modelle entstehen können.
Wir haben in Rheinland-Pfalz zu einer Zeit, als der gesetzliche allgemeine Mindestlohn noch nicht mehrheitsfähig war, gesagt, wir können doch nicht weiter zuschauen. Wenn wir uns im Land umschauen, sehen wir, wie die öffentlichen Auftraggeber auf der kommunalen Ebene agieren. Die Rückmeldungen sind bei uns eindeutig und bei Ihnen sicherlich auch die gewesen, dass überall da, wo wir öffentliche Aufträge vergeben, wir manchmal Aufträge an Unternehmen vergeben müssen, bei denen wir uns fragen, ob das hinhaut, ob die Leistung in Ordnung ist. Warum? – Weil wir uns nach dem günstigsten Bewerber umschauen mussten, der oftmals an der Lohnschraube so gedreht hat, dass wir uns als Auftraggeber bei den Aufträgen mit Unternehmen auseinandersetzen mussten, die doch nur eine schmale Qualität angeboten und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schlichtweg unanständig gering bezahlt haben.
Andere Unternehmen, die am Markt tätig sind, die ihre Steuern zahlen, die ausbilden, sich in Rheinland-Pfalz eine Existenz aufgebaut haben, haben in die Röhre geschaut. Das war eines der Elemente, das uns dazu gebracht hat, ein Landestariftreuegesetz auf den Weg zu bringen.
Wir haben dann als Konstruktion hilfsweise ein Mindestentgelt in dieses Landtariftreuegesetz mit eingebaut, und diese Konstruktion, die wir gewählt haben, ist jetzt die Blaupause des Mindestlohngesetzes auf Bundesebene gewesen, nämlich kein politisch festgelegter Mindestlohn, nein, sondern von einer Kommission festgelegt, in der sich die Sozialpartner gegenübersitzen und gemeinsam darüber nachdenken, was kann denn jetzt ein kluger Bruttolohn in der Stunde sein.
Meine Damen und Herren, dieses Modell ist erfolgreich. Es ist daran abzulesen, dass es erfolgreich ist, dass wir inzwischen in den meisten anderen Bundesländern in Deutschland entsprechende Landestariftreuegesetze
finden, übrigens nicht nur in sozialdemokratisch regierten Ländern, sondern in vielen anderen auch. Schauen Sie ins Saarland. Da gibt es eine Große Koalition unter Führung der CDU. In anderen Ländern werden Sie ebenfalls Landestariftreuegesetze finden, die übrigens nicht nur im übertragenen, sondern auch im tatsächlichen Sinne rheinland-pfälzische Handschrift tragen, weil man sich unser Gesetz angeschaut und gesagt hat, das kann man sogar passagenweise übernehmen.