Protokoll der Sitzung vom 18.08.2011

Der Kollege Ramsauer hat recht. Natürlich führen bestimmte Mechanismen – das wissen wir doch – im Rettungsschirm für Griechenland dazu, dass wir ein Stück Transferunion haben. Natürlich ist der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB, wenn diese Anleihen an Wert verlieren oder ausfallen, ein Stück weit Transferunion. Natürlich sind die Strukturfonds, die die Europäische Union bisher aufgelegt hat und für die wir sind und alle gemeinsam waren, ein Stück Umverteilung und damit Transferunion. Natürlich ist der Sozialproduktschlüssel, mit dem sich die EU refinanziert, ein Stück weit Transferunion. Natürlich ist auch vieles, was reguliert worden ist, nämlich dass wir feste Wechselkurse, eine einheitliche Währung und keine Zölle haben, ein Stück weit Transferunion, im Übrigen in dem Fall zugunsten der exportstarken Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben Krisenstaaten in Südeuropa, die einen Großteil ihrer Probleme selbst zu verschulden haben. Einem Teil der Probleme stehen Sie ohnmächtig entgegen, weil Sie sozusagen den unregulierten Finanzmärkten ausgesetzt waren. Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Wir sagen ihnen zu Recht, ihr müsst konsolidieren. Sollen wir ihnen sagen, wenn ihr schlechte Haushalte habt und viele Kredite aufnehmen müsst, dann müsst ihr hohe Zinsen zahlen?

Dann sagen wir ihnen auch, ihr müsst in Kauf nehmen, eure Wettbewerbsfähigkeit an der Stelle zumindest zu verschlechtern; denn auch die Unternehmen in den Ländern, die Kredite aufnehmen wollen, zahlen die höheren Zinsen.

Wir sagen ihnen aber gleichzeitig, weil wir in einer gemeinsamen Währung sind und eine Zollunion haben, du kannst keine Zölle erheben oder abwerten. Das hätten sie früher getan, um ihre Wettbewerbssituation relativ zu stärken.

Sollen wir ihnen sagen, dass sie ihre Steuern senken? Das ist ja vielleicht auch noch eine Möglichkeit, um Unternehmen zu stärken. Das können sie nicht und sollten sie auch nicht, weil sie dann ihre Schulden nicht abbezahlen können. Ein Parameter bleibt noch über: Die Löhne. Das fände ich eine ziemlich schlechte Empfehlung, vor allem dann, wenn man nicht zu sozialen Verwerfungen in Europa beitragen will.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die europäische Idee ist und bleibt richtig, wie ich finde. Wir müssen darauf achten, dass wir uns aus der Geiselhaft der Finanzmärkte durch harte Regulierung befreien können. Wir müssen konsequent die nationalen Haushalte konsolidieren, und wir müssen eine Regierung haben, die in Brüssel bereit ist, eine Führungs- und Verantwortungsrolle zu übernehmen, die von Solidarität und nicht von kleinkariertem Koalitionsopportunismus geprägt ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich danke Ihnen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ramsauer, SPD: Natürlich!)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Hering das Wort. Es stehen jeder Fraktion zwei Minuten und 30 Sekunden zu.

Frau Klöckner, Sie haben die Frage gestellt: Was hat das mit Rheinland-Pfalz zu tun? – Es hat ganz konkrete Auswirkungen. Es geht nicht nur um die Ängste der Menschen.

Wenn wir für die Monate Juni und Juli die Auftragseingänge in der Wirtschaft, gerade in der Exportwirtschaft, analysieren, so können wir feststellen, sie gehen zurück. Auch auf dem Binnenmarkt gehen sie zurück. Unternehmen stellen die Frage: Macht es Sinn, Investitionen auf den Weg zu bringen, ja oder nein? – Das sind ganz konkrete Fragen von Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzern an die Politik. Dann muss sich über ein solches Thema auch hier unterhalten werden.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Baldauf, CDU: Lösungsvorschläge!)

In Ihrer Rede ist die ganze Scheinheiligkeit der Diskussion zutage getreten, wie sie von der Union geführt wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Weiland, CDU)

Sie haben gesagt, Sie seien nicht bereit, den Ländern zu helfen, die die Stabilitätskriterien nicht einhalten, die durch selbstverschuldete Maßnahmen in Schwierigkeiten gekommen sind.

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Sie als Bundestagsabgeordnete haben dem Garantierahmen von mehreren Milliarden Euro zugestimmt. Derzeit wird im Bundestag beraten, den Garantierahmen von 123 Milliarden Euro auf über 211 Milliarden Euro zu erhöhen. Darüber wird aktuell entschieden.

Es gehört das klare Bekenntnis dazu, wir befinden uns de facto längst in der Transferunion. Wir müssen die

Menschen auch mitnehmen und erklären, warum die Maßnahmen notwendig und sinnvoll sind.

Es ist fatal, dass wegen des Koalitionsfriedens in Berlin gewisse Themen nicht besprochen werden können und ein Eurobond tabuisiert wird. Es muss die Frage gestellt werden: Könnte es das Instrument sein, mit dem man erheblich effizienter den europäischen Markt stabilisieren und die Haftungsrisiken für die Nationalstaaten viel geringer halten kann? Könnte das ein akzeptables Instrument sein, die Dinge vernünftiger zu gestalten.

Ich kann mir das durchaus vorstellen. Der Bundesregierung ist es aufgrund des Koalitionsfriedens verboten, darüber zu diskutieren. Das ist die traurige Wahrheit.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das wird nicht nur von uns so gesehen, sondern das wird aktuell auch von Bundestagspräsident Lammert so eingeschätzt, der genau das kritisiert, dass es nämlich nicht erlaubt ist, in den Fraktionen des Bundestages die Dinge offen zu diskutieren, und die Bundesregierung ihre eigenen Fraktionen unter Druck setzt, den Dingen im Schnellverfahren zuzustimmen, ohne sie durchdenken und überlegen zu können.

Wir werden in Rheinland-Pfalz den Menschen die Dinge erklären. Wir haben eine Exportabhängigkeit von über 50 %.

(Glocke der Präsidentin)

Die Exporte gehen zu 60 % in den Euro-Raum. Wir wollen eine starke Europäische Union, einen starken Euro. Wir sind auch bereit, die notwendigen Maßnahmen auf den Weg zu bringen, weil Krisen viel schlimmer wären.

Frau Klöckner, ich halte es für einen unverantwortlichen Satz, von einem Politiker zu sagen: Mir sind einige EuroKrisen vom Grunde egal, Hauptsache die europäische Idee bleibt bestehen.

(Frau Klöckner, CDU: Das ist eine Unverschämtheit! – Bracht, CDU: Wer hat das gesagt? – Glocke der Präsidentin)

Genau das haben Sie hier gesagt. Ihnen wären einige Euro-Krisen lieber oder akzeptabler. Das ist ein Problem, das Menschen in einer solchen Diskussion verunsichert, die um ihr Vermögen oder um die wirtschaftliche Stabilität bangen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Baldauf, CDU: Wer schreit, hat Unrecht!)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Kollegin Klöckner das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hering, das ist weder fair noch seriös, was Sie gerade eben gesagt haben.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Das Protokoll wird es beweisen!)

Mein Punkt ist ein ganz eindeutiger: Krisen sind schlimm, Euro-Krisen sind schlimm, aber es ist gut, was die Europäische Union und die europäischen Freunde trotz Krisen geschafft haben, nämlich eine so lange Zeit in friedlicher Koexistenz zu verbringen. Wir werden es schultern, weitere Euro-Krisen gemeinsam durchzustehen.

Das heißt aber nicht, dass wir zu unseren europäischen Freunden nicht auch streng sein können. Deutschland steht so gut da wie kein anderes europäisches Land.

(Pörksen, SPD: Na! Na! Na!)

Deutschland ist so gut aus der Krise gekommen, dank dieser Bundesregierung und auch dank der Bundesregierung zuvor, weil kluge Instrumentarien entwickelt worden sind.

(Pörksen, SPD: Dank Steinbrück! – Ramsauer, SPD: Steinbrück!)

Klar ist auch, dass in Deutschland die Arbeitslosigkeit so niedrig wie schon seit Langem nicht mehr ist. Andere schauen mit Bewunderung auf Deutschland und sagen eindeutig: Ihr habt in einer Krise besonnen gehandelt. Von dem, was Deutschland gemacht hat, wollen wir in anderen europäischen Ländern lernen.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt komme ich noch einmal zu den Eurobonds. Lieber Herr Finanzminister Kühl, Ihre Rede war ja teilweise gar nicht so schlecht.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Ministerpräsident Beck: Diese Arroganz!)

Sie haben eines vergessen: Sie haben nicht von flankierenden Maßnahmen gesprochen; denn dann ist doch der Anreiz folgender, dass man sich weiterhin auf Kosten der Solidarität anderer nicht anders verhält. Das ist doch die Notwendigkeit.

Schauen Sie doch zu unseren Mitbürgern hier in Rheinland-Pfalz. Natürlich hat das etwas mit Rheinland-Pfalz zu tun. Meine Frage war eine andere, Herr Hering. Wenn wir heute in diesem Landtag darüber debattieren, welcher Impuls hier aus Mainz zum Beispiel an die Frankfurter Börse gehen könnte. Ich habe gesehen, dass der Dax während Ihrer Rede etwas gesunken ist, aber das hat wahrscheinlich nichts mit Ihnen zu tun gehabt.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der CDU)

Wenn wir davon ausgehen, welcher Impuls von Rheinland-Pfalz ausgehen kann, Sie gleichzeitig aber sagen, all das, was wir vorher debattiert haben, interessiert die Rheinland-Pfälzer nicht, dann muss ich sagen, ist das Verständnis der Subsidiarität, dass wir uns in den Parlamenten von unten nach oben aufbauen, ein bisschen gestört.

Kurzum: Was brauchen wir? – Wir brauchen einen stabilen Euro; denn der sichert Arbeitsplätze, der sichert nicht nur den Export, sondern auch Steuern, den Wohlstand und vor allen Dingen auch Bildungs- und Teilhabegerechtigkeit für alle, die in unserem Land leben, aber auch in den anderen Ländern.

(Beifall der CDU – Ramsauer, SPD: Nur Allgemeinplätze! – Glocke der Präsidentin)

Zweitens ist es eine Aufgabe, dass wir auch auf den Bundeshaushalt achten; denn es geht um unsere Bürger, die das erarbeitet haben. Wir können es nicht anderen vor die Füße werfen, wenn sie nicht selbst Anstrengungen erbringen.

Das hätte ich mir von Ihnen gewünscht. Sie wollten ablenken. Deshalb sage ich noch einmal, ich danke unserer Bundeskanzlerin, die es wie keine andere geschafft hat, innerhalb Europas weitsichtig die Regierungschefs zusammenzuholen.

(Glocke der Präsidentin)