Protokoll der Sitzung vom 18.08.2011

(Beifall der CDU)

Sie haben sich auch nicht bei fünf Grad minus im Hüttendorf im Kelsterbacher Wald aufgehalten. Vielleicht sind Sie einmal zu Besuch gekommen, aber Sie sind nicht wie wir aus Sitzungen herausgerufen worden.

(Zuruf der Staatsministerin Frau Höfken)

Gut, Sie vielleicht. Ich habe Sie höchstwahrscheinlich in der Jurte, in der wir uns getroffen haben, übersehen.

Sie waren nicht dabei. Von daher tut es schon ein bisschen weh, wenn Sie in einer Diskussion, die bisher zu 90 % wirklich vernünftig gelaufen ist, solche Vorwürfe erheben. Einzelne Punkte im Zusammenhang mit Verbesserungsmöglichkeiten beim Fliegen sind von der Kollegin angesprochen worden, zum Beispiel der Curved Approach. Fragen Sie einmal die Bodenheimerinnen und Bodenheimer nach dem Curved Approach. Wenn Sie das machen, wird es in einer Sitzung kaum ruhig bleiben; denn die Bodenheimerinnen und Bodenheimer sind davon jetzt neu betroffen. Wir müssen sagen, dass dieser Raum nicht mehr Flugbewegungen zulässt. Dies ist ein dicht besiedeltes Gebiet. Daher wirkt sich jeder zusätzliche Flugverkehr krank machend auf die Menschen aus, die hier leben müssen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, heute stehen zwei Anträge zum Fluglärm auf der Tagesordnung. Ich hätte mir gewünscht, dass in dieser Sitzung des Landtags, wenige Wochen vor der Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest, ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen möglich gewesen wäre, so wie es in der letzten Legislaturperiode schon einmal der Fall war. Zumindest von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hätte ich erwartet, dass sie in dieser Debatte in wenigen Sätzen Kritik an der Vorgängerregierung in dieser Frage formuliert hätten. Diese Kritik haben Sie, ebenso wie die CDU – ich habe es vorhin schon einmal gesagt –, bis um 18:00 Uhr am Wahlabend geäußert.

(Beifall der CDU)

Dass es wichtig ist, nicht nur nach vorne zu schauen, sondern auch über die Vergangenheit zu reden, zeigt die Geschichte des Ausbaus des Frankfurter Flughafens. Er ist nämlich immer scheibchenweise erfolgt. Die Fraport AG handelte immer nach dem Motto: Nach dem Ausbau ist vor dem Ausbau. – Bis Mitte der 80er-Jahre wurde der Frankfurter Flughafen linksrheinisch, also bei uns, kaum als störend empfunden. Unter der rot-grünen Regierung in Wiesbaden hat die Kapazität des Flughafens Frankfurt massiv zugenommen; auch die Anzahl der Nachtflüge hat sich erhöht. Weitere Runways und Vorfeldstellplätze, durch die die Kapazität des Flughafens massiv erhöht wurde, wurden nicht planfestgestellt, sondern nach § 34 von der Stadt Frankfurt genehmigt. Mit der Maßnahme EAM 04 im Rahmen der Neuordnung des europäischen Luftraums kam es für die in Mainz und in Rheinhessen lebenden Menschen zu einem unzumutbaren Lärmzuwachs durch landende, aber auch durch startende Flugzeuge. Das war im Jahr 2004.

Es gab keine Unterstützung für die schon damals am stärksten betroffene Landeshauptstadt Mainz. Auch zeigte die Landesregierung kein Interesse daran, im Rahmen der Mediation unter dem in Mainz geborenen

Umweltpfarrer Oeser rheinland-pfälzische Interessen zu vertreten. Was die Vertretung der Interessen im sich anschließenden Regionalen Dialogforum betrifft: auch Fehlanzeige. Die rheinland-pfälzische Regierung hatte kein Interesse.

Wach wurde die Landesregierung erst im Vorfeld der letzten Landtagswahl, nachdem immer mehr rheinhessische Gemeinden und Bürgerinitiativen tätig geworden waren. Sie bewarb sich um einen Platz in der Frankfurter Fluglärmkommission, ließ sich dort aber – weil das Thema ja so „wichtig“ ist – nur durch eine Referentin vertreten. Erst als es richtig heiß wurde, nahm zusätzlich ein Abteilungsleiter aus dem Verkehrsministerium an den Sitzungen teil. Übrigens sind die meisten Mitglieder der Fluglärmkommission Bürgermeister, Oberbürgermeister oder Beigeordnete.

Die Menschen im Rhein-Main-Gebiet brauchen Schutz vor Fluglärm und dürfen auf keinen Fall weiteren Belastungen ausgesetzt werden.

(Beifall der CDU)

Schon jetzt, vor Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest, ist die Belastung unzumutbar und macht die Menschen krank. Die CDU dankt Professor Dr. Münzel von der Universitätsklinik in Mainz dafür, dass er die Einflüsse von Fluglärm auf die menschliche Gesundheit ausführlich beschrieben hat und weiter erforschen wird. Waren es zunächst nur Klein-Winternheim, Ober-Olm, Nieder-Olm und Budenheim, die die Stadt Mainz in ihrem Kampf gegen den Fluglärm unterstützten, so gibt es mittlerweile bis weit hinter Bad Kreuznach kaum eine Gemeinde mehr, die sich nicht gegen den zunehmenden Fluglärm wehrt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch Rheinland-Pfalz braucht den Frankfurter Flughafen. Auch viele Menschen aus unserem Bundesland arbeiten dort. Nur dürfen wir es nicht hinnehmen, dass nach dem Ausbau circa 60 % der in Frankfurt landenden Personen gar nicht nach Frankfurt oder nach Rheinhessen wollen, sondern lediglich gezwungen sind, in Frankfurt umzusteigen. Nur so ist die Zunahme der Zahl der Flüge zu erklären. Ein Airbus A 380 sorgt für mindestens vier weitere Flüge. Warum kann man zum bloßen Umsteigen nicht andere, nicht in Ballungsgebieten liegende Flughäfen benutzen?

Die jüngste Entscheidung des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung zur Südumfliegung ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich gegen die Verlärmung und damit auch gegen eine zusätzliche Gesundheitsbelastung in unserer Region einsetzen. Von daher teile ich die Einschätzung des Kollegen von der SPD, der gesagt hat, dass sie eigentlich nur die Stempelgeber für die Deutsche Flugsicherung seien. Ich teile diese Auffassung.

Viele Initiativen in Mainz und in Rheinhessen sowie Hunderte von jungen und alten ehrenamtlich tätigen Menschen kämpfen seit Jahren mit zahlreichen Eingaben und öffentlichem Protest gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens. Die Menschen einer ganzen Region werden um ihren Schlaf gebracht. Deswegen

unterstützen wir natürlich Städte und Gemeinden, die den Klageweg beschreiten möchten. Bis heute ist der Landesregierung aber nicht klar, ob sie selbst klagen kann – das ist die entscheidende Frage – oder in welcher Form sie Kreise und Gemeinden bei den Klagen finanziell unterstützt.

(Zuruf der Abg Frau Schmitt, SPD)

Ich habe schon gesagt, dass die Landesregierung erst sehr spät ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben hat. Dieses Gutachten greift aber zur kurz, da in ihm lediglich die Auswirkungen der neuen Landebahn Nordwest auf Mainz und Rheinhessen beleuchtet und alternative Abflugrouten dargestellt werden. Wir warten darauf, dass dieses Gutachten im zuständigen Ausschuss als Ganzes vorgestellt wird und man dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung die Gelegenheit gibt, die alternativen Routen zu bewerten. Das Gutachten hat die bisherige Belastung durch die jährlich fast 125.000 über Mainz und Rheinhessen anfliegenden Flugzeuge überhaupt nicht berücksichtigt und bietet von daher auch keine Darstellung der Gesamtbelastung der hier lebenden Menschen durch den Flugverkehr.

Im Moment wird nur über die Festlegung des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung in Bezug auf die sogenannte Südumfliegung diskutiert. Um die Gesamtbelastung der Menschen in der Region zu ermitteln, ist es aber zwingend geboten, alle Flugbewegungen in der Region zu berücksichtigen, insbesondere wenn man davon ausgehen muss, dass sich die Zahl der Flugbewegungen in den nächsten Jahren verdoppeln wird.

Ich habe Ihnen drei Bilder mitgebracht.

(Der Redner hält ein Schaubild hoch)

Auf dem ersten Bild – das sehen Sie hier – ist die verharmlosende Darstellung der An- und Abflugrouten im Westen des Flughafens zu sehen. Es soll der Eindruck erweckt werden, dass man sich an die Linien hält und die Städte und Gemeinden umflogen werden.

(Der Redner hält ein weiteres Schaubild hoch)

Das zweite Bild, das ich Ihnen mitgebracht habe, zeigt – in Rot gehalten – die Region Rheinhessen und die Stadt Mainz. Es stellt die momentanen Flugspuren dar – also vor dem Ausbau des Flughafens –, wie sie an einem einzigen Tag durch eindrehende und landende Flugzeuge entstehen.

(Der Redner hält ein weiteres Schaubild hoch)

Das dritte Bild zeigt auf der Grundlage eines Tests, der im Januar dieses Jahres durchgeführt wurde, welche Folgen die Südumfliegung hat: Die Flugzeuge fliegen nicht auf den vorgegebenen Routen, sondern es kommt – wie Sie hier sehr gut sehen können – zu einer Streuung der Flugbewegungen über Mainz und das gesamte Rheinhessen.

Die startenden Maschinen – das ist der eigentliche Skandal – werden bewusst tiefgehalten, damit sie unter der Route für den Gegenanflug bleiben. Anstatt mit dem

sogenannten Steilstartverfahren schnell an Höhe zu gewinnen – ein Kollege von der SPD hatte das auch angesprochen –, verlärmen diese Flugzeuge Mainz und Rheinhessen komplett, indem sie in geringer Höhe fliegen. Mit der Inbetriebnahme der Südumfliegung werden Mainz und Rheinhessen an allen 365 Tagen des Jahres massiv durch Fluglärm belastet werden, nicht nur bei Ostwetterlagen wie bisher.

Dass es nach der Inbetriebnahme der Landebahn zu einer Südumfliegung kommen wird, ist nichts Neues. Das ist seit Langem bekannt. Die Deutsche Flugsicherung und das Land Hessen entlasten Raunheim, Kelsterbach und Flörsheim – alle mit SPD-Bürgermeistern – und insbesondere den Taunus.

(Pörksen, SPD: Da gibt es besonders viele SPD-Bürgermeister!)

Man sollte sich in der Tat fragen, wo die Vorstandsmitglieder der Fraport und der Lufthansa wohnen. Sie entlasten sich zulasten rheinland-pfälzischer Kommunen.

Keiner von Ihnen sollte sagen, er hätte es nicht gewusst.

Schon in den Antragsunterlagen der Fraport zum Bau der Landebahn Nordwest war die Südumfliegung vorgesehen und beantragt. Wer dem Ausbau des Frankfurter Flughafens, wenn auch nur als Träger öffentlicher Belange, zugestimmt hat, wusste, was er tat. Er wusste, dass bei einem Ausbau des Frankfurter Flughafens die Südumfliegung vorgesehen ist.

Die Landesregierung hat wertvolle Zeit verstreichen lassen. Möglicherweise falsch eingeschätzt, aber – das möchte ich sehr deutlich sagen – sie hat wenig getan. Sie hätten die Stadt Mainz früher unterstützen müssen und nicht die Hände in den Schoß legen dürfen.

Endgültig entdeckt haben Sie das Thema – ich hatte es vorhin schon angedeutet – zur Landtagswahl, und da auch nur halbherzig; denn Sie hatten noch Gelegenheit, zur Neuordnung des Luftraums Stellung zu beziehen. Es war die Landesluftfahrtbehörde des Landes RheinlandPfalz, die im Oktober 2010 keinerlei Einwände erhoben und damit den Weg freigemacht hat für eine Erweiterung des Luftraums. Das heißt, noch im Oktober letzten Jahres hätte die Landesregierung Gelegenheit gehabt, in einer Stellungnahme zu den geplanten Veränderungen und damit auch zur Südumfliegung Stellung zu beziehen.

Meine Damen und Herren, Fehlanzeige. Einer entsprechenden Genehmigung der neuen Routen stand nun nichts mehr im Wege. So ist es einem Schreiben der Deutschen Flugsicherung an die damalige Staatssekretärin Julia Klöckner vom 21. März dieses Jahres zu lesen.

(Pörksen, SPD: Sie können alles schreiben!)

Alle weiteren Reaktionen seitens der Landesregierung erscheinen deshalb auch nicht glaubwürdig,

(Pörksen, SPD: Sie sind besonders glaubwürdig!)

auch nicht die überhastet eingeladene sogenannte Anhörung am Freitag vor Fastnacht dieses Jahres in der Rheingoldhalle.

(Beifall der CDU)

Bei der Diskussion um ein neues Fluglärmgesetz hat die Regierung die Menschen in der Region im Stich gelassen. Das neue Fluglärmgesetz schützt nicht die Menschen, sondern ermöglicht es, dass bis zu 900.000 Bewegungen pro Jahr in Frankfurt stattfinden können.

Als Umweltdezernent der Stadt Mainz musste ich gegen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die an Feiertagen oder während der Ruhezeiten ihren Rasen gemäht haben, Bußgelder verhängen, während im Minutentakt Jumbos und andere Flugzeuge über ihre Häuser dröhnten.

Warum wird Fluglärm anders behandelt als Industrie- oder Straßenlärm? Warum gilt nicht auch beim Fluglärm die Technische Anleitung Lärm oder das BundesImmissionsschutzgesetz?

Bei der Beratung dieses Gesetzes wäre es dringend geboten gewesen, klar und eindeutig auf den Schutz der Bevölkerung vor einer verstärkten Beeinträchtigung durch Fluglärm hinzuweisen, das heißt, das Thema nicht auf die lange Bank zu schieben.

Wenn Sie vorhin schon die Kollegin Granold angesprochen haben, Kollegin Granold war eine der wenigen Abgeordneten gewesen, die in der Großen Koalition gegen dieses Gesetz gestimmt hat.

Am 16. Februar 2007 erklärte die damalige Umweltministerin Conrad im Bundesrat – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten –: „Rheinland-Pfalz stimmt dem Gesetz zu, (…). Das Gesetz ist ein Interessenausgleich zwischen den Schutzbedürfnissen der Allgemeinheit und wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Leistungsfähige Flughäfen in Deutschland sind im Hinblick auf die Entwicklung der Wirtschaft und den Erhalt und Ausbau von Arbeitsplätzen wichtig. Dem Schutzbedürfnis der Allgemeinheit trägt das neue Gesetz Rechnung (…)“.

Das war nicht die Erklärung eines Wirtschafts- oder Verkehrsministers, sondern die Erklärung der damaligen Umweltministerin. Diese Erklärung war schon damals falsch, und die Novellierung des Gesetzes war ein Rückschritt für die Menschen.

Vor der Novellierung des Fluglärmgesetzes wurde den Menschen in Flugplatznähe durch sogenanntes Richterrecht mehr geholfen als durch das novellierte Fluglärmgesetz; denn nach den Berechnungsmethoden dieses Gesetzes steht fest, dass es in Mainz und Rheinhessen eigentlich keinen Fluglärm gibt.