Protokoll der Sitzung vom 20.11.2014

Haben die Sie nicht darauf hingewiesen, dass die Unschuldsvermutung ein universeller Grundsatz ist, kodifiziert bereits in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte? Dort heißt es: „Jeder Mensch, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, ist so lange als unschuldig anzusehen, bis seine Schuld in einem öffentlichen Verfahren gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.“

So verlangt es auch unser grundgesetzlich garantiertes Rechtsstaatsgebot.

Sehr geehrte Damen und Herren, derzeit besteht noch nicht einmal ein hinreichender Tatverdacht für irgendeine strafbare Handlung. Das ist eben, Herr Klein, gerade nicht Voraussetzung für eine Hausdurchsuchung.

Mit Ihrer Aktuellen Stunde bezwecken Sie nur eines, meine Damen und Herren von der Opposition. Wieder einmal skandalisieren Sie, zeigen unter Missachtung des fundamentalen Rechtsgrundsatzes der Unschuldsvermutung auf Menschen und werfen mit Dreck.

(Beifall des BÜDNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Um eines ganz klarzustellen: Wahlfälschung und Wahlbetrug sind kein Kavaliersdelikt. Sie rütteln an den Grundvoraussetzungen der Demokratie. Wer in die Willensbildung des Volkes in einer solchen Weise eingreift, um sich selbst einen Nutzen zu verschaffen, hat die grundlegenden Prinzipien nicht verstanden und in der Politik nichts zu suchen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Aber, meine Damen und Herren, es ist Aufgabe der Strafvollzugsbehörden, hier zu ermitteln. Genau das tut die Polizei, und genau das tut die Staatsanwaltschaft derzeit.

Halten Sie es wirklich für vertretbar, einen solchen rechtstaatlichen Ermittlungsprozess mit politischem Getöse zu begleiten? Was Sie tun, ist nur eines: Sie

versuchen, die handelnden Staatsorgane politisch zu beeinflussen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU: Oh je!)

Meine Damen und Herren, dies aber ist eine rote Linie, die ein Parlament nicht überschreiten darf. Wir haben aus gutem Grund die Trennung der Staatsgewalten. Sie scheinen es immer wieder zu vergessen. Ich erinnere nur an Ihre unsäglichen Versuche, Einblicke in eine nicht veröffentlichte Urteilsbegründung zu nehmen.

Meine Damen und Herren von der CDU, haben Sie gedacht, dass Sie hier möglicherweise Unschuldige an den Pranger stellen? Ist das Ihre Oppositionspolitik hier in diesem Land? Stellen Sie sich so eine tragfähige Basis für die Gestaltung der Lebensverhältnisse in Rheinland-Pfalz vor? Skandalisieren und mit Schmutz werfen?

Ja, es bleibt immer etwas hängen, möglicherweise bei Unschuldigen, möglicherweise aber auch bei Ihnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben gestern mit großem Ernst über die Bedeutung der Menschenwürde und ein würdiges Leiden und Lebensende gesprochen. Wir sollten uns diese Würde auch im Umgang miteinander und mit Unschuldigen ins Gedächtnis rufen und einen solchen Umgang in dieser Sache unterlassen.

Vielen Dank.

(Anhaltend starker Beifall des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung hat Herr Justizminister Professor Dr. Robbers das Wort.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Auch für mich ist es das erste Mal, dass ich hier sprechen darf. Kurz, ich freue mich auf eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit.

(Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

Zu der konkret jetzt hier verhandelten Sache darf ich Folgendes sagen: Die Staatsanwaltschaft Zweibrücken führt ein Ermittlungsverfahren wegen Wahlfälschung gegen zwei Personen aus Primasens. Das Verfahren beruht auf einer Anzeige, die durch den Oberbürgermeister der Stadt Pirmasens an die Staatsanwaltschaft Zweibrücken weitergeleitet wurde.

Es wurden entsprechende Durchsuchungsbeschlüsse erlassen. Diese wurden am 18. November 2014 mit Durchsuchungsmaßnahmen von der Staatsanwaltschaft Zweibrücken vollzogen. Die dabei sichergestellten Unterlagen bedürfen jetzt der Auswertung.

Gestern ist der Bericht der Staatsanwaltschaft in meinem Hause eingegangen. Ich habe sogleich Kenntnis davon erhalten und damit auch die Landesregierung. Sobald die Staatsanwaltschaft Zweibrücken ihre Ergebnisse der Auswertung mitgeteilt hat, bin ich gerne bereit, auf Antrag im Rechtsausschuss, dann allerdings in vertraulicher Sitzung, Näheres zu berichten.

Lassen Sie mich hier betonen, dass ich ganz selbstverständlich volles Vertrauen in die effiziente Arbeit der Staatsanwaltschaft habe.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Wilke hat das Wort.

(Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Er entschuldigt sich jetzt für Herrn Klein!)

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf an das anknüpfen, was Sie gerade sagten, Herr Minister Robbers. Auch wir haben vollstes Vertrauen in die Arbeit der Justizbehörden dieses Landes. Es wird eine saubere Aufklärung dieses Vorgangs geben.

(Beifall bei der CDU – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Das haben wir gemerkt! – Pörksen, SPD: Was soll das heute?)

Deswegen verstehe ich Ihre Aufregung hier überhaupt nicht.

(Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Herr Kollege Klein hat Fragen gestellt. Es geht um ein fundamentales Recht der Menschen unseres Landes,

(Noss, SPD: Unterstellungen! – Zurufe von der SPD)

frei, geheim und gleich zu wählen.

(Zuruf des Abg. Noss, SPD)

Da darf es keine Straftat in diesem Zusammenhang geben.

(Beifall der CDU – Zuruf von der SPD: Darum geht es nicht!)

Darum geht es. Wenn hier, was berechtigt ist, auf die Unschuldsvermutung Bezug genommen wird, dann hat das Herr Kollege Klein nicht in Abrede gestellt,

(Hartloff, SPD: Das ist scheinheilig! – Weitere Zurufe von der SPD)

aber anders als der Kollege habe ich schon die letzte Wahlperiode erlebt.

Ich erinnere mich noch sehr gut, wie mancher von Ihnen – auch Ihr damaliger Fraktionsvorsitzender – unseren damaligen Fraktionsvorsitzenden in der SchürholzSache abgewatscht hat. Da war von der Unschuldsvermutung nicht im Geringsten die Rede.

(Beifall der CDU)

Jetzt regen Sie sich hier in einer Art und Weise auf, das ist unzumutbar.

(Dr. Weiland, CDU: Genauso sind sie!)

Wir haben Vertrauen in die Justizbehörden. Wir werden das im Rechtsausschuss zum gegebenen Zeitpunkt weiterverfolgen.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Raue.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Wilke, Ihr Versuch, diese Aktuelle Stunde zu rechtfertigen, in allen Ehren, aber ich möchte mich wiederholen. Wahlfälschung und Wahlbetrug sind kein Kavaliersdelikt. Sie rütteln an unseren Grundfesten. Deshalb ist es zu begrüßen, dass die Staatsanwaltschaft am 5. November 2014 die Räume des Kreisverbandes und die Wohnung eines verdächtigen Stadtratsmitglieds durchsucht hat. Moment, werden Sie sagen, die Durchsuchung in Pirmasens war doch am 18. November Das ist richtig. Richtig ist aber auch, dass es wegen eines ähnlichen Vorwurfs eine Durchsuchung am 5. November gegeben hat, nicht in Pirmasens, aber in Stendal.