Sie haben vor 13 Jahren Ihre Lebensgeschichte veröffentlicht. 2005 erschien die deutsche Ausgabe. Heute sprechen Sie wieder unsere Sprache, die damals so viel Furchtbares und Schlechtes für Sie bedeutete.
„Man soll sich nicht in Hass einschließen“, sagten Sie einmal. Ich habe größte Hochachtung davor, dass Sie sich geöffnet und den Menschen in Deutschland zugewandt haben. Denn – auch das ist ein Zitat von Ihnen – „ohne die Vergangenheit zu kennen, können wir die Zukunft nicht gestalten“.
Es ist eine gemeinsame Zukunft, eine europäische Zukunft, die wir gestalten wollen, damit niemals mehr nationale Alleingänge Auslöser für Krieg, Tod und Zerstörung werden können.
Ich denke dabei an die Ereignisse in dem Staat, zu dem Ihre Geburtsstadt heute gehört – zur Ukraine. Die militärische Auseinandersetzung, die Kampfhandlungen dort bereiten uns natürlich alle große Sorgen.
Deswegen will ich gerade an diesem Tag, an dem wir an die Befreiung von Auschwitz durch die sowjetischen
Truppen erinnern, diese gefährliche Entwicklung ansprechen. Mein Appell geht an alle Beteiligten, die Chance des friedlichen Dialogs zu nutzen.
Verehrte Frau Wermuth-Burak, Sie zeigen in eindrucksvoller Weise, was durch den Dialog an Verständigung zu erreichen ist. Gerade dann, wenn Sie junge Menschen erreichen, ist das von unschätzbarem Wert. Auch dafür will ich Ihnen noch einmal sehr, sehr herzlich danken.
Ich wünsche Ihnen – ich denke, ich darf das hier im Namen aller, die heute hier sind, sagen – von Herzen alles Gute, vor allem Gesundheit und weiterhin auch viel, viel Kraft, den Menschen von Ihnen zu erzählen, auf dass daraus Gutes in Gegenwart und in Zukunft entstehe. Alles Gute für Sie!
Meine sehr verehrten Herren, meine sehr verehrten Damen, am 8. Mai vor 70 Jahren endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Uns Deutschen öffnete das Ende der dunkelsten Phase unserer Geschichte die Tür zu einer beispiellosen Entwicklung.
Die gelungene Demokratisierung Deutschlands, seine Westeinbindung und das Zusammenwachsen Europas waren Voraussetzungen dafür, dass unser Land seinen Weg erfolgreich gehen konnte. Vor 25 Jahren haben wir mit Mauerfall und Wiedervereinigung das glückliche Ende der Teilung unseres Vaterlandes erlebt.
Ein Weiteres kommt hinzu. Wir haben aus unserer Vergangenheit Lehren gezogen. Dazu zählt das Bewusstsein, dass Krieg kein Mittel der Politik ist. In gleicher Weise wissen wir, dass unser Staat wehrhaft sein muss gegen jene, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung stellen. Jeder Einzelne und jede Einzelne davon ist einer oder eine zu viel.
Was vor 70 Jahren galt, gilt heute genauso wie in Zukunft: Frieden und Freiheit müssen gewollt sein und konsequent durchgesetzt werden. Sie sind keine Geschenke des Himmels, sondern Früchte harter Arbeit. Sie sind nur von Dauer, wenn wir uns täglich aktiv darum bemühen.
Es ist aber auch richtig, dass in einer zusammenwachsenden und immer mobiler werdenden Welt Krisensituationen kaum mehr isolierte Ereignisse sind. Deren Folgen sind immer häufiger unmittelbar bei uns zu spüren.
Die Themen Zuwanderung, Migration, Integration und Asyl gewinnen immer stärker an Bedeutung. Die weitaus meisten unter uns sind fast täglich in diesen Diskussionsprozessen eingebunden, und das in einem Land, in dem heute rund 16,5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben. Das ist mehr als ein Fünftel unserer Bevölkerung.
Verehrte Herren und Damen, ich will, dass alle unsere Mitbürger und Mitbürgerinnen, genauso wie die, die neu zu uns kommen, Deutschland und Rheinland-Pfalz als Heimat empfinden, als Land, das für Offenheit, Toleranz und Hilfsbereitschaft in Not steht.
In der Lebensgeschichte von Frau Wermuth-Burak gibt es immer wieder Episoden, in denen sie Hilfe in höchster
Not erfahren hat. Es ist ein Akt der Mitmenschlichkeit, andere nicht alleine zu lassen, sondern sich um die zu kümmern, die Hilfe nötig haben. Es sollte uns allen eine Verpflichtung, eine Selbstverständlichkeit sein.
Vergessen wir nicht: Niemand wird als Flüchtling geboren. Es sind allzu oft entsetzliche Umstände, die die Menschen aus ihrer Heimat treiben.
In der Tat: Wir erleben eine große Hilfsbereitschaft, ein großartiges Engagement von vielen Menschen in unserem Land. Auch das ist etwas, was uns viel Zuversicht geben kann und für das wir sehr, sehr dankbar sind.
Wir erleben in diesen Tagen und Wochen aber auch, dass im Namen eines rückwärtsgewandten Verständnisses von Nation und Kultur die schwarz-rot-goldene Fahne geschwenkt wird, eines Verständnisses, das allzu schnell die Grenze vom Patriotismus zum Chauvinismus zu überschreiten droht.
Schwarz-rot-gold sind die Farben der Demokratiebewegung von 1832, die Farben von Hambach. Hier im Saal hängt ein Original dieser Fahne. Die Farben sind von den Nationalsozialisten verpönt und bekämpft worden, weil diese die Idee von Einigkeit, Recht und Freiheit symbolisieren – und das seit mehr als 180 Jahren.
Heute stehen diese Farben für die Einheit unserer Nation, aber eben auch für das Recht und die Freiheit aller Bürger und Bürgerinnen auf individuelle Entfaltung, sei dies in politisch-weltanschaulicher, religiöser oder anderer Hinsicht.
Deutschland als Einheit in Vielfalt – das ist das Bild eines modernen Staates, einer pluralistischen Gesellschaft. Das ist die Zukunft dieses Landes, an die ich glaube und die es wert ist, sich jeden Tag aufs Neue für sie einzusetzen.
Weit entfernt davon, geradezu unsäglich ist hingegen das Verhalten des Pegida-Gründers. Was wir in der vergangenen Woche mit seiner Maskerade als Hitler erleben mussten, ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Mehr noch: Es ist eine Schande. – Das spüren wir an einem Tag wie heute ganz besonders deutlich.
Die schrecklichen Attentate in Frankreich Anfang des Monats haben auch uns zutiefst betroffen gemacht. Die Menschen haben klug und besonnen reagiert. Ich danke allen Bürgern und Bürgerinnen von ganzem Herzen, die in Rheinland-Pfalz in vielen Städten, an den unterschiedlichsten Orten und auf unterschiedlichste Weise ein Zeichen gesetzt haben, nämlich das Zeichen, dass wir uns nicht von Fanatismus einschüchtern lassen.
Wir stehen für eine tolerante Gesellschaft. Wer hier lebt, soll frei von Angst seine Meinung äußern können, im Privaten und in der Öffentlichkeit und in Wort und Bild.
damit Hass, Gewalt und Intoleranz keine Chance haben, – damit sich die Katastrophe aus NS-Diktatur und Zweitem Weltkrieg niemals wiederholt, – damit von unserer Nation und den Menschen, die sich zu ihr bekennen, Gutes ausgeht, und – damit die Worte von Ruta Wermuth-Burak nicht zu Sandkörnern im Mahlstrom der Zeiten werden, sondern auf Dauer reiche Früchte tragen.
Meine Damen und Herren, ich schließe damit die Sitzung. Ich bedanke mich bei Ihnen allen, unseren Gästen, den Abgeordneten, den Mitgliedern der Landesregierung und den Musikern, die uns einen ganz neuen Ton in den Landtag gebracht haben, der auch zu dieser Veranstaltung gepasst hat. Unser Dank geht ganz besonders an unsere Gastrednerin.
Wir haben die Gelegenheit, in der Lobby noch Gespräche zu führen und etwas zu uns zu nehmen. Herzlichen Dank, dass Sie alle gekommen sind und für die Art und Weise, in der die Veranstaltung stattgefunden hat.